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Nil, der; -[s]:
Fluss in Afrika.
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Nil
der, arabisch Bahr en-Nil [baxr-], größter Strom Afrikas, 6 671 km lang, Einzugsbereich 2,87 Mio. km2. Der Quellfluss Kagera mündet in den Victoriasee, verlässt ihn bei Jinja als Victoria-Nil über die Owenfälle, durchfließt den Kiogasee, durchbricht die östliche Randschwelle des Zentralafrikanischen Grabens in den Fällen von Kabalega und ergießt sich mit einer jährlichen Wassermenge von 20 700 Mio. m3 in den Albertsee. Der Albert-Nil, ab der Grenze Uganda/Sudan Bahr el-Djebel (Bergnil) genannt, erreicht das Sumpfgebiet des Sudd mit einer jährlichen Wassermenge von 26 500 Mio. m3, von der er aber dort durch die hohe Verdunstung über die Hälfte verliert (dies sollte durch den Jongleikanal verhindert werden), sodass der ausfließende Weiße Nil (Bahr el-Abiad) trotz Aufnahme des Bahr el-Ghasal (Gazellenfluss) jährlich nur noch 14 240 Mio. m3 Wasser führt. Nach Zufluss des Sobat steigt der Abfluss wieder auf 25 200 Mio. m3 an. Bei Khartum vereinigt sich der Weiße Nil mit dem aus dem Äthiopischen Hochland kommenden, sedimentreichen Blauen Nil (Bahr el-Asrak; mit jährlich 51 400 Mio. m3 wasserreichster Zufluss). Nach Einmündung des Atbara durchfließt der Nil ohne weiteren Zufluss die letzten 2 700 km als Fremdlingsfluss die Nubische und Arabische Wüste in einem bis 20 km breiten und bis zu 350 m eingetieften Kastental mit insgesamt sechs Stromschnellen (Katarakten). Beim ersten Katarakt (Assuan) ist er durch den Damm »Sadd al-Ali« zum Nassersee gestaut (Überschusswasser wird durch den Tuskakanal abgeleitet). Nördlich von Kairo beginnt das Nildelta (24 000 km2) mit den beiden großen Mündungsarmen Rosette und Damiette, die ins Mittelmeer einmünden.
Der Rhythmus von Steigen und Fallen des Nilwassers bestimmte seit jeher das landwirtschaftliche Jahr. Das jährliche Hochwasser (dessen Einsetzen Nilschwelle genannt wird) resultiert besonders aus den sommerlichen Monsunregen auf dem Äthiopischen Hochland (über den Blauen Nil) und den tropischen Zenitalregen Innerafrikas; es begann im Juni und erreichte Mitte September bis Anfang Oktober den Höchststand. Insgesamt standen Ägypten (bei Assuan) im langjährigen Mittel 88,7 Mio. m3 für Bewässerung zur Verfügung (davon zwei Drittel in den Hochflutmonaten August bis Oktober).
Um Dauerbewässerung und damit mehrmalige Ernten im Jahr zu erreichen, wurden Wehre und Staudämme gebaut. Der erste neuzeitliche Damm entstand 1861 nördlich von Kairo; weitere folgten in Assuan (1902), Sennar (1925), Djebel el-Aulia (Sudan, 1937), Khashm el-Girba im Atbara (1965), Er-Roseires (1966). Besonders durch den 1970 fertig gestellten Sadd al-Ali bei Assuan ergaben sich negative Auswirkungen: Der fruchtbare Nilschlamm, den die alljährliche Nilflut (bis 1964) mit sich brachte und der die überschwemmten Felder düngte, verbleibt zum größten Teil im Nassersee, der dadurch verschlammt und verkrautet; die Verdunstung auf der großen Wasserfläche ist groß. Die Felder müssen durch Kanäle bewässert und künstlich gedüngt werden; die Böden drohen zu versalzen. Durch die Nährstoffverarmung des Nilwassers ist die früher bedeutende Fischerei, v. a. im Mündungsbereich, stark zurückgegangen. Durch das Fehlen des Nachschubs an Sedimenten wird im Mündungsbereich die Landsenkung im nördlichen Nildelta nicht mehr kompensiert; es geht Land verloren.
Seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. wurde die in Schächten gemessene Höhe der Überschwemmung (maßgebend für die Besteuerung der Felder) auf den Inseln Elephantine und Ar-Rauda (zu Kairo) in die Annalen aufgenommen. Zur Ursache der Nilschwelle trugen bereits Thrasyalkes von Thasos (wohl 5. Jahrhundert v. Chr.) und Anaxagoras (✝ 428 v. Chr.) die richtige Hypothese vor.
Die Quellen des Nils zu erreichen, galt in der Antike als unlösbare Aufgabe; es wurde vermutet, dass im Quellgebiet mit Schnee bedeckte Berge (»Montes lunae« des Ptolemäus) und Seen lägen. Die wissenschaftliche Erforschung des Nils und seines Ursprungsgebiets setzte im Zeitalter der Entdeckungen ein. 1770 entdeckte J. Bruce die Quellen des Blauen Nils. 1821/22 drang u. a. Frédéric Cailliaud (* 1787, ✝ 1869) zum Zusammenfluss des Weißen und Blauen Nils vor. Von Ostafrika aus entdeckte J. H. Speke 1858 den Victoriasee und erforschte 1860-63 mit J. A. Grant den Victoria-Nil bis Gondokoro, dort traf Speke mit S. W. Baker zusammen. 1876 erreichte Romolo Gessi (* 1831, ✝ 1881) den Abfluss des Albert-Nils aus dem Albertsee. 1892 stellte O. Baumann den Kagera als Hauptzufluss des Victoriasees und damit indirekt als Hauptquellfluss des Weißen Nils fest. Das Quellgebiet des Nils wurde erst im 20. Jahrhundert eingehend erforscht und kartographiert.
Im alten Ägypten war der Nil wichtigste Verkehrsader, und seine Überschwemmungen brachten Fruchtbarkeit; der Fluss wurde personifiziert und erscheint auf altägyptischen Reliefs als schreitender fülliger Mann mit einer Lotos- oder Papyrusstaude auf dem Haupt und reichen Gaben in den Händen. Nach altägyptischer Vorstellung entsprang der Fluss auf der Insel Elephantine, wo Satet als Göttin des reinen Wassers verehrt wurde. Die griechisch-hellenistische und die römische Epoche stellten den Nil sitzend oder am Boden lagernd dar, mit Schilfstängel und Füllhorn, auf Nilpferd oder Sphinx gestützt (Statue vor dem Senatorenpalast in Rom). Bei einer 1513 gefundenen Kolossalgruppe (Rom, Vatikanische Sammlungen) umspielen 16 Knaben den Flussgott. In der hellenistischen Landschaftsmalerei in Alexandria war die fruchtbare Nillandschaft ein bevorzugtes Motiv (u. a. in Wandbildern aus Pompeji und im Nilmosaik von Palestrina aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. bezeugt).
B. Pierre: Der N. Roman einer Stromlandschaft (a. d. Frz., 1976);
R. O. Collins: The waters of the Nile. Hydropolitics and the Jonglei Canal (Oxford 1990).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Ägypten zur Zeit der Pharaonen
Niltal: Frühe Reife im 4. Jahrtausend
Kultur Altägyptens - Ein Geschenk des Nils
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Nil, der; -[s]: Fluss in Afrika.
Universal-Lexikon. 2012.