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Landschaftsmalerei
Landschaftsmalerei,
 
Gattung der Malerei. Die reine Landschaft findet man in der abendländischen Kunst erst seit der Renaissance. Formelhafte Naturdarstellungen zur Verdeutlichung des Handlungsortes traten bereits in der altorientalischen und ägyptischen Kunst, in der Kunst Kretas (Palast von Knossos, 16. Jahrhundert v. Chr.) sowie Etruriens (Tarquinia, Tomba della Caccia e Pesca; um 520 v. Chr.) auf. Als räumlicher Schauplatz diente die Landschaft erst seit dem Späthellenismus (Fresken mit der Odysseusgeschichte, um 40/30 v. Chr.; Rom, Vatikanische Sammlungen). Bestimmte Einzelformen der illusionistischen Ideallandschaften römisch-pompejanischen Kunst wurden als schematische Versatzstücke in der Kunst der Spätantike, in der byzantinischen Kunst und in der Kunst des Mittelalters weiter verwendet.
 
Bis ins hohe Mittelalter trat Landschaftliches nur fragmentarisch als Ortsangabe oder als Symbol auf; charakteristisch sind der auf einen farbigen Streifen reduzierte Raum der ottonischen Buchmalerei und der Gold- und Rautengrund gotischer Zeit. Seit dem 13. Jahrhundert zeigt sich besonders in profanen Illustrationen eine wachsende Freude an Landschaftsdetails. In der italienischen Malerei gewann im 13. Jahrhundert die Landschaft als Schauplatz neue Bedeutung (Giotto) und kam im 14. Jahrhundert, wenn auch vereinzelt, als eigenständiges Bildthema vor (A. Lorenzetti). Entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Landschaftsmalerei hatte die niederländisch-burgundische Buchmalerei, in der atmosphärische Landschaften in einheitlicher Sicht wiedergegeben sind (Brüder von Limburg). Zu den frühesten Darstellungen einer bestimmten Landschaft gehört die Ansicht des Genfer Sees im Petrusaltar des K. Witz (»Der wunderbare Fischzug«, 1444; Genf, Musée d'Art et d'Histoire). Jedoch erst in den Zeichnungen Leonardo da Vincis und den Aquarellen A. Dürers wurde die Landschaft ohne Staffage zum Studienobjekt. In der Malerei blieb sie weiterhin Schauplatz einer meist biblischen Szene, erhielt jedoch besonderes Gewicht als Träger von Stimmungen und als Sinnbild kosmischer Kräfte. Eines der frühesten reinen Landschaftsbilder nördlich der Alpen schuf A. Altdorfer (»Donaulandschaft mit Schloss Wörth bei Regensburg«, 1520-25; München, Alte Pinakothek). In der venezianischen Malerei wurde eine sympathetische Beziehung Figur-Landschaft rein malerisch durch die Schilderung der Atmosphäre und die durch Farbabstufungen aufgelösten Konturen dargestellt (Giorgione, Tizian). Die weiten »Weltlandschaften« der niederländischen Maler sind unter Anwendung der Farbperspektive in mehrere Zonen hintereinander gestaffelt (J. Patinir, P. Bruegel der Ältere). Um 1600 verband A. Elsheimer diese beiden Möglichkeiten und schuf die harmonische, sich kontinuierlich weitende, lichterfüllte ideale Landschaft, in deren Nachfolge die lyrischen Kompositionen C. Lorrains stehen. N. Poussin entwickelte die bis ins 19. Jahrhundert (J. A. Koch) wirkende heroische Landschaft mit antiken Architekturmotiven und mythologischen Szenen. Zu einer selbstständigen Kunstgattung wurde die Landschaftsmalerei im 17. Jahrhundert in den Niederlanden mit der Spezialisierung auf verschiedenen Themen wie Küsten-, Meer-, Fluss-, Wald- und Winterlandschaften (J. van Goyen, J. van Ruisdael, Rembrandt). Die Landschaftsmalerei des 18. Jahrhunderts gibt neben Stadtansichten v. a. ideale (klassizistische) Landschaften oder idyllische Parklandschaften (A. Watteau) wieder. Die Romantiker suchten das Aufgehen des Menschen in der Natur zu versinnbildlichen (P. O. Runge, C. D. Friedrich). Zur gleichen Zeit entstand in England mit J. Crome und J. Constable eine realistische Landschaftsmalerei, die auf unmittelbarem Naturstudium gründete. Ihrer Zeit weit voraus waren die Landschaftsbilder W. Turners, in denen sich die Gegenstände zunehmend auflösten. Der Einfluss der englischen Landschaftsmalerei reichte in Frankreich von der Schule von Barbizon über G. Courbet bis zu den Impressionisten. P. Cézanne gestaltete die Landschaft in seinen Bildern durch Modulation von Farbtönen. In der Kunst des 20. Jahrhunderts hatte die Landschaft als wesentlichen Bildgegenstand Bedeutung u. a. für die Expressionisten, die Fauvisten, die Vertreter der Neuen Sachlichkeit, der Land-Art und gelegentlich in der zeitgenössischen Malerei und Grafik.
 
In China ist die Landschaft seit der Songzeit das Hauptthema der Malerei. Der chinesische Ausdruck für Landschaft, shanshui (japanisch sansui), »Berg und Wasser«, deutet an, dass beide Elemente in jeder Darstellung, sei es auch nur als Fels oder Nebel, vorhanden sein müssen, um die Landschaft als Sinnbild des Kosmos erscheinen zu lassen. Nach einem Höhepunkt im 8. Jahrhundert (Li Sixun, Wang Wei) setzte eine Weiterentwicklung der Landschaftsmalerei in den um realistische Wiedergabe bemühten monochromen Meisterwerken des 11. und 12. Jahrhunderts (Fan Kuan, Guo Xi, Xu Daoning) ein. An der Akademie der Südlichen Songdynastie bildete sich ein lyrischer Landschaftsstil (Eineckkomposition), wie ihn Ma Yuan und Xia Gui pflegten. In der Yuanzeit war die Blüte der Literatenmalerei, die die Landschaftsmalerei als Ausdruck der Persönlichkeit auffasste und die Handschrift des Künstlers im Spiel der Linienführung betonte (Huang Gongwang, Wu Zhen, Ni Zan, Wang Meng). In der Nachfolge der Literatenmalerei der Yuanzeit sind die Schule Wu (Shen Zhou, Wen Zhengming, Tang Yin) und die Literatenmaler der Qingzeit (Wang Hui) zu nennen. Im 17. Jahrhundert entstand der originelle expressive Stil der »Individualisten« (Bada Shanren, Shitao, Shiqi). Im 18. und 19. Jahrhundert ist die Landschaftsmalerei durch eklektizistische Strömungen gekennzeichnet. Im 20. Jahrhundert setzte man sich mit westlicher Landschaftsmalerei auseinander.
 
In Japan entwickelte sich die Landschaftsmalerei zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert aus der buddhistischen Malerei. Noch im 14. bis 16. Jahrhundert können die Tuschlandschaften der Mönchsmaler im chinesischen Songstil, wie Minchō, Shūbun und Sesshū, als Ausdruck des Zen-Buddhismus gesehen werden. Ab Ende des 16. Jahrhunderts (Momoyamazeit) wurde die Landschaftsmalerei zu einer selbstständigen Kunstrichtung in betont dekorativem Stil. Um 1820 erlangte die Landschaft auch in den Farbholzschnitten des Ukiyo-e Beliebtheit.
 
Literatur:
 
C. G. Carus: Neun Briefe über L., hg. v. K. Gerstenberg (Dresden 21955);
 P. Miquel: Le paysage français au XIXe siècle, 4 Bde. (Maurs-la-Jolie 1975-85);
 M. Sullivan: Chinese landscape painting (Berkeley, Calif., 1980);
 M. Roethlisberger: Im Licht von C. Lorrain. L. aus 3 Jh., Ausst.-Kat. (1983);
 M. Eberle: Individuum u. Landschaft. Zur Entstehung u. Entwicklung der L. (21984);
 S. Mackenna: Über L. (a. d. Engl., 1984);
 L. Harambourg: Dictionnaire des peintres paysagistes français du XIXe siècle (Neuenburg 1985);
 E. Steingräber: Zweitausend Jahre europäische L. (1985);
 B. Eschenburg: Landschaft in der dt. Malerei (1987);
 O. Bätschmann: Entfernung der Natur. L. 1750-1920 (1989);
 
Landschaftsbilder, bearb. v. M. Sauer u. a., Ausst.-Kat. (1989);
 
Von der Natur in der Kunst, hg. v. P. Weiermair, Ausst.-Kat. Messepalast Wien (Wien 1990);
 
Angesichts der Natur. Positionen der Landschaft in Malerei u. Zeichnung zw. 1780 u. 1850, bearb. v. M. Sitt u. B. Baumgärtel, Ausst.-Kat. Kunstmuseum im Ehrenhof, Düsseldorf (1995);
 
Faszination Landschaft. Österr. Landschaftsmaler des 19. Jh. auf Reisen, Ausst.-Kat. Residenzgalerie Salzburg (Salzburg 1995);
 
Barbizon. Natur u. Mensch in der L. Mitte des 19. Jh., bearb. v. A. Czech (1996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
barocke Malerei in Frankreich: Schrecken des Krieges und ideale Landschaften
 

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Lạnd|schafts|ma|le|rei, die <o. Pl.>: das Malen von Landschaften als Kunstgattung.

Universal-Lexikon. 2012.