Kau|ka|si|en; -s:
Gebiet zwischen Schwarzem Meer u. Kaspischem Meer.
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Kaukasi|en,
russisch Kawkạs, die Landbrücke zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer, im Norden begrenzt von der Manytschniederung, im Süden von der Grenze zur Türkei und zu Iran. Politisch gehört Kaukasien zur Russischen Föderation (mit den Teilrepubliken Dagestan, Inguschetien, Kabardino-Balkarien, Karatschaio-Tscherkessien, Nordossetien und Tschetschenien), zu Georgien (mit den Teilrepubliken Abchasien und Adscharien und dem AG Südossetien), zu Aserbaidschan (mit dem von Armenien beanspruchten Gebiet Bergkarabach und mit der Autonomen Republik Nachitschewan) und zu Armenien; Fläche 440 000 km2. Quer durch Kaukasien erstreckt sich der Kaukasus. Nordkaukasien (Ziskaukasien) umfasst die Nordabdachung des Großen Kaukasus und das Kaukasusvorland mit der Stawropoler Höhe, der Kubanniederung und dem Südteil der Kaspischen Senke. Das Kaukasusvorland ist ein Steppen- und Waldsteppen- (bedeutender Ackerbau), im Osten ein Halbwüstengebiet (Weidewirtschaft); gewonnen werden Erdöl und Erdgas (v. a. bei Stawropol).
Transkaukasien erstreckt sich südlich des Hauptkammes des Großen Kaukasus, es umfasst die Südabdachung des Großen Kaukasus, die fruchtbare Niederung der Kolchis und - getrennt durch das Suramigebirge - die Kura-Araks-Niederung, außerdem das Tiefland von Lenkoran, den Kleinen Kaukasus sowie die armenischen und aserbaidschanischen Anteile am Ararathochland, am Tal des mittleren Araks und am Talyschgebirge. Neben den Bodenschätzen, besonders Erdöl auf der Halbinsel Apscheron und in ihrem Küstenbereich, ist auch die Landwirtschaft Transkaukasiens von Bedeutung (subtropische Kulturen).
Durch Kaukasien verlaufen wichtige Erdölleitungen von den Bakufeldern zum Schwarzen Meer. Kaukasien ist eine brisante geopolitische Region im Durchdringungsbereich von Europa, Zentralasien und dem Mittleren Osten. - In Kaukasien leben viele Völker, allein in Dagestan über 30 (Kaukasusvölker).
Fundplätze der Altsteinzeit sind aus Georgien und vom Armenischen Hochland bekannt; sie liegen zum Teil bis über 1 600 m über dem Meeresspiegel (Kudarohöhle in Georgien bei 1 650 m über dem Meeresspiegel, Satani-Dár-Freilandstation am Aragaz-Massiv bei 1 640 m über dem Meeresspiegel). Altpaläolithische Fundplätze der Schwarzmeerküstenregion liegen in der Regel auf der Uferlinie dieser Zeit rd. 100 m über dem heutigen Meeresspiegel, mittelpaläolithische Fundplätze auf einer Uferlinie rd. 30 m höher als heute. Besonders erwähnenswert sind die in der mittelpaläolithischen Freilandstation Ilskaja im Krasnodargebiet gefundenen 2 400 erlegten Wisente.
Die Mittelsteinzeit ist durch mehrere Fundplätze belegt. Überreste von Ackerbausiedlungen aus der Jungsteinzeit finden sich erst aus dem ausgehenden 3. Jahrtausend v. Chr.; zurückzuführen sind sie auf Analogien aus den iranischen und anatolischen Bergregionen. Das Frühstadium des Neolithikums wird als »Kyul-Tepe I-Kultur« oder »ältere Kura-Araxes-Kultur« bezeichnet. Für das jüngere Neolithikum ist eine regionale Aufgliederung kennzeichnend, und zwar in die »jüngere Kura-Araxes-Kultur« Transkaukasiens und des Armenischen Hochlandes, in die Maikop- oder Kubankultur (Kuban) im Nordwesten und in die Dolmenkultur der Schwarzmeerregion. Maikop- und Dolmenkultur erstreckten sich über die Gebiete der kaukasischen Erzlagerstätten (Kupfer, Gold, Silber); sie dauerten bis in die Bronzezeit des 2. Jahrtausends v. Chr. an, ihre Fortsetzung stellt zum einen die »Trialetigruppe« Georgiens dar, zum anderen die Kobankultur der Ziskaukasusregion. Beide füllen zeitlich den jüngeren Teil des 2. Jahrtausends aus. Die Kobankultur dauerte darüber hinaus bis in die frühe Eisenzeit und die skythische Epoche an.
Als natürliche Landbrücke zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer, zwischen Vorderasien und der südrussischen Steppe war Kaukasien von alters her eine umkämpfte Randzone mächtiger Nachbarn (Reich von Urartu, Rom/Byzanz, Persien). Im Altertum kam es in Kaukasien im Westen und Südwesten zur Bildung politischer Einheiten (Georgien, Armenien), die wie die Stämme im Osten und Südosten (Tschetschenen, Osseten, Tscherkessen, Kabardiner) zumeist von anderen Mächten abhängig waren. Das Christentum fand seit dem 3. Jahrhundert im Südwesten und Westen Eingang, wurde aber bei seiner Ausbreitung nach Osten seit dem 8. Jahrhundert vom Islam gehemmt und zurückgedrängt. Im hohen Mittelalter machten christliche Lokaldynastien im Westen (Georgien, Armenien) und islamische im Osten (Dagestan, Schirwan) einander Kaukasien streitig, unterbrochen von den Eroberungszügen der Türken (Seldschuken) und den verheerenden Einfällen der Mongolen und ihrer Nachfolger (Timur). Im 16. und 17. Jahrhundert kämpften das Osmanische Reich und Persien um die Vormachtstellung in Kaukasien Russland, das Astrachan 1556 annektiert und 1774 die große und kleine Kabardei gewonnen hatte, schloss 1783 mit dem König von Georgien einen Schutzvertrag, gliederte 1801 dessen Gebiet und, nach Kriegen gegen Persien (1804-13, 1826-28) und die Türkei, zuletzt im Ersten Weltkrieg, weitere Teile Kaukasiens seinem Reich ein. Die Bergvölker im Hochland leisteten den Russen erbitterten Widerstand (besonders unter Imam Schamil 1834-59, Muridismus).
Nach der Oktoberrevolution 1917 verselbstständigten sich Provinzen und besetzte Gebiete, schlossen sich zu Föderationen zusammen und gründeten unabhängige Republiken. Im Verlauf des russischen Bürgerkrieges (1918-21) setzten sich die Bolschewiki in ganz Kaukasien durch. Nordkaukasien wurde unter Bildung verschiedener »autonomer« Gebiete und Republiken der RSFSR angeschlossen (1921-24 Existenz der ASSR Berg-[russisch Gorskaja-]Republik, 1921 Gründung der Dagestanischen ASSR, beides multiethn. Gebilde); in Südkaukasien bestand 1922-36 die »Transkaukasische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik«, aus der die Sowjetrepubliken Georgien, Armenien und Aserbaidschan hervorgingen (seit 1991 unabhängige Staaten).
Die während des Zweiten Weltkrieges unter dem Vorwand der Kollaboration mit den Deutschen nach Zentralasien zwangsdeportierten Bergvölker (u. a. Karatschaier, Tschetschenen, Inguschen, Balkaren), die in den 50er-Jahren zum Teil in ihre Heimat zurückkehren konnten, verstärkten Ende der 80er-/Anfang der 90er-Jahre ihre Unabhängigkeitsbestrebungen; in diesem Zusammenhang entstand 1991 die »Konföderation kaukasischer Bergvölker«. Es kam sowohl zu Auseinandersetzungen zwischen den Titularnationen der unabhängigen Republiken und ihren ethnischen Minderheiten (u. a. Separationsbestrebungen der Südosseten und Abchasen von Georgien, Kämpfe zwischen Armeniern und Aserbaidschanern [Aseri] um Bergkarabach) als auch zu Spannungen zwischen kleineren kaukasischen Völkern wegen gegenseitiger Gebietsforderungen, die ihre Ursachen zumeist in den Folgen der stalinschen Deportationen der 40er-Jahre haben (z. B. zwischen Inguschen und Nordosseten), sowie zwischen der Zentralregierung der Russischen Föderation und einzelnen kaukasischen Völkern, die sich der russischen Oberhoheit zu entziehen suchen (besonders die Tschetschenen, die 1991 eine unabhängige Republik ausriefen und 1994-97 von einer russischen Militärintervention betroffen waren). Diese verschiedenen lokalen, oft blutigen Konflikte, die überwiegend in der russischen und sowjetischen Nationalitätenpolitik wurzeln, ließen Kaukasien zu einer Krisenregion werden.
H. Müller-Karpe: Hb. der Vorgesch., 9 Bde. (1966-80);
T. Sulimirski: Prehistoric Russia (London 1970);
W. Bihl: Die Kaukasus-Politik der Mittelmächte, 2 Tle. (1975-92);
V. F. Minorsky: The Turks, Iran and the Caucasus in the Middle Ages (London 1978);
Der Kaukasus in der dt. wiss. Lit., hg. v. B. Brentjes (Halle/Saale 1982);
B. Pietzonka: Ethn.-territoriale Konflikte in K. (1995).
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Kau|ka|si|en; -s: Gebiet zwischen Schwarzem Meer u. Kaspischem Meer.
Universal-Lexikon. 2012.