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Angkor Vat
I
Ạngkor Vat,
 
größter und schönster Tempelkomplex im klassischen Khmerstil, erbaut unter Suryavarman II. (1113-50) im Südosten des alten Yashodharapura (Angkor); ursprünglich Vishnu geweiht, durch Jayavarman VII. (1181-1219) zum buddhistischen Tempel umgewandelt. Der nach Westen orientierte Tempel bildet den Mittelpunkt des heiligen Bezirks von 1 500 m × 1 300 m, der von einem 200 m breiten Wassergraben umgeben ist. Über eine Plattform führt von Westen her ein von einer Balustrade mit Schlangen (Naga) gesäumter Weg zum Hauptportal der Umfassungsmauer und weiter ein Fliesenweg von 350 m Länge zum dreistufigen Tempel. Das Zentrum der Anlage wird aus fünf Schreinen mit hohen, steil ansteigenden Gopurams (Torbauten mit Türmen) gebildet und ist von zwei offenen Pfeilergalerien mit Eckschreinen und Toren umgeben. Das Ganze symbolisiert den Kosmos mit seinen Kontinenten und Ozeanen, die um den Meru gruppiert sind. Die fein ausgearbeiteten Relieffriese zeigen Szenen aus den indischen Epen Mahabharata und Ramayana, Hindugottheiten, Devatas und Apsaras, Szenen vom jüngsten Gericht sowie Suryavarman II. mit seinem Hofstaat und an der Spitze seines Heeres. Vermutlich war der Angkor Vat auch als dessen Grabtempel gedacht. - Dieser wie auch andere Tempelkomplexe von Angkor wurden in den Kriegswirren 1970-78 sowie infolge anschließender Plünderungen durch Kunsträuber stark zerstört. Sicherung und Restaurierung erfolgt mit Unterstützung der UNESCO.
II
Angkor Vat
 
»Von Göttern für Götter erbaut« - kein Geringerer als Vishvakarman, der himmlische Architekt und Bruder Shivas, soll Angkor Vat errichtet haben. Aber auch Suryavarman II. - sein Name bedeutet »Schützling des Sonnengottes« -, sein eigentlicher Erbauer, der von 1113 bis 1150 n. Chr. regierte, war selbst ein Gott, ein Devaraja (= Gottkönig), identifiziert mit Vishnu. Und Divakara, der Hauptpriester und Ratgeber Suryavarmans II. wurde als erster Brahmane Kambodschas bereits zu seinen Lebzeiten vergöttlicht; er war maßgeblich am Bau von Angkor Vat und an der Etablierung des Vishnuraja, des Vishnu-Königs, beteiligt.
 
Angkor Vat war dem Gott Vishnu geweiht. Doch war dies nicht der alte Gott Vishnu oder eine seiner zahlreichen Inkarnationen, sondern Suryavarman II. als Vishnu. Eine Statue, die den Herrscher als diesen Gott zeigte, befand sich wahrscheinlich einst im Tempel, und zwei Basrelief-Darstellungen zeigen Suryavarman II.; die Inschriften zu diesen Reliefs bezeichnen ihn mit seinem postumen Namen Paramavishnuloka. Angkor Vat war also ebenso Nationalheiligtum wie der persönliche Tempel Suryavarmans II. Es war Palast, denn als Gott lebte der König in einem Palast aus Stein, während er als Mensch in einem Palast aus vergänglichen Materialien wohnte. Und Angkor Vat war schließlich auch Mausoleum, in dem die sterblichen Überreste oder die Asche Suryavarmans II. beigesetzt wurden.
 
Sowohl architektonisch und künstlerisch wie auch in der Beherrschung der verwendeten Materialien stellt Angkor Vat den Höhepunkt und die Vollendung der mehr als ein halbes Jahrtausend dauernden Entwicklung der Baukunst der Khmer dar. Wir finden in Angkor Vat alle die Architekturelemente, die auch bereits in früheren Bauwerken auftraten: das Prasat (Turmheiligtum mit meist quadratischem Grundriss und dem stufig sich nach oben verjüngendem Dachaufsatz), Ecktürme, die Gopuras (Torbauten), konzentrische Einfassungen, Galerien (weiterentwickelt zu Kreuzgalerien), falsche Gewölbe (Kraggewölbe). Kombiniert in einer unglaublichen Fülle und auf einer Stufenpyramide errichtet, ergeben diese Elemente den Tempelberg, den Stein gewordenen mythischen Weltenberg Meru.
 
Das Material, aus dem Angkor Vat errichtet wurde, ist Sandstein aus den Steinbrüchen bei Kulen, etwa 40 Kilometer nördlich von Angkor. Die Steinblöcke wurden ohne Bindemittel aufeinander geschichtet. Die Steine wurden dabei so gut bearbeitet, dass sie sich exakt aneinander fügten. Auch Holz und anderes vergängliches Material war ursprünglich Bestandteil des Bauwerks. Nur noch die Steinsockel sind jedoch erhalten. Es erscheint beinahe unglaublich, dass dieses gewaltige Bauwerk in einer relativ kurzen Zeit errichtet wurde: In etwas über 30 Jahren wurde Angkor Vat in seiner ganzen Perfektion geschaffen. Zieht man die technischen Möglichkeiten der damaligen Zeit in Betracht, erhält man einen Eindruck von der ungeheuren Leistung, die diese Menschen vollbracht haben.
 
Eine strenge Symmetrie beherrscht die Anlage des Tempels. Zu beiden Seiten der von West nach Ost verlaufenden Hauptachse wiederholen sich die Elemente. Eine genau in der Mitte die erste Achse im rechten Winkel schneidende zweite Achse ergibt vier gleiche Viertel. In der Mitte der konzentrischen Umfassungsmauern befindet sich die dreistufige Pyramide mit den fünf Türmen in Quincunx-Anordnung. Einfache geometrische Strukturen - Quadrat, Kreis, Dreieck - bestimmen den Plan des Tempels. Alle wichtigen Elemente des Heiligtums, Türme, Gopura, Plattformen, Galerien, liegen an Punkten, an denen sich geometrische Linien schneiden, oder verbinden solche Punkte.
 
Die Baumeister haben die Geometrie des Raumes perfekt beherrscht. Die Strecke zwischen dem Haupteingang und dem Tempel beträgt beinahe genau die doppelte Länge der Westfassade, exakt ausreichend, um das Bauwerk in seiner ganzen Weite überschauen zu können. Einer perspektivischen Verzerrung entgegen wirkt auch, dass jede Stufe der Pyramide höher als die darunterliegende und etwas nach Osten, also weg vom Haupteingang, zurückversetzt ist. Dadurch scheint die Tempelpyramide gleichmäßig in die Höhe zu wachsen, und die Anlage kippt optisch nicht dem Betrachter entgegen.
 
Der Tempelbereich ist umgeben von einem 200 m breiten Graben mit einer äußeren Länge von 1300 x 1500 m. Von der umschlossenen Fläche beanspruchen die Sakralbauten einschließlich der Wasserbecken, Straßen und Nebengebäude nur etwa ein Zehntel; Freiräume gehörten also ebenso zum architektonischen Konzept der Khmer wie die Bauten.
 
Der Haupteingang Angkor Vats befindet sich im Westen, ungewöhnlich für ein Khmer-Heiligtum, die im Allgemeinen nach Osten orientiert sind. Erklärt wird dies häufig damit, dass Angkor Vat ein Grabmal gewesen und deshalb entgegengesetzt angelegt worden sei. Das Heiligtum war sicher auch Grabmal, aber bestimmt mehr als nur dies; es war ebenso Darstellung des himmlischen Palastes des Gottkönigs, Symbol des Berges Meru und des Universums sowie Zentrum des Reiches der Khmer. Wäre außerdem der Tempel nach Osten ausgerichtet gewesen, wäre sein Haupteingang der Stadtmauer von Yashodharapura, dem alten Angkor, zugewendet gewesen. Das Heiligtum hätte also der Stadt »den Rücken zugekehrt«, was den aus Indien übernommenen Vorschriften für sakrale Anlagen widersprochen hätte.
 
Vom Westen her erreicht man den Tempel über eine 250 m lange und 12 m breite gepflasterte Dammstraße, die man über eine kreuzförmige erhöhte Plattform betritt und die am Hauptportal in der ersten Umfassungsmauer endet. Die gesamte Dammstraße ist von Naga-Balustraden gesäumt. Die Köpfe dieser Nagas, das sind Mischwesen aus Mensch und Schlange mit mehrköpfiger Kobrahaube, erreichen eine Höhe von etwa 4 m und gehören damit zu den größten der Khmer-Architektur.
 
Das vollkommen symmetrisch angelegte Hauptportal mit dem Gopura war einst eine verkleinerte Wiedergabe der Westfassade des Tempels. Heute sind die drei Türme dieses Portals beinahe völlig zerstört. Der ursprüngliche Eindruck muss überwältigend gewesen sein. Näherte man sich dem Tempel auf der Dammstraße, erblickte man zuerst das Hauptportal, das aus dieser Entfernung das eigentliche Heiligtum überragte. Erst wenn das Tor durchschritten war, öffnete sich dem Betrachter der ungehinderte Blick auf den Tempelberg mit den fünf Türmen, da die Galerien dieses Portals nach innen zu geschlossen waren.
 
Über eine weitere, 350 m lange, etwa 10 m breite und 1,60 m über den Grund erhöhte Straße erreicht man eine zweite, niedrige Einfassung, die eine gegenüber der ersten Einfassung um 2 m erhöhte Terrasse einschließt, in deren Mitte sich das Heiligtum erhebt. Auch diese Straße ist von Naga-Balustraden gesäumt. Sechs Treppen führen auf jeder Seite von diesem Weg nach unten. Etwa auf halber Strecke zwischen dem Haupteingang und dem Heiligtum finden sich auf beiden Seiten zwei Bibliotheksgebäude, die hier beträchtliche Ausmaße aufweisen. Es folgt auf jeder Seite je ein rechteckiges Wasserbecken (65 x 50 m). Über eine kreuzförmige Terrasse in zwei Stufen in der Achse der Straße gelangt man auf die erste Plattform. Löwen bewachten den Zugang zu den Treppen, und Naga-Balustraden säumten den oberen Rand.
 
Die erste, 3,5 m über der zweiten Terrasse liegende Tempelplattform ist umgeben von einer gewaltigen (187 x 215 m) überdeckten Galerie, die nach außen offen und nach innen geschlossen ist. Die Wände der Galerie sind bedeckt mit Basreliefs, die sich in über 800 m Länge um das gesamte Heiligtum ziehen - die größte zusammenhängende Relieffläche der Welt. Zwei weitere, kleinere Bibliotheken belegen die nordwestliche und die südwestliche Ecke dieser Plattform.
 
Ein riesiges, aufgrund seiner kreuzförmigen Anlage häufig als »Kreuzgang« bezeichnetes überdecktes Galeriesystem verbindet den Aufgang zur ersten Plattform mit der Galerie der zweiten Plattform. Dieser Kreuzgang gehört zu den Höhepunkten der Khmer-Architektur. Vom Haupteingang und den beiden Nebeneingängen der ersten Plattform führt je eine Pfeilergalerie zu den drei Gopuras der zweiten Plattform; die äußeren beiden dieser Galerien werden nach außen hin durch eine fensterlose Mauer abgeschlossen. Eine weitere Pfeilergalerie verbindet diese Gänge, sodass ein kreuzförmiges Gangsystem mit vier offenen Innenhöfen entsteht, in die Treppen hinabführen. Erstmals tritt in diesem Kreuzgang ein Kraggewölbe aus Sandstein auf, das, getragen von vier Pfeilerreihen, die für die damalige Zeit ungewöhnliche Breite von 7,7 m erreicht. Auch diese Galerien sind ornamentiert durch Reliefdarstellungen, meist Apsaras und Devatas, himmlischen Tänzerinnen und Göttinnen.
 
Analog zur ersten Plattform ist die zweite, 7 m höhere Ebene angelegt. Die umgebende Galerie (100 x 115 m) besaß an jeder Ecke einen Turm. Ihre Wände waren verziert mit falschen Fenstern und Reliefdarstellungen von Devatas, an denen vor allem die ungewöhnlichen und komplizierten Frisuren auffallen. Links und rechts des Eingangs finden sich zwei, wieder kleinere, Bibliotheken, die untereinander und mit dem Eingang durch einen von Pfeilern gestützten Weg verbunden sind, sodass sich wiederum die Form eines Kreuzes, hier jedoch nicht überdacht, zeigt. Es wird vermutet, dass in der 2,5 m breiten Galerie kleine Zellen eingebaut waren, in die sich die Priester zu bestimmten Gelegenheiten zurückzogen.
 
Wir finden in der Anlage dieses Heiligtums eine strenge Analogie. Jede Ebene wiederholt und nimmt neu auf die baulichen Strukturen der vorangegangenen Bezug. Die Analogie geht dabei so weit, dass man sogar die Bibliotheken, wenngleich in immer kleinerem Maßstab, auf jeder Ebene wiederholt.
 
Zwölf steile Treppen führen an den Seiten und Ecken von der zweiten Plattform hinauf auf die 13 m darüber liegende dritte Ebene, auf der sich in Quincunx-Anordnung die fünf gut erhaltenen, großen Tempeltürme erheben. Die umlaufende Galerie nach außen durch Fenster, nach innen durch Pfeilerreihen geöffnet. Auch hier finden wir einen Aufbau analog dem des Kreuzgangs: Von der Mitte jeder Seite verläuft ein überdachter Gang zum Zentrum, sodass ebenfalls wieder vier Innenhöfe entstehen. Diese werden hier jedoch überschattet von den vier mächtigen, tiaraförmigen Türmen an den Ecken und dem gewaltigen Hauptturm in der Mitte, der, seinerseits auf einem erhöhten Sockel fußend, zu einer Höhe von 65 m aufragt und in einer Lotosknospe endet. Ein zerbrochenes Fundament auf dem Sockel des Hauptturmes weist darauf hin, dass sich hier zweifellos einst eine große Statue des Gottes befunden hat, die jedoch nicht gefunden wurde. Wahrscheinlich war es eine Darstellung Suryavarmans II. als Vishnu.
 
Die Ornamentik ist der architektonischen Vollkommenheit ebenbürtig. Selbst in versteckten Nischen und unzugänglichen Winkeln wurde die Arbeit mit der gleichen Qualität ausgeführt, ein Hinweis darauf, dass dieses Heiligtum nicht für die Menschen, die in ihrer Mehrzahl sowieso keinen Zutritt dazu hatten, erbaut wurde, sondern für die Götter. Die Ornamentik ordnet sich fast überall der Gesamtkomposition unter. Sie schmückt, lenkt aber nicht ab oder stört gar den Gesamteindruck dieses Bauwerks. Zu dieser Wirkung trägt bei, dass sich das Dekor fast ausschließlich auf Reliefs beschränkt. Rundplastiken sind eher selten und beschränken sich fast ausschließlich auf die Naga(köpfe) und die hoch stilisierten Löwendarstellungen, die alle Treppenaufgänge flankierten; 300 von ihnen soll es in Angkor Vat gegeben haben.
 
Der Ruhm Angkor Vats gründet sich außer auf die architektonische Perfektion vor allem auf die überreichlich vorhandenen und in seltener Feinheit herausgearbeiteten Reliefdarstellungen, die zu den bedeutendsten plastischen Schöpfungen der Menschheit gezählt werden dürfen. Florale Motive, Blumen, Ranken, Blätter, überziehen Pfeiler, Mauerleisten und Paneele - so fein gemeißelt, dass sie wie ein Stoffvorhang erscheinen. Giebelfelder, Türpfosten und Stürze zeigen eine Unmenge von kleinen Figuren aus der Legende und der Mythologie. Über den ganzen Tempel verteilt, allein oder in Gruppen, lächeln unergründlich von den Wänden Devatas, Göttinnen, und Apsaras, jene himmlischen Tänzerinnen, die den Gottheiten die Freuden des Paradieses bereiten sollen. Sie sind nackt bis zur Hüfte dargestellt, bekleidet nur mit einem langen Rock, und tragen fantasievolle Frisuren. Fast 2000 von ihnen gibt es in Angkor Vat, und keine soll einer anderen genau gleichen.
 
Besondere Aufmerksamkeit sowohl bei Wissenschaftlern als auch bei Kunstliebhabern haben jedoch die zusammenhängenden Reliefdarstellungen an der Galeriewand der ersten Ebene hervorgerufen. Mehr als 2000 Quadratmeter Basreliefs bieten sich dort leicht zugänglich dem Betrachter dar. Obwohl die einzelnen Paneele aus unterschiedlichen Zeiten und von verschiedenen Künstlern stammen, ist ihre Qualität durchgängig hervorragend. Trotz der Flachheit des Reliefs, das im Übrigen an manchen Stellen in den Hintergrund eingeschnitten ist, um bestimmte Details besonders hervorzuheben, lässt die ausgezeichnete Lichtführung jede Szene deutlich hervortreten. Die Szenen gehen ineinander über; jedes Paneel ist über seine gesamte Länge durchkomponiert. Die Breite der Galerie, das heißt der Raum, den man zurücktreten kann, bestimmt die Szene. Kein Rahmen isoliert einzelne Episoden. Wie bereits angedeutet, verläuft die Reihenfolge der Darstellungen entgegen dem Uhrzeigersinn. Man schreitet so an ihnen entlang, dass man sie auf der linken Seite hat. Es überwiegen vishnuitische Themen.
 
Rechts neben dem Eingang befindet sich zunächst die Darstellung von Episoden aus dem großen indischen Epos »Mahabharata«, darunter zum Beispiel die Schlacht von Kurukshetra. Das sich auf der Südseite anschließende Paneel erzählt von den Taten Suryavarmans II. Man sieht den Herrscher auf einem Berg, von dem aus er seine Befehle erlässt, und, begleitet von einer Eskorte, auf einem Elefanten, auf dem er an einer Truppenparade teilnimmt. Einige der dargestellten Personen konnten sogar identifiziert werden.
 
Der nächste Abschnitt auf der Südseite zeigt den Himmel und die Hölle nach der indischen Kosmologie. Die Verstorbenen werden von Yama, dem Herrscher der Unterwelt, gerichtet und den Qualen der Hölle bezeihungsweise den Freuden des Himmels übereignet. Das erste Paneel auf der Ostseite stellt die berühmte Quirlung des Milchozeans dar.
 
Die nächsten drei Paneele sind Darstellungen aus der Genealogie Vishnus gewidmet. Sie folgen den Epen »Mahabharata« (mit seinem Anhang »Harivamsha«) und »Ramayana«: Vishnu als Erhalter der hinduistischen Trinität auf dem Garuda, seinem Reittier und König der Vögel, Vishnu in seiner Inkarnationen (Avatara) als Krishna, in der er erscheint, um die tyrannische Herrschaft des feindlichen Königs Kamsa zu beenden, und die Schlacht um Lanka, die Vishnu in seiner Inkarnation als Rama führt, um seine geraubte Gattin Sita zurückzuerlangen.
 
Angkor Vat ist, wie die anderen Khmer-Tempel auch, in seiner Gesamtheit ein genaues Abbild des hinduistischen Kosmos in menschlichen Maßstäben. Die Naga-Balustraden symbolisieren (unter anderem) den Regenbogen. Und über den Regenbogen gelangt man von der Welt der Menschen in den Götterhimmel. Die fünf Türme des Tempels stellen die fünf Gipfel des Weltberges Meru dar. Er bildet das kosmische Zentrum der Welt, die durch eine Mauer begrenzt ist, auf deren anderer Seite sich der Ozean erstreckt. Auf seinem Gipfel liegt das Reich der Götter. Hält man sich dies vor Augen, erkennt man, dass die Reliefdarstellungen von Apsaras und Devatas dazu dienten, das Bauwerk zu einem himmlischen Palast zu machen. Das Gleiche gilt für die dargestellten mythischen Szenen. In ihnen und durch sie wurde die Welt der Götter auf der Erde materialisiert. In der Form des Mikrokosmos wiederholte das Heiligtum die Struktur des Makrokosmos. Im Tempelberg war eine Einheit von Raum und Zeit verwirklicht. Die sonst unerreichbare Welt der Götter war auf der Erde dargestellt, mythische Zeiträume und Ereignisse wurden in der Gegenwart wiederholt. Umgekehrt gilt ebenso, dass dieser Mikrokosmos notwendig war zum Erhalt des Makrokosmos. Nur wenn hier alles an seinem richtigen Platz war, wenn alle Riten exakt ausgeführt wurden, herrschte auch im Kosmos Harmonie. Der Gottkönig und die Oberpriester hatten darüber zu wachen.
 
Dr. Xaver Götzfried

Universal-Lexikon. 2012.