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Mogulreich
I
Mogulreich
 
Zum Begründer der Dynastie, die in der frühen Neuzeit große Teile Indiens zu einem gewaltigen Reich zusammenschließen sollte, wurde Babur (arabisch Sahir Ad Din Muhammad, 1483-1530), ein ursprünglich mit relativ wenig Macht ausgestatteter türkisch-muslimischer Nachfahre Timurlengs und Dschingis Khans, den die Usbeken trotz seiner Unterstützung durch die Perser aus Samarkand vertrieben hatten. Er wandte sich nach Osten, eroberte Afghanistan und vernichtete 1526 durch die taktische Verbindung von beweglicher Feldartillerie, Büchsenschützen und leichter Reiterei das ihm an Zahl haushoch überlegene Heer des Sultans von Delhi.
 
Zunächst war das Reich der Moguln auf Afghanistan und das Ganges-Tiefland beschränkt. Erst der Enkel Baburs, Akbar (Dschalal Ad Din Muhammad, 1542-1605), weitete die Herrschaft der Großmoguln auch auf den Süden des Subkontinents aus und schuf ein stabiles Verwaltungssystem. Ihm gelang vor allem die Unterwerfung der hinduistischen Radschputen-Kriegsfürsten, ohne ihren Übertritt zum Islam zu verlangen. Die angestrebte Versöhnung zwischen Muslimen und Hindus fand ihren Ausdruck in seiner Heirat mit einer Tochter eines jener Hindufürsten. Außerdem schaffte er die Kopfsteuer ab, die von islamischen Herrschern von den Ungläubigen verlangt wurde, und ersetzte sie durch eine Grundsteuer, die durch eine Landvermessung und statistische Erhebungen ermittelt wurde. Die Voraussetzung für das funktionierende Steuersystem des Großreiches war ein ständiger Zufluss von Silber aus dem Westen durch den sich ausweitenden Handel der Europäer mit Asien.
 
Akbars gut funktionierende Bürokratie hat dazu geführt, dass man seine Herrschaft aus europäischer Perspektive als eine Form absolutistischer Monarchie bezeichnet hat. Außerdem versuchte er, die Mogulherrschaft durch einen religiösen, aber über den Religionen stehenden Herrscherkult zu legitimieren, der durch Toleranz gegenüber den Hindus zur Versöhnung der verschiedenen Religionen seines Reiches beitragen sollte.
 
Ein besonderes Element der Mogulherrschaft war im Bereich des Hofes die Verbindung persischer und indischer Kultur. Ein Ausdruck jener kulturellen Hochblüte ist das Tadj Mahal bei Agra, das Grabmal der Frau des Großmoguls Schah Jahan (1628-58).
 
Der Niedergang des Mogulreiches wurde weniger durch die europäischen Kolonialmächte (Portugal, Niederlande, Frankreich und England) verursacht, sondern durch eine ungesicherte Erbfolge, innere Kämpfe, das Wiederaufleben religiöser Streitigkeiten, regionale Widerstände und eine allgemeine Verkrustung des Herrschaftssystems. Im 18. Jahrhundert war der Verfall des Mogulreichs so weit fortgeschritten, dass der Perser Nadir Schah 1739 Delhi erobern konnte. Er erbeutete alle Schätze des Mogul, darunter auch den Pfauenthron, der später allerdings verloren ging.
II
Mogulreich,
 
Reich der Moguln in Indien, gegründet von Babur, der von Afghanistan aus Nordindien vom Pandschab bis an die Grenze von Bengalen (1526, Schlacht bei Panipat) eroberte. Sein Sohn Humayun konnte das Erbe nicht halten und musste nach Persien fliehen, eroberte aber Delhi und Agra. Erst sein Sohn Akbar (1556-1605) war der eigentliche Begründer des Mogulreichs. Akbars Reich erstreckte sich bei seiner größten Ausdehnung von Ahmadnagar auf dem Dekhan bis nach Kaschmir und umfasste Belutschistan und Teile von Afghanistan; er strebte die Versöhnung mit den Hindus an. Sein Enkel Shah Jahan (1628-58), Bauherr des Taj Mahal, brachte das Reich durch übermäßige Bautätigkeit und fehlgeschlagene Kriegszüge an den Rand des Zusammenbruchs. In den Nachfolgekämpfen zwischen seinen Söhnen siegte der strenggläubige Aurangseb (1658-1707). Unter dessen Regierung wurden Hindus von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, Schulen und Tempel zerstört und die von Akbar abgeschaffte Ungläubigensteuer wieder eingeführt. Er bekämpfte die Sikhs und ließ ihren Führer hinrichten. Diese Politik forderte den offenen Widerstand der Rajputen, Jats und Sikhs im Norden und der Marathen im Süden heraus. Zwar erreichte unter Aurangsebs Herrschaft das Reich durch Annexion von Bijapur und Golconda seine größte Ausdehnung, aber nach seinem Tod zerfiel es rasch. Einzelne Teile machten sich unter Gouverneuren und Abenteurern selbstständig (Hyderabad, Oudh, Bengalen). Die Kriegszüge der Marathen, die Einfälle der Perser und Afghanen und schließlich das Eingreifen der Briten besiegelten das Schicksal des Mogulreichs. Seit 1803 waren die Moguln nur noch Titularkaiser und Pensionäre der Briten; der letzte war Bahadur Schah II. (1837-57/58).
 
Literatur:
 
H.-G. Behr: Die Moguln (Neuausg. 1982);
 B. Gascoigne: Die Großmoguln (a. d. Engl., Neuausg. 1987).

Universal-Lexikon. 2012.