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Nie|der|lan|de <Pl.>:
Staat in Westeuropa.
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Niederlande,
Fläche: 41 526 km2
Einwohner: (2000) 15,864 Mio. Einwohner
Hauptstadt: Amsterdam
Regierungssitz: Den Haag
Amtssprache: Niederländisch
Nationalfeiertag: 30. 4.
Zeitzone: MEZ
niederländisch Nederland [-lɑnt], amtlich niederländisch Koninkrijk der Nederlanden ['koːnɪȖkrɛi̯k dər 'neːdərlɑndə], deutsch Königreich der Niederlande, Staat in Westeuropa, grenzt im Westen und Norden an die Nordsee, im Osten an Deutschland, im Süden an Belgien; mit 41 526 km2 halb so groß wie Österreich, die Landfläche umfasst nur 33 889 km2; (2000) 15,864 Mio. Einwohner; Hauptstadt ist Amsterdam, Regierungssitz ist Den Haag. Die Amtssprache ist Niederländisch. Währung: 1 Euro (EUR, ) = 100 Cents. Zeitzone: MEZ. Zum Hoheitsgebiet gehören die Niederländischen Antillen einschließlich der Insel Aruba.
Staat und Recht:
Gemäß der am 17. 2. 1983 in Kraft getretene Verfassung sind die Niederlande eine konstitutionelle Monarchie mit parlamentarisch-demokratischem Regierungssystem Die Königswürde ist erblich im Hause Oranien-Nassau (seit 1983 verfassungsrechtliche Verankerung der weiblichen Thronfolge). Der Monarch fungiert als Staatsoberhaupt und ist formell Inhaber exekutiver und legislativer Befugnisse. Tatsächlich liegt die vollziehende Gewalt auf gesamtstaatlicher Ebene bei dem vom Vertrauen des Parlaments abhängigen Ministerrat unter Vorsitz des Ministerpräsidenten. Zur Bildung einer Regierung beruft der Monarch nach Beratungen mit den Fraktionsführern einen »Formateur« (bei besonders schwierigen Verhandlungen zunächst einen »Informateur«). Die Ernennung und Entlassung des Ministerpräsidenten und der Minister obliegt dem Monarchen; mit der Annahme ihrer Ernennung sind diese dem Parlament verantwortlich. Dem Zweikammerparlament, den Generalstaaten (Staten-Generaal), kommen v. a. die Aufgaben der Legislative zu; das Übergewicht liegt bei der Zweiten Kammer (Initiativ- und Änderungsrecht). Alle Gesetze bedürfen der Zustimmung beider Kammern. Die Erste Kammer (75 Abgeordnete) wird von den Provinzialstaaten (Provinzialparlamente) gewählt; die 150 Mitglieder der Zweiten Kammer werden vom Volk nach dem Verhältniswahlsystem gewählt. Die Wahlperiode beider Kammern beträgt vier Jahre. Das aktive und das passive Wahlalter liegen bei 18 Jahren. Jede der beiden Kammern kann durch königlichen Erlass (mit ministerieller Gegenzeichnung) aufgelöst werden. Gesetze werden von der Regierung und den Generalstaaten gemeinsam erlassen; Gesetzesvorlagen können vom Monarchen und von der Zweiten Kammer eingebracht werden. Beratungsorgan der Regierung und des Parlaments bei allen Gesetzesvorlagen und völkerrechtlichen Verträgen sowie Oberstes Verwaltungsgericht ist der unter Vorsitz des Monarchen tagende Staatsrat (maximal 28 durch königlichen Erlass auf Lebenszeit berufene Mitglieder).
Parteien:
Einflussreichste Parteien sind die der Christlich-Demokratischen Appell (Christen Democratisch Appel, CDA; gegründet 1980), die liberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (Volkspartij voor Vrijheid en Democratie, VVD; gegründet 1948), die »Liste Pim Fortuyn« (LPF), die Partei der Arbeit (Partij van de Arbeid, PvdA; gegründet 1946 als Nachfolgeorganisation der Sozial-Demokratischen Arbeiterpartei), die Democraten '66 (D '66; gegründet 1966 als Partei links von der Mitte) und die Partei Grün Links (Groen Links), die 1991 durch Zusammenschluss verschiedener Linksparteien, u. a. der Pacifistisch Socialistischen Partij (PSP, gegründet 1957), der Communistischen Partij van Nederland (CNP, gegründet 1918), der Evangelischen Volkspartij (EVP; gegründet 1978), entstanden war.
Ein Charakteristikum der in den 1860er-Jahren entstandenen Gewerkschaften ist ihre Zersplitterung in Richtungs- und Standesgewerkschaften. Das gilt auch nach dem 1976 erfolgten Zusammenschluss des sozialdemokratisch orientierten Nederlands Verbond van Vakvereeningen (NVV) mit dem katholischen Nederlands Katholieke Vakverbond (NKV) zur zunächst weltanschaulich pluralistisch orientierten Federatie Nederlandse Vakbeweging (FNV). Die FNV ist mit rd. 1,2 Mio. Mitgliedern in 17 Einzelgewerkschaften die größte Dachorganisation. Neben der FNV, die programmatisch der Partei der Arbeit nahe steht und dem IBFG und dem EGB angeschlossen ist, sind der interkonfessionelle, jedoch überwiegend protestantische Christelijk Nationaal Vakverbond (CNV; 17 Einzelgewerkschaften mit rd. 350 000 Mitgliedern) und die Gewerkschaftszentrale für mittleres und höheres Personal (VHP; rd. 30 000 Mitglieder) bedeutend.
Das Wappen (seit 1815) zeigt in einem mit goldenen Schindeln bestreuten blauen Schild einen gekrönten goldenen Löwen (Wappen von Nassau). Dieser hält in der rechten Pranke ein »Römisches« Schwert, in der linken sieben Pfeile, Beizeichen des Löwen im Wappen der ehemaligen Generalstaaten. Im großen Wappen wird der Schild, über dem sich die niederländische Königskrone befindet, von zwei Löwen gehalten. Das Schriftband unter dem Schild trägt dort die Devise »Je maintiendrai« (französisch »Ich werde standhalten«).
Nationalfeiertage:
Nationalfeiertag ist im Allgemeinen der Geburtstag des jeweils regierenden Monarchen, gegenwärtig der 30. 4. (Geburtstag der 1980 zugunsten ihrer Tochter Beatrix abgedankten Königin Juliana).
Die Niederlande (europäisches Gebiet) sind in 12 Provinzen gegliedert; ihre administrativen Organe sind die vom Monarchen ernannten Kommissare, die aus allgemeinen Wahlen hervorgehenden Provinzialstaaten und die von ihnen gewählte Provinzexekutive (Deputiertenstaaten). Die Provinzen genießen im Rahmen der Verfassung Selbstverwaltungsrecht für die ihnen übertragenen Aufgaben. Auf kommunaler Ebene (633 Gemeinden) existieren - analog zur Provinz-Verwaltung - kommunale Räte und Exekutiven (Magistrate); die Bürgermeister als Vorsitzende der Gemeinderäte und Magistrate werden von der Krone auf sechs Jahre ernannt.
Das R. ist heute kaum noch durch die einstige Übernahme der napoleonischen Gesetzbücher geprägt, sondern bildet - auch unter Aufnahme deutscher und englischer Einflüsse - eine eigenständige europäische Rechtsordnung. Das sich seit 1948 in Ausarbeitung befindliche neue Bürgerliche Gesetzbuch (Burgerlijk Wetboek) ist inzwischen weithin fertig gestellt und umfasst acht Bücher. Das Internationale Privatrecht ist durch zahlreiche Einzelgesetze geregelt worden. Reformiert wurde das Verwaltungsrecht, ein Gesetz über allgemeine Regeln des Verwaltungsverfahrens ist 1992 erlassen worden. Das StGB stammt von 1886, die StPO von 1926, doch sind beide Gesetzbücher verschiedentlich geändert worden. - Der mehrstufige Gerichtsaufbau umfasst den Obersten Gerichtshof (Hoge Raad), Berufungsgerichte (Gerechtshoven), erstinstanzliche Gerichte (Rechtbanken) sowie Kantongerechten. In Verwaltungsstreitsachen gibt es die Möglichkeit, gegen die erstinstanzliche Entscheidung der Rechtbank Berufung beim Staatsrat einzulegen. Daneben gibt es andere Gerichte, besonders der Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Die Gesamtstärke der Streitkräfte beträgt rd. 78 000 Mann (einschließlich Zivilpersonal), eine Reduzierung auf etwa 56 000 Mann ist bis Ende 1998 geplant. Zum 1. 2. 1996 wurde in den Niederlande die allgemeine Wehrpflicht suspendiert; formell bleibt die Wehrdienstpflicht (Dauer neun Monate) jedoch weiterhin bestehen. An paramilitärischen Kräften stehen rd. 5 000 Angehörige der Gendarmerie und des Zivilverteidigungskorps zur Verfügung. Das Heer (etwa 34 000 Soldaten) gliedert sich in je eine Panzer-, mechanisierte Infanterie- und Luftlandebrigade; zwei mechanisierte Infanteriebrigaden können kurzfristig mobilisiert werden. Die Luftwaffe (u. a. sieben Jagd-/Jagdbomberstaffeln) hat rd. 14 000, die Marine etwa 18 000 Mann. Die Ausrüstung besteht im Wesentlichen aus 445 Kampfpanzern Leopard 2 (geplante Reduzierung auf 330; die 217 Leopard-1-Panzer werden ausgesondert), 160 Kampfflugzeugen F-16, zwei Zerstörern, 13 Fregatten und vier U-Booten. - Die Niederlande, Gründungsmitglied von NATO sowie WEU, verwenden etwa 7 % der Staatsausgaben für die Verteidigung.
Landesnatur und Bevölkerung:
In den Niederlanden setzt sich das Norddeutsche Tiefland fort. Die Küste ist von Dünen (bis 60 m Höhe) gesäumt, die im Bereich der Westfriesischen Inseln durch das Wattenmeer (Waddenzee) vom Festland getrennt sind. Weiter landeinwärts liegen (bis 6 m unter dem Meeresspiegel) eingedeichte See- und Flussmarschen (Polder) und die flachwellige, sandig-moorige Geest, die 110 m über dem Meeresspiegel erreicht. Pumpen (ehemalig von Windmühlen betrieben) entwässern die Marschen. Im äußersten Südosten haben die Niederlande Anteil an der Lössbörde und der Mittelgebirgszone mit dem höchsten Punkt der Niederlande, 321 m über dem Meeresspiegel - Hauptflüsse sind der Rhein und die Maas, deren Mündungsgebiet in zahlreichen Inseln aufgelöst ist. Das Flussnetz ist größtenteils eingedeicht, kanalisiert und gegen die See mit Schleusen verschlossen. - Die im Süden stark gegliederte Küste wird durch Abschlussdämme zum Teil ausgeglichen (Deltawerke). Dollart und Westerschelde bleiben zum Meer geöffnet; die Oosterschelde hat 1986 ein Sturmflutsperrwerk erhalten. Die vollendete Abdämmung des IJsselmeeres (1932) und des Lauwersmeeres (1969) sowie die Deltawerke dienen der Vergrößerung und Sicherung des niederländischen Landgebietes; Letzterem dient v. a. das Sturmflutwehr im Nieuwe Waterweg, das 1997 fertig gestellt wurde.
Das Klima ist gemäßigt maritim; westliche Winde herrschen vor. Die durchschnittlichen Niederschlagsmengen liegen zwischen 620 und 850 mm im Jahr. Die Sommertemperaturen sind niedrig, die Durchschnittstemperatur im Juli/August liegt bei 17 ºC. Es gibt wenige Eistage. Die Häfen bleiben eisfrei.
Die natürliche Vegetation ist kaum erhalten. Die Sandböden der Geest trugen ursprünglich Birken-Eichen-Wälder, die heute zu Heiden degradiert sind (teilweise mit Kiefern aufgeforstet). Sommergrüne Buchen- und Eichenwälder haben ihre Hauptverbreitung im Utrechter Hügelrücken und in Teilen von Nordbrabant und Drente. Hinzu kommen die spezifischen Pflanzengemeinschaften der Watt- und Dünenregion, des Polderlandes (Fettwiesen, Weiden) sowie der Flachmoore, Seen und Hochmoore.
Die Bevölkerung besteht zum größten Teil aus Niederländern. Im Zuge der Verselbstständigung Niederländisch-Indiens (1949) wanderten Indonesier und Ambonesen, indonesisch-papuanische Mischlinge, ein. Bis zur Unabhängigkeit Niederländisch-Guayanas (1975) kamen Surinamer, die ihre niederländische Staatsbürgerschaft behalten wollten; die Zahl der Allochtonen (Personen, von denen mindestens ein Elternteil im Ausland geboren ist) aus Surinam wird auf über 303 000 geschätzt. Außerdem leben (2000) rd. 2,472 Mio. weitere Allochtone in den Niederlanden, darunter 309 000 Türken, 262 000 Marokkaner, 107 000 von den Niederländischen Antillen und Aruba, 401 000 Deutsche, 405 000 Indonesier, 113 000 Belgier, ferner Briten, Zuwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien, Italiener, Franzosen, Spanier u. a. - Das durchschnittliche jährliche Bevölkerungswachstum beträgt (1995-2000) 0,6 %; die Geburtenziffer (1999) 1,27 %, die Sterbeziffer 0,89 %. In Städten und verstädterten Landgemeinden leben (2000) 84,7 % der Bevölkerung Amsterdam, Rotterdam, Den Haag und Utrecht gehören zur Randstad Holland; in diesem Ballungsgebiet konzentrieren sich über ein Drittel der Bevölkerung.
Die Religionsfreiheit wird durch die Verfassung garantiert. Seit 1848 sind alle Religionsgemeinschaften rechtlich gleichgestellt und Staat und Kirche gesetzlich getrennt, was für die reformierte Kirche mit dem Verlust ihrer bis dahin bevorzugten Stellung verbunden war. Nach kirchlichen Angaben (1995) gehören rd. 59 % der Bevölkerung einer christlichen Kirche an: rd. 35 % der katholischen Kirche, rd. 24 % verschiedener protestantischer (überwiegend reformierter) Kirchen. Die katholische Kirche umfasst das Erzbistum Utrecht mit sechs Suffraganbistümern. Die beiden größten protestantischen Kirchen sind die »Niederländische Reformierte Kirche« (»Nederlandse Hervormde Kerk«; rd. 2,2 Mio. Mitglieder) und die »Reformierte Kirche in den Niederlanden« (»Gereformeerde Kerk in Nederland«; rd. 730 000 Mitglieder), die zusammen mit der lutherischen Kirche (»Evangelisch-Lutherse Kerk«; rd. 25 000 Mitglieder) die Vereinigung zu einer Kirche anstreben. Die altkatholische Kirche hat rd. 10 000 Mitglieder - Nichtchristliche religiöse Minderheiten bilden die rd. 3 % Muslime, rd. 100 000 Hindus, rd. 30 000 Juden und die Bahais. Die ersten jüdischen Gemeinden entstanden Ende des 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts Während der deutschen Besetzung (1940-44/45) wurden über 100 000 niederländische Juden Opfer des Holocaust.
Die allgemeine Schulpflicht beginnt mit dem 6. Lebensjahr und dauert 12 Jahre; der Schulbesuch ist kostenlos. Nach acht Jahren Grundschule werden noch das erste Sekundarschuljahr (Brugklas) oder die ersten zwei Jahre von allen Kindern gemeinsam besucht (danach trennen sich die Schularten); diese Zeit wird zur anschließend gewählten Schulart gezählt. Die Zusammenfassung verschiedener Schularten der Sekundarstufe in Schulgemeinschaften ist häufig. Die Sekundarstufe dauert (mit Brugklas) vier bis sechs Jahre und ist allgemein bildend oder berufsorientiert. Vier Jahre dauert die allgemein bildende Form der Sekundarstufe, der »Middelbaar algemeen voortgezet onderwijs« (Abkürzung M. a. v. o.), ebenso die Schulzeit der berufsorientierten Sekundarschule, der »Lager beroeps-onderwijs« (L. b. o.). Der wissenschaftspropädeutische Unterricht, der »Vorbereidend wetenschappelijk onderwijs« (V. w. o.), dauert sechs Jahre. Den Fächerkanon wählen die Schüler; Pflichtfächer sind in allen Typen Niederländisch und eine lebende Fremdsprache. Neben dem V. w. o. gibt es eine fünfjährige Sekundarstufe, »Hoger algemeen voortgezet onderwijs« (H. a. v. o.), als Vorbereitung auf den Besuch von (Fach-)Hochschulen (Hogescholen, auch als H. b. o.-Institute bezeichnet; »Hoger beroeps-onderwijs«). Der mittlere berufsbildende Unterricht, »Middelbaar beroeps-onderwijs« (M. b. o.), dauert vier Jahre, er baut auf M. a. v. o. und L. b. o. auf. Es gibt auch eine auf drei Jahre verkürzte Form, den »Kort middelbaar beroeps-onderwijs« (K. m. b. o.). Der Unterricht an M. b. o.-Schulgemeinschaften wird in vier Fachrichtungen angeboten (Technik; Wirtschaft und Verwaltung; Dienstleistungen und Gesundheitspflege; Landwirtschaft). Die Niederlande haben 13 Universitäten, darunter drei technische, eine landwirtschaftliche sowie eine Fernuniversität, ferner verschiedene theologische Hochschulen, Kunstakademien und Konservatorien, außerdem etwa 85 (Fach-)Hochschulen. In der Erwachsenenbildung können auch Schulabschlüsse nachgeholt werden (ebenfalls an der Fernuniversität).
Presse: Presse- und Meinungsfreiheit sind verfassungsmäßig garantiert. Es erscheinen neun überregional verbreitete Tageszeitungen und rd. 40 Regionalzeitungen. Die fünf auflagenstärksten landesweiten Zeitungen sind die beiden Kaufzeitungen »De Telegraaf« (Amsterdam, gegründet 1893, gemäßigt konservativ, Auflage 802 500) und »Algemeen Dagblad« (Rotterdam, gegründet 1946, 403 300) sowie »De Volkskrant« (gegründet 1919, 372 000), »NRC Handelsblad« (gegründet 1970, liberal, 270 000) und »Trouw« (gegründet 1943, 112 000). Von Bedeutung sind außerdem verschiedene regionale Tageszeitungen, u. a. »Nieuwsblad van het Noorden« (203 500), »Dagblad De Limburger« (200 000), »De Gelderlander« (189 000), »Brabants Dagblad« (166 500) und »Utrechts Nieuwsblad« (103 200). Einflussreich sind ferner die Nachrichtenmagazine »Elsevier« (133 300), »Vrij Nederland« (90 200) und »HP/De Tijd« (52 500). Zu den größten Presseverlagen zählen Perscombinatie, De Telegraaf, Verenigde Nederlandse Uitgeversbedrijven (VNU) und Wegener. - Die Nachrichtenagentur »Algemeen Nederlands Persbureau« (ANP, gegründet 1934) ist ein genossenschatliches Unternehmen der Zeitungsverlage. - Rundfunk: Kennzeichnend für das Rundfunksystem der Niederlande ist wie in den meisten europäischen Ländern ein duales System von öffentlichem und privatem Rundfunk. Von den öffentlich-rechtlichen Veranstaltern werden fünf landesweite Hörfunk- und drei Fernsehprogramme ausgestrahlt; die privaten Anbieter verbreiten zehn Hörfunk- und acht Fernsehprogramme. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk finanziert sich aus Rundfunkgebühren und Werbeeinnahmen und wird aus sieben eigenständigen Rundfunkorganisationen bestimmter christlicher, politischer und sozialer Gruppierungen gebildet: die unabhängige »Algemene Omroepvereniging AVRO« (gegründet 1923), die protestantische »Nederlandse Christelijke Radio Vereniging« (NCRV, gegründet 1924), die »Katholieke Radio Omroep« (KRO, gegründet 1925), die sozialdemokratische »Omroepvereniging VARA« (gegründet 1925), die sozialkritische »Omroepvereniging VPRO« (gegründet 1926), die unabhängige »Televisie Radio Omroep Stichting« (TROS, gegründet 1964) und die »Evangelische Omroep« (EO, gegründet 1967), die unter der Dachorganisation der »Nederlandse Omroepprogramma Stichting« (NOS, gegründet 1969, Sitz: Hilversum) stehen. Hinzu kommt die »Nederlandse Programma Stichting« (NPS, gegründet 1988), die kulturelle Programme zuliefert. Der Kurzwellensender »Radio Nederland Wereldomroep« (RNW) strahlt einen Auslandsdienst aus, ferner existiert seit 1998 mit »BVN TV« auch ein Auslandsfernsehprogramm. Da 93 % der Haushalte über Kabelanschluss verfügen, können außerdem zahlreiche in- und ausländische Kabel- und Satellitenprogramme empfangen werden. Die privaten Fernsehsender »RTL 4«, »RTL 5«, »Veronica«, »SBS-6«, »Net 5«, »TV-10«, »Fox« und »The Music Factory« (TMF) erreichen zusammen einen Marktanteil von rd. 45 %, die öffentlich-rechtlichen Sender rd. 40 %. Im Hörfunkbereich haben die öffentlich-rechtlichen Sender 33 % Marktanteil, die privaten 46 %. Großen Zuwachs haben in den letzten Jahren regionale und lokale Hörfunk- und Fernsehsender erfahren; es existieren 13 regionale und etwa 330 lokale Hörfunkkanäle.
Wirtschaft und Verkehr:
Mit einem Bruttosozialprodukt (BSP) je Einwohner von (1999) 24 320 US-$ nehmen die Niederlande einen mittleren Platz in der Rangfolge der EU-Staaten ein. Das Land verfügt neben einer bedeutenden Landwirtschaft über eine hoch entwickelte und international wettbewerbsfähige Industrie. Das Wirtschaftssystem ist marktwirtschaftlich ausgerichtet. Die rasche Industrialisierung des Landes in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde durch den groß angelegten Ausbau der Hafenindustriekomplexe bestimmt, während der Agrarsektor schon traditionell eine große, aber heute abnehmende Bedeutung hat.
Wichtige makroökonomische Indikatoren weisen zum Teil für die Niederlande auf eine positive gesamtwirtschaftliche Entwicklung hin: So erreichte die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts (BIP) 1999 3,0 %, 2000 3,5 %, die Inflationsrate war seit Jahren gering (1995: 1,1 %), ist aber bis Juni 2001 auf 4,5 % angestiegen. Die Leistungsbilanz schloss 1999 mit einem Überschuss in Höhe von 18,5 Mrd. Euro ab. Mit 34,9 % des BIP ist die Sparquote hoch; die Staatsquote wurde von (1987) 59,5 % auf (1999) 43,2 % gesenkt. Nach langen Jahren mit einem Haushaltsdefizit wurde 2000 ein Haushaltsüberschuß von 2,2 % des BIP erzielt. Die Staatsverschuldung ist zurückgegangen (2000: 56 % des BIP). Beträchtliche Erfolge werden mit dem `Poldermodell` (Zusammmenwirken aller gesellschaftlichen Gruppen) bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit erzielt (1996: 7,4 %, 2000: 3,7 %).
Die Landwirtschaft stellt bei ihrer starken Exportorientierung (sie erbringt 14 % des Gesamtexports) eine wichtige Wirtschaftsgrundlage dar. Die landwirtschaftliche Nutzfläche beträgt (2000) 1,96 Mio. ha, davon sind 806 000 ha Ackerland, 1,01 Mio. ha Dauergrünland und 112 000 ha Gartenbaukulturen; 323 000 ha werden als Wald ausgewiesen. Einer der führenden Zweige der Landwirtschaft ist der Erwerbsgartenbau, der hochwertige Produkte für den Export liefert. In Freilandkultur werden Gemüse und Obst angebaut sowie Blumenzwiebeln und Blumen gezüchtet. Ein beträchtlicher Teil der Sonderkulturfläche liegt unter Glas. Nach landwirtschaftlichen Produktionsrichtungen lässt sich das Land wie folgt aufteilen: Obstbau in den Flussmarschen, Ackerbau in Limburg, im Südwesten des Landes, in den Fehnkolonien und in Teilen der Seemarschen, Viehhaltung in Nordbrabant, Drente und Gelderland, Grünlandnutzung (v. a. durch Milchvieh) im Westen und Nordwesten. Gartenbauprodukte werden vornehmlich im Westen des Landes erzeugt. Hauptanbauprodukte sind Kartoffeln (2000: 8,2 Mio. t), Weizen (1,2 Mio. t), Gerste (319 000 t), Zuckerrüben (1999: 7,3 Mio. t), Silomais (2000: 205 000 ha), Tomaten (1999: 525 000 t), Äpfel (568 000 t), Zwiebeln (2000: 815 000 t) und Gurken (1999: 455 000 t).
Innerhalb der Landwirtschaft nimmt die Viehhaltung eine überragende Stellung ein; sie ist ganz auf Veredelungswirtschaft wie die Herstellung von Butter und Käse (1999: 800 000 t) ausgerichtet. Wichtig sind auch Schweinezucht und Geflügelhaltung. Gehalten werden (2000) 13,1 Mio. Schweine, 4,1 Mio. Rinder (davon 1,5 Mio. Milchkühe), 104 Mio. Hühner.
Hohe Produktivität, ermöglicht durch Intensivhaltung in der Veredelungswirtschaft sowie starken Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, führt zu zunehmender Belastung des Bodens und zu steigender Verunreinigung des Grund- und Oberflächenwassers. Es werden bei einigen Agrarprodukten sehr hohe Selbstversorgungsgrade erreicht (z. B. bei Käse 275 %, Fleisch 213 %, Gemüse 250 %); dagegen beträgt der Selbstversorgungsgrad bei Weizen nur 33 %.
Die niederländische Fischereiflotte umfasst (1999) 1 114 Schiffe mit einer Gesamttonnage von 192 000 Bruttotonnen Makrelen, Kabeljau, Schellfisch und Heringe werden vorwiegend in der nördlichen Nordsee, bei den Britischen Inseln und bei Irland gefangen. Die küstennahe Fischerei mit Kuttern ist vornehmlich Krabbenfischerei in niederländischen, deutschen und dänischen Gewässern. Weichtierfang wird mit Spezialfahrzeugen im Wattenmeer und der Oosterschelde betrieben. Im Jahre 1999 lag die Fischfangmenge insgesamt bei 536 500 t. Die wichtigsten Fischereihäfen besitzen Scheveningen (Den Haag), IJmuiden (Velsen), Urk und Den Helder. Die Binnenfischerei liefert v. a. Süßwasseraale.
Gegenwärtig sind nur noch drei Bergbauerzeugnisse von Bedeutung: Erdgas, Erdöl und Steinsalz. Die Niederlande verfügen in Europa über die größten Erdgasreserven (nachgewiesene Reserven 1995: 1 844 Mrd. m3). Neben festländischen Vorkommen in der Provinz Groningen liegen die Lagerstätten in der Nordsee. Mit einer Fördermenge von (1995) 84 Mrd. m3 liegen die Niederlande weltweit an 4. Stelle und in der EU an 1. Stelle. Bei der Erdölförderung (im Emslandbecken und bei Den Haag; Fördermenge 1995: 3,8 Mio. t) stehen die Niederlande in Europa an 5. Stelle, können allerdings nur 10,5 % ihres Bedarfs durch die eigene Förderung decken. Der Steinkohlenbergbau in Süd-Limburg wurde 1975 eingestellt. In den Provinzen Overijssel und Groningen werden Salze abgebaut (u. a. Verarbeitung zu Tafelsalz).
Für die heimische Energieversorgung spielt Erdgas eine entscheidende Rolle. Etwa 95 % aller Haushalte werden mit Erdgas beliefert. Erdgas ist mit einem Anteil am Primärenergieverbrauch von (1995) 46,5 % wichtigster Energieträger vor Erdöl (37,5 %) und Kohle (12,6 %). Pläne für die Errichtung weiterer Kernkraftwerke über die zwei genutzten bei Dodewaard und Borsele (zusammen 507 MW Nettoleistung) hinaus wurden zurückgestellt (Anteil der Kernenergie an der Elektrizitätserzeugung 1994: 4,9 %).
Vier Weltkonzerne (Philips, Unilever, Shell und Akzo) haben ihren Hauptsitz in den Niederlanden. Darüber hinaus gibt es weltbekannte Unternehmen in den Bereichen Erdöl und Erdgas, Chemie, Schiffbau und Maschinenbau. Die Industriestruktur hat sich seit den 70er-Jahren drastisch verändert. Werften, Textil- und Bekleidungsindustrie verloren erheblich an Bedeutung; chemische Industrie, Kunststoffverarbeitung sowie Erdgas- und Erdölindustrie gewannen deutlich an Gewicht. Zentrum der Erdölraffination und der chemischen Industrie ist der Rotterdamer Hafen. Weitere wichtige Industriezweige sind die Nahrungs- und Genussmittelindustrie (z. B. Brauereien, Molkereien), die Metallverarbeitung, die Kraftfahrzeugindustrie sowie die elektrotechnische und elektronische Industrie. Etliche Industriezweige verdanken ihre Bedeutung der einst günstigen Rohstoffversorgung aus dem ehemaligen Kolonialreich, so die Tabakverarbeitung, die Süßwaren-, Kakao- und Schokoladenherstellung, die Speiseöl- und Margarineherstellung, die Textil- und die Gummiindustrie. Eine Besonderheit stellt die Diamantenschleiferei in Amsterdam dar.
Die Ballung der Industrie um Rotterdam führte zu einer Überlastung dieses Gebietes, daher profitierten in den vergangenen Jahren v. a. die Häfen an der Schelde vom Wachstum der metallurgischen und petrochemischen Industrie. Nordbrabant ist heute die wichtigste Industrieprovinz. Neben Rotterdam sind Eindhoven und Amsterdam die wichtigsten Industriestandorte.
Die Niederlande zählen wegen ihres umfangreichen Kultur- und Freizeitangebotes zu den beliebtesten europäischen Reiseländern. Als Hauptanziehungspunkte gelten die Westfriesischen Inseln, das Wattenmeer und die Badeorte an der Küste sowie das IJsselmeer; im Binnenland sind es die historischen Stadtkerne (z. B. von Amsterdam, Delft, Gouda und Groningen), die zahlreichen Museen, Kunstgalerien und Vergnügungsparks. 1993 wurden 5,7 Mio. Auslandsgäste gezählt.
Mit einem Gesamtvolumen des Außenhandels von (1994) 294,9 Mrd. US-$ (Export 155,1 Mrd. US-$, Import 139,8 Mrd. US-$) liegen die Niederlande unter den Welthandelsnationen an 9. Stelle und erzielten einen Exportüberschuss von 15,3 Mrd. US-$. Der Anteil der Exporte am BIP liegt mit 46,4 % weit über dem europäischen Durchschnitt. Den größten Anteil am Außenhandel haben die EU-Länder (1995) mit 62 % der niederländischen Importe und 77 % der Exporte. Der wichtigste Handelspartner sowohl in der Ausfuhr (28 % des Gesamtexports) als auch in der Einfuhr (22 %) ist Deutschland. Es folgen Belgien/Luxemburg, Großbritannien und Frankreich sowie die USA.
Verkehr:
Das Verkehrssystem ist sehr gut ausgebaut. Das Streckennetz der Eisenbahn umfasst (1999) 2 808 km, davon sind 1 991 km (71 %) elektrifiziert. Die Staatsbahnen (NV Nederlandse Spoorwegen) beförderten 1999 rd. 329 Mio. Passagiere und 23,2 Mio. t Fracht. Die geplante Betuwe-Linie soll den Gütertransport zwischen Rotterdam und Deutschland verbessern. Eine Neubaustrecke für den Personen-Hochgeschwindigkeitsverkehr zwischen Amsterdam und Brüssel ist in der Planung.
Der Ausbauzustand des Straßennetzes (Länge 1999: 117 430 km) gilt als ausgezeichnet; das Autobahnnetz umfasst außerhalb geschlossener Ortschaften(1999) 2 256 km. Die Niederlande stehen mit der Pkw-Dichte an 12. Stelle in der EU (1999: 385 Pkw je 1 000 Einwohner). Die Zahl der Lkw hat sich im Zeitraum 1980-2000 von 313 000 auf 779 000 erhöht. Die Bedeutung des niederländischen Transportgewerbes unterstreicht die Tatsache, dass rd. die Hälfte des grenzüberschreitenden Straßengüterverkehrs innerhalb der EU von niederländischen Transportunternehmen abgewickelt wird. - Das Fahrrad ist in den Niederlanden ein sehr populäres Verkehrsmittel und wird durch großzügige Radwege und Fahrradstraßen gefördert.
Aufgrund der günstigen Lage im Mündungsgebiet von Rhein, Maas und Schelde, die ein weites Hinterland erschließen, konnten sich in den Niederlanden große Überseehäfen entwickeln. Von den Handelsgütern, die in den nordwesteuropäischen Häfen (Hamburg-Le Havre-Range) geladen oder gelöscht werden, passieren rd. 53 % niederländische Häfen. Eine führende Rolle spielen dabei die Häfen von Rotterdam und Amsterdam. Rotterdam ist mit einem Güterumschlag von (1999) 303,4 Mio. t (davon rd. 30 % Erdöl) der größte Hafen der Erde und größter Containerumschlaghafen Europas. Im Amsterdamer Hafen werden 36,5 Mio. t umgeschlagen. Die Binnenschifffahrt (1999: 275,4 Mio. t beförderte Güter) hat entscheidenden Anteil am grenzüberschreitenden Warenverkehr. Die Rheinschifffahrt ist ein wichtiger Zubringer der Seehäfen und befördert in zunehmendem Maße auch Container von Rotterdam ins Hinterland des Rheinstromgebiets. Wichtige Wasserwege sind außerdem die Maas, der Amsterdam-Rhein-Kanal, der Nordseekanal, der Nieuwe Waterweg, der Emskanal sowie der Rhein-Schelde-Kanal (1999 betrug die Gesamtlänge der Wasserstraßen für Binnenschiffe 5 046 km, davon 3 745 km Kanäle). Die Binnenschiffahrtsflotte zählt (2000) 4 571 Schiffe mit einem Ladevermögen von 5,3 Mio. t. Die Seeschiffahrtsflotte zählt (2000) 558 Schiffe mit einer BRZ von 3,97 Mio.
Die Erdgasleitung TENP (Trans-Europe-Naturalgas-Pipeline) führt über Luxemburg und die Schweiz nach Italien; weitere Leitungen gehen nach Paris, ins Ruhrgebiet und nach Süddeutschland. Rohölleitungen führen ins Rhein-Main-Gebiet und eine Produktenpipeline nach Ludwigshafen am Rhein.
Nationale Luftverkehrsgesellschaft ist KLM (März 2001: 30 000 Mitarbeiter). Der internationale Flughafen Amsterdam-Schiphol ist auf dem Frachtsektor der drittgrößte (1999: 1,2 Mio. t), auf dem Passagiersektor der viertgrößte (36,8 Mio. Passagiere) in der EU. Weitere Regionalflughäfen gibt es in Rotterdam, Maastricht, Eindhoven, Lelystad und Groningen.
Ältere Geschichte bis 1559
In römischer Zeit grenzten die germanischen Stämme der Bataver, Friesen u. a. an die keltisch-germanischen oder rein keltischen Volksgruppen südlich des Rhein-Maas-Schelde-Deltas. Auf die germanischen Wanderungen des 4.-6. Jahrhunderts und den nachfolgenden Sprach- und Kulturausgleich geht die germanisch-romanische Sprachgrenze zurück.
Bei der Reichsteilung 843 kam Flandern westlich der Schelde an Frankreich, der übrige Raum um Maas, Schelde und Rhein an Lotharingien und 879/925 an das ostfränkische, später Heilige Römische Reich. Als dessen Glied erlebten besonders die Maaslande im 10.-12. Jahrhundert eine hohe Blüte. Früh entstanden durchgebildete Territorien: im Süden Flandern, Brabant, Hennegau, Namur, Limburg und das des Stifts Lüttich, im Norden Holland, das sich seit dem 11. Jahrhundert mit dem Stift Utrecht als nördliches Kernland entwickelte, Seeland und Geldern. Manche von ihnen spielten zeitweise auch in der europäischen Politik eine selbstständige Rolle, v. a. Flandern, in dem Brügge und Gent führend waren.
Für die politisch-kulturelle und sprachliche (seit etwa 1200) Verselbstständigung der Niederlande entscheidend wurde ihre Zusammenfassung durch die Herzöge von Burgund im 14. und 15. Jahrhundert Durch die Vermählung der Tochter Karls des Kühnen, Maria von Burgund, mit dem späteren Kaiser Maximilian I. kamen die Niederlande 1477 - nachdem Maria im Großen Privileg den Städten und Territorien ihre Privilegien garantiert hatte - an das Haus Habsburg, das die Politik der Verselbstständigung der Niederlande gegenüber dem Reich zielbewusst fortsetzte; im Sinne des habsburgischen Hausinteresses wirkte Kaiser Maximilians Tochter Margarete von Österreich als Statthalterin. 1512 wurden auf einem Kölner Reichstag im Zuge einer neuen Kreiseinteilung des Reiches die meisten Provinzen zum Burgundischen Kreis zusammengefasst; Karl V. fügte 1524 Friesland, 1526 Flandern, Utrecht und Overijssel, 1536 Groningen und Drenthe, 1543 Geldern hinzu, verstärkte 1548 die Sonderstellung dieses Kreises im zu Augsburg geschlossenen Burgundischen Vertrag, legte 1549 in der Pragmatischen Sanktion das Erbfolgerecht für die Niederlande als geschlossenes Territorium fest und übertrug 1555 die Herrschaft über den 17 Gebiete umfassenden Länderkomplex seinem Sohn, König Philipp II. von Spanien. Wirtschaft und Kultur standen im Zeitalter Karls V. in hoher Blüte; Antwerpen wurde Mittelpunkt des Welthandels mit zum Teil frühkapitalistischen Zügen. Die Reformation fand anfangs vorwiegend als Luthertum über Antwerpen, seit den 1540er-Jahren über die wallonisch-nordfranzösischen Textilstädte als Kalvinismus Eingang, wurde aber von Karl V. blutig niedergehalten.
Der Freiheitskampf
Der Abfall der nördlichen Niederlande von Spanien wurde verursacht durch gesteigerten politischen, finanziellen und religiösen Druck sowie die zunehmende Schmälerung der überkommenen ständischen Freiheiten durch die königliche Macht. Unter der Statthalterin Margarete von Parma und ihrem Minister Granvelle wurde durch die militärischen Lasten und die Ketzeredikte, die geplante Gründung neuer Bistümer und die Furcht vor der Einführung der Inquisition heftiger Widerspruch laut, der 1566 im Adelskompromiss von Breda, der Überreichung einer Bittschrift (Rückzug der spanischen Truppen, Widerruf des Inquisitionsedikts) durch den als Geusen verhöhnten niederen Adel und im Bildersturm der Volksmassen gipfelte. 1567 sandte Philipp II. Herzog Alba mit einem Heer in die Niederlande; durch zahlreiche Hinrichtungen (u. a. Egmont, Horne) und Zwangsmaßnahmen stellte dieser zunächst die Ruhe wieder her, entfesselte aber durch maßlose Willkür 1568 den Aufstand, an dessen Spitze 1572 Wilhelm von Oranien trat, indem er von 12 Städten zum königlichen Statthalter von Holland, Seeland und Utrecht gewählt wurde. Seine Niederwerfung fand eine unüberwindliche natürliche Grenze in den Niederungsgebieten Hollands und Seelands; in der Genter Pazifikation schlossen sich 1576 die übrigen Provinzen dem Aufstand an. Durch die religiöse Unduldsamkeit der Geusen wurde die Front gegen Spanien mit der Union von Arras (6. 1. 1579 gesprengt. Die Utrechter Union (23. 1. 1579 führte daher nur zur Vereinigung der sieben nördlichen Provinzen (Holland, Seeland, Utrecht, Geldern, Overijssel, Friesland, Groningen); diese sagten sich 1581 ganz von Spanien und dem Hause Habsburg los und bildeten die Republik der Vereinigten Niederlande. Die südlichen Niederlande wurden von Alexander Farnese 1585 einschließlich Antwerpens erneut unterworfen (Spanische Niederlande). Die militärische Grenze zwischen beiden Machtbereichen im Norden Flanderns und Brabants (Generalitätslande) wurde allmählich zur Wesensscheide zwischen Norden und Süden; religiös und politisch, wirtschaftlich und sozial wurden beide Teile unterschiedlich von Grund auf neu geordnet.
Die nördlichen Niederlande bis 1810
Nach der Ermordung Wilhelms von Oranien (1584) behaupteten die nördlichen Niederlande im Waffenstillstand von 1609-21 ihre Unabhängigkeit, die zunächst vom spanischen König Philipp III. und dann 1648 im Westfälischen Frieden international anerkannt wurde. Die Beschlüsse des Friedenskongresses bedeuteten zugleich die Loslösung der Niederlande vom Heiligen Römischen Reich. Die Staatshoheit lag bei den Ständen (Staaten) der Provinzen und den Generalstaaten, die politische Führung bei einem Ratspensionär, den die maßgebliche Provinz Holland stellte, die ausführende Gewalt bei dem Statthalter aus dem Haus Oranien. Der Gegensatz zwischen ihnen und den Ratspensionären (Regenten) durchzieht, zeitweise mit dem zwischen Strenggläubigen (Gomaristen) und Freisinnigen (Arminianern) und Gegensätzen der Außenpolitik gekoppelt, die Entwicklung der Niederlande während des ganzen 17. und 18. Jahrhunderts (1619 J. van Oldenbarnevelt nach Konflikt mit Moritz von Nassau-Oranien über Religions- und Militärfragen hingerichtet, 1650 Anschlag Wilhelms II. auf Amsterdam, 1672 Ratspensionär J. de Witt in Den Haag ermordet, 1786 Absetzung Wilhelms V. durch die Patrioten). Hauptstadt des Landes war Amsterdam, oranische Residenz Den Haag. Mit ihrer Ostindischen Kompanie (Handelskompanien) und dem Besitz in Afrika (Kapland) und Amerika (Guayana, Neu-Niederland) waren die Niederlande trotz statthalterloser Zeiten 1648-72 und 1702-47 zeitweise die führende See- und Handelsmacht Europas (»Goldenes Jahrhundert« bis 1713), bis sie nach den Seekriegen (1652-54, 1664-67) trotz bedeutender Erfolge ihrer Admirale (M. Tromp, M. de Ruyter) hinter England zurücktreten mussten. Gegen Ludwig XIV. von Frankreich verteidigten sie in vier Kriegen (1667/68, 1672-78, 1688-97, 1702-13) erfolgreich ihre Sicherheit und ihren Besitzstand, wozu im Frieden zu Utrecht besonders der Ratspensionär A. Heinsius beitrug. Dennoch sanken sie nach dem Krieg außenpolitisch ins zweite Glied zurück, verloren an wirtschaftlicher Bedeutung und sahen sich sozialen Konflikten gegenüber. Im 17. Jahrhundert waren sie Mittelpunkt politisch-freiheitlichen Denkens (H. Grotius, R. Descartes, B. de Spinoza) und höchster künstlerischer Entfaltung. Die niederländische Sprache erreichte damals im Wesentlichen ihre heutige Ausbildung. 1747 wurde Wilhelm IV. erblicher Statthalter und militärischer Oberbefehlshaber, was im Zuge der Aufklärung den Widerstand der gegen die Oranier gerichteten Bewegung der »Patrioten« begünstigte, der sich die Regenten anschlossen. 1795 wurden die Niederlande von den Franzosen erobert, als Batavische Republik nach französischem Muster umgebildet und von den »Patrioten« verwaltet. 1806 wurde die Republik unter Napoleons I. Bruder Ludwig Königreich und 1810 Frankreich einverleibt.
Zur Geschichte der südlichen Niederlande bis 1815 Belgien (Geschichte).
Königreich der Vereinigten Niederlande 1815-30
Durch den Wiener Kongress wurden die beiden Niederlande und das Fürstbistum Lüttich zum »Königreich der Vereinigten Niederlande« zusammengeschlossen. In den bisherigen südlichen Niederlanden wuchs das in französischer Zeit gewachsene belgische Nationalbewusstsein rasch an und wandte sich gegen die autokratische Herrschaft König Wilhelms I., seine Bevorzugung des Holländischen sowie den offen zutage tretenden Konfessionsgegensatz. Der Zusammenschluss der katholischen und der liberalen Oppositionskräfte trug dort wesentlich zum Ausbruch und zum Verlauf der Septemberrevolution von 1830 bei, die 1831 mit der Londoner Konferenz zur Loslösung Belgiens von den Niederlanden führte.
Königreich der Niederlande seit 1832
Das Königreich der Niederlande, nach der Loslösung Belgiens ein europäischer Kleinstaat, vermochte dank seines reichen Kolonialbesitzes, seiner Tradition und seiner Kultur seine weltpolitische Geltung zu halten. Die Innenpolitik stand seit 1815 im Zeichen des Ringens um eine Verfassungsrevision. Nach einer ersten Änderung 1840 war König Wilhelm II. (1840-49) unter dem Eindruck der revolutionären Ereignisse in Frankreich und in Deutschland 1848 zu weiteren Zugeständnissen bereit. Im Verfassungs-Streit von 1866-68 setzte das Parlament gegenüber König Wilhelm III. (1849-90) sein staatsrechtliches Übergewicht sowie weitgehende liberale Grundpositionen durch. Die folgenden Jahre waren geprägt von den innenpolitischen Auseinandersetzungen zwischen Liberalen und konfessionell ausgerichteten Parteien, der 1878 entstandenen kalvinistischen Anti-Revolutionären Partei (ARP; A. Kuyper), der 1908 von ihr abgespaltenen Christlich-Historischen Union (CHU) sowie den katholischen Wählervereinen, um die Förderung der Konfessionsschule, die Sozialgesetzgebung sowie die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Mit dem wirtschaftlichen Aufbau (Anlage des Eisenbahnnetzes, Bau des Nordseekanals) war das Aufkommen der modernen Arbeiterbewegung verbunden (1894 Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, SDAP). Erstmals in der Geschichte des Landes trat 1890 nach dem Tod Wilhelms III. die weibliche Erbfolge in Kraft, was aber die Personalunion mit Luxemburg beendete. Königin Wilhelmina, bis zur Erlangung der Volljährigkeit 1898 unter der Regentschaft ihrer Mutter, regierte bis 1948. Der Erste Weltkrieg, in dem die Niederlande ihre Neutralität wahrten, unterbrach die innere Entwicklung nicht.
Zwischen den Weltkriegen
Die Einführung des allgemeinen Wahlrechts für Männer (1917), für Frauen (1919) und der Übergang zum Verhältniswahlrecht markierten die zweite, tief greifende Verfassungsreform der Niederlande nach 1815; die Parteien wurden die entscheidenden Machtträger im Staat. Während die liberale Bewegung nach 1880 ihren Höhepunkt überschritt, gewannen die konfessionellen Parteien, v. a. die 1926 gegründete Römisch-Katholische Staatspartei (RKSP), im 20. Jahrhundert politisch stark an Gewicht; sie stellten in der Zeit zwischen den Weltkriegen mit C. J. M. Ruys de Beerenbrouck (RKSP; 1918-25, 1929-33), H. Colijn (ARP; 1925, 1933-39) und D. J. de Geer (CHU; 1926-29) den Ministerpräsidenten Die Sozialdemokratie blieb in dieser Zeit in der Opposition; die Liberalen beteiligten sich 1933-37 an der Regierung. Befolgten die niederländischen Regierungen in den 20er-Jahren das Prinzip der freien Wirtschaft, so mussten sie nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise (1929) immer stärker zu dirigistischen Maßnahmen greifen. Mit dem Agrargesetz (1933), Einfuhrbeschränkungen und der Aufhebung des Goldstandards für den Gulden (1936) suchte die Regierung der Krise zu begegnen.
Außenpolitisch hielten die Niederlande zwischen den Weltkriegen streng an der Neutralität fest. Mit Belgien kam es zu einer länger dauernden Kontroverse über das niederländische Limburg und die Scheldemündung. Die Niederlande traten dem Völkerbund bei und begrüßten die mit den Locarnoverträgen (1925) eingeleitete Verständigungspolitik in Europa. Seit 1933 beunruhigten die expansive Außenpolitik des nationalsozialistischen Deutschland und seine rassistische Ideologie die Niederlande. Angesichts der allgemein sich zuspitzenden Krise in Europa verkündete die Regierung de Geer, die Anfang August 1939 unter erstmaliger Beteiligung der Sozialdemokraten gebildet worden war, am 28. 8. 1939 die allgemeine Mobilmachung. In ihrer Kolonie Niederländisch-Indien waren die Niederlande v. a. in den 30er-Jahren mit der Forderung einheimischer Politiker nach Mitregierung konfrontiert.
Im Zweiten Weltkrieg
Trotz gemeinsamer Friedensappelle Königin Wilhelminas und König Leopolds III. von Belgien griff das nationalsozialistische Deutschland am 10. 5. 1940 die Niederlande und Belgien unter Verletzung ihrer Neutralität an. Die königliche Familie und die Regierung de Geer gingen am 13. 5. nach London. Nach der schweren Bombardierung Rotterdams kapitulierte das niederländische Heer unter General Henri Gerard Winkelman (* 1876, ✝ 1952) am 14. 5. Im September 1940 übernahm P. S. Gerbrandy die Führung der Londoner Exilregierung (bis Mai 1945). In den Niederlanden selbst setzte die deutsche Besatzungsmacht eine Zivilregierung unter dem Reichskommissar A. Seyss-Inquart ein; sie hatte die Aufgabe, die innere Gestalt der Niederlande mit dem diktatorisch-rassistischen System des nationalsozialistischen Deutschland gleichzuschalten sowie das niederländische Potenzial an Gütern und Menschen im Sinne der nationalsozialistischen Reichspolitik auszubeuten. Nach dem Verbot der Parteien blieb nur noch die Nationalsozialistische Bewegung (NSB) unter A. Mussert bestehen; aus ihren Reihen rekrutierten sich auch die niederländischen Formationen der SS. Die Verfolgung der Juden und der Einsatz niederländischer Bürger in der deutschen Rüstungsindustrie ließen eine von den Kirchen unterstützte Widerstandsbewegung entstehen. Die ersten Pogrome gegen den jüdischen Bevölkerungsteil gaben am 25./26. 2. 1941 den Anlass zu einem allgemeinen Streik der Amsterdamer Bevölkerung, dem sich später andere Streikbewegungen in den Niederlanden anschlossen.
Unter dem Eindruck des japanischen Angriffs auf Pearl Harbor (8. 12. 1941 erklärte die niederländische Exilregierung noch am selben Tag Japan den Krieg. Im Zuge der Kriegshandlungen schlugen die japanischen Streitkräfte die niederländische Flotte in der Javasee und besetzten Niederländisch-Indien. Nach dem Zusammenbruch Japans (August 1945) suchten die Niederlande ihre Herrschaft über Niederländisch-Indien wieder zu errichten, gerieten dabei jedoch in Konflikt mit einer einheimischen Unabhängigkeitsbewegung, die im August 1945 den unabhängigen Staat Indonesien ausrief.
Die Nachkriegszeit
Im Zuge der militärischen Niederlage Deutschlands (Kapitulation der Besatzungstruppen am 5. 5. 1945) nahmen die Niederlande kleinere deutsche Gebiete (v. a. Elten) unter ihre Verwaltung (1963 im Rahmen des »Deutsch-Niederländischen Ausgleichsvertrags« in die Bundesrepublik Deutschland eingegliedert). Auf Dauer konnten sie ihre Kolonie Niederländisch-Indien nicht behaupten (unter dem Druck der UNO und der USA Einlenken nach zwei niederländischen Militäraktionen 1947 und 1948) und entließen sie am 27. 12. 1949 mit Ausnahme des Gebiets von West-Neuguinea als Indonesien in die Unabhängigkeit. Die Niederländischen Antillen und Surinam wurden 1954 gleichberechtigte Teile der Niederlande.
Im Sommer 1945 kehrte Königin Wilhelmina aus ihrem Exil in London zurück, dankte jedoch 1948 zugunsten ihrer Tochter Juliana ab. Seit 1945 war die Regierungsbildung stark bestimmt von der Katholischen Volkspartei (KVP; im Dezember 1945 aus der RKSP hervorgegangen) und der sozialdemokratischen Partei der Arbeit (PvdA; seit Februar 1946 Nachfolgerin der SDAP); bis Mitte der 60er-Jahre wechselten sich beide Parteien in der Führung von Koalitionsregierungen (unterschiedliche Zusammensetzung) ab und stellten mit W. Schermerhorn (PvdA; 1945-46), L. J. M. Beel (KVP; 1946-48, 1958-59), W. Drees (PvdA; 1948-58), J. E. de Quay (KVP; 1959-63) und Victor Gérard Marijnen (KVP; 1963-65) den Ministerpräsidenten. Die Liberalen (seit 1948 organisiert in der »Volkspartij voor Vrijheid en Democratie«) sowie die protestantischen Parteien beteiligten sich mehrfach an der Regierung. Bezeichnend für die partei- und machtpolitische Entwicklung in den 60er- und 70er-Jahren war die allmähliche Aufweichung der traditionellen Willensbildung in festen konfessionellen oder weltanschaulichen Verbänden. Ausdruck dieser Entwicklung war v. a. die Gründung der Gruppe »Democraten '66« (D '66) und später der Zusammenschluss der streng konfessionellen Parteien im Christlich-Demokratischen Appell (CDA). Nach einer Zeit kurzlebiger Regierungen seit Mitte der 60er-Jahre, u. a. unter Joseph Maria Cals (KVP; 1965-66) und Barend Biesheuvel (ARP; 1971-73), übernahm 1973 der Sozialdemokrat J. den Uyl die Führung einer Koalitionsregierung (bis 1977).
Mithilfe des Marshallplanes, der den Niederlanden rd. 1 Mrd. US-$ gewährte, konnte die Wirtschaft des Landes wiederaufgebaut werden. Dabei bemühten sich die Regierungen um eine enge Zusammenarbeit mit Belgien und Luxemburg (Benelux). Im Widerstreit zwischen marktwirtschaftlich-liberalen und sozialistischen Vorstellungen setzte sich in den 50er-Jahren eine sachbezogene, rationale Linie durch. Mit einem System staatlich sanktionierter Produktions- und Betriebsvereinigungen (»Productie- en bedrijfschappen«) konnte die Sozialdemokratie sozialistische Vorstellungen verwirklichen. Der technisch-industrielle Wandel, der bereits vor dem Zweiten Weltkrieg eingesetzt hatte, griff beschleunigt auf viele Gebiete der Wirtschaft (besonders auch auf die Landwirtschaft) über. In den 70er-Jahren bemühten sich die sozialdemokratisch geführten Regierungen um gesellschaftliche Reformen (im Bereich Mitbestimmung, Vermögensbildung, Bodenrecht).
Außenpolitisch trat nach dem Zweiten Weltkrieg an die Stelle einer strikten Neutralitäts- eine aktive Bündnispolitik. 1948 traten die Niederlande dem Brüsseler Pakt, 1949 der NATO bei. Die verschiedenen Regierungen des Landes förderten mit großer Energie die Bemühungen um die politische und wirtschaftliche Integration Europas: Beitritt zum Europarat (1949), zur Montanunion (1952), zur EWG (1957) und zur EURATOM. In ihrer Deutschlandspolitik stimmten sie unter der Perspektive der europäischen Integration der Ausgleichspolitik der westlichen Siegermächte des Zweiten Weltkriegs zu. Infolge der Entkolonialisierung zogen sich die Niederlande 1963 aus West-Neuguinea zurück und entließen 1975 Surinam in die Unabhängigkeit.
Nach der Abdankung Königin Julianas (30. 4. 1980 bestieg ihre Tochter Beatrix den Thron. 1977-94 war der CDA die führende Regierungspartei, zeitweilig (1982-86) jedoch von der PvdA als stärkste Fraktion in der Zweiten Kammer abgelöst. Unter Ministerpräsident A. A. van Agt stellte er 1977-81 eine Koalitionsregierung mit den Liberalen, 1981-82 mit den Sozialisten und den Democraten '66. Ministerpräsident R. F. M. Lubbers (1982-94) führte zunächst eine Koalitionsregierung mit der liberalen VVD, ab 1989 mit der PvdA. Gegen den Widerstand einer starken inner- und außerparlamentarischen Opposition (u. a. 1981 eine Protestdemonstration der niederländischen Friedensbewegung mit über 400 000 Teilnehmern) stimmte die Regierung Lubbers 1984 der Stationierung von 48 amerikanischen Marschflugkörpern aufgrund des NATO-Doppelbeschlusses zu; die Stationierung (ab 1985) wurde durch den INF-Vertrag (Dezember 1987) rückgängig gemacht. Im November 1992 billigte das niederländische Parlament den Maastrichter Vertrag. Von der Regierung Lubbers beschlossene Einsparungen bei den Sozialausgaben führten wiederholt zu Proteststreiks (u. a. im Oktober 1991) und zu einem Popularitätsverlust v. a. der Christdemokraten, die bei den Wahlen im Mai 1994 schwere Einbußen erlitten. Die PvdA, die trotz Verlusten als stärkste Partei aus den Wahlen hervorging, bildete daraufhin unter Wim Kok als Ministerpräsident eine Koalition mit der rechtsliberalen VVD und den linksliberalen Democraten '66 (D '66), die beide zahlreiche Stimmen hinzugewonnen hatten; der CDA wurde erstmals in die Opposition verwiesen. Die Regierung Kok setzte die - einen erheblichen Rückgang der Arbeitslosigkeit bewirkende - wirtschaftliche Reformpolitik, den Abbau der Sozialleistungen, aber auch die bereits vorher betriebene liberale Drogenpolitik fort. Bei den Parlamentswahlen im Mai 1998 konnte die PvdA leichte Stimmengewinne verbuchen (Bestätigung der Regierungskoalition unter W. Kok, die auch nach dem zeitweiligen Rücktrittsgesuch von Mai bis Juni 1999 wegen der Auseinandersetzung um eine Verfassungsreform im Amt blieb). Im Mai 2000 begann auf dem Militärstützpunkt Kamp Zeist (östlich von Utrecht) der Prozess gegen zwei Libyer wegen des Lockerbie-Attentates. Im November 2000 verabschiedete die Zweite Kammer des niederländischen Parlaments ein umstrittenes Gesetz zur Sanktionierung ärztlicher Sterbehilfe (im April 2001 durch die Erste Kammer bestätigt).
In der Außenpolitik nahm das Parlament 1992 den Maastrichter Vertrag an. 1993-95 beteiligten sich die Niederlande mit einem Kontingent von Soldaten (»Dutchbat«) an der Einrichtung von Sicherheitszonen in Bosnien; die Umstände der widerstandslosen Übergabe der zur Schutzzone erklärten Stadt Srebrenica durch niederländische UN- Soldaten an bosnisch-serbische Truppen 1995 (anschließend Tod Tausender Bosniaken) führten später zu starken Kontroversen. Ab 1999 nahmen niederländische Einheiten an der Friedensmission im Kosovo teil. Im Juli 1999 nahm in Den Haag die europäische Polizeibehörde Europol ihre Arbeit auf.
Nach Vorlage eines Untersuchungsberichts im April 2002 über die Vorgänge in Srebrenica, in dem der niederländischen Regierung eine politische Mitverantwortung für die ungenügende Vorbereitung der Blauhelme zugesprochen wurde, erklärte das von W. Kok geführte Koalitionskabinett seinen Rücktritt (danach noch geschäftsführend im Amt). Am 6. 5. 2002 schockierte die Ermordung des rechtspopulistischen, zuletzt bei Regionalwahlen in Rotterdam sehr erfolgreichen Politikers Pim Fortuyn in Hilversum die Niederlande; der Wahlkampf wurde danach zunächst von allen Parteien ausgesetzt, am Termin für die Parlamentswahlen am 15. 5. 2002 hielt man aber fest. Diese entschied der CDA für sich (Gewinn von 43 Parlamentssitzen); zweitstärkste Partei wurde die »Liste Pim Fortuyn« (LPF; 26 Sitze), gefolgt von der liberalen VVD (24 Sitze). Anschließend bildeten diese drei Parteien eine Mitte-rechts-Koalitionsregierung, deren Ministerpräsident der CDA-Politiker J. P. Balkenende wurde (Vereidigung am 22. 7. 2002).
Algemene geschiedenis der Nederlanden, hg. v. J. A. van Houtte u. a., 12 Bde. (Utrecht 1949-58);
I. Buhlmann: Die Landgewinnung im IJsselmeer (1975);
Raumordnung in den N., hg. v. der Akad. für Raumforsch. u. Landesplanung (1976);
H. Hambloch: Die Beneluxstaaten (1977);
Winkler Prins Geschiedenis der Nederlanden, hg. v. J. A. Bornewasser u. a., 3 Bde. (Amsterdam 1977);
H. Lademacher: Gesch. der N. Politik, Verf., Wirtschaft (1983);
De grote Bosatlas (Groningen 501988);
R. Tamsma: The Netherlands in fifty maps (Amsterdam 1988);
M. Erbe: Belgien, N., Luxemburg. Gesch. des niederländ. Raumes (1993);
M. North: Gesch. der N. (1997);
Benelux-Ploetz. Belgien, N., Luxemburg. Geschichte zum Nachschlagen, bearb. v. C. Witz u. U. Laule (1997).
Bibliographien: H. de Buck: Bibliografie der geschiedenis van Nederland (Leiden 1968);
Geography of the Netherlands, select bibliography of literature on the Netherlands in foreign languages, 1984-1988, in: Tijdschrift voor economische en sociale geografie, Jg. 79 (ebd. 1988).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Niederlande im Freiheitskampf: Um Gold und Freiheit
Handelsgesellschaften erobern die Welt: Kampf um die Märkte
Niederlande im goldenen Zeitalter: Die Herrschaft der Pfeffersäcke
Belgien, Luxemburg und Niederlande: Die politische Neuordnung
Südostasien: Die Folgen des Zweiten Weltkriegs
Entkolonialisierung: Das Ende der Kolonialherrschaft und die Bewegung der Blockfreien
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Nie|der|lan|de <Pl.>: Staat in Westeuropa.
Universal-Lexikon. 2012.