weibliche Person, die aus ihrer Heimat vertrieben (1), ausgewiesen wurde:
sie lebt als Vertriebene im Ausland.
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Ver|trie|be|ne, die/eine Vertriebene; der/einer Vertriebenen, die Vertriebenen/zwei Vertriebene:
weibliche Person, die aus ihrer Heimat ↑ vertrieben (1 a), ausgewiesen wurde.
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Vertriebene,
im weiteren Sinn Bezeichnung für Personen, die ihre Wohn- und Heimatgebiete zwangsweise verlassen mussten, im engeren Sinn für Personen, die als deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige ihren Wohnsitz in den früheren deutschen Ostgebieten östlich der Oder-Neiße-Linie oder in den Gebieten außerhalb der Grenzen des Deutschen Reichs nach dem Gebietsstand vom 31. 12. 1937 hatten und diesen im Zusammenhang mit den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs infolge Vertreibung, insbesondere durch Ausweisung (Ausgewiesene) oder Flucht (Flüchtlinge), verloren haben. Maßgeblich für die Rechtsstellung der Vertriebenen ist das Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz, BVFG) in der Fassung vom 2. 6. 1993. Danach sind Vertriebene auch diejenigen deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen, die nach Abschluss der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen vor dem 1. 7. 1990 oder danach im Wege des Aufnahmeverfahrens vor dem 1. 1. 1993 die früheren Ostgebiete des Deutschen Reichs, Danzig, Estland, Lettland, Litauen, die ehemalige UdSSR, Polen, die ehemalige Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, das ehemalige Jugoslawien, Albanien oder China verlassen haben (Aussiedler). Das BVFG wurde durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz vom 21. 12. 1992 an die veränderten Verhältnisse angepasst. Die seit dem 1. 1. 1993 kommenden Aussiedler werden als Spätaussiedler bezeichnet. Deutscher Volkszugehöriger im Sinne des BVFG ist, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte objektive Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird (§ 6). Wer nach dem 31. 12. 1923 geboren ist, ist deutscher Volkszugehöriger, wenn er von einem deutschen Elternteil abstammt, ihm ein Elternteil oder andere Verwandte bestimmte objektive Merkmale vermittelt haben und wenn er sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete zur deutschen Nationalität erklärt, sich bis dahin auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt hat oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehörte.
Am Ende des Zweiten Weltkrieges betrug die deutsche Bevölkerung in den Ostgebieten des Deutschen Reichs und den deutschen Siedlungsgebieten außerhalb der Reichsgrenzen von 1937 rd. 16,6 Mio. Auf den Konferenzen in Teheran (1943) und Jalta (1945) wurde die Westverschiebung der Grenze Polens beschlossen. Ab Ende 1944 verfügten deutsche Behörden Evakuierungen zum Schutz der Menschen, denn die siegreiche Rote Armee »rächte« sich an der Zivilbevölkerung des Kriegsgegners mit Plünderungen, Misshandlungen, Erschießungen und Vergewaltigungen; es kam zur Ausrottung ganzer Dörfer (z. B. Nemmersdorf in Ostpreußen, Oktober 1944, oder Metgethen). Mit dem Vorrücken der Front Ende 1944/Anfang 1945 sah sich deshalb etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung in den damaligen deutschen Ostgebieten zur Flucht veranlasst. Die Zustände auf den Flüchtlingstrecks waren katastrophal und häufig geprägt durch Hunger, Seuchen und Tod infolge Kälte und Erschöpfung (besonders tragisch: die Vorgänge auf der »Wilhelm Gustloff« am 30. 1. 1945). - Im Dezember 1944 begann die gezielte Deportation von Deutschen aus Südsiebenbürgen, Ungarn und Jugoslawien zur Zwangsarbeit in die UdSSR. In Polen wurden nach einem Dekret vom 4. 11. 1944 alle Deutschen in Zwangsarbeitslagern interniert (Polendeutsche).
Schon vor (März 1945) beziehungsweise unmittelbar nach Kriegsende setzte die fast vollständige Ausweisung der deutschen Bevölkerung aus den Polen vorbehaltlich einer späteren Friedensregelung zugesprochenen Gebieten (v. a. Pommern, Ostbrandenburg, Schlesien) ein. Gleichzeitig mit dieser ersten (ungeregelten) Vertreibungswelle kam es zu Massenaustreibungen der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei (wobei der kleinere Teil nach Österreich ging) sowie in Südosteuropa, am grausamsten in Jugoslawien (deutsche Geschichte).
Nach Abschluss des Potsdamer Abkommens vom 2. 8. 1945 hielten die ungeregelten Vertreibungen zunächst an und ergriffen weitere Gebiete (z. B. den Süden des ehemaligen Ostpreußen). Trotz der Verfügung von Artikel VIII des Potsdamer Abkommens, die »Überführung« in »geordneter und humaner Weise« und erst nach Aufstellung eines Ausweisungsplans durch den Alliierten Kontrollrat vorzunehmen, erfolgte die Vertreibung (»Aussiedlung«) der deutschen Bevölkerung zunächst weiter ungeregelt und wurde begleitet von unzähligen Verbrechen. Seit dem »Überführungsplan« (17. 10. 1945 auch in geschlossenen Transporten durchgeführt, waren die Massenausweisungen im Allgemeinen 1947 abgeschlossen; am 20. 11. 1945 hatte der Alliierte Kontrollrat die Aufnahmequoten der deutschen Besatzungszonen festgelegt. Später kam es noch zur Zwangsumsiedlung von »Volksdeutschen« aus dem ehemaligen polnischen Staatsgebiet und aus dem an die UdSSR gefallenen Ostpreußen. - Das neue politische System, Unterdrückung sowie schlechte wirtschaftliche und soziale Verhältnisse bewirkten, dass die auch nach 1947 noch verbliebenen Deutschen bald aus ihrer Heimat fortstrebten (Aussiedler). - Bis 1950 sind etwa 12,5 Mio. Deutsche vertrieben worden, davon etwa 7,9 Mio. nach Westdeutschland und 4,1 Mio. in die SBZ/DDR. Die Anzahl der Vertreibungsopfer, oft mit etwa 2,1 Mio. Toten angegeben, die Verluste der nach Osten deportierten Russlanddeutschen nicht eingerechnet, wird in der neueren Forschung zumeist stark relativiert. 1950-94 (Abschluss des Lastenausgleichs) haben etwa 3,3 Mio. Deutsche als Vertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland gefunden.
Integration der Vertriebenen:
Die Vertriebenen waren 1945-46 überwiegend in landwirtschaftliche Gebiete Westdeutschlands gelenkt worden; eine Aufnahme in den kriegszerstörten Industriegebieten war damals nur vereinzelt möglich. Von Ende November 1949 bis Ende 1962 wurden daher rd. 1 Mio. Vertriebene aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bayern (»Abgabeländer«) in die übrigen Länder (»Aufnahmeländer«) umgesiedelt. Mit der wirtschaftlichen verband sich eine fortschreitende gesellschaftliche Eingliederung. Der Lastenausgleich sowie Hilfen aufgrund des BVFG suchten die Eingliederung zu beschleunigen (über 138 Mrd. DM für 8 Mio. Vertriebene). - Die in der DDR verbliebenen Vertriebenen (durch Fortzug in die Bundesrepublik Deutschland bis auf 1,7 Mio. zurückgegangen; 1995 noch etwa 1,3 Mio.), dort Umsiedler genannt, erhielten keinerlei Entschädigung; etwa 91 000 Familien wurden durch die Enteignungen im Zusammenhang mit der Bodenreform (1945-49) auf dem Land angesiedelt. Nach Herstellung der deutschen Einheit (1990) wurde für die ostdeutschen Vertriebenen eine symbolische Zuwendung aus dem Entschädigungsfonds des Bundes beschlossen (insgesamt über 5 Mrd. DM; 1995 begann die Auszahlung).
Organisationen:
Überparteiliche Zusammenschlüsse der Vertriebenen sind seit 1948 erlaubt. Seitdem haben sich viele Selbsthilfeorganisationen zur Rechtswahrung und Unterstützung der Eingliederung gebildet. 1957 entstand der Bund der Vertriebenen, Vereinigte Landsmannschaften und Landesverbände. In der »Charta der deutschen Heimatvertriebenen« (5. 8. 1950 verpflichteten sich die Landsmannschaften der Vertriebenen zum bedingungslosen Verzicht auf Rache oder Anwendung von Gewalt zur Wiedergewinnung der Heimat.
Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, hg. v. T. Schieder, 5 Bde. in 8 Tlen. (1954-61, Nachdr. 1984 u. 1993);
G. Reichling: Die dt. V. in Zahlen, 2 Tle. (1986-89);
Vertreibung u. Vertreibungsverbrechen 1945-1948, bearb. v. S. Spieler (1989);
A. M. de Zayas: Anmerkungen zur Vertreibung der Deutschen aus dem Osten (31993);
A. M. de Zayas: Die Angloamerikaner u. die Vertreibung der Deutschen (81996);
Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten, hg. v. W. Benz (Neuausg. 1995);
W. Schneiss: Flucht, Vertreibung u. verlorene Heimat im früheren Ost-Dtl. (1996);
H. Nawratil: Schwarzbuch der Vertreibung 1945 bis 1948. Das letzte Kapitel unbewältigter Vergangenheit (102001).
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Ver|trie|be|ne, der u. die; -n, -n <Dekl. ↑Abgeordnete>: jmd., der aus seiner Heimat vertrieben (1 a), ausgewiesen wurde.
Universal-Lexikon. 2012.