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polen
po|len 〈V. tr.; hatan einen elektrischen Pol anschließen

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po|len <sw. V.; hat (Physik, Elektrot.):
an einen elektrischen 1Pol anschließen:
Ü in Umweltfragen sind die beiden Parteien nicht gleich gepolt.

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I
Polen,
 
Metallurgie: Raffinationsverfahren für schmelzflüssige Metalle (Kupfer, auch Blei), bei dem durch mechanisches Aufwirbeln und chemischer Behandlung Oxidationsprodukte entfernt und gelöste Gase ausgetrieben werden. Durch Einführen von grünen Baumstämmen, neuerdings auch durch das Einblasen von Erdgas (Gaspolen) in das Metallbad entwickeln sich »Polgase«, die eine gute Spülwirkung haben und die gelösten Gase austreiben.
 
II
Polen,
 
polnisch Polạcy [-tsi], ältere Bezeichnung Lạchen, Lẹchen, Ljạchen, das Staatsvolk Polens; größere Gruppen auch in den USA (6-10 Mio.), Deutschland (1,5 Mio.), Brasilien und Frankreich (je 0,8-1 Mio.), Kanada (0,6 Mio.), Weißrussland (0,4-1 Mio.), der Ukraine (0,3-0,5 Mio.), in Litauen (0,25-0,30 Mio.), ferner in Großbritannien, Australien, Argentinien, Russland, der Tschechischen Republik u. a. Ländern. - Die Polen entstanden aus den im Flussgebiet der Warthe und Weichsel ansässigen westslawischen Stämmen unter Führung der Polanen. Die Siedlungsgebiete dieser Stämme bildeten seit dem 9./10. Jahrhundert die Kernräume der politischen Landschaften Polens (bis zum Ende des 18. Jahrhunderts erkennbar). Die Gebiete der Polanen, Goplanen und Lendizi bildeten »Großpolen«, während »Kleinpolen« zunächst nur das Stammesgebiet der Wislanen umfasste.
 
III
Polen,
 
 
Kurzinformation:
 
Fläche: 312 685 km2
 
Einwohner: (2000) 38,65 Mio.
 
Hauptstadt: Warschau
 
Amtssprache: Polnisch
 
Nationalfeiertag: 3. 5.
 
Währung: 1 Złoty (Zł) = 100 Groszy (Gr, gr)
 
Zeitzone: MEZ
 
amtlich polnisch Rzeczpospolita Pọlska [ʒɛtʃpɔs'pɔlita -], Republik Polen, Staat in Mitteleuropa, grenzt im Westen an Deutschland, im Norden an die Ostsee, im Nordosten an das Gebiet Kaliningrad (Russland) und an Litauen, im Osten an Weißrussland und die Ukraine und im Süden an die Slowakische Republik und die Tschechische Republik. Mit 312 685 km2 Fläche (einschließlich Binnengewässer, jedoch ohne den Staatsanteil an der Ostsee) ist Polen um etwa ein Zehntel kleiner als Deutschland; das Land hat (2000) 38,65 Mio. Einwohner; Hauptstadt ist Warschau. Amtssprache ist Polnisch. Währung: 1 Złoty (Zł) = 100 Groszy (Gr, gr). Zeitzone: MEZ.
 
 Staat und Recht:
 
Verfassung:
 
Die am 25. 5. 1997 durch Referendum gebilligte neue Verfassung (in Kraft seit 16. 10. 1997) bezeichnet Polen als demokratischer Rechtsstaat; die soziale Marktwirtschaft ist verfassungsrechtlich gewährleistet. Der Grundrechtskatalog, der auch einen Minderheitenschutz beinhaltet, entspricht dem internationalen Menschenrechtsstandard. Über die Verwirklichung der Grundrechte wacht seit Anfang 1988 ein Bürgerrechtsbeauftragter (vom Parlament für vier Jahre gewählt).
 
Gemäß Verfassung ist Polen eine Republik mit parlamentarischem Regierungssystem, in dem der Staatspräsident allerdings eine starke Stellung einnimmt. Die Legislative liegt beim Zweikammerparlament (vierjährige Legislaturperiode), bestehend aus dem Sejm und dem Senat, die in besonderen Ausnahmefällen als »Nationalversammlung« zu einer gemeinsamen Sitzung zusammentreten können. Von den 460 Abgeordneten des Sejm werden 391 Abgeordnete nach den Grundsätzen der personalisierten Verhältniswahl gewählt (auf Landesebene besteht eine Sperrklausel von 5 %, für Listenverbindungen von 8 %); 69 Sitze werden als Ausgleichsmandate nach landesweiten Ergänzungslisten an die Parteien vergeben, die eine Sperrklausel von 7 % überwunden haben. Für Parteien der nationalen Minderheiten bestehen Vergünstigungen. Die 100 Mitglieder des Senats werden in den Wwschaften nach dem System der Mehrheitswahl gewählt (zwei Senatoren pro Woiwodschaft und drei Senatoren für Warschau und Kattowitz). Der Senat kann Gesetzesbeschlüsse des Sejm zurückweisen oder Änderungen beschließen. Ein Senatsbeschluss wird wirksam, wenn er vom Sejm nicht mit absoluter Mehrheit der Anwesenden zurückgewiesen wird. Der Sejm kann sich mit Zweidrittelmehrheit selbst auflösen oder vom Präsidenten unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. gescheiterte Regierungsbildung) aufgelöst werden. Dies hat auch die automatische Auflösung des Senats zur Folge.
 
Staatsoberhaupt ist der direkt auf fünf Jahre gewählte Präsident der Republik (einmalige Wiederwahl möglich). Im ersten Wahlgang ist die absolute Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erforderlich, während der zweite Wahlgang als Stichwahl stattfindet. Obwohl seine Befugnisse durch die neue Verfassung eingeschränkt worden sind, verfügt der Präsident namentlich im Bereich Außen- und Sicherheitspolitik sowie beim Staatsnotstand, über eine beachtliche Position. Er hat das Recht der Gesetzesinitiative und kann gegen Gesetzesbeschlüsse des Parlaments entweder den Verfassungsgerichtshof im Wege der präventiven Normenkontrolle anrufen oder sein Veto einlegen, das vom Sejm nur mit 3/5-Mehrheit der Anwesenden zurückgewiesen werden kann. Durchführungs-VO kann der Präsident nur aufgrund einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung erlassen. Die Akte des Präsidenten sind - von Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich gegenzeichnungsbedürftig. Wegen Verfassungs- und Gesetzesverletzungen sowie Straftaten kann der Präsident vor dem Staatsgerichtshof zur Verantwortung gezogen werden; eine Präsidentenanklage wird von der Nationalversammlung mit Zweidrittelmehrheit erhoben.
 
Die Exekutivgewalt wird schwerpunktmäßig vom Ministerrat unter Vorsitz des Ministerpräsidenten ausgeübt. Der vom Präsidenten einberufbare und unter seinem Vorsitz tagende »Kabinettsrat« hat nur beratende Funktion. Das Verfahren der Regierungsbildung, an dem sowohl der Präsident als auch der Sejm beteiligt sind, ist äußerst kompliziert. In der Regel werden der Ministerpräsident und auf dessen Vorschlag die Minister vom Staatspräsidenten ernannt. Der Regierungschef präsentiert binnen 14 Tagen dem Sejm sein Programm und stellt die Vertrauensfrage, für deren Bejahung die absolute Mehrheit der anwesenden Abgeordneten erforderlich ist. Wird diese Mehrheit nicht erreicht, so geht die Initiative zur Regierungsbildung auf den Sejm über. Der Sejm kann mit absoluter Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl ein konstruktives Misstrauensvotum beschließen und so eine neue Regierung bilden. Gegen einzelne Minister ist das destruktive Misstrauensvotum sowie eine Ministeranklage vor dem Staatsgerichtshof zulässig. - Die Rechtsstellung des seit 1985 tätigen Verfassungsgerichtshofs wurde durch die neue Verfassung gestärkt. Er besteht aus 15 Richtern (vom Sejm auf neun Jahre gewählt; Wiederwahl ausgeschlossen). Neben Normenkontrolle und Organstreitigkeiten ist er auch für »Verfassungs-Klagen« von Bürgern zuständig.
 
Parteien:
 
Seit der demokratischen Umgestaltung Polens und der Auflösung der bis dahin staatstragenden kommunistischen Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR) im Januar 1990 bildete sich ein breites Spektrum politischer Parteien, Gruppierungen und Bündnisse heraus. Zu den einflussreichsten zählen das Bündnis der Demokratischen Linken (SLD; 1999 als Partei aus der gleichnamigen, 1991 gegründeten Bewegung hervorgegangen, die knapp 30 linke Gruppierungen umfasste und v. a. von der bis 1999 bestehenden Nachfolgeorganisation der PZPR, der Sozialdemokratie der Republik Polen [SdRP], getragen wurde), die Bürgerplattform (PO; gegründet 2001), die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die Polnische Bauernpartei (PSL, gegründet 1990), die Liga polnischer Familien (LPR) und die sozialistische Arbeitsunion (UP; gegründet 1992). Die Wahlaktion der Solidarność (AWS, ein Bündnis von rd. 30 Parteien und Gruppen) spaltete sich 2001 auf und verlor ebenso wie die liberale Freiheitsunion (UW; 1990 als Abspaltung von der Solidarność entstanden) und die nationalkonservative Bewegung für den Wiederaufbau Polens (ROP) an Bedeutung. - Die deutsche Minderheit, die landesweite über keine eigene Partei verfügt, stützt sich auf Volksgruppenorganisationen und ist von der Sperrklausel bei Wahlen befreit.
 
Gewerkschaften:
 
Neben der Solidarność existiert eine Vielzahl ungebundener Verbände sowie als gesamtpoln. Dachorganisation weitgehend autonomer Branchen- und Betriebsorganisationen die OPZZ (Ogólnopolskie Porozumienie Zwiazków Zawodowych, gegründet 1984).
 
Wappen:
 
Das Wappen zeigt auf rotem Schild einen golden bekrönten weißen Adler mit goldenem Schnabel und goldenen Krallen. Zurückführen lässt sich das polnische Wappentier bis ins 13. Jahrhundert, als es Wappenfigur zahlreicher Angehöriger der Dynastie der Piasten war.
 
Nationalfeiertage:
 
Seit 1990 ist es (wie 1918-39) der 3. 5., zur Erinnerung an die erste Verfassung (1791).
 
Verwaltung:
 
Entsprechend der im Juli 1998 vom Parlament gebilligten und am 1. 1. 1999 in Kraft getretenen Verwaltungs-Reform existieren 16 Wwschaften (vorher 49), an deren Spitze der vom Regierungschef ernannte Woiwode steht. Im Oktober 1998 wurden für die Wwschaften erstmals Regionalparlamente (mit eigenem Haushaltsrecht) zur Gestaltung einer eigenverantwortlichen Kommunalpolitik gewählt; deren ausführendes Organ ist die Geschäftsführung mit einem Marschall. Eine neue Verwaltungseinheit wurde mit der Einführung von 308 Kreisen (Powiaty) geschaffen; deren kommunalpolitisches Gremium ist der Kreistag. Darüber hinaus besteht eine Untergliederung in 64 kreisfreie Städte und Warschau. Die unterste Ebene der Lokalverwaltung verkörpern die 2 489 Gemeinden.
 
Recht:
 
Die Justiz ist insbesondere 1990 grundlegend reformiert worden. Auf der untersten Stufe des Gerichtsaufbaus stehen die Kreisgerichte, die für die meisten Straftaten und für Zivilsachen mit geringem Streitwert zuständig sind. Ihre Urteile können bei den Wwschaftsgerichten angefochten werden, die in erster Instanz u. a. auch für schwerwiegende Straftaten und Zivilsachen mit hohem Streitwert zuständig sind. Die erstinstanzlichen Urteile dieser Gerichte können bei den Berufungsgerichten angefochten werden. Die Funktion des Obersten Gerichts ist mit der Errichtung der Appellationsgerichte 1990 stark reduziert und auf die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung konzentriert worden. Neben den ordentlichen Gerichten stehen der Hohe Verwaltungsgerichtshof, bei dem Verwaltungsakte angefochten werden können, und das Verfassungsgericht. Die Militärgerichtsbarkeit besteht aus Garnisons- und Bezirksmilitärgerichten.
 
Die Richter sind unabhängig und dürfen keiner politischen Partei angehören. Sie werden vom Staatspräsidenten auf Vorschlag des Landesjustizrates auf Lebenszeit ernannt. Der Landesjustizrat besteht aus Repräsentanten der Richterschaft sowie Vertretern des Parlaments und des Staatspräsidenten. Die Staatsanwaltschaft, seit 1989 dem Justizminister unterstellt, der auch die Aufgaben des Generalstaatsanwalts wahrnimmt, ist im Wesentlichen eine Strafverfolgungs- und Anklagebehörde.
 
Streitkräfte:
 
Die Gesamtstärke der Wehrpflichtarmee (Dienstzeit 18 Monate) beträgt rd. 249 000 Mann. Geplant ist eine Reduzierung der Dienstzeit auf 12 Monate bis 1999, der Truppenstärke auf 180 000 Mann bis 2004 sowie bis etwa 2012 eine grundlegende Umstrukturierung und Modernisierung der Streitkräfte (u. a. Aufbau von schnellen Reaktionsstreitkräften, Reform der Luftabwehr). Das Heer (zurzeit rd. 179 000 Soldaten) verfügt an Großverbänden v. a. über neun mechanisierte Divisionen. Die Luftwaffe hat rd. 52 000, die Marine etwa 18 000 Mann. Die Ausrüstung der auf vier Militärbezirke verteilten Streitmacht besteht im Wesentlichen aus rd. 1 700 Kampfpanzern (T-54/-55, T-72), etwa 350 Kampfflugzeugen (MiG-21/-23/-29, Su-20/-22), einem Zerstörer, einer Fregatte, vier Korvetten, rd. 20 Kleinen Kampfschiffen sowie drei U-Booten. Die etwa 150 Kampfflugzeuge MiG-21/-23 sollen schrittweise außer Dienst gestellt und durch 250 moderne Typen ersetzt werden. - Polen ist seit 1994 assoziierter Partner der WEU und unterzeichnete 1994 die »Partnerschaft für den Frieden« der NATO; der NATO-Beitritt soll im April 1999 vollzogen werden.
 
 Landesnatur und Bevölkerung:
 
Landschaft:
 
Polen liegt im Osten Mitteleuropas. Vorherrschend ist eiszeitlich geformtes Tiefland; 75 % der Oberfläche liegen unter 200 m über dem Meeresspiegel, 22 % 200-500 m über dem Meeresspiegel und nur 3 % über 500 m über dem Meeresspiegel. Das Land wird in westöstlich verlaufende Landschaftsräume untergliedert. Von Norden nach Süden sind dies: 1) die Küstenniederungen an der 788 km langen Ostseeküste mit der Halbinsel Hela und dem Frischen Haff (nur Westteil zu Polen), mit ausgedehnten Schwemmlandebenen im Weichseldelta und im Mündungsgebiet der Oder, die in das Stettiner Haff mündet, dem die Inseln Usedom (nur Ostteil zu Polen) und Wollin vorgelagert sind; 2) die Jungmoränenlandschaft des Baltischen Landrückens mit dem Pommerschen Höhenrücken westlich und dem Masurischen Höhenrücken östlich der Weichsel, wo die Mehrzahl der etwa 10 000 Seen Polens (am größten Spirding- und Mauersee) liegen; 3) das schwachwellige Altmoränenland im Einzugsbereich der Saale-Eiszeit, eine von Urstromtälern durchzogene Niederung, die nahezu 50 % der Fläche Polens einnimmt; 4) die vielfach lössbedeckten Hügel- und abgeflachten Bergländer im zentralen Südosten des Landes: das Lubliner Hügelland und das Roztocze (bis 390 m über dem Meeresspiegel) östlich sowie das Kleinpoln. Berg- und Hügelland westlich der Weichsel. Letzteres umfasst das Kielcer Bergland (in der Łysica der Łysogóry 612 m über dem Meeresspiegel), das Krakau-Tschenstochauer Hügelland (Krakauer Jura, Polnische Jura), das mit den Tarnowitzer Höhen (bis 357 m über dem Meeresspiegel) in die Oberschlesische Platte mit dem Oberschlesischen Höhenrücken (Chełm; im Annaberg 385 m über dem Meeresspiegel) übergeht und 5) die Gebirgsumrandung Polens im Süden; hierzu gehören die Sudeten, über die die Grenze zur Tschechischen Republik verläuft, sowie der polnische Anteil an den (nördlichen) West- und den (westlichen) Waldkarpaten mit Hoher Tatra (einziges polnisches Hochgebirge; Meeraugspitze, polnisch Rysy, höchste Erhebung Polens mit 2 499 m über dem Meeresspiegel) und die nördlich vorgelagerte hügelige Beckenlandschaft Podhale, die Ost- und Westbeskiden (1 725 m über dem Meeresspiegel) und das nördliche Karpatenvorland (bis 500 m über dem Meeresspiegel). Den Westbeskiden ist nördlich die geologische Mulde des Oberschlesischen Beckens mit ihren Steinkohlenvorkommen vorgelagert, im äußersten Südosten des Landes bildet das von der Weichsel und dem San durchflossene Becken von Sandomierz (mit der anschließenden Krakauer Pforte und dem Becken von Auschwitz) eine Vortiefe der Karpaten. Nahezu ganz Polen wird von der Oder (mit ihrem Hauptzufluss Warthe) und der Weichsel (mit Bug) entwässert.
 
Klima:
 
Polen bildet ein Übergangsgebiet, in dem die Kontinentalität des Klimas von dem durch atlantische Einflüsse am meisten beherrschten Nordwesten nach Osten und Südosten hin zunimmt. Die höchsten Temperaturen treten im Juli auf und erreichen im Flachland 18,8-19,5 ºC, die niedrigsten im Januar mit —2 und —5,6 ºC. Das Niederschlagsmaximum liegt in den Sommermonaten. Die jährliche Niederschlagsmenge erreicht im Gebiet der Urstromtäler um 500 mm, in den östlichen Mittelgebirgen bis 700 mm und in den Karpaten 1 500 mm; sie hängt jedoch stark vom Relief ab.
 
Vegetation:
 
Die Pflanzenwelt gehört zur mitteleuropäischen Provinz der Laub- und Mischwälder und umfasst über 2 300 Arten von Gefäßpflanzen, von denen die Mehrheit dem holarktischen Bereich zugehört. Die ehemalig dominierenden Wälder sind heute auf 28 % der Landesfläche zurückgedrängt. Vorherrschend sind Nadel- und Mischwälder. In günstigen Lagen treten Eichen-Hainbuchen-Wälder sowie reine Buchenwälder auf; in Sumpfgebieten dominieren Erlenwälder sowie von Weiden und Pappeln durchsetztes natürliches Grasland. In den Karpaten (v. a. in der Hohen Tatra), zum Teil auch im Riesengebirge, tritt Hochgebirgsflora auf; im Norden Polens sind Moore verbreitet.
 
In Polen gibt es (Ende 2000) 22 Nationalparks (davon sechs in den Beskiden, einer im Riesengebirge und drei im Gebiet des oberen Narew; der Bialowiezer Nationalpark gehört zum UNESCO-Welterbe) mit einer Gesamtfläche von 306 464 ha, außerdem 120 Landschaftsparks, 407 Landschaftsschutz- und 1 307 Naturschutzgebiete. Starke Umweltbelastungen gehen noch von einigen veralteten Industrieanlagen im Oberschlesischen Industriegebiet und im Danziger Raum und von den Braunkohlenkraftwerken aus.
 
Bevölkerung:
 
1939 lebten innerhalb des polnischen Staatsgebietes (389 720 km2) 35,09 Mio. Menschen, von ihnen waren (1931) nur 69 % Polen, 31 % gehörten Minderheiten an (rd. 14 % der Bevölkerung waren Ukrainer, 8,6 % Juden, 3,1 % Weißrussen, 2,3 % Deutsche). Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Polen in den heutigen Grenzen 23,6 Mio. Einwohner, die Verluste durch den Krieg werden auf 6 Mio. Menschen geschätzt. Die Abtretung Ostpolens an die UdSSR und die Übernahme der deutschen Ostgebiete löste große Umsiedlungen und Binnenwanderungen aus. Der größte Teil der Deutschen floh oder wurde vertrieben (1945-50 etwa 7 Mio.), in den ehemaligen deutschen Gebieten wurden Polen, teilweise aus Ostpolen, angesiedelt. Nach polnischen Angaben waren 1996 von der Gesamtbevölkerung 98,7 % Polen und 1,3 % Angehörige nationaler Minderheiten (nach deutschen Schätzungen liegt der Anteil der nationalen Minderheiten bei 2,9 %). Die nach dem Krieg in Polen (Oberschlesien, Niederschlesien, Pommern, Danzig, südlich Ostpreußen) verbliebenen Deutschen bilden mit etwa 0,5-0,8 Mio. (Schätzung 1994) die größte nationale Minderheit (Polendeutsche). Weitere nationale Minderheiten sind Ukrainer (300 000), Weißrussen (200 000), ferner Slowaken, Russen, Sinti und Roma sowie Litauer (je zwischen 20 000 und 10 000).
 
2000 lag der natürliche Bevölkerungszuwachs bei 0,3 ‰; die Geburtenrate betrug 9,8 ‰, die Sterberate 9,5 ‰. Die mittlere Lebenserwartung erreichte 2000 bei Männern 70 und bei Frauen 78 Jahre. 2000 waren 19,2 % der Einwohner unter 15 Jahren, 64,2 % 15-60 Jahre und 16,6 % über 60 Jahre alt. Der Anteil der Stadtbevölkerung (2000: 880 Städte) liegt (2000) bei 62 %. Mit einer durchschnittlichen Bevölkerungsdichte von 124 Einwohner/km2 gehört Polen zu den dichter besiedelten Gebieten Europas. Am stärksten sind das Hauptstadtgebiet, Oberschlesien sowie die Gebiete um Krakau, Lodz und Danzig, am schwächsten der Nordosten, Hinterpommern sowie das Tiefland östlich von Oder und Neiße bevölkert. Zahlreiche Polen leben im Ausland.
 
Religion:
 
Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit. Alle staatlich registrierten Religionsgemeinschaften sind rechtlich gleichgestellt. Grundlage der Beziehungen zwischen dem Staat und der katholischen Kirche ist das 1993 abgeschlossene und 1998 in Kraft gesetzte Konkordat. Für die Beziehungen mit der orthodoxen Kirche besteht seit 1991 ein vergleichbares Gesetz. - Rd. 97 % der Bevölkerung sind Christen: über 94 % gehören der katholischen Kirche an (darunter rd. 85 000 Katholiken des byzantinisch-ukrainischen Ritus), rd. 3 % anderen christlichen Kirchen (Orthodoxe, Altkatholiken, Lutheraner, Adventisten, Pfingstler, Baptisten, Methodisten, Reformierte u. a.). Die zweitgrößte Religionsgemeinschaft ist die »Polnisch-Autokephale Orthodoxe Kirche« (rd. 570 000 Mitglieder). Sie gehört dem »Polnischen Ökumenischen Rat« an, zusammen mit sechs weiteren Minderheitskirchen: der lutherischen »Evangelisch-Augsburgischen Kirche in der Republik Polen« (rd. 80 000 Mitglieder, überwiegend im Gebiet um Teschen), der altkatholischen »Polnisch-Katholischen Kirche in Polen« (rd. 52 000 ), der altkatholischen Kirche der Mariawiten, der »Polnischen Baptisten-Union« (rd. 6 200), der »Ev.-Methodistischen Kirche« (rd. 4 300) und der »Evangelisch-Reformierten Kirche« (rd. 4 000). Daneben gibt es rd. 30 000 Altgläubige (priesterlose Pomorzy), rd. 18 000 Pfingstler und rd. 10 000 Adventisten. - Innerhalb der jüdischen Gemeinschaft (6 000-10 000 Juden; 1946: über 200 000) gehören rd. 2 000 jüdischen Kultusgemeinden an. Die seit der Zeit der Goldenen Horde in Polen ansässigen Muslime (heute rd. 4 000; besonders um Białystok) sind Nachkommen der Tataren. Eine weitere nichtchristliche Minderheit sind die rd. 200 Karäer. - Die Zeugen Jehovas (über 100 000 Mitglieder) sind seit 1989 offiziell als Religionsgemeinschaft anerkannt.
 
Bildungswesen:
 
Auf die gut ausgebauten Vorschuleinrichtungen bauen achtjährige Primarschulen auf; an sie schließen sich zwei weitere Primarschuljahre an; sowohl nach acht als auch nach zehn Schuljahren kann der Übertritt in verschiedene zwei- bis dreijährige Berufsgrundbildungseinrichtungen erfolgen, nach zehnjähriger Primarschule auch in vier- bis fünfjährige Fachmittelschulen (Berufstechnika und -lyzeen) oder in vierjährige allgemein bildende Mittelschulen (Lyzeen); beide Formen der Sekundarstufe vermitteln Hochschulreife. Zu den Berufslyzeen zählen u. a. die fünfjährigen pädagogischen Lyzeen. Erwachsenen- beziehungsweise Weiterbildung erfolgt in Abteilungen der Primar- und Mittelschulen als Abend- und Fernunterricht. Polen hat 11 Universitäten sowie zahlreiche weitere Hochschuleinrichtungen.
 
Publizistik:
 
Presse: Seit 1990 wurde die Presse privatisiert und international tätige Medienkonzerne (u. a. Axel Springer Verlag AG) traten auf den Markt. Die wichtigsten Zeitungen sind: »Gazeta Wyborcza« (gegründet 1989, ehemaliges Sprachrohr der Solidarność, jetzt parteiunabhängig, der von der Solidarność abgespaltenen UW nahe stehend; Auflage 460 000), »Rzeczpospolita« (1982, 280 000), »Życie Warszawy« (1944, unabhängig; 250 000), »Trybuna Sląnska« (früher »Trybuna Robotnicza«, gegründet 1945, unabhängig; 180 000), »Trybuna« (hervorgegangen aus der Parteizeitung »Trybuna Ludu«, bis 1999 Organ der sozialdemokratischen SRP; 120 000) und die Boulevardzeitung »Super Express« (460 000). - Nachrichtenagenturen: »Polska Agencja Prasowa« (PAP), »Polska Agencja Informacyjna« (PAI, gegründet 1967) und die katholische Agentur »Katolicka Agencja Informacyjna« (KAI, gegründet 1992). - Rundfunk: Mit der Verabschiedung des Gesetzes für Hörfunk und Fernsehen Ende 1992 wurde in Polen ein duales Rundfunksystem eingeführt. Die zuvor staatliche Hörfunk- und Fernsehanstalt wurde in eine Gesellschaft öffentlichem Rechts auf der Basis einer Aktiengesellschaft (»Telewizja Polska SA«) umgewandelt, wobei die Mehrheit der Aktien vom Staat gehalten wird. Ausgestrahlt werden 12 regionale und zwei nationale (»TVP 1« und »TVP 2«) öffentlich-rechtliche Fernsehpogramme sowie ein staatliches Programm für Auslandspolen (»TV Polonia«, über Satellit). Daneben existieren seit den 1990er-Jahren die Privatfernsehsender »PolSat« (gegründet 1994), »RTL 7« (aus Luxemburg abgestrahlt, gegründet 1996), »PolSat 2« (gegründet 1996) und »TVN« (gegründet 1997), ferner verschiedener Spartenkanäle, so u. a. die digitalen Musikkanäle »MTV Polska«, »Viva Polska« (seit 2000) und der religiöse Kabelsender »TV Puls« (seit 2001). Empfangen werden kann außerdem der Pay-TV-Sender »Canal plus«. Im Hörfunkbereich gibt es fünf öffentlich-rechtliche Radioprogramme und u. a. die privaten Sender »Radio Zet«, »RMF FM«, die kirchliche Station »Radio Maryja« sowie etwa 200 weitere regionale und lokale Privatsender.
 
 Wirtschaft und Verkehr:
 
Wirtschaft:
 
Polen entwickelte sich seit Beginn der 1950-er Jahre aus einem Agrarstaat zu einem Industrie-Agrar-Staat. Die mit dem Aufbau des Sozialismus forcierte Industrialisierung ging mit einer tief greifenden Veränderung der Wirtschafts- und Sozialstruktur einher; die nach sowjetischem Vorbild organisierte staatliche Planwirtschaft führte das Land trotz großer Aufbauleistungen und der seit Anfang der 1980er-Jahre unternommenen Reformversuche in eine schwere wirtschaftliche Krise, die 1981-83 zu großen sozialen Unruhen führte (Solidarność). Im Oktober 1989 wurde ein Reformprogramm mit schrittweiser Privatisierung der staatlichen Unternehmen und Übergang zur Marktwirtschaft eingeleitet, die entsprechenden Gesetze wurden 1990 verabschiedet. Der Übergang zur Marktwirtschaft wurde durch Maßnahmen wie die Freigabe der Preise und Abschaffung staatlicher Subventionen für Unternehmen und landwirtschaftliche Produkte flankiert. Damit wurde der wirtschaftliche Niedergang gestoppt und die Wirtschaft stabilisiert. Die Schuldenlastquote (1990: 79,3 %; 2000: 40,9 %) konnte kontinuierlich verringert, die Inflationsrate 1991 bis 2000 von 59,4 % auf 9,6 % gesenkt werden. Die Auslandsverschuldung lag im Dezember 1999 bei 54,3 Mrd. US-$, was einem Anteil von 33,7 % am Bruttoinlandsprodukt (BIP) entspricht. Seit 1992 gibt es ein reales Wachstum des BIP (1999: 4,1 %), das 1999 bei 155 Mrd. US-$ lag (hinsichtlich des Pro-Kopf-Wertes von rund 8 750 US-$ etwa 38 % des EU-Durchschnitts). Das Wirtschaftswachstum Polens, das alle Wirtschaftsbereiche außerhalb der Landwirtschaft erfasst hat, beruht auf dem privaten Sektor; Polen liegt damit in Europa mit an vorderster Stelle. Der Anteil des Privatsektors erreichte 1999 61 %, in ihm waren über 72 % der Erwerbstätigen beschäftigt. Größere staatseigene Unternehmen sollen durch eine Privatisierungsinitiative der Regierung von 1996 entstaatlicht werden. Das Haushaltsdefizit konnte bis 1999 auf unter 3 % abgesenkt werden. Nach anfänglich starkem Rückgang zu Beginn des Transformationsprozesses stiegen inländischer Verbrauch und privater Konsum wieder an. Die steigenden Investitionen, auch aus dem Ausland (Gestattung von Landkauf, außer landwirtschaftlichen Nutzflächen, und Immobilienerwerb auch für Ausländer), die von 1990 bis 1999 etwa 39 Mrd. US-$ erreichten, begünstigen die weitere dynamische Entwicklung der Wirtschaft. Die Hauptinvestoren kommen aus Deutschland, den USA und Frankreich. Besondere Investitionsanreize geben Steuererleichterungen, besonders in den Sonderwirtschaftszonen.
 
Landwirtschaft:
 
Kennzeichnend ist eine kleinbäuerliche Struktur (1998 fast 2 Mio. Wirtschaften mit einer Durchschnittsgröße von knapp 8 ha; 57 % haben weniger als 5 ha) als Ergebnis der 1950 abgeschlossenen Bodenreform, in deren Verlauf alle Großgrundbesitzflächen über 50 ha enteignet wurden. Besonders in den ehemaligen deutschen Gebieten entstanden Staatsgüter. Im Gegensatz zu anderen sozialistischen Staaten war seit Mitte der 1950er-Jahre der Austritt aus landwirtschaftlichen Genossenschaften möglich. Am Ende der kommunistischen Herrschaft (1988) wurden 76 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche privat bewirtschaftet (2000: 84 %); 19 % gehörten Staatsgütern (derzeit in Neuordnung begriffen), 5 % freiwilligen genossenschatlichen Zusammenschlüssen. Die Entwicklung der Landwirtschaft wurde 1945-90 stark vernachlässigt. Obwohl in ihr heute 48 % aller Beschäftigten tätig sind, trägt sie nur mit etwa 4 % zum BIP bei. Die geringe Produktivität ist durch kleine Betriebsgrößen und unzureichende technische Ausstattung bedingt. Strukturwandel und Modernisierung, die auch im Hinblick auf den angestrebten EU-Beitritt notwendig sind, verlaufen schleppend. Die landwirtschaftliche Nutzfläche von (2000) 18,4 Mio. ha (58,9 % der Gesamtfläche) setzt sich aus 14,1 Mio. ha Ackerland, 4,1 Mio. ha Wiesen und Weiden und 270 000 ha Obstkulturen zusammen. Wichtigste Anbaukulturen sind Weizen, Roggen und Kartoffeln. Die Hauptanbaugebiete für Weizen und Zuckerrüben liegen in den klimabegünstigten, jedoch von Umweltschäden teilweise stark betroffenen Lössgebieten in den südlichen, südöstlichen und westlichen Landesteilen. In Schlesien ist der Rapsanbau stark verbreitet, im Umland großer Städte und im Südosten der Obst- und Gemüsebau gut entwickelt. Etwa 7 % der Anbaufläche werden mit Futterpflanzen bestellt. Grünlandnutzung ist v. a. in den Flussauen von Weichsel, Warthe und Netze anzutreffen. Sie bildet mit die Grundlage für die Haltung von Rindern (2000: 6,1 Mio., davon 3,1 Mio. Milchkühe), die wie die Zucht von Schweinen (2000: 17,1 Mio.) Hauptbedeutung für die Viehwirtschaft hat. Wegen des niedrigen Mechanisierungsgrades der landwirtschaftlichen Betriebe ist der Bestand an Pferden sehr hoch (1999: 0,54 Mio.). Bedeutsam ist auch die Geflügel-, v. a. die Gänsehaltung für den Export.
 
Forstwirtschaft:
 
Die Staatswälder, die (2000) 82 % der gesamten Waldfläche umfassen, werden von Kiefern und Lärchen geprägt. Der 1990 noch sehr kritische Zustand größer Waldflächen hat sich seit 1995 deutlich verbessert. Der Holzeinschlag belief sich 2000 auf 27,66 Mio. m3.
 
Fischerei:
 
Die mit Verarbeitungsschiffen ausgerüstete Hochseefischerei weist seit etwa 1995 stark rückläufige Fischanlandungen auf. Die Binnenfischerei hat v. a. in den Seengebieten im Norden und Nordosten ihre Schwerpunkte; zunehmende Bedeutung gewinnt die Teichwirtschaft. Von der gesamten Fischfangmenge (2000: 246 200 t) entstammen 81,3 % der Hochseefischerei.
 
Bodenschätze:
 
Polen besitzt mannigfaltige Lagerstätten besonders in Süd- und Mittelpolen. Weltbedeutung haben die Steinkohlen-, Schwefel- und Kupfererzfunde. Etwa 90 % der Steinkohle wurden 1999 in Oberschlesien (u. a. Kokskohle bei Rybnik), jeweils knapp 5 % östlich von Lublin und im Gebiet um Trzebinia (Kleinpolen) gefördert. Der Steinkohlenbergbau kam durch niedrige Weltmarktpreise, veraltete Technik und mangelhaftes Management in eine schwere Krise, die Förderung ging 1988-2000 von 193 Mio. auf 103 Mio. t zurück. Große Bedeutung haben die Braunkohlenvorkommen, besonders bei Bełchatów südlich von Lodz, bei Reichenau (Türchau) an der Grenze zu Deutschland bei Zittau sowie in Großpolen bei Konin und Turek. Erdöl wird in kleinen Mengen im Karpatenvorland und nordöstlich von Stettin (Kammin) gefördert, Erdgas im Karpatenvorland und nordwestlich von Breslau gewonnen; die Fördermengen müssen durch Einfuhren (aus Russland) ergänzt werden. Die 1953 entdeckten Schwefellagerstätten bei Tarnobrzeg und bei Grzybów südöstlich von Kielce gehören zu den größten Europas. Zink- und Bleierze mit Beimengungen von Silber, Cadmium und Thallium lagern am Nordwest- und Nordostrand des Oberschlesischen Kohlenreviers; Kupfererze mit Beimengungen von Silber u. a. Metallen sind bei Lüben und Glogau in Niederschlesien, Nickelerze im Gebiet von Frankenstein in Schlesien vorhanden. Reiche Steinsalzlager befinden sich im Karpatenvorland (Wieliczka, Bochnia) sowie bei Hohensalza und Kłodawa (hier auch Kalisalze).
 
Energiewirtschaft:
 
Die Elektrizitätserzeugung erfolgt nahezu vollständig durch Wärmekraftwerke (auf Braunkohlen- und Steinkohlenbasis). Etwa jeweils ein Fünftel der Elektroenergie wird in Oberschlesien und im Braunkohlengebiet von Bełchatów gewonnen. Nur 2,8 % des erzeugten Stromes entstammen Wasserkraftwerken.
 
Industrie:
 
Neben den traditionellen Industriestandorten Warschau, Lodz, dem Oberschlesischen Industriegebiet (um Kattowitz), Danzig (neueres Erdölverarbeitungswerk) und Stettin entstanden seit 1945 Industriezentren in Nowa Huta (zu Krakau), Płock (Hauptzentrum der Erdölverarbeitung an der aus dem Wolga-Ural-Erdölgebiet kommenden Erdölleitung Freundschaft), Puławy, Włocławek und Thorn (Chemiewerke), Konin (Aluminiumhütte), Liegnitz, Glogau (Kupferhütten) sowie Tarnobrzeg (Schwefelverarbeitung). Wichtige Industriezweige sind Maschinenbau und Metallverarbeitung, Fahrzeug- (Automobile, Lokomotiven, Waggons) und Schiffbau (Stettin, Gdingen), Nahrungsmittel-, Baustoff-, Holz- und Papier-, Möbel-, chemische sowie Textil- und Bekleidungs- (Zentrum Lodz) und Lederindustrie. Schnelle Zuwachsraten hat die Produktion von Computern und Büromaschinen, Transportfahrzeugen sowie Radio-, Fernseh- und Telekommunikationsgeräten.
 
Tourismus:
 
Hauptanziehungspunkte des Fremdenverkehrs sind Hohe Tatra, Beskiden und Sudeten (besonders Riesengebirge), die Ostseeküste (Badebetrieb wiederholt durch Meeresverschmutzung, besonders in der Danziger Bucht, beeinträchtigt) und die Masurischen Seen (besonders Wassersport) sowie Warschau, Krakau, Danzig, Breslau u. a. Städte. Wichtigster Wallfahrtsort ist Tschenstochau. Heilquellen führten zur Entstehung von Kurorten in den Sudeten (Bad Kudowa, Bad Altheide, Bad Reinerz) und den Beskiden (Rabka, Krynica). 2000 reisten 85 Mio. Ausländer nach Polen, davon 49 Mio. aus Deutschland.
 
Außenwirtschaft:
 
Die Außenhandelsbilanz ist durch empfindliche Exportschwäche seit längerer Zeit negativ (Handelsbilanzdefizit 2000: 17,3 Mrd. US-$). Die wichtigsten Handelsgüter (2000, wertmäßige Anteile in %) sind beim Import: Maschinen und Transportmittel (37,2), Konsumgüter, besonders Textilien und Bekleidung (7,0), chemische Erzeugnisse (10,3), Erdöl und Schmierstoffe (12,0), Lebensmittel und Lebendvieh (6,5) sowie Rohstoffe; beim Export: Maschinen und Transportmittel (34,6), Lebensmittel und Lebendvieh (8,3), Steinkohle und Koks (4,9), Chemierohstoffe und -erzeugnisse (4,8) sowie sonstige Rohstoffe, besonders Kupfer (3,2). Haupthandelspartner sind Deutschland (knapp 30 % des Außenhandelsumsatzes), Italien, Russland, Frankreich, Großbritannien, die USA und die Niederlande.
 
Verkehr:
 
Polen ist ein wichtiges Transitland für die Güterströme zwischen West- und Osteuropa. Wichtigster Träger des Güterverkehrs ist die polnische Staatsbahn, deren Streckennetz (2000: 22 560 km, davon 52,4 % elektrifiziert) und Wagenpark modernisiert wird. Das Straßennetz hat (1997) eine Länge von etwa 377 000 km, davon sind 250 000 km mit fester Decke. Der Bestand an Pkw ist 1990-2000 fast um die Hälfte auf 10 Mio. angestiegen. Die Binnenschifffahrt auf Oder (durch den Gleiwitzkanal mit dem Oberschlesischen Industriegebiet verbunden), Weichsel, Warthe u. a. Wasserstraßen (Länge 2000 insgesamt 3 813 km) spielt eine untergeordnete Rolle. Dem Transport von Erdöl, Erdölprodukten und Erdgas dienen (2000) etwa 2 300 km Rohrleitungen, neben der Erdölleitung »Freundschaft« soll die im Bau befindliche Erdgastrasse von der Halbinsel Jamal (Russland) nach Westeuropa durch Polen führen. Die wichtigsten Häfen sind die Häfen von Stettin (mit Außenhafen in Swinemünde), Danzig und Gdingen. Nationale Luftfahrtgesellschaft ist Polskie Linie Lotnicze (LOT). Internationale Flughäfen liegen bei Warschau, Krakau, Danzig, Posen und Breslau; daneben drei weitere Flughäfen für den Binnenflugverkehr.
 
 
Zur Vorgeschichte Mitteleuropa, Osteuropa.
 
 Die Anfänge des piastischen Staatswesens
 
Die Existenz eines mächtigen Staates der Wislanen im 9. Jahrhundert im Gebiet des oberen Weichseltals ist ebenso umstritten wie die einer straff verwalteten Herrschaft der historisch nicht fassbaren Gnesener Fürsten Siemowit, Leszek und Siemomysłbis zur mittleren Weichsel und der Pilica.
 
Ausgehend vom Stammesgebiet der Polanen an der mittleren Warthe konnte Herzog Mieszko I. (um 960 bis 992) aus dem Herrschergeschlecht der Piasten auch das Land der Goplanen und den Goplosee sowie die östlich davon siedelnden Lendizi und Masowier unterwerfen; 963 unterband Markgraf Gero einen ersten Versuch, westlich der Oder Fuß zu fassen. Nach Annahme des lateinischen Christentums 966/967 wurde Großpolen (Polonia Maior) der nordöstlichste Vorposten der abendländischen Staatengemeinschaft und erhielt 968 in Posen ein selbstständiges Missionsbistum. Bolesław I. Chrobry (992-1025) konnte Kleinpolen (Polonia Minor, um Krakau), Pommern, Schlesien, Mähren, die Westslowakei und die Lausitz seinem Reich einverleiben und kurzzeitig auch Prag (1003/04) und Kiew (1018) besetzen. Das gute Einvernehmen mit Kaiser Otto III., der im Jahr 1000 Gnesen besucht und dort der Errichtung einer Erzdiözese zugestimmt hatte, wurde unter Kaiser Heinrich II. durch die erst 1018 im Frieden von Bautzen beigelegten Kämpfe um die Mark Meißen und die Lausitz abgelöst. Trotz einer seit 986 bestehenden lockeren Vasallität zum Reich erwarb Bolesław I. 1025 mit päpstlicher Billigung die Königswürde, auf die sein Sohn Mieszko II. Lambert (1025-34) allerdings 1033 wieder verzichten musste. Kasimir I. Odnowiciel (1034/39-58) konnte nach schwierigen Anfängen, in denen die östlichen und westlichen Grenzprovinzen verloren gingen, die Herrschaft wieder konsolidieren; seinem Sohn Bolesław II. Śmiały (1058-79) gelang es angesichts des Zerfalls der Reichsgewalt unter Heinrich IV. 1076 das Königtum zu erneuern. Familienstreitigkeiten unter Wladislaw I. Herman (1079-1102) und seinen Söhnen Zbigniew (1102-07) und Bolesław III. Krzywousty (1102/07-38) suchte Kaiser Heinrich V. erfolglos zur Wiederherstellung der Lehnspflicht zu nutzen. Trotz der zeitweiligen Rückeroberung Pommerns (1102-22) und des erneuten Versuchs, die teilfürstliche Zersplitterung der Kiewer Rus zu Gebietsgewinnen im Osten zu nutzen, gehörten nur Groß- und Kleinpolen, Masowien und Schlesien dauerhaft zum polnischen Staatsgebiet.
 
 Die Zeit der Teilfürstentümer (1138-1320)
 
Das Anliegen Bolesławs III., durch die Aufteilung des Landes unter seine Söhne und die Einführung einer geregelten Erbfolge, die dem ältesten Mitglied des Piastenhauses als Großfürst eine gewisse Oberherrschaft (Seniorat) einräumte, die Nachfolgekämpfe zu unterbinden, scheiterte. Kaiser Friedrich I. konnte daher von Bolesław IV. Kędzierzawy (1146-73) die Respektierung des Lehnsverhältnisses erzwingen. Die weitgehend getrennt verlaufende Entwicklung der vier Teilgebiete - Großpolen, Kleinpolen, Masowien, Schlesien - bedingte 1181 den endgültigen Verlust Pommerns. Die schlesischen Piasten, die sich im 13. Jahrhundert in mehrere Linien verzweigten, suchten enge Anlehnung an das Reich beziehungsweise Böhmen. Die ständigen Kämpfe um das Seniorat und weitere Teilungen schwächten das gesamtstaatliche Verantwortungsgefühl, was auch die Mongolenabwehr (Niederlage auf der Wahlstatt bei Liegnitz 1241) erschwerte. Der Versuch Przemysłs II. des Herzogs von Großpolen (1279-96), durch die Erneuerung der Königswürde 1295 die Wiedervereinigung des Landes zu erreichen, endete mit seiner Ermordung. Auch das Ausgreifen König Wenzels II. von Böhmen nach Klein- und Großpolen blieb Episode, da sein Sohn Wenzel III. 1306 ebenfalls ermordet wurde. Der Luxemburger Johann der Blinde und sein Sohn Karl IV. konnten 1339/48 den Anschluss Schlesiens an Böhmen sicherstellen. Nach harten Kämpfen, unterstützt vom Klerus und einigen Kleinfürsten, gelang dann Wladislaw I. Łokietek (1306/20-33) der Zusammenschluss von Großpolen, Kleinpolen und Kujawien sowie 1320 die dauerhafte Erhebung Polens zum Königreich.
 
Der von Konrad I. von Masowien (1229-32, 1241-43) zur Prußenabwehr in das Culmer Land gerufene Deutsche Orden nahm 1230 von Thorn aus seine Missions- und Kolonisationstätigkeit wahr. Die vertragswidrige Besetzung Pommerellens mit Danzig durch den Deutschen Orden (1308) war bis 1525 ständiger Anlass für Kämpfe der polnischen Krone gegen die Ordensritter. Durch die Ansiedlung deutscher Bauern und Handwerker verfolgte der Orden die Eindeutschung seines Herrschaftsgebiets (deutsche Ostsiedlung).
 
 Das Königreich Polen (1320-1795)
 
Piasten/Anjou:
 
Die von Wladislaw I. eingeleitete Konsolidierungspolitik wurde durch seinen Sohn Kasimir III., den Großen (1333-70), erfolgreich fortgesetzt, wobei dem Landesausbau und der Errichtung einer funktionierenden Verwaltung die Hauptsorge galt. Seine großzügige Politik den Juden gegenüber förderte deren Einwanderung. Im schwelenden Konflikt mit Böhmen um Schlesien und mit dem Ordensstaat um Pommerellen (Frieden von Kalisch, 1343) lenkte er ein, um die masowischen Teilfürstentümer in Lehnsabhängigkeit zu bringen, mit ungarischer Unterstützung 1349/52 die Provinz Rotreußen zu erobern und eine Ausdehnung seines auf 240 000 km2 angewachsenen Reiches nach Südosten einzuleiten. Da er in vier Ehen ohne männliche Erben geblieben war, traf er mit dem in Ungarn regierenden Haus Anjou eine Erbverbrüderung, die seinem Neffen Ludwig die Nachfolge sichern sollte. Da auch Ludwig I., der Große (1370-82), keine Söhne hatte, musste die Zustimmung des polnischen Adels (Schlachta) zur Nachfolge der Töchter mit weit reichenden Konzessionen (Privilegien von Buda 1355 und Kaschau 1373/74) erkauft werden, die eine weitgehende Steuerfreiheit, den politischen Alleinvertretungsanspruch und die Mitwirkung an der Königswahl beinhalteten. Auch durften allein aus dem im Verlauf des 15. Jahrhunderts zu einer homogenen Schicht verschmelzenden Adel die Kron- und Landesbeamten sowie die meisten Bischöfe ernannt werden.
 
 
Durch die Ehe (1386) der Tochter Ludwigs, Hedwig (Jadwiga), mit dem Großfürsten von Litauen, Jagiełło, wurde eine - mehrfach unterbrochene (1440-47, 1492-1501) - polnisch-litauische Personalunion begründet, die erst 1569 in Lublin in eine Realunion umgewandelt wurde. Jagiełło, als König von Polen Wladislaw II. (1386-1434), der mit der heidnischen Mehrheit seines Volkes zum lateinischen Christentum übergetreten war, leitete - zeitweise in Rivalität zu seinem Vetter Witold (Vytautas) - eine nach Osten und Südosten ausgerichtete Politik ein, die bereits 1387 zur Lehnsabhängigkeit des Fürstentums Moldau führte.
 
Im Konflikt mit dem Deutschen Orden wurde der Sieg von Tannenberg 1410 im 1. Thorner Frieden (1411) nicht genutzt, sodass es 1419-22, 1431-35 und v. a. 1454-66 zu weiteren Kriegen kam. Im 2. Thorner Frieden (1466) musste der Orden auf Pommerellen mit Danzig, das Culmer und Michelauer Land, auf Elbing und die Marienburg verzichten; das östliche Preußen mit Königsberg verblieb den Ordensrittern als polnisches Lehen. Nach erneuten Kämpfen zu Beginn des 16. Jahrhunderts nahm Hochmeister Albrecht von Brandenburg-Ansbach 1525 das säkularisierte, von der Reformation erfasste »Preußen herzoglichen Anteils« als Lehen. Durch die 1568 erfolgte Mitbelehnung der kurfürstlich-brandenburgischen Linie fiel das Herzogtum Preußen 1618 an Brandenburg und musste 1657 im Vertrag von Wehlau von Polen ganz aufgegeben werden.
 
Die 1420 eingeleiteten Initiativen, dem jagiellonischen Haus die böhmische Krone zu sichern, konnten erst unter Kasimir IV. Andreas, dem Jagiellonen (1447-92), konkretisiert werden, dessen ältester Sohn, Wladislaw (Ladislaus), 1469/71 von den böhmischen Ständen berufen wurde. Dieser erlangte 1490 auch die Herrschaft über Ungarn, die sein Onkel Wladislaw III. (1434-44) bereits seit 1440 innehatte. Zwischen 1490 und 1526 kontrollierten die Jagiellonen somit den von Ostsee und Böhmerwald bis zum Schwarzen Meer reichenden ostmitteleuropäischen Staatengürtel, waren aber der Bedrohung durch das Großfürstentum Moskau und die Osmanen ausgesetzt. Das Erbe Ludwigs II. von Böhmen und Ungarn traten 1526 die Habsburger an.
 
Die mit wenigen Unterbrechungen von 1478 bis 1533 dauernden Kämpfe gegen die von den Türken unterstützten Krimtataren führten zum Verlust der Schwarzmeerküste und zur Entlassung der Moldau aus polnischer Vasallität. Das von dem Moskauer Großfürsten Iwan III. betriebene »Sammeln des russischen Landes«, durch Übertritte litauisch-orthodoxer Untertanen begünstigt, setzte auch sein Nachfolger Wassilij III. konsequent fort; in den fünf Kriegen zwischen 1486 und 1533 büßte Litauen u. a. Sewerien und Smolensk ein.
 
Die häufigen außenpolitischen Verwicklungen nutzte der zu einer Einheit zusammenwachsende polnisch-litauische Adel dazu, dem jeweiligen Herrscher weiter gehende Rechte abzuringen. Nach einer Habeas-Corpus-Akte (1430/33) wurde dem regionalen Kleinadel 1454 eine Mitwirkung an der Landesregierung zugestanden, die 1493 zur Einrichtung eines Zweikammersystems (Senat und Landbotenstube) führte. Nach 1505 musste der König den von gewählten Landboten gebildeten Reichstag im Zweijahresturnus einberufen und seine Beschlüsse ausführen. Das 1538 verschärfte Monopol des adligen Grundbesitzes und die privilegierte soziale und politische Stellung der Schlachta ebneten den Weg zum Niedergang der Städte und zur Entrechtung und Ausbeutung der Bauern.
 
Unter den letzten Jagiellonen Sigismund I. (1506-48) und Sigismund II. August (1548-72) erlebte Polen sowohl auf staatsrechtlich-politischem wie auch auf literarisch-künstlerischem Gebiet sein »goldenes Zeitalter«. Die städtische Bevölkerung wurde früh von der lutherisch, Teile des Adels nach 1540 von der kalvinistisch geprägten Reformation erfasst. Nach der Union von Brest 1595/96 unterstellten sich viele Orthodoxe der geistlichen Autorität des Papstes. Seit der Warschauer Konföderation von 1573 herrschte trotz der Erfolge der katholischen Gegenreformation für zwei Generationen eine beispielhafte religiöse Toleranz. Trotz weiterer Verluste in Kämpfen gegen Moskau konnte 1561 der Anschluss Kurlands und Livlands sichergestellt werden. Durch die Union von Lublin 1569 mit der Angliederung Wolhyniens und weiter Teile der Ukraine umfasste Polen nun 815 000 km2 mit etwa 7,5 Mio. Einwohnern.
 
 
Die Entscheidung, nach dem Aussterben der Jagiellonen im Mannesstamm (1572) eine Wahlmonarchie einzurichten und den gesamten Adel zur Wahl zuzulassen, beschleunigte die Ausprägung einer extrem adelsrepublikanischen Staatsform. Das seit 1652 respektierte Recht jedes Landboten, mit seinem Einspruch (Liberum veto) den Reichstag beschlussunfähig zu machen, erleichterte den an einer Schwächung Polens interessierten Nachbarmächten die Intervention. Weder Stephan IV. Báthory (1575/76-86) noch die drei Könige aus dem schwedischen Hause Wasa (Sigismund III., 1587-1632; Wladislaw IV., 1632-48; Johann II. Kasimir, 1648-68) oder der »Türkensieger« Johann III. Sobieski (1674-96) konnten dieser verhängnisvollen Entwicklung Einhalt gebieten, die unter den Wettinern (August II., der Starke, 1697-1706, 1709-33; August III., 1733-63) zur weitgehenden Lähmung der Staatsführung beitrug. Während Moskau gegenüber bis 1619 einige Gebietsgewinne erzielt werden konnten und 1610-12 sogar die Übernahme des Zarenthrons möglich schien, leitete der Anschluss des von B. Chmelnizkij gegründeten Kosakenstaats an Russland (1654) den Verlust der Ukraine links des Dnjepr mit Kiew und von Smolensk (Waffenstillstand von Andrussowo 1667) ein. Der aus dynastischen Gründen seit 1601 geführte verlustreiche Krieg gegen Schweden kulminierte 1655 im Ersten Norden Krieg, der im Frieden von Oliva (1660) mit dem endgültigen Verzicht auf Livland beendet wurde. In den häufigen Kämpfen mit der Türkei konnte bis 1699 wenigstens der Besitzstand gewahrt werden. Der Zweite Nordische Krieg (1700-21) bot Zar Peter I. die Gelegenheit, den russischen Einfluss auf das erneut schwer betroffene Polen zu erweitern, das zum Spielball der Politik der Großmächte herabsank.
 
Die Erkenntnis von der Unaufschiebbarkeit grundlegender Reformen löste nach der Wahl Stanisłaus' II. August Poniatowski (1764-95) erste Verbesserungsmaßnahmen aus, die von den von Russland und Preußen unterstützten Gegnern in der Konföderation von Bar (1768-72) bekämpft wurden. Dieser Bürgerkrieg bot Anlass, 1772 durch die 1. Polnische Teilung die Abtretung von rd. 203 000 km2 mit 4,5 Mio. Einwohnern zu erzwingen (Polnische Teilungen). Mit dem »Immerwährenden Rat« (1775) und der »Nationalen Erziehungskommission« (1773) erhielt Polen beispielhafte Verwaltungs- und Bildungseinrichtungen, wenn es auch nicht gelang, die Verteidigungsfähigkeit zu steigern, die Mitwirkung des besitzlosen Adels am politischen Entscheidungsprozess zugunsten der Stadtbürger zurückzudrängen und die Lage der Bauern zu verbessern. Ein »Vierjähriger Reichstag« verabschiedete am 3. 5. 1791 immerhin die erste geschriebene Verfassung Europas, die mit der Abschaffung der freien Königswahl und des Liberum veto dem Grund besitzenden Adel und - beschränkt auf ihre Angelegenheiten - den Städtern die politischen Mitwirkungsrechte übertrug. Katharina II. von Russland unterstützte die Adelsreaktion, die sich 1792 in der Konföderation von Targowica zusammenschloss und mit russischer Waffenhilfe die Reformpartei zur Zurücknahme der Maiverfassung zwang; Russland und Preußen ließen sich ihre Unterstützung 1793 in der 2. Polnischen Teilung honorieren, die nach Abtretung von rd. 286 000 km2 mit 3,5 Mio. Einwohnern einen nicht mehr lebensfähigen Reststaat von 240 000 km2 und 3,5 Mio. Bürgern übrig ließ. Ein von T. Kościuszko geführter Aufstand brach nach der Niederlage von Maciejowice im Oktober 1794 zusammen. Mit der 3. Polnischen Teilung 1795 verschwand Polen von der politischen Landkarte Europas; die polnische Frage manifestierte sich aber in der Folgezeit als europäisches Problem.
 
 Nation ohne Staat - das geteilte Polen (1795-1918)
 
Die Teilungsmächte waren bestrebt, ihre erworbenen Gebiete rasch zu konsolidieren und den in ihren Staaten herrschenden Zuständen anzupassen. Die Hoffnung, durch den Einsatz einer von J. H. Dąbrowski in Italien aufgestellten Legion Napoleon I. zur Wiederherstellung der Eigenstaatlichkeit bewegen zu können, erfüllte sich erst nach der preußischen Niederlage 1806. Das im Sommer 1807 aus preußischen Teilungsgewinnen (außer Westpreußen und dem an Russland gefallenen Bezirk Białystok) gebildete Herzogtum Warschau unter Friedrich August von Sachsen mit 102 700 km2 und 2,6 Mio. Einwohnern erhielt eine von Napoleon entworfene Verfassung und eine Verwaltung nach französischem Vorbild. 1809 um den österreichischen Anteil aus der 3. Teilung auf 147 000 km2 mit 4,3 Mio. Einwohnern vergrößert, musste das Herzogtum Warschau im Russischen Feldzug von 1812 schwere Opfer bringen.
 
Auf dem Wiener Kongress 1814/15 wurden die ursprünglichen Teilungsgrenzen bedeutsam abgeändert. Während Österreich den Großteil seiner Erwerbungen in Galizien verteidigen konnte, musste Preußen auf den Gewinn aus der 3. Teilung verzichten und dem bis zur Prosna reichenden Großherzogtum Posen einen Sonderstatus einräumen. Krakau wurde »Freie Stadt« (bis 1846). Ein aus den polnischen Zentralgebieten gebildetes »Königreich Polen« (Kongresspolen) mit 127 000 km2 und 3,3 Mio. Einwohnern, dem neben einer eigenen Verfassung und Verwaltung auch eine kleine Armee zugestanden wurde, kam in Personalunion zu Russland. Das Versprechen der Teilungsmächte, die Einheit der Nation durch die Aufrechterhaltung wirtschaftlicher Bindungen und die Förderung der polnischen Sprache wahren zu wollen, kam dem besonders im Adel und der katholischen Geistlichkeit lebendigen Nationalbewusstsein entgegen.
 
Die von Kaiser Nikolaus I. verfolgte repressive Politik löste in Kongresspolen den »Novemberaufstand« von 1830/31 aus, der militärisch ebenso brutal niedergeschlagen wurde wie kleinere Erhebungen in Galizien 1846 und Posen 1848 sowie der Januaraufstand 1863/64. Den Abbau der Sonderrechte begleiteten Entnationalisierungsmaßnahmen und Wirtschaftssanktionen. Der sich anschließenden »Großen Emigration« gelang es nicht, die europäischen Mächte zu einer Intervention zugunsten der Wiedererrichtung eines polnischen Staates zu veranlassen. Nach 1864 stand in dem zu »Weichselgouvernements« herabgestuften Kongresspolen die Abwehr der Russifizierungsversuche und der wirtschaftliche Aufschwung im Mittelpunkt der immer stärker vom Bürgertum getragenen »organischen Arbeit«. Nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 bewirkten der Kulturkampf und die Zurückdrängung des polnischen Anteils in der »Provinz Posen« die Entwicklung eines alle Bevölkerungskreise erfassenden Gemeinschaftsbewusstseins. Im wirtschaftlich zurückgebliebenen Galizien, dem 1868 die Selbstverwaltung gewährt wurde, fanden sich die Ruthenen mit einem noch stark vom Adel geprägten polnischen Nationalismus konfrontiert, der auch auf das russische und preußische Teilungsgebiet einwirkte. Seit der Jahrhundertwende setzte besonders in dem von der Industrialisierung erfassten russischen Teil (mit den Zentren Warschau, Lodz, Białystok, Dąbrowabecken) die Diskussion um den künftigen politischen Kurs ein. Während die überwiegend bürgerlichen Nationaldemokraten unter R. Dmowski für eine Zusammenarbeit unter panslawistischem Vorzeichen mit dem zaristischen Russland plädierten und die von Rosa Luxemburg und Julian Marchlewski (* 1866, ✝ 1929) geführten Sozialdemokraten der sozialen Revolution Priorität einräumten, traten die von J. Piłsudski gegründeten Sozialisten zuerst für die Wiedererrichtung der Eigenstaatlichkeit und danach für eine grundlegende soziale Umgestaltung ein.
 
Das bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 abgegebene russische Versprechen, nach einem Sieg die Wiedervereinigung eines »in Glauben, Sprache und Selbstverwaltung« freien Polen zu ermöglichen, wurde zunächst nur von der Nationaldemokratie begrüßt; die von den Polnischen Legionen unterstützten Mittelmächte proklamierten am 5. 11. 1916 die Wiederherstellung Polens als konstitutionelle Erbmonarchie. Aber die Forderung nach Abtretung eines von Ostpreußen bis Schlesien reichenden breiten Grenzstreifens an das Deutsche Reich, die geringen Rechte für die polnischen Selbstverwaltungsorgane, die Anerkennung des Rechts auf Eigenstaatlichkeit durch die russische Provisorische Regierung im März 1917 sowie die Bereitschaft der von einem in Paris tätigen Nationalkomitee (Dmowski, I. J. Paderewski) beeinflussten Alliierten und besonders des amerikanischen Präsidenten W. Wilson, die Wiedererrichtung eines souveränen Polen zu fördern, führten einen Stimmungsumschwung gegen die deutsch-österreichische Konzeption herbei. Nach der Kapitulation der Mittelmächte übernahm am 11. 11. 1918 der aus Magdeburger Festungshaft zurückgekehrte Piłsudski die militärische Befehlsgewalt und baute als »Vorläufiger Staatschef« (seit 14. 11. 1918) mit diktatorischen Vollmachten Polen als Republik auf.
 
 Polen zwischen den Weltkriegen (1918-39)
 
Nach Kongresspolen und Westgalizien konnten im Januar 1919 der Großteil der Provinz Posen sowie im Frühjahr auch Ostgalizien und die nordöstlichen Distrikte bis Wilna militärisch besetzt werden. Dem Wirken des Ministerpräsidenten Paderewski und Dmowskis war es zu danken, dass Polen im Versailler Vertrag fast ganz Posen und weite Teile Westpreußens links der Weichsel (Polnischer Korridor) zugesprochen erhielt und Plebiszite in den strittigen Gebieten um Allenstein, Marienwerder und in Oberschlesien abgehalten werden sollten. Während Polen bei den Abstimmungen im südlichen Ostpreußen und in Westpreußen rechts der Weichsel nur wenige Stimmen (2,2 % beziehungsweise 7,6 %) bekam, votierten am 20. 3. 1921 in Oberschlesien 40,4 % für den Anschluss an Polen. Auch der Letzte der drei polnischen Aufstände im Mai 1921 konnte die Aufteilung Oberschlesiens durch den Völkerbundrat nicht verhindern, wobei Polen den kohle- und industriereichen kleineren Ostteil mit Kattowitz und Königshütte erhielt. Die Erhebung Danzigs zur Freien Stadt belastete das deutsche-polnische Verhältnis. Im Streit mit der Tschechoslowakei wurde der Distrikt Teschen entlang der Olsa geteilt. Nachdem Piłsudski die Curzon-Linie als polnische Ostgrenze abgelehnt hatte, löste er mit der polnischen Offensive (April 1920) den Polnisch-Sowjetischen Krieg aus. Im Frieden von Riga (18. 3. 1921 verständigten sich die Kriegsgegner auf eine polnisch-russische Grenze rd. 150 km östlich der Curzon-Linie. Mit einer Militäraktion (1920) brachte General Ł. Z̊eligowski das Wilnagebiet unter polnischer Hoheit. Polen umfasste nunmehr ein Gebiet von rd. 388 000 km2 mit über 27 Mio. Einwohnern (jedoch nur knapp 19 Mio. polnischer Volkszugehörigkeit).
 
Die Aufgabe, vier unterschiedliche Verwaltungs-, Rechts-, Finanz-, Verkehrs- und Bildungssysteme zu koordinieren, die sozialen und wirtschaftlichen Unausgewogenheiten zu beseitigen und die ethnischen Minderheiten zu integrieren, überforderte die häufig wechselnden Regierungen Polens. Die am 17. 3. 1921 verabschiedete Verfassung sah in Anlehnung an das französische Vorbild ein Zweikammerparlament, den 444 Abgeordneten zählenden Sejm und einen auf 111 Mitglieder begrenzten Senat, vor. Da dem Staatspräsidenten wenige Rechte verblieben und die Wahlen im November 1922 keine eindeutigen Mehrheiten erbrachten, kandidierte Piłsudski nicht für dieses Amt, das nach der Ermordung von G. Narutowicz (16. 12. 1922) der Sozialist S. Wojziechowski einnahm. Mit der Einführung des Złoty wurde die Währung konsolidiert; 1925 lief eine Agrarreform auf Kosten des Großgrundbesitzes an. Vor dem Hintergrund von Missernten, gravierender Arbeitslosigkeit, Korruption, Streit um Ämter, v. a. aber angesichts einer Verschlechterung der außenpolitischen Lage führte Piłsudski am 12. 5. 1926 einen Staatsstreich durch. Unter formaler Beibehaltung der Verfassung und des demokratischen Staatsaufbaus, gestützt auf seine außerordentlich große Autorität bei der Bevölkerung und auf die Loyalität der Streitkräfte, begann er seine »moralische Diktatur«.
 
Die anfängliche Bereitschaft der Linken zur Zusammenarbeit schlug in Feindschaft um, als sich Piłsudski der Herrenschicht aus den nationalen gemischten Ostgebieten annäherte und ein von seinem Vertrauten W. Sławek gegründeter Block der Zusammenarbeit mit der Regierung (BBWR) das bisherige Parteienspektrum aufzubrechen begann. Unter Rechtsbrüchen und nach Verhaftungen wurde im Herbst 1930 die in der Zentrumslinken (Centrolew) zusammengeschlossene Opposition zerschlagen, ihre Führer wurden in die Emigration gezwungen. Mithilfe eines Ermächtigungsgesetzes (23. 3. 1933 konnte am 23. 4. 1935 eine auf Piłsudski zugeschnittene autoritative Verfassung verabschiedet werden. Doch mit seinem Tod am 12. 5. 1935 verfiel wegen der Mittelmäßigkeit der sich bald in Diadochenkämpfen paralysierenden Nachfolger - Staatspräsident I. Mościcki, Oberbefehlshaber E. Rydz-Śmigły, Außenminister J. Beck - das bisher von Piłsudskis persönlichem Prestige geprägte System.
 
Infolge der umstrittenen Grenzziehung war Polen mit Ausnahme Rumäniens und Lettlands mit allen anderen Nachbarn verfeindet. Das Bündnis mit Frankreich vom 19. 2. 1921 machte Polen zum wichtigsten Eckpfeiler im Cordon sanitaire. Der Auftrag jedoch, sowohl Sowjetrussland als auch das Deutsche Reich zu neutralisieren, musste die Kräfte Polens überfordern, zumal sich die Weimarer Republik einer von Piłsudski gewünschten Normalisierung versagte und die deutschen Forderungen nach Grenzrevision und militärischer Gleichberechtigung den Status quo infrage stellten. Die Nichtangriffsverträge mit der UdSSR (25. 7. 1932 und dem Deutschen Reich (26. 1. 1934 wurden von den Partnern nur als nützlicher Waffenstillstand gewertet. L. Beck hoffte, mit Hitlers Billigung Polen zur Führungsmacht in einem von der Ostsee bis zur Adria reichenden »Dritten Europa« machen zu können.
 
Die polnische Beteiligung an der Liquidation der Tschechoslowakei nach dem Münchener Abkommen 1938 verschlechterte die politische und strategische Ausgangslage, zumal Hitler danach auf eine Regelung der Danzig- und der Korridorfrage drängte. Die Zurückweisung der deutschen Angebote am 26. 3. und die britische Garantieerklärung am 31. 3. 1939 nahm Hitler zum Anlass, am 3. 4. den Befehl zur Vorbereitung eines Angriffs zu geben und am 28. 4. das Nichtangriffsabkommen aufzukündigen. Ein am 23. 8. unterzeichneter deutsch-sowjetischer Nichtangriffsvertrag (Hitler-Stalin-Pakt) sah in einem geheimen Zusatzprotokoll die Aufteilung Polens vor. Mit dem Überfall auf Polen am 1. 9. 1939 löste Hitler den Zweiten Weltkrieg aus.
 
 Polen im Zweiten Weltkrieg
 
Die zahlenmäßige und waffentechnische Unterlegenheit sowie das Eingreifen der Roten Armee am 17. 9. bedingten die rasche Kapitulation der polnischen Streitkräfte. Ein Grenz- und Freundschaftsvertrag legte am 28. 9. die deutsch-sowjetische Demarkationslinie entlang dem Bug fest. Unter den rd. 13 Mio. Einwohnern in den von der UdSSR annektierten und am 1./2. 11. 1939 der Weißrussischen und der Ukrainischen Sowjetrepublik eingegliederten ostpoln. Gebieten befanden sich 5,275 Mio. Menschen mit polnischer Muttersprache, die sogleich Entnationalisierungsmaßnahmen unterworfen wurden. Die von April 1940 bis Juni 1941 in fünf Wellen vorgenommenen Deportationen erfassten v. a. die staatlichen, religiösen und kulturellen Repräsentanten des Polentums; von den rd. 300 000 Kriegsgefangenen überlebten nur 82 000.
 
Die Westdistrikte Polens mit den wichtigsten Industriezentren, rd. 90 000 km2 mit 10 Mio. Einwohnern, wurden am 8. 10. 1939 direkt dem Deutschen Reich angeschlossen, den 98 000 km2 großen Rest mit 10,6 Mio. überwiegend polnischen Einwohnern fasste man in einem Generalgouvernement unter Reichsminister H. Frank zusammen. Dieses »Nebenland des Reiches« wurde rücksichtslos ausgebeutet und seine Bevölkerung unter Verfolgung seiner Intelligenzschicht unterdrückt. Auch in den »eingegliederten Ostgebieten« unterband die deutsche Besatzungsmacht durch Enteignung, Deportation und gezielte Ausrottung jede nationale Bewegung und verfolgte eine konsequente Germanisierungspolitik. In den Konzentrationslagern wurden fast 3 Mio. polnische Juden ermordet.
 
Unter W. Raczkiewicz (als Staatspräsident) und W. Sikorski (als Ministerpräsidenten) bildete sich 1939/40 - zunächst in Paris, dann in London - eine Exilregierung. Nach dem deutschen Angriff auf die UdSSR stellte General W. Anders auf der Grundlage eines sowjetisch-polnischen Vertrages (30. 7. 1941 aus polnischen Kriegsgefangenen in der UdSSR eine Exilarmee auf, die die Exilregierung jedoch 1942 unter dem Eindruck zunehmender Spannungen mit Stalin nach Iran verlegte.
 
Die beharrliche polnische Forderung nach einer Erklärung für die am 13. 4. 1943 bekannt gewordenen Leichenfunde von Katyn veranlasste Stalin am 25. 4. zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit der Exilregierung und zur einseitigen Unterstützung der kommunistisch-linkssozialistischen Kräfte. Außerdem weigerte sich die Exilregierung unter den Ministerpräsidenten S. Mikołajczyk (1943-44) und T. Arciszewski (1944-47), dem Verlust der Gebiete östlich des Bug und einer Westverschiebung Polens zuzustimmen.
 
Die brutale deutsche Besatzungspolitik löste eine immer weitere Bevölkerungskreise erfassende Bereitschaft zum Widerstand im Untergrundkampf aus. Es bildete sich einerseits die in Verbindung mit der Exilregierung operierende Armia Krajowa (AK), die Ende 1943 über rd. 300 000 Mann verfügte, andererseits entstand die sich auf die Polnische Arbeiterpartei (PPR, wieder gegründet 1942) stützende kommunistische Volksgarde (Gwardia Ludowa), deren militärische Bedeutung jedoch erst nach ihrer Umwandlung in die Armia Ludowa (AL) Anfang 1944 größer wurde. 1943 schlug die deutsche Besatzungsmacht den Aufstand im Warschauer Getto, der den Abtransport der Juden in die Vernichtungslager aufhalten sollte, blutig nieder (Warschauer Aufstand 2). Als im Juli 1944 die Rote Armee den Bug überschritt und das von moskautreuen Kräften gebildete Lubliner Komitee (»Polnisches Komitee der Nationalen Befreiung«) eine kommunistisch orientierte Verwaltung aufbaute, löste die AK am 1. 8. 1944 einen Aufstand aus, den die deutsche Wehrmacht jedoch bis zum 2. 10. 1944 unterdrückte (Warschauer Aufstand). Im Rahmen der am 12. 1. 1945 eingeleiteten sowjetischen Winteroffensive wurden die deutschen Streitkräfte zurückgedrängt. Nach der Befreiung Polens übernahm das »Lubliner Komitee«, am 1. 1. 1945 in »Provisorische Regierung« umbenannt, die Herrschaft in Polen, zugleich die Verwaltung im südlichen Ostpreußen, in Danzig, Pommern, Schlesien und im östlichen Brandenburg. Die bereits auf der Konferenz von Teheran (November/Dezember 1943) erörterte Abtretung Ostpolens und Entschädigung durch deutsche Ostgebiete löste Spannungen zwischen der Exilregierung und den Westalliierten aus; trotzdem wurde auf der Jalta-Konferenz (Februar 1945) die leicht modifizierte Curzon-Linie als polnische Ostgrenze festgelegt und Polen »ein beträchtlicher Gebietszuwachs im Westen und Norden« in Aussicht gestellt. Die Weigerung der Provisorischen Regierung, Exilpolitiker und Vertreter des bürgerlich-demokratischen Lagers in angemessener Zahl aufzunehmen, verzögerte bis zum 28. 6. 1945 die Bildung einer »Regierung der Nationalen Einheit«. Daraufhin unterstellte die Potsdamer Konferenz (17. 7.-2. 8. 1945) die ehemals ostdeutschen Gebiete bis zur Oder und der Lausitzer Neiße sowie das südliche Ostpreußen und Danzig (103 000 km2) vorläufig polnischer Verwaltung. Dafür hatte Polen östlich der Curzon-Linie rd. 180 000 km2 mit 12 Mio. Einwohnern zugunsten der UdSSR aufzugeben. Mit der Vertreibung der meisten Deutschen und der Zwangsumsiedlung der Polen aus den polnischen Ostgebieten wurde eine gewaltige Bevölkerungs-Verschiebung vorgenommen. Polen umfasste nur noch 312 730 km2 mit knapp 24 Mio. Einwohnern.
 
 Polen als Volksdemokratie
 
Unter stalinistischer Herrschaft 1945-56:
 
Der Zweite Weltkrieg hatte Polen rd. 6 Mio. Tote - darunter über 85 % des jüdischen Bevölkerungsanteils - und rd. 38 % des Volksvermögens gekostet. Die bereits vom Lubliner Komitee am 15. 8. 1944 vorgenommenen wirtschaftspolitischen Weichenstellungen beinhalteten die Enteignung des Großgrundbesitzes zugunsten der Kleinbauern und die Verstaatlichung von Industrie und Banken. In der 1945-47 von dem Sozialisten E. Osóbka-Morawski geführten Regierung nahm die kommunistische PPR unter W. Gomułka die Schlüsselpositionen ein; allein die vom Exil-Ministerpräsidenten Mikołajczyk gegründete Polnische Bauernpartei (PSL) mit 600 000 Mitgliedern stellte sich ihr entgegen. Widerstandsgruppen im Untergrund konnten erst 1947 ausgeschaltet werden. Der Auflage, baldige Wahlen durchzuführen, kam die Regierung erst am 19. 1. 1947 nach; aufgrund massiver Manipulationen gewann der kommunistisch dominierte Demokratische Block 394, die PSL nur 27 der 444 Sejmsitze. Nach der Wahl B. Bieruts zum Staatspräsidenten (1947-52), der Ernennung J. Cyrankiewiczs zum Ministerpräsidenten (1947-52, erneut 1954-70) und dem In-Kraft-Setzen der »Kleinen Verfassung« am 19. 2. 1947 begann die Verdrängung und Verfolgung missliebiger Politiker; Mikołajczyk ging im Oktober erneut ins Exil. Die wachsende Abhängigkeit von der UdSSR trat bei der Einführung der Planwirtschaft, der Übernahme sowjetischer Einrichtungen, der Ablehnung des Marshallplans und der zwangsweisen Verschmelzung der traditionsreichen Sozialistischen Partei (PPS) mit der PPR zur Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP, polnische Abkürzung: PZPR) im Dezember 1948 zutage. Die PZPR eignete sich das Führungsmonopol in Staat und Gesellschaft an.
 
Nach der Ausschaltung der als »bourgeoise Nationalisten« gebrandmarkten Gruppe um Gomułka innerhalb der PZPR 1949 setzte die einseitige Industrialisierung unter Bevorzugung der Schwerindustrie und die zwangsweise Kollektivierung der Landwirtschaft ein, überwacht von dem zum Verteidigungsminister und Politbüromitglied aufgestiegenen Sowjetmarschall K. Rokossowskij und zahlreichen Sowjetspezialisten. Mit der volksdemokratischen Verfassung vom 22. 7. 1952 nahm das Land offiziell die Bezeichnung »Volksrepublik Polen« an. Das Amt des Staatspräsidenten wurde durch den kollektiven Staatsrat ersetzt, dessen Vorsitzender als nominelles Staatsoberhaupt fungierte. Da etwa 95 % der Einwohner der katholischen Kirche angehörten, intensivierte man trotz der Unterzeichnung eines Modus-Vivendi-Abkommens am 14. 4. 1950 die Maßnahmen zur Zurückdrängung des kirchlichen Einflusses; sie erreichten mit der Verhaftung vieler Priester und des Primas der katholischen Kirche, S. Wyszyński, im September 1953 ihren Höhepunkt.
 
Seit dem Abschluss eines Freundschafts- und Beistandsvertrags am 21. 4. 1945 hatte die UdSSR ein Netz von Verträgen, Wirtschaftsabkommen und Vereinbarungen über Polen gelegt, das 1949 Gründungsmitglied des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) und 1955 des Warschauer Paktes war. - Mit dem Görlitzer Abkommen (6. 7. 1950 verzichtete die DDR auf die deutschen Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie.
 
Der XX. Parteitag der KPdSU im Februar und der Tod Bieruts im März 1956 setzten auch in Polen erste Entstalinisierungsmaßnahmen in Gang. Trotz der Freilassung politischer Häftlinge und der Lockerung der Zensur erreichte die Unzufriedenheit der Bevölkerung, v. a. wegen der schlechten Versorgungslage und der allgegenwärtigen sowjetischen Präsenz, im Posener Aufstand (Juni 1956) einen Höhepunkt. Weitere Demonstrationen und der Autoritätsverfall der PZPR brachten am 19. 10. 1956 den rehabilitierten Gomułka an die Spitze der Partei, der unter Respektierung der sowjetischen Dominanz einen eigenen polnischen Weg zum Sozialismus einzuschlagen versprach.
 
Die Ära Gomułka (1956-70):
 
Die Abkehr von der Zwangskollektivierung, eine großzügigere Kirchenpolitik, die Reorganisation der Verwaltung und des Planungssystems unter stärkerer Berücksichtigung der Konsumbedürfnisse, eine begrenzte Liberalisierung auf kulturellem Sektor sowie die Berücksichtigung parteipolitisch ungebundener Kandidaten bei den Sejmwahlen vom 20. 1. 1957 trugen Gomułka einen großen Vertrauensbonus ein. Außenpolitische und blockinterne Rücksichtnahmen zwangen ihn aber bereits zu Beginn der 1960er-Jahre, einen schärferen innenpolitischen Kurs zu steuern, der zu einer Einschränkung der kirchlichen Wirkungsmöglichkeiten und der geistigen Freiheiten führte und dem nationalistisch-neostalinistischen Flügel um Innenminister und ZK-Sekretär Mieczysław Moczar (* 1913, ✝ 1986) Auftrieb verlieh. Angesichts der wegen latenter Versorgungsmängel und einer großen Wohnungsnot verbreiteten Unzufriedenheit wurde der israelisch-arabische Sechstagekrieg 1967 zum Vorwand genommen, gegen missliebige Intellektuelle vorzugehen und die meisten der verbliebenen Juden zur Emigration zu veranlassen. Nach einem Studentenstreik in Warschau im März 1968 wurde die reformfreudige parteiinterne Opposition ausgeschaltet. Preiserhöhungen am 12. 12. 1970 lösten v. a. in den Hafenstädten schwere Unruhen mit mindestens 45 Toten aus. Gomułka und Cyrankiewicz verloren ihre Ämter.
 
Die im Herbst 1957 von Außenminister A. Rapacki gestartete Initiative, eine kernwaffenfreie Zone in Mitteleuropa einzurichten (Rapacki-Plan), fand bei der NATO keine Resonanz. Wegen der offenen Grenzfrage, der Hallsteindoktrin und dem Beharren der deutschen Vertriebenenverbände auf dem Heimat- und Rückkehrrecht konnte erst am 7. 3. 1963 eine Vereinbarung über die Einrichtung von Handelsmissionen mit der Bundesrepublik Deutschland getroffen werden. Die Beteiligung polnischer Truppen bei der Niederwerfung des »Prager Frühlings« im August 1968 schadete dem internationalen Prestige Polens. Die von Gomułka im Mai 1969 angebotene, von der sozialliberalen Koalition in Bonn aufgegriffene Bereitschaft, im Rahmen einer Gewaltverzichtserklärung unter Offenhaltung der Grenzfrage eine »volle Normalisierung und umfassende Entwicklung der beiderseitigen Beziehungen« herbeizuführen, mündete nach schwierigen Verhandlungen am 7. 12. 1970 in der Unterzeichnung des Warschauer Vertrags. 1972 nahmen beide Staaten diplomatische Beziehungen auf.
 
Erfolg und Scheitern Giereks (1970-80):
 
Mit einschneidenden personellen Veränderungen in der Partei sowie der Regierung, die 1970-80 Piotr Jaroszewicz (* 1909, ✝ 1992) als Vorsitzender des Ministerrats führte, und dank großzügiger sowjetischer Wirtschaftshilfe konnte der neue, am 20. 10. 1970 berufene Parteichef E. Gierek rasch die Ruhe wiederherstellen. Sein Kurs, durch Aufnahme von Anleihen im Ausland den materiellen Wünschen der Bevölkerung zu genügen und die Industrialisierung voranzutreiben, fand die volle Unterstützung des Westens. Die Lockerung der Zensur, Reiseerleichterungen, Einkommensverbesserungen sowie eine großzügigere Kirchen- und Kulturpolitik mit nationalpatriotischer Komponente begleiteten die wirtschaftlichen Anfangserfolge. Doch wachsende soziale Spannungen, eine unzureichende Verfassungsreform am 10. 2. 1976 und Preiserhöhungen entluden sich im Juni desselben Jahres in Streiks und Aufruhr, die von der Regierung brutal unterdrückt wurden. Das zur Verteidigung der betroffenen Arbeiter im September1976 gegründete Komitee KOR ermutigte das Entstehen weiterer regimekritischer Vereinigungen und eines Untergrundverlagswesens. Die mit der Wahl des Krakauer Kardinals K. Wojtyła zum Papst (16. 10. 1978) einsetzende religiöse Erneuerungsbewegung unterstützte die Forderung nach tief greifenden Reformen. Als im Frühsommer 1980 eine neue Preis- und Inflationswelle bei unzulänglichem Warenangebot Polen überrollte, kam es zu landesweiten Streiks, die von der Regierung nur durch zahlreiche Zugeständnisse (Vereinbarungen von Danzig, Stettin und Jastrzębie 31. 8./2. 9.) und die Zulassung unabhängiger Gewerkschaften (am 17. 9. 1980 Gründung und am 10. 11. 1980 gerichtliche Bestätigung der Solidarność) beendet werden konnten. Gierek musste am 6. 9. 1980 S. Kania als Erstem Sekretär der PZPR weichen.
 
Krise und Zerfall des volksdemokratischen Systems unter Jaruzelski (1981-89):
 
Die fortbestehende Wirtschaftsmisere und Flügelkämpfe innerhalb der auf 10 Mio. Mitglieder angewachsenen Solidarność verhinderten ebenso eine Konsolidierung Polens wie der Widerstand der orthodox-kommunistischen Kader in der PZPR und das wachsende Misstrauen der UdSSR. Im Februar 1981 übernahm der Verteidigungsminister General W. Jaruzelski das Amt des Vorsitzenden des Ministerrats, im Oktober 1981 auch das des Parteichefs. Weit gespannte Diskussionen um die politische Rolle der neuen Gewerkschaft unter der charismatischen Führung von L. Wałęsa, häufige Streiks und eine Lähmung der Gesamtwirtschaft sowie die sich abzeichnende Möglichkeit einer sowjetischen Intervention veranlassten Jaruzelski, am 13. 12. 1981 das Kriegsrecht auszurufen. Ein »Militärrat der Nationalen Rettung« (WRON) unter seinem Vorsitz übernahm die Macht. Streiks wurden untersagt, Tausende interniert. Anfänglicher Widerstand in den Betrieben wurde gewaltsam unterdrückt, die Solidarność im Oktober 1982 aufgelöst. Nach Aufhebung des Kriegsrechts (22. 7. 1983), das bereits mit Wirkung vom 31. 12. 1982 ausgesetzt worden war, kamen zwar in der Folgezeit fast alle Internierten frei, doch blieben zahlreiche Beschränkungen (einschließlich des Verbots der Solidarność) aufrechterhalten. Die Entführung und Ermordung des Warschauer Priesters J. Popiełuszko durch Mitarbeiter des polnischen Staatssicherheitsdienstes am 19. 10. 1984 löste neue Massendemonstrationen und Spannungen aus. Zur Überwindung wirtschaftlicher Schwierigkeiten legte die Regierung ein Reformprogramm vor, das in einem Referendum im November 1987 abgelehnt wurde. Der Regierung unter Z. Messner (1985-88) gelang es nicht, die innenpolitische Krise zu überwinden; im August 1988 ausgebrochene landesweite Streiks konnten erst nach einem Aufruf Wałęsas beendet werden, dem die Möglichkeit der Wiederzulassung der Solidarność signalisiert worden war. Unter der Regierung von M. Rakowski (1988-89) fanden von Februar bis April 1989 Gespräche mit der Opposition am »Runden Tisch« statt; Ergebnisse waren u. a. die Legalisierung von Solidarność und die Einrichtung einer zweiten Parlamentskammer. Die Parlamentswahlen im Juni 1989 brachten einen überwältigenden Sieg der Opposition; das Bürgerkomitee »Solidarność« erhielt im Sejm alle 161 der Opposition zugestandenen Sitze, in der zweiten Kammer 99 von 100 Sitzen. Der seit 1985 als Vorsitzender des Staatsrats amtierende Jaruzelski wurde am 19. 7. 1989 zum Staatspräsidenten gewählt (im Amt bis Dezember 1990). Am 24. 8. 1989 wurde der Oppositionspolitiker T. Mazowiecki Ministerpräsident (bis Dezember 1990).
 
 Die Republik Polen (seit 1989)
 
Im Rahmen der im Dezember 1989 verabschiedeten Verfassungsänderungen wurde die Staatsbezeichnung »Republik Polen« wieder eingeführt. Im Januar 1990 löste sich die kommunistische PZPR auf, ein Teil ihrer Mitglieder gründete die »Sozialdemokratie der Republik Polen« (SRP). Im Dezember 1990 wurde Wałęsa zum Staatspräsidenten gewählt. Ministerpräsident J. K. Bielecki (Januar-Dezember 1991) setzte den marktwirtschaftlich orientierten Reformkurs fort. Mit den wachsenden wirtschaftlich-sozialen Problemen bei der Umsetzung der Regierungspolitik büßte auch die Solidarność-Bewegung, die seit ihrer Einbindung in die Regierungsverantwortung politisch zersplitterte (Herausbildung mehrerer Parteien), an Popularität und Einfluss ein. Die Parlamentswahlen im Oktober 1991 erbrachten keine klare Mehrheit (Einzug von 29 Parteien und politischen Gruppierungen in den Sejm); Ministerpräsident einer Mehrparteienkoalition wurde im Dezember 1991 J. Olszewski, der das Tempo der marktwirtschaftlichen Reformen zu drosseln suchte. Nach seiner Abberufung (Juni 1992) wurde Hanna Suchocka (Demokratische Union) im Juli 1992 Ministerpräsidentin einer Koalitionsregierung von 7 aus der Gewerkschaft Solidarność hervorgegangenen Parteien. Ein Regierungs-Programm zur »Allgemeinen Privatisierung« (Privatisierung von rd. 600 Staatsbetrieben, Ausgabe von Volksaktien) wurde Ende April 1993 vom Sejm gebilligt. Nach einem erfolgreichen Misstrauensantrag der Solidarność-Fraktion im Sejm gegen die Regierung Suchocka erklärte diese Ende Mai 1993 ihren Rücktritt (noch im Amt bis Oktober). Die Parlamentswahlen im September 1993 gewannen das Linksbündnis SLD und die Polnische Bauernpartei (PSL); Ende Oktober 1993 wurde W. Pawlak (PSL) Ministerpräsident einer Koalitionsregierung, musste aber aufgrund von Differenzen mit Staatspräsidenten Wałęsa und einem am 1. 3. 1995 von der SLD im Sejm eingebrachten Misstrauensvotum zurücktreten; sein Nachfolger J. Oleksy (SRP) gab bereits im Januar 1996 das Amt des Regierungschefs auf, nachdem gegen ihn eine Untersuchung wegen des Verdachts auf Spionage für den sowjetischen Geheimdienst eingeleitet worden war. Von Februar 1996 bis Oktober 1997 war W. Cimoszewicz Ministerpräsident eines Koalitionskabinetts von SLD und PSL.
 
Bei den Präsidentenwahlen im November 1995 setzte sich der Kandidat der Linksallianz A. Kwaśniewski gegen den amtierenden Präsidenten Wałęsa durch, sah sich jedoch im Ergebnis der Parlamentswahlen vom 21. 9. 1997 im Sejm einer konservativ-liberalen Mehrheit gegenüber. Die als Gewinnerin aus den Wahlen hervorgegangene Wahlaktion der Solidarność (AWS) bildete im Oktober 1997 eine Koalitionsregierung mit der Freiheitsunion unter Ministerpräsidenten J. Buzek. Ein umstrittenes, im August 1996 vom Sejm verabschiedetes liberales Abtreibungsgesetz, das das Verfassungsgericht im Mai 1997 für verfassunswidrig erklärte, wurde im Dezember 1997 vom Parlament durch ein weitgehendes Abtreibungsverbot ersetzt. Das »Durchleuchtungsgesetz« vom Juni 1997, das alle Anwärter auf höhere politische Ämter beziehungsweise öffentliche Funktionen zur Offenlegung von Kontakten zu in- und ausländischen Geheimdiensten vor dem politischen Umbruch verpflichtet, wurde (nach Überstimmung eines Vetos von Präsidenten Kwaśniewski durch die Sejmmehrheit) im Dezember 1998 durch ein »Gesetz über das Institut des nationalen Gedenkens« ergänzt; dieses legte fest, das die Akten aller staatlichen Behörden aus der Zeit zwischen 1944 und 1989 zugänglich gemacht werden (Möglichkeit der Einsichtnahme von Bürgern in die geheim über sie geführten Dossiers und Verfügbarkeit des Materials für Justiz und Forschung).
 
Im Juli 1997 war Polen von einer Hochwasserkatastrophe betroffen; die Flüsse Oder, Neiße und Weichsel traten über die Ufer und verursachten schwerste Landschafts-, Umwelt- und Gebäudeschäden (geschätzter Schadensumfang von mehreren Mrd. DM). Zwischen Januar und März sowie erneut im August/September 1999 richteten sich radikale Bauernproteste gegen die Regierung Buzek und deren Sparhaushalts- und Reformpolitik zur Vorbereitung auf den geplanten EU-Beitritt. Im April 1999 wandelte sich das Linksbündnis SLD in eine Partei gleichen Namens um; im Juni 1999 löste sich die SdRP auf. Nach einer Regierungs-Krise verließ die Freiheitsunion im Juni 2000 das Koalitionskabinett; Ministerpräsident Buzek führte danach ein Minderheitskabinett der AWS. Die Präsidentschaftswahlen am 8. 10. 2000 konnte der Amtsinhaber Kwaśniewski bereits im ersten Wahlgang mit knapp 53,9 % der Stimmen für sich entscheiden; er ließ die anderen Mitbewerber deutlich hinter sich (17,3 % der Stimmen für den parteilosen früheren Außenminister Andrzej Olechowski, 15,6 % für den Kandidaten der AWS Marian Krzaklewski, 6 % für den Vorsitzenden der Bauernpartei Jarosław Kalinowski und nur 0,9 % für L. Wałęsa, der als Kandidat der 1997 von ihm gegründeten Partei Christdemokratie der Dritten Polnischen Republik angetreten war). Im Mai 2001 löste sich (in Erfüllung einer Verfassungsänderung von 1997) die Gewerkschaft Solidarność von der AWS. Die Parlamentswahlen im September 2001 entschied die aus SLD und der sozialistischen Arbeitsunion (polnische Abkürzung UP) gebildete Wahlallianz für sich (41 % Stimmenanteil). Die AWS (die 2001 zusammen mit der ROP als AWSP auftrat) erhielt nur noch 5,6 % der Stimmen, womit ihr als Listenbündnis der Einzug ins Parlament verwehrt blieb; die neu gegründete Bürgerplattform (PO) erzielte einen Anteil von knapp 12,7 %. Angesichts der verfehlten absoluten Mehrheit gingen SLD und UP im Oktober 2001 eine Regierungskoalition mit der Bauernpartei PSL ein; Ministerpräsident wurde L. Miller (SLD).
 
Außenpolitisch folgte dem im November 1990 unterzeichneten Deutsch-Polnischen Grenzvertrag (Festlegung der Oder-Neiße-Linie als endgültige deutsch-polnische Grenze) im Juni 1991 ein Nachbarschaftsvertrag mit Deutschland. Die sich eng und positiv entwickelnden deutsch-polnischen Beziehungen wurden danach lediglich durch unterschiedliche Einschätzungen der Vertreibung und der Rolle der Vertriebenen im Verständigungsprozess partiell beeinträchtigt (exemplarisch dafür die Bundestagsentschließung vom 29. 5. 1998 über die Rechte der Heimatvertriebenen und deren Zurückweisung durch eine Sejmresolution am 3. 7. 1998).
 
Das Bemühen um eine aktive Nachbarschaftspolitik führte u. a. 1991 zur Beteiligung Polens an der Visegrád-Allianz (Visegrád). Im November 1991 wurde Polen Vollmitglied des Europarates, im Dezember 1991 schloss es mit der EG ein Assoziierungsabkommen (am 1. 2. 1994 In-Kraft-Treten dieses »Europa-Vertrags«). In der außen- und sicherheitspolitischen Konzeption gewann die Gestaltung einer französisch-deutsch-polnischen »Achse« eine Schlüsselstellung (v. a. repräsentiert durch das nach dem ersten Tagungsort 1991 benannte »Weimarer Dreieck«, einem informellen Forum auf Regierungs- und Parlamentarierebene; 1997 trilaterales Militärabkommen). Neben dem vorrangigen Ziel seiner vollständigen Westintegration sucht Polen gutnachbarliche Beziehungen zu seinen östlichen Nachbarn (v. a. zu Russland, dessen letzte noch in Polen stationierte Truppen am 17. 9. 1993 das Land verließen; 1997 »Deklaration über Verständigung und Aussöhnung« mit der Ukraine). Am 8. 4. 1994 stellte die polnische Regierung den Antrag auf Aufnahme ihres Landes in die EU; am 31. 3. 1998 begannen die offiziellen Beitrittsverhandlungen mit dem Ziel einer Mitgliedschaft ab 2003, wobei Polen, mit dem insbesondere Unstimmigkeiten bei der Integration des Agrarmarktes und hinsichtlich der Regional- und Umweltpolitik auftraten, in der Folgezeit wiederholt den schleppend verlaufenden Verhandlungsprozess kritisierte, andererseits aber Probleme bei der Umsetzung beziehungsweise Erfüllung einzelner Beitrittskriterien hatte.
 
Nachdem der Sejm am 17. 2. 1999 den Beitritt gebilligt hatte, wurde Polen am 12. 3. 1999 Mitglied der NATO.
 
 
Allgemeines:
 
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Michael G. Müller: P. zw. Preußen u. Rußland. Souveränitätskrise u. Reformpolitik 1736-1752 (1983).
 
Bis 1918: P. S. Wandycz: The lands of the partitioned Poland: 1795-1918 (Seattle, Wash., 1974);
 
The history of Poland since 1863, hg. v. R. F. Leslie (Cambridge 1980);
 
S. Kieniewicz: Historia Polski: 1795-1918 (Warschau 61983).
 
Ab 1918: R. Debicki: Foreign policy of Poland, 1919-39, from the rebirth of the Polish Republic to World War II (New York 1962);
 
M. Broszat: Natsoz. P.-Politik 1939-1945 (Neuausg. 1965);
 
A. Polonsky: Politics in independent Poland, 1921-1939 (Oxford 1972);
 
M. Tomala: P. nach 1945 (1973);
 
J. K. Hoensch u. G. Nasarski: P. 30 Jahre Volksdemokratie (1975);
 
R. M. Watt: Bitter glory. Poland and his fate, 1918 to 1939 (New York 1979);
 
H. Zieliński: Historia Polski 1914-1939 (Breslau 21985);
 
H. Roos: Gesch. der poln. Nation 1918-1985 (41986);
 
Die faschist. Okkupationspolitik in P. 1939-1945, hg. v. W. Röhr (Neuausg. 1989);
 
A. Pradetto: Techno-bürokrat. Sozialismus. P. in der Ära Gierek. 1970-1980 (1991);
 
P. im Übergang zu den 90er Jahren, hg. v. S. Baske (1992);
 
L. Luks: Katholizismus u. polit. Macht im kommunist. P. 1945-1989 (1993);
 
P. nach dem Kommunismus, hg. v. E. Oberländer (1993);
 
H. Burmeister: Polit. Partizipation als Element der Transformationsprozesse in P. 1989-91 (1995);
 
M. Rakowski: Es begann in P. Der Anfang vom Ende des Ostblocks (a. d. Poln., 1995):
 
A. Schmidt-Rösler: P. Vom MA. bis zur Gegenwart (1996);
 
J. Siedlarz: Kirche u. Staat im kommunist. Polen 1945-1989 (1996);
 
P. u. die böhm. Länder im 19. u. 20. Jh., hg. v. P. Heumos (1997);
 
D. Bingen: Die Rep. P. Eine kleine polit. Landeskunde (1999).
 

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Po|len; -s: Staat im östlichen Mitteleuropa: R noch ist P. nicht verloren (noch ist nicht alles verloren; die Lage ist noch nicht ganz aussichtslos; nach den Anfangsworten der 1797 von Jósef Wybicki [1747-1822] gedichteten polnischen Nationalhymne); da/dann ist P. offen (da/dann kann alles Mögliche passieren, kann es Ärger geben).

Universal-Lexikon. 2012.