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Litauen
Republik Litauen

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Li|tau|en [auch: 'lɪ… ]; -s:
Staat in Nordosteuropa.

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Lịtauen,
 
 
Kurzinformation:
 
Fläche: 65 301 km2
 
Einwohner: (2001) 3,693 Mio.
 
Hauptstadt: Vilnius
 
Amtssprache: Litauisch
 
Nationalfeiertage: 16. 2. und 11. 3.
 
Währung: 1 Litas (LTL) = 100 Centai (ct; Singular Centas)
 
Zeitzone: MEZ
 
litauisch Lietuvạ, amtlich litauisch Lietuvọs Respụblika, deutsch Lịtauische Republik, Staat in Nordosteuropa, mit einer Fläche von 65 301 km2 (etwas kleiner als Bayern) und einer Einwohnerzahl von (2001) 3,693 Mio. größte, bevölkerungsreichste und am dichtesten besiedelte der drei baltischen Republiken; im Norden grenzt Litauen an Lettland (610 km lange Grenze), im Osten und Südosten an Weißrussland (724 km), im Südwesten an Polen (110 km) und an das Gebiet Kaliningrad (Königsberg) der Russischen Föderation (303 km); die Küstengrenze im Westen zur Ostsee beträgt 99 km. Hauptstadt ist Vilnius, Amtssprache ist Litauisch. Währung ist der Litas (LTL) = 100 Centai (ct). Zeitzone: MEZ.
 
 Staat und Recht:
 
Verfassung:
 
Nach der durch Referendum gebilligten Verfassung (in Kraft seit 6. 11. 1992) ist Litauen eine Republik mit einem parlamentarisch-präsidentiellen Mischsystem. Die Verfassung entspricht rechtsstaatlich-demokratischen Maßstäben. Die Rechte der nationalen Minderheiten sind per Gesetz vom 23. 11. 1989 geregelt. Als Staatsoberhaupt fungiert der auf fünf Jahre direkt gewählte Präsident (einmalige Wiederwahl in unmittelbarer Folge möglich). Er bestimmt den außenpolitischen Kurs, kann das Parlament auflösen und Neuwahlen ausschreiben, verfügt über das Recht der Gesetzesinitiative und kann gegen Gesetzesbeschlüsse ein suspensives Veto einlegen. Seine Anordnungen bedürfen nur ausnahmsweise der Gegenzeichnung. Hat der Präsident das Parlament aufgelöst, so kann das neu zusammengetretene Parlament binnen 30 Tagen mit qualifizierter Mehrheit die Ausschreibung neuer Präsidentenwahlen beschließen. Oberstes gesetzgebendes Organ ist der Seimas (für vier Jahre gewählt). Laut Wahlgesetz vom 9. 7. 1992 werden 71 Abgeordnete nach dem Mehrheitswahl- und 70 nach dem Verhältniswahlsystem (5 %-Sperrklausel für Parteien [7 % für Wahlbündnisse], von der die Parteien der nationalen Minderheiten allerdings befreit sind) bestimmt. Die Exekutive liegt bei der Regierung unter Vorsitz des Ministerpräsidenten, der vom Staatspräsident mit Zustimmung des Parlaments ernannt und mit der Regierungsbildung beauftragt wird. Der Regierungschef präsentiert dem Parlament die vom Staatspräsidenten gebilligte Kabinettsliste und das Regierungs-Programm. Ein Misstrauensvotum gegen den Regierungschef, das gesamte Kabinett oder einzelne Minister kann vom Parlament im Anschluss an eine Interpellation beschlossen werden. Während das individuelle Misstrauensvotum zwingend zum Rücktritt des entsprechenden Ministers führt, hat die Regierung in den erstgenannten Fällen die Wahl zwischen Rücktritt und dem Ersuchen an das Staatsoberhaupt, das Parlament aufzulösen. Der Präsident kann seinerseits die Regierung mit Zustimmung des Parlaments entlassen.
 
Das seit 1993 bestehende Verfassungsgericht setzt sich aus neun Verfassungs-Richtern zusammen (vom Parlament für neun Jahre gewählt; Wiederwahl ist ausgeschlossen). Seine Hauptaufgabe ist die abstrakte und konkrete Normenkontrolle; eine Verfassungs-Beschwerde existiert nicht. Als Instanz für Beschwerden der Bürger über Fehlverhalten von Amtspersonen hat der Seimas Ende 1994 fünf Parlamentskontrolleure bestellt.
 
Parteien:
 
Litauen verfügt über ein breit gefächertes Parteienspektrum. Am einflussreichsten sind die neue Sozialdemokratische Partei Litauens - entstanden im Januar 2001 aus dem Zusammenschluss von Litauischer Sozialdemokratischer Partei (LSDP; gegründet 1896, 1989 neu konstituiert) und Litauischer Demokratischer Partei der Arbeit (LDDP; gegründet 1990 als Nachfolgeorganisation der KP Litauens) -, die Litauische Liberale Union (LLS; gegründet 1991), die sozialliberale Neue Union (NS; gegründet 1998), die wirtschaftsliberale Zentrumsunion (LCS; gegründet 1993), die Litauische Bauernpartei (LVP; gegründet 1994), die Christlich-Demokratische Partei Litauens (LKDP; gegründet 1904, 1989 neu konstituiert), die konservative Vaterlandsunion (TS; 1993 aus der Unabhängigkeitsbewegung Sąjūdis hervorgegangen) und die Wahlaktion der Polen Litauens (LLRA; gegründet 1994).
 
Wappen:
 
Das am 20. 3. 1990 wieder eingeführte Wappen ist bereits seit dem 14. Jahrhundert belegt. Es zeigt einen roten Schild mit einem auf einem silbernen Pferd sitzenden silbernen Ritter (Vytis oder Vyciai), der rechts ein silbernes Schwert, links einen blauen Schild mit goldenem Doppelkreuz (Patriarchenkreuz) führt.
 
Nationalfeiertage:
 
Nationalfeiertage sind der 16. 2. (Wiederherstellung des litauischen Staates 1918) und der 11. 3. (Unabhängigkeitserklärung 1990).
 
Verwaltung:
 
Litauen ist seit 1995 in 10 Bezirke (Apskritys) gegliedert, die in 11 kreisfreie Städte und 44 Kreise (Rajonu) untergliedert sind. Beschlussorgane der kommunalen Selbstverwaltung sind die örtlichen Räte, die von der Bevölkerung für die Dauer von zwei Jahren nach dem System der Verhältniswahl (5 %-Sperrklausel) gewählt werden. Die Räte wählen jeweils einen Bürgermeister, der zugleich Vorsitzender des Rates ist und die Verwaltung über einen von ihm ernannten Administrator leitet.
 
Recht:
 
Die Rechtsprechung liegt ausschließlich in den Händen einer von der Verfassung garantierten unabhängigen Gerichtsbarkeit. Das Gerichtswesen besteht aus Amtsgerichten, Bezirksgerichten, dem Obersten Gerichtshof sowie einem Appellationsgericht. Außerdem existiert ein Verfassungsgericht.
 
Streitkräfte:
 
Die Gesamtstärke der Wehrpflichtarmee (Dienstzeit 12 Monate) beträgt etwa 5 500 Mann. Wichtigster Teil des Heeres ist die 3 500 Mann starke, in sieben Bataillone gegliederte Fallschirmjägerbrigade »Delezinas Vilkas« (»Eiserner Wolf«). Luftwaffe und Marine haben je etwa 500 Soldaten. Die Grenztruppen (»VSAT«, rd. 5 000 Mann) unterstehen dem Innenministerium. Neben den regulären Streitkräften existiert eine Freiwilligenarmee (»SKAT«, rd. 11 000 Angehörige, gegliedert in acht »Brigaden«). - Litauen verwendet etwa 5 % der Staatsausgaben für die Verteidigung. Das Land trat 1994 der »Partnerschaft für den Frieden« der NATO bei und ist seit 1994 assoziierter Partner der WEU.
 
 Landesnatur und Bevölkerung:
 
Landschaft:
 
Das im Nordwesten der Osteuropischen Ebene gelegene Land ist geprägt von den Reliefformen der pleistozänen Gletscher. Im zentralen Landesteil liegt in einer Höhenlage von 35/40-80/90 m über dem Meeresspiegel die zum Teil versumpfte, moorige Mittellitauische Tiefebene, die in südwestliche Richtung in das breite Tal der Memel (Nemunas) übergeht. Die Tiefebene wird im Südosten vom Baltischen Höhenzug mit Endmoränenzügen, zahlreiche Seen und Feuchtgebieten eingefasst. An der Grenze zu Weißrussland erreicht er mit 292 m über dem Meeresspiegel (Juozapinės) die höchste Erhebung Litauens. Die westliche Einfassung der Mittellitauischen Tiefebene bilden die bis 234 m über dem Meeresspiegel aufsteigenden Schamaiter Höhen (Hochland von Žemaiten). Sie fallen nach Westen allmählich zu einem breiten, von Dünen begleiteten Küstenstreifen (Sandstrand) ab, der im Süden in die zum Teil sumpfige Niederung an der unteren Memel übergeht. Die Küste Litauens - durchweg eine Ausgleichsküste - ließ keine natürliche Häfen entstehen. Vor dem südlichen Küstenabschnitt liegt der litauische Anteil am Kurischen Haff und an der Kurischen Nehrung.
 
Litauen liegt im Einzugsgebiet der mittleren und unteren Memel; ihr Mündungsdelta ist stark versumpft. Ein dichtes Flussnetz wasserreicher Flüsse, die allerdings nur zu einem kleinen Teil schiffbar sind, durchzieht das Land. Die über 4 000 meist kleineren Seen nehmen etwa 1,5 % der Landesfläche ein.
 
Klima:
 
Litauen hat an der Küste gemäßigtes Seeklima, im Inland dagegen ein stärker kontinental geprägtes Klima. Die größten Niederschlagsmengen fallen im Sommer. Die Winter sind schneereich. Das langjährige Mittel der Januartemperaturen beträgt an der Ostseeküste 1,6 º bis -3 ºC und im Osten des Landes -2,1 º bis -6 ºC; die Durchschnittstemperaturen im Juli liegen bei 18 beziehungsweise 19 ºC. Die Niederschlagsmenge erreicht im Jahresdurchschnitt an der Küste etwa 700 mm, in den östlichen Regionen 550 mm.
 
Vegetation:
 
Litauen liegt in der klimatisch gemäßigten Mischwaldzone; 30 % des Territoriums werden von Waldflächen eingenommen. Auf trockenen Sandböden sind Kiefernwälder, auf karbonathaltigeren Böden Fichtenwälder mit einem starken Laubbaumanteil vorherrschend. Auf der Kurischen Nehrung sind neben Bergkiefern auch Birken weit verbreitet. 17 % des Territoriums sind versumpfte Wiesen. Die Moorfläche (überwiegend Flachmoore), die am Anfang des 20. Jahrhunderts noch 6,5 % des Landesterritoriums bedeckte, nahm bis 1995 durch Melioration auf etwa 2,4 % ab.
 
Neben vielen Naturschutzgebieten gibt es in Litauen fünf Nationalparks: Aukštaitija- (302,9 km2), Žemaitija- (201,2 km2), Dzūkija- (529,7 km2), Trakai-Nationalpark (83 km2) und Nationalpark Kurische Nehrung (264 km2). Zusätzlich existieren 30 Regionalparks.
 
Bevölkerung:
 
Im Unterschied zu Estland und Lettland blieb in Litauen der Anteil der Titularnation in diesem Jahrhundert relativ konstant (1923: 80,6 %; 1959: 79,3 %; 1997: 81,6 %), wodurch das Land vergleichsweise weniger mit Minderheitenproblemen zu kämpfen hat. Neben den Litauern waren 1997 8,2 % der Einwohner Russen, 6,9 % Polen, 1,5 % Weißrussen und 1,0 % Ukrainer. Der einst große Bevölkerungsanteil der Juden nahm, v. a. durch die nationalsozialistische Ausrottungspolitik während der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg, von (1939) 7,5 % auf (1997) 0,1 % ab. Zuwanderungsgebiete für Russen, Weißrussen und Ukrainer waren v. a. die Stadt Klaipėda (früher Memel) und das bis zum Zweiten Weltkrieg vorwiegend deutsch besiedelte Memelland (»Klein-Litauen«). Russisch geprägt sind nur die Gebiete um das Kernkraftwerk Ignalina im Osten und um die Erdölraffinerie in Mažeikiai im Norden. Gespannter ist das Verhältnis zwischen Litauern und der polnischen Minderheit im Südosten, die dort in einigen Kreisen und Kommunen die Mehrheit bildet. Durch den 1994 zwischen Polen und Litauen abgeschlossenen »Vertrag über freundschaftliche Beziehungen und gutnachbarliche Zusammenarbeit« wurden die Bürgerrechte der Polen geregelt. Die Bevölkerungsverluste in den Jahren 1940-53 durch stalinistische Massendeportation, Kriegseinwirkungen, Partisanenkampf und Flucht nach dem Westen wurden überwiegend durch natürliches Bevölkerungswachstum wieder ausgeglichen. Dieses ist seit 1991 (Jahresdurchschnitt 1990-99 bei 0,1 %) erstmals rückläufig. Etwa 800 000 Litauer leben im Ausland.
 
Am dichtesten bevölkert sind die stadtnahen Regionen der Städte Vilnius und Kaunas (bis 1 000 Einwohner je km2), die geringste Bevölkerungsdichte hat der Südosten des Landes. Lag der Anteil der städtischen Bevölkerung 1970 noch bei 50 % der Gesamtbevölkerung (vor Beginn des Zweiten Weltkriegs bei 23 %), so betrug er 2001 68 %. Die fünf größten Städte des Landes (Einwohner von 2000) sind die Hauptstadt Vilnius (578 000), Kaunas (412 600), Klaipėda (202 500), Šiauliai (146 600) und Panevėžys (133 700).
 
Religion:
 
Die Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit wird durch die Verfassung garantiert. Grundlage der Beziehungen des Staates mit der katholischen Kirche, die als größte Glaubensgemeinschaft eine besondere Stellung in der Geschichte des litauischen Volkes einnimmt, bildet der am 12. 6. 1990 durch den Seimas verabschiedete »Akt zur Wiederherstellung des Status der katholischen Kirche in Litauen«. Er garantiert der katholischen Kirche die Freiheit des kirchlichen Handelns, dessen Umfang und Grenzen in drei 2000 zwischen der Regierung und dem Heiligen Stuhl geschlossenen Verträgen geregelt sind. Vergleichbare Regelungen sind auch der russisch-orthodoxen Kirche als der zweitgrößten Glaubensgemeinschaft zugesagt.
 
Nach kirchlichen Angaben gehören über 78 % der Bevölkerung der katholischen Kirche an. Es bestehen zwei Erzbistümer (Kaunas, Vilnius) mit fünf Suffraganbistümern: Šiauliai, Telšiai und Vilkaviškis (zu Kaunas) sowie Kaišiadorys und Panevėžys (zu Vilnius). Geistliches Oberhaupt der unierten Christen in Litauen ist der ukrainisch-katholische Großerzbischof von Lwiw (Lemberg). - Ein Drittel bis die Hälfte der in Litauen lebenden Russen und Weißrussen gehört der russisch-orthodoxen Kirche (Erzbistum »Vilnius und Litauen«) an beziehungsweise fühlt sich ihr verbunden. Die etwa 35 000 Altgläubigen unter der russischen Bevölkerung gehören zum Zweig der priesterlosen Pomorzy (Zentrum in Vilnius). Die protestantischen Christen (rd. 1,3 %) sind mehrheitlich Lutheraner und gehören der »Evangelisch-Lutherischen Kirche Litauens« an (rd. 32 000 Mitglieder). Die »Reformierte Kirche Litauens« hat rd. 10 000 Mitglieder. Daneben sind seit 1990 kleine baptistische und charismatisch-pfingstlerische Gemeinden und Hauskreise entstanden. Es gibt auch wenige Zeugen Jehovas. - Die jüdische Gemeinde hat rd. 5 000 Mitglieder (Synagogen in Vilnius und Kaunas). 1939 mit einem Bevölkerungsanteil von 7,5 % (in Vilnius rd. 70 000 Juden und über 90 Synagogen) die größte religiöse nationale Minderheit Litauens bildend, haben von den über 250 000 litauischen Juden nur etwa 20 000 den Holocaust überlebt. Die knapp 400 Karäer leben in Trakai (westlich von Vilnius) und in Panevėžys. - Die meisten der in Litauen lebenden Tataren (0,2 %) bekennen sich zum sunnitischen Islam. Es bestehen vier Moscheen.
 
Bildungswesen:
 
Etwa 37 % der Kinder werden in Vorschuleinrichtungen betreut (auf dem Land 16 %), die Nachfrage ist größer. Die allgemein bildende Mittelstufe umfasst neun Schuljahre. Unterrichtssprache ist überwiegend Litauisch, daneben auch Russisch, Polnisch und Jiddisch. An der vollständigen Mittelschule kann ein mittlerer Abschluss nach 10, das Abitur nach 12 Jahren erworben werden. Das Abitur ist auch an den mittleren Fachschulen möglich. Bei den beruflich-technischen Schulen beträgt die Ausbildungszeit bis zu drei Jahren. Seit 1991 gibt es auch Privatschulen. Die Forschung ist an der litauischen Akademie der Wissenschaften (gegründet 1941) in Vilnius angesiedelt. Litauen besitzt in Vilnius und Kaunas je eine Universität (gegründet 1579 beziehungsweise 1922) und eine TU (gegründet 1961 beziehungsweise 1950) sowie fünf ihnen gleichgestellte Hochschuleinrichtungen.
 
Publizistik:
 
Zu den wichtigsten Tageszeitungen gehören »Lietuvos Rytas« (gegründet 1990), »Respublika« (gegründet 1989), »Lietuvos Aidas« (gegründet 1917, wieder gegründet 1990) und »Diena« (gegründet 1917). In russischer Sprache erscheint »Echo Litvy«, in Polnisch »Kurier Wileński«. Eine angesehene Wochenzeitschrift ist das 1992 als Beilage der »Lietuvos Aidas« gegründete Magazin »Veidas«. - Nachrichtenagentur ist »Lithuanian Telegraph Agency« (ELTA). - Rundfunk: Die staatliche Rundfunkanstalt »Lietuvos radijas un televizija (LTV) verbreitet je ein Hörfunk- und ein Fernsehprogramm in Litauisch, Russisch und Polnisch. Daneben existieren u. a. die privaten Hörfunksender »M 1«, »Radio Centras«, »Radiofonas Vilnius Varpas« und »Znad Wilii« (polnisch). Private Fernsehsender sind »Tele3« sowie, unter staatlicher Beteiligung, »Baltijos TV« (30 %) und »TV LNK« (51 %).
 
 Wirtschaft und Verkehr:
 
Wirtschaft:
 
Litauen war bis zur zwangsweisen Angliederung an die Sowjetunion 1940 ein Agrarland, das v. a. auf die Viehzucht ausgerichtet war. Unter der Sowjetherrschaft wurde mit Beginn der 1950er-Jahre die Industrialisierung des Landes vorangetrieben. Nach der Unabhängigkeit 1991 hat sich die wirtschaftliche Lage durch den Verlust der Märkte in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, durch die mangelhafte Konkurrenzfähigkeit der rückständigen Betriebe und den Mangel an Rohstoffen (einschließlich Erdöl und Erdgas) zunächst erheblich verschlechtert. Durch eine restriktive Wirtschaftspolitik konnte bis 1994 der Rückgang gebremst und durch die Einführung einer neuen Währung (Litas) im Juni 1993 die Inflationsrate vermindert werden. Das BIP stieg erstmals nach 1990 wieder leicht an und betrug im Jahr 2000 2 880 Mio. US-$ pro Kopf der Bevölkerung. Positiv wirkte sich ein 1994 unterzeichnetes Freihandelsabkommen mit der EU aus, das Litauen Zugang zu den westlichen Märkten öffnete. Die durchschnittliche Arbeitslosenrate wurde 2000 mit 11,5 % angegeben. Mit den übrigen baltischen Staaten ist Litauen seit 1990 durch eine Wirtschaftskooperation und seit 1993 mit einem Freihandelsabkommen verbunden.
 
Landwirtschaft:
 
Der Agrarsektor hat für den Export große Bedeutung und trug (1999) mit 8,8 % zum BIP bei. 1999 wurden 53 % der Landesfläche landwirtschaftlich genutzt, davon wiederum 85 % als Ackerland und 13 % als Wiesen und Weiden. Durch Reprivatisierung (auf der Basis der Grundstückstruktur von 1939) wurden mehr als 80 % der landwirtschaftlichen Flächen wieder in Privateigentum überführt. Die entstandenen Familienbetriebe haben eine Durchschnittsgröße von 11,7 ha. Hauptanbaugebiet für die Pflanzenproduktion ist die Mittellitauische Ebene. Hier werden v. a. Kartoffeln und Getreide angebaut. Der Anbau von Futterpflanzen wurde etwas reduziert, da die Tierbestände (v. a. Schweine) eine rückläufige Tendenz zeigen.
 
Forstwirtschaft:
 
Die wichtigste natürliche Ressource ist Holz, 30 % der gesamten Landfläche nehmen Wälder ein. 1998 wurden 4,1 Mio. m3 Holz eingeschlagen.
 
Fischerei:
 
Neben der Binnen- und Küstenfischerei wird auch Hochseefischerei betrieben. Aus der Ostsee und dem Kurischen Haff wurden 1998 13 450 t Fisch angelandet.
 
Bodenschätze:
 
Litauen ist arm an Rohstoffen. Lediglich geringe Mengen an Erdöl (1995: 182 700 SKE), Erdgas und Torf (zu 80 % in Naturschutzgebieten mit eingeschränkter Nutzung) sowie Baumaterialien wie Kalkstein, Kies, Lehm und Sand sind vorhanden und werden abgebaut. Weitere Vorkommen an Erdöl und -gas wurden im Land und im vorgelagerten Küstenschelf entdeckt. Bedeutung hat die Bernsteingewinnung.
 
Energiewirtschaft:
 
Litauen verfügt nur über ein geringes Potenzial an Brennstoffreserven. Rohöl, Erdgas und Kohle müssen v. a. aus Russland, Weißrussland und der Ukraine importiert werden. Demgegenüber wird mithilfe von Kern-, Wasser- und Wärmekraftwerken weit über den Landesbedarf hinaus elektrische Energie erzeugt. Etwa die Hälfte der produzierten Strommenge kann exportiert werden, wobei als Abnehmer Weißrussland, Lettland und das russische Gebiet Kaliningrad (Königsberg) dominieren. Das umstrittene Kernkraftwerk Ignalina (zwei Blöcke mit je 1 380 MW Nettoleistung) im Osten des Landes ist vom gleichen Bautyp wie der Reaktor von Tschernobyl. Trotz erheblicher Umweltbelastungen und größter Sicherheitsbedenken ist es weiterhin am Netz; 1999 produzierte es 80 % der gesamten Elektroenergie. Wärmekraftwerke sind mit 9 % und Wasserkraft (kleines Hydrokraftwerk an der Memel bei Kaunas) mit 4 % an der Elektroenergie beteiligt. In Mažeikiai nahe der Grenze zu Lettland befindet sich die einzige Erdölraffinerie des Baltikums, deren Produktionskapazität den Eigenbedarf Litauens um das Doppelte übersteigt.
 
Industrie:
 
Die eigentliche Industrialisierung Litauens begann erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie orientierte sich jedoch weniger an den eigenen Bedürfnissen als an den Interessen der gesamten UdSSR und brachte damit Litauen in große Abhängigkeit vom sowjetischen Markt. Die Privatisierung der größeren Betriebe wurde 1997 verstärkt in Angriff genommen. Gemessen am industriellen Produktionswert sind die Nahrungsmittelindustrie, die Energiewirtschaft und die Textilindustrie die wichtigsten Branchen. Bedeutung haben außerdem auch die pharmazeutische, chemische, Baustoffindustrie, die elektrotechnisch-elektronische Industrie, die Metallverarbeitung und der Maschinen- (besonders Landmaschinen-) und Gerätebau. Eine überdurchschnittliche Entwicklung nahmen in den letzten Jahren die Holz- einschließlich Möbel- sowie die Textil- und Nahrungsmittelindustrie, der Maschinenbau verlor seine einst beachtliche Stellung.
 
Tourismus:
 
Touristische Anziehungspunkte sind die Kurische Nehrung mit den Ostseebädern Nida und Juodkrantė, Palanga (größter litauischer Badeort), Druskininkai (wichtigster litauischer Kurort) sowie die Nationalparks im Osten und Süden des Landes und die Altstädte von Vilnius, Kaunas und Klaipėda. Während die Ostseebäder und die großen Städte über eine gute Infrastruktur und zahlreiche Hotels verfügen, ist der Osten des Landes touristisch nur ungenügend erschlossen. 1999 besuchten etwa 4,45 Mio. ausländischeGäste das Land.
 
Außenwirtschaft:
 
Unter den Exportgütern dominierten 1998 Textilien, Chemieerzeugnisse, Mineralöl, Nichtedelmetalle, Geräte, Maschinen und Industrieausrüstungen, landwirtschaftliche Produkte sowie Holz, Holzerzeugnisse und Papier. Die wichtigsten Importgüter waren im gleichen Jahr Erdöl und -gas, Maschinen und Transportmittel sowie Chemie- und Gebrauchsgüter. Zu den wichtigsten Außenhandelspartnern gehörten 1999 für den Import Russland und Deutschland, für den Export darüberhinaus auch Lettland, Weißrussland und die Ukraine.
 
Verkehr:
 
Wegen der Brückenfunktion zwischen Russland und Mitteleuropa sind die Verkehrswege v. a. in ostwestlicher Richtung angelegt. Insgesamt ist das Verkehrsnetz relativ dicht. Das Eisenbahnnetz hatte 1999 eine Gesamtlänge von 1 997 km (davon 122 km elektrifiziert), das Straßennetz war (1999) 71 375 km lang (davon rund 89 % asphaltiert). Durch den in Angriff genommenen Bau einer durchgehenden, etwa 1 000 km langen Autobahn von Helsinki über Tallinn, Riga und Kaunas nach Warschau (»Via Baltica«) sollen die baltischen Staaten besser an das mitteleuropäische Straßennetz angebunden werden. Das Binnenwasserstraßennetz ist (1999) 788 km lang; Binnenschifffahrt wirdv. a. auf der Memel und den Trakaiseen (61 Seen) betrieben. Einziger Überseehafen ist Klaipėda mit einem Fähr- und einem Containerhafen sowie Erdölterminal. Internationale Flughäfen gibt es bei Vilnius und Šiauliai. Nationale Fluggesellschaft ist die Lithuanian Airlines.
 
 
Schon in vor- und frühgeschichtlicher Zeit haben die Vorfahren der Litauer den Unterlauf des Nemunas (Memel) und das Tal der Neris (Wilija) besiedelt. In der Epoche der Kreuzzüge konnten sie sich gegen den Deutschen Ritterorden militärisch behaupten (etwa 1230-1410), weil es Großfürst Mindaugas um 1240 gelang, die litauischen Stämme zu einen. Unter Gediminas (Gedimin, 1316-1341) und seinen Söhnen Algirdas (1345-1377) und Kęstutis (1345-1382) begann der Aufstieg Litauens zum größten Territorialstaat Europas. Zahlreiche Fürstentümer des Kiewer Reiches wurden erobert (Kiew 1362) oder durch eine geschickte Heiratspolitik angegliedert. Die Rivalität mit seinem Vetter Vytautas und der Krieg mit dem Deutschen Orden bewogen Algirdas' Sohn Jagiełło (litauisch Jogaila) 1385 zur Ehe mit der polnischen Thronerbin Hedwig (Jadwiga) und zur Schaffung einer Personalunion mit Polen (Christianisierung Litauens). Vytautas (1392-1430), der seit 1401 (Union von Wilna und Radom) offiziell als Jagiełłos Stellvertreter regierte, führte Litauen zum Höhepunkt seiner Machtentfaltung (1395 Einnahme von Smolensk). Nach der Schlacht bei Tannenberg (1410) verzichtete der Deutsche Orden 1422 (Friede von Melno) endgültig auf Schemaiten als Landbrücke zwischen Ostpreußen und Kurland. Der Ausgang des Livländischen Krieges (1558-1582) vergrößerte Polen-Litauen um Livland mit der Stadt Riga (1561). Unter dem Druck des aufstrebenden Moskauer Staates schlossen sich 1569 (Lubliner Union) die beiden Bruderstaaten zur »Rzeczpospolita obejga narodów« (»Republik beider Völker«) zusammen, die unter Stephan IV. Báthory (1575-86) und Sigismund III. Wasa (1587-1632) ihre Blütezeit erlebte. Im Laufe des 18. Jahrhunderts entwickelte sich das einst mächtige Litauen zu einer Provinz Polens, der litauische Adel polonisierte, das Litauische wurde zur Bauernsprache. Als das durch Adelsrivalitäten geschwächte Großreich Ende des 18. Jahrhunderts zwischen den Nachbarstaaten aufgeteilt wurde, fielen 1795 auch die litauischen Kernlande an das Russische Reich. Von 1815 bis 1918 bestand Litauen aus den russischen Gouvernements Wilna, Kowno und Suwałki.
 
1830 und 1863 kam es auf dem Gebiet des ehemaligen Doppelstaates zu zwei großen Aufständen gegen die russische Vorherrschaft. Besonders Litauen musste unter harten Strafmaßnahmen und einer rücksichtslosen Russifizierungspolitik leiden. Katholiken wurden vom Staatsdienst in Litauen ausgeschlossen, das Schulwesen dem russischen angeglichen. 1864—1904 war der Druck litauischer Bücher in lateinischen Lettern verboten. Das litauische Schrifttum jener Zeit musste in Ostpreußen gedruckt und heimlich über die Grenze gebracht werden (»Zeit der Bücherträger«). Dies führte bis zum Ersten Weltkrieg zu einer beispiellosen Auswanderungswelle nach Übersee (v. a. in die USA [Zentrum Chicago] und nach Kanada, rund 20 % der Bevölkerung). Unter diesen Bedingungen verzögerte sich auch die Nationalbewegung der Litauer (1880er-Jahre). Eine führende Rolle nahmen neben der katholischen Geistlichkeit die Bauern von Suwałki ein, die schon durch den Code Napoléon (1807) die persönliche Freiheit erlangt hatten, während die übrige Bauernschaft erst 1861 frei wurde. Wegen des Ausbleibens größerer Unruhen in der Revolution von 1905 wurden verschiedene Verbote aufgehoben. Daraufhin kam es zur Entstehung zahlreicher Parteien. Im Dezember 1905 trat der so genannte Wilnaer Landtag zusammen und forderte u. a. nationale Autonomie.
 
Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges besetzten deutsche Truppen schon im März 1915 Litauen 1917 wurde mit deutscher Genehmigung ein Landesrat (Taryba, Präsident 1917-19 A. Smetona) gewählt, der am 11. 12. 1917 und erneut am 16. 2. 1918 die Unabhängigkeit Litauens verkündete (am 23. 3. 1918 vom deutschen Kaiser Wilhelm II. offiziell bestätigt); am 9. 7. 1918 wählte die Taryba Herzog Wilhelm von Urach (aus einer katholischen Nebenlinie des württembergischen Königshauses) als Mindaugas II. zum König von Litauen. Am 2. 11. 1918 erklärte sich die Taryba zum gesetzgebenden Organ (Erlass einer vorläufigen Verfassung); am 5. 11. 1918 wurde A. Voldemaras zum ersten Ministerpräsidenten des unabhängigen Litauen ernannt. 1919 trat A. Smetona das Amt des Staatspräsidenten an (bis 1922).
 
Nach der deutschen Niederlage und dem Zusammenbruch des deutschen Kaiserreiches musste sich eine litauische Freiwilligenarmee gegen sowjetrussische und polnische Eroberungsversuche und eine Invasion weißgardistischer Truppen (so genannte »Russische Westarmee« unter Oberst P. M. Bermondt-Awalow) zur Wehr setzen. Im Dezember 1918 wurde in Litauen eine Sowjetrepublik ausgerufen, die am 27. 2. 1919 mit Weißrussland zur »Litauisch-Weißruss. Sowjetrepublik« (»Litbel«) vereint wurde (Existenz bis April 1919). Am 12. 7. 1920 unterzeichneten Litauen und die Sowjetregierung in Moskau einen Friedensvertrag, in dem das Gebiet von Wilna ausdrücklich als Bestandteil Litauens anerkannt wurde. Der vom Völkerbund vermittelte Waffenstillstand mit Polen (Vertrag von Suwałki, 7. 10. 1920) wurde schon kurz darauf von der polnischen Armee unter General L. Żeligowski durch die widerrechtliche Einnahme des Wilnagebietes gebrochen (9. 10. 1920). Litauen sah sich gezwungen, Kaunas zur provisorischen Hauptstadt zu ernennen. Im Januar 1923 besetzten litauische Truppen das zum alliierten Kondominium erklärte Memelland und gliederten es der litauischen Republik an. Wirtschaftlich blieb Litauen ein reines Agrarland (1922 Enteignung des polnischen Grundbesitzes). Mit der Verfassung vom 1. 8. 1922 wurde die Taryba durch das Parlament (Seimas) ersetzt. 1922-26 war A. Stulginskis Staatspräsident, ihm folgte Juni-Dezember 1926 K. Grinius im Amt. Am 28. 9. 1926 vereinbarten Litauen und die Sowjetunion einen Nichtangriffspakt. Die 1918 geschaffene parlamentarische Demokratie endete schon im Dezember 1926 aufgrund der zahlreichen innen- und außenpolitischen Konflikte durch den Staatsstreich der nationalkonservativen »Tautininkai«. A. Smetona (erneut Staatspräsident 1926-40) errichtete ein autoritäres Regime (Ministerpräsident 1926-29 A. Voldemaras, 1929-38 J. Tūbelis). Initiiert von Litauen schlossen sich Estland und Lettland mit ihm am 12. 9. 1934 zur Baltischen Entente (Baltischer Rat) zusammen.
 
Im März 1939 forderte Deutschland ultimativ die Rückgabe des Memellandes. Bei einer Nachbesserung zum Geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes wurde Litauen der sowjetischen Interessensphäre zugeordnet (durch den Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag vom 28. 9. 1939). Daraufhin kam es nach dem sowjetischen Polenfeldzug zur Unterzeichnung eines Beistandspaktes (10. 10. 1939), bei dem die Sowjetunion das Wilnagebiet an Litauen zurückgab. Im Juni 1940 wurde Litauen von sowjetischen Truppen besetzt und nach Ausrufung der Litauischen SSR (21. 7. 1940) am 3. 8. 1940 der UdSSR angegliedert. Wie im übrigen Baltikum brachte die Sowjetherrschaft schwere Repressalien mit sich (erste Massendeportation am 14. 6. 1941). Während der nationalsozialistischen Okkupation (1941-44) fielen 95 % der litauischen Juden (1939 rund 250 000 Personen) dem Holocaust zum Opfer; an den Exekutionen waren auch Einheimische beteiligt. Der Vormarsch der Roten Armee veranlasste 1944 viele Litauer zur Auswanderung nach Westen. Der besonders erbittert geführte Partisanenkrieg (1944-53) kostete etwa 60 000 Menschenleben. Ende der 50er-Jahre begann die planmäßige Industrialisierung Litauens. 1972 kam es nach der Selbstverbrennung des neunzehnjährigen Studenten Romas Kalanta (14. 5.) in Kaunas zu größeren Unruhen, in deren Verlauf Freiheit für Litauen gefordert wurde.
 
Unter M. S. Gorbatschow begann der öffentliche Protest in Litauen am 23. 8. 1987 mit einer Demonstration am Denkmal des Dichters Adam Mickiewicz in der Altstadt von Vilnius. Am 3. 6. 1988 wurde die »Bewegung für die Umgestaltung Litauens« (abgekürzt: Sąjūdis) gegründet, die sich schon bald die Erneuerung der staatlichen Unabhängigkeit zum Ziel setzte. Im Dezember 1989 spaltete sich die litauische KP von der KPdSU ab (1990 Umbenennung in Litauische Demokratische Partei der Arbeit [LDPA] und Neuorientierung auf sozialdemokratischen Prinzipien). Nach Einführung eines Mehrparteiensystems erhielt bei den Wahlen zum Obersten Sowjet der Litauischen SSR am 24. 2. und 4. 3. 1990 Sąjūdis die Mehrheit der Mandate. Daraufhin erklärte Litauen am 11. 3. 1990 als erste sowjetische Unionsrepublik seine staatliche Unabhängigkeit (Umbenennung in Republik Litauen auf der Grundlage ihrer Vorkriegsverfassung). Der Musikwissenschaftler und Vorsitzender des Sąjūdis-Rates, V. Landsbergis, wurde zum Präsidenten des Obersten Rates, Kazimiera Prunskienė zur Ministerpräsidentin gewählt (Letztere im Amt bis Januar 1991). Die Moskauer Zentralregierung reagierte mit der Verhängung eines Wirtschaftsembargos (April bis Juli 1990). Provokationen der in Litauen stationierten Sowjetarmee und zahlreiche blutige Grenzzwischenfälle gipfelten am 13. 1. 1991 in der Erstürmung des Fernsehturms und des Rundfunkgebäudes in Vilnius durch sowjetische OMON-Einheiten (14 Tote). Im Januar 1991 wurde Gediminas Vagnorius Regierungschef. Nach dem gescheiterten Moskauer Putsch im August 1991 kam es zur internationaler Anerkennung der Unabhängigkeit Litauens. Im September 1991 wurde Litauen Mitglied der UNO. Die Nachfolge des im Juli 1992 gestürzten Ministerpräsidenten Vagnorius Trat A. Abizala an. Bei den ersten freien Parlamentswahlen am 25. 10. 1992 und 8. 11. 1992 siegte die LDPA, deren Vorsitzender A. Brazauskas im Februar 1993 auch die Präsidentschaftswahlen gewann. Am 31. 8. 1993 verließen vereinbarungsgemäß die letzten russischen Truppen das Land.
 
Innenpolitisch wurde der seit März 1993 amtierende und am 8. 2. 1996 an einer Bankenaffäre gescheiterte Ministerpräsident Adolfas Šleževičius durch Laurynas Stankevičius abgelöst. Bei den Parlamentswahlen am 20. 10. und 10. 11. 1996 siegte die von V. Landsbergis geführte Vaterlandsunion; Ministerpräsident wurde erneut G. Vagnorius. Am 4. 1. 1998 setzte sich bei den Stichwahlen zur Präsidentschaft der erst kurz zuvor aus den USA endgültig wieder nach Litauen zurückgekehrte V. Adamkus mit 50,3 % der Stimmen durch (Amtsantritt als Staatspräsident am 26. 2. 1998). Im Mai 1999 trat der mit Adamkus in Konflikt geratene Ministerpräsident Vagnorius zurück. Der nachfolgende Regierungschef Rolandas Paksas wurde bereits im November 1999 von Andrius Kubilius (beide Vaterlandsunion) abgelöst. Bei den Parlamentswahlen vom 8. 10. 2000 wurde zwar die von Brazauskas geführte Sozialdemokratische Koalition (Bündnis aus LDPA und Litauischer Sozialdemokratischer Partei, seit Januar 2001 zur neuen Sozialdemokratischen Partei Litauens zusammengeschlossen) die stärkste politische Kraft; das Amt des Regierungschefs an der Spitze einer Mitte-rechts-Koalition übernahm aber erneut Paksas (Vorsitzender der Liberalen Union). Dessen Kabinett brach nach monatelangem Streit um vorgesehene Steuerreformen und Privatisierungsvorhaben im Juni 2001 auseinander (am 20. 6. Rücktritt von Paksas). Daraufhin wurde Brazauskas (nunmehr Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Litauens) am 3. 7. 2001 vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt; er bildete aus Sozialdemokratischer Partei, Neuer Union und der Fraktion unabhängiger Parlamentarier eine Mitte-links-Regierung, die neben dem Festhalten an Reformzielen eine stärkere Aufmerksamkeit für sozialpolitische Erfordernisse betonte.
 
Außenpolitisch schloss Litauen am 26. 4. 1994 mit Polen und am 6. 2. 1995 mit Weißrussland zwischenstaatliche Grundlagenverträge ab, die den heutigen Grenzverlauf festschreiben. Im Oktober 1997 wurde in Moskau ein russisch-litauischer Grenzvertrag unterzeichnet. Am 8. 12. 1995 stellte Litauen offiziell einen Antrag auf Mitgliedschaft in der EU (In-Kraft-Treten eines Assoziierungsabkommens [Europaabkommen] am 12. 6. 1995); am 15. 2. 2000 begannen die EU-Beitrittsverhandlungen. Zusammen mit den anderen baltischen Staaten verkündete Litauen das (v. a. von Russland kritisierte) Ziel einer baldigen Aufnahme in die NATO. Am 27. 1. 1994 trat Litauen dem NATO-Programm »Partnerschaft für den Frieden«bei, am 16. 1. 1998 unterzeichnete es an der Seite von Estland und Lettland eine »Charta der Partnerschaft« mit den USA, die eine Unterstützung für den Weg der baltischen Staaten in die transatlantischen Organisationen zusicherten. Im Dezember 2000 wurde Litauen in die WTO aufgenommen.
 
 
R. Wittram: Balt. Gesch. Die Ostseelande Livland, Estland, Kurland 1180-1918 (1954);
 M. Hellmann: Das Großfürstentum L. bis 1569, in: Hb. der Gesch. Rußlands, Bd. 1 (1981);
 M. Hellmann: Grundzüge der Gesch. L.s u. des litauischen Volkes (41990);
 G. von Rauch: Gesch. der balt. Staaten (31990);
 
Die balt. Nationen Estland, Lettland, L., hg. v. B. Meissner (21991);
 M. Butenschön: Estland, Lettland, L. Das Baltikum auf dem langen Weg in die Freiheit (1992);
 
Lettland u. L. zu Beginn der neuen Unabhängigkeit. Gespräche im Herbst 1991 mit balt. Politikern in Riga u. Vilnius, bearb. v. M. Kerner u. a. (1993);
 
Dt. Gesch. im Osten Europas, begr. v. W. Conze, hg. v. H. Boockmann u. a., Bd: Balt. Länder, hg. v. G. von Pistohlkohrs (1994);
 N. Penkaitis: Agrarentwicklung in L. 1918-1992 (1994);
 
Dt. Gesch. im Osten Europas, begr. v. W. Conze, hg. v. H. Boockmann u. a., Bd.: Land der großen Ströme, hg. v. J. Rogall (1996);
 
Die balt. Staaten im 5. Jahr der Unabhängigkeit, hg. v. F. Scholz u. W. Tenhagen (1997);
 S. Stopinski: Das Baltikum im Patt der Mächte. Zur Entstehung Estlands, Lettlands u. L.s im Gefolge des Ersten Weltkriegs (1997);
 
Die reformator. Kirchen L.s Ein histor. Abriß, hg. v. A. Hermann u. W. Kahle (1998).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Polen-Litauen (1385 bis 1572): Ein Reich von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer
 
Baltikum: Kurze Unabhängigkeit der baltischen Staaten
 

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Li|tau|en [auch: 'lɪt...]; -s: Staat in Nordosteuropa.

Universal-Lexikon. 2012.