Io|no|sphä|re 〈f. 19; unz.〉 obere Schicht der Atmosphäre, die aufgrund starker Ionisierung eine hohe elektrische Leitfähigkeit besitzt [<Ion + Atmosphäre]
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a) <o. Pl.> von Ionen durchsetzte äußerste Hülle der Erdatmosphäre;
b) von Ionen durchsetzte Hülle der Atmosphäre eines Himmelskörpers.
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Ionosphäre,
Bereich der Atmosphäre, in dem die vorhandenen Gase regelmäßig mehr oder weniger stark ionisiert sind. Die Ionosphäre der Erde reicht von etwa 60 km Höhe bis in etwa 1 000 km Höhe und ist in unterschiedlich stabile und unterschiedlich stark ionisierte Schichten untergliedert.
Entstehung und Eigenschaften
Wichtigste Ionisierungsquellen der Erdatmosphäre sind die kosmische Strahlung und die Sonnenstrahlung im UV- und Röntgenstrahlenbereich. Oberhalb 140 km wird atomarer Sauerstoff durch UV-Strahlung im 17- bis 91-nm-Bereich ionisiert, in 90 bis 120 km Höhe molekularer Sauerstoff durch UV-Strahlung zwischen 91 und 101 nm sowie molekularer Sauerstoff und molekularer Stickstoff durch Röntgenstrahlung (Wellenlänge ≤ 10 nm). Unterhalb 90 km wird Stickstoffoxid (NO) durch die starke Lyman-α-Linie des Wasserstoffs (Wellenlänge 121,5 nm) und molekularer Sauerstoff durch Röntgenstrahlung zwischen 10 und 0,2 nm ionisiert. Tagsüber bildet sich ein Gleichgewicht zwischen Ionisation und Rekombination aus, nachts entfällt die Ionisation durch Sonnenstrahlung. Da die Intensität der UV-Strahlung der Sonne erheblich mit der Sonnenaktivität schwankt, hängt auch die Elektronen-Ionen-Dichte von dieser ab. In Höhen um 100 km können gegebenenfalls Meteorite die Ionosphäre beeinflussen. Entsprechend der Höhenabhängigkeit ihrer Eigenschaften besteht die Ionosphäre aus verschiedenen Schichten.
In der D-Schicht, die zwischen etwa 60 und 85 km liegt, nimmt die Elektronen- und Ionendichte tagsüber zu und geht abends wieder rasch zurück. In der E-Schicht (etwa 100-140 km) steigt sie mit zunehmender Höhe an und erreicht in 120-130 km Höhe ein flaches Maximum. Während der Nacht nimmt sie im Schichtmaximum langsam auf etwa 1 % des Mittagswertes ab; offenbar ist hier auch nachts ein, wenn auch geringer, Ionisierungsprozess wirksam. Oberhalb 130 km bildet sich dagegen nachts ein Bereich relativ geringer Elektronendichte. In der F-Schicht (etwa 180-400 km; wird bis etwa 1 000 km angenommen) erfolgt ein Anstieg der Ionendichte bis zu einem absoluten Maximum in 200-300 km Höhe. Tagsüber bildet sich in manchen Jahreszeiten ein sekundäres Maximum aus (F1-Schicht), während das Hauptmaximum (F2-Schicht) nach oben rückt. Dieses Maximum fällt aber nicht mit der Schicht bei etwa 160 km Höhe zusammen, in der die Ionisation am stärksten ist, sondern ist nach oben verschoben. Die Abhängigkeit der Elektronendichte von Zeit und Ort im F-Gebiet wird durch Strömungsvorgänge im elektrisch leitenden Ionosphärengas (Plasma) erklärt. Wird dieser Leiter durch Gezeitenkräfte oder temperaturbedingte Turbulenzen der Erdatmosphäre im Erdmagnetfeld bewegt, so entstehen horizontale Induktionsströme bis etwa 100 000 A, deren (Zusatz-)Magnetfeld den Hauptteil der am Boden beobachteten tageszeitlichen Variationen des erdmagnetischen Feldes ausmacht.
Störungen und Wirkung
Störungen der Ionosphäre können durch Eindringen von geladenen Teilchen oder Zunahme der solaren Strahlung entstehen. Zu diesen Störungen gehört der Mögel-Dellinger-Effekt (Sudden ionospheric disturbance, Abkürzung SID), verursacht durch eine Sonneneruption, bei der die Emission der Wasserstofflinie Hα, die der Lyman-α-Linie und die Strahlung im Röntgenbereich unterhalb 1 nm zunehmen. V. a. durch Letztere wird eine verstärkte Ionisation im Bereich der E- und der D-Schicht verursacht, deren Grenzen nach unten verschoben werden. Da Radiowellen in Abhängigkeit von ihrer Wellenlänge an Schichten hoher Elektronendichte reflektiert werden, kann eine Verschiebung dieser Schichtung zu Störungen im Kurzwellenfunkverkehr führen, außerdem wird die Intensität des kosmischen Rauschens beim Durchgang durch die Ionosphäre geschwächt (Sudden cosmic noise absorption, Abkürzung SCNA). Radiowellen sehr großer Wellenlänge (15-60 m) werden an der Unterseite des stärker ionisierten Gebietes besser reflektiert, ihre Phase ändert sich, ihre Amplitude steigt an; die Intensität der atmosphärischen Störungen nimmt zu. Die erhöhte Leitfähigkeit in der D- und E-Schicht bewirkt eine kurzzeitige Verstärkung (maximal einige 100 min) der erdmagnetischen Gezeitenvariationen. Im Sonnenfleckenmaximum sind diese häufig (gelegentlich mehrmals am Tag), im Minimum selten (einmal während mehrerer Monate). Meist steigt gleichzeitig die Intensität der solaren Radiostrahlung im Zentimeter- und Meterwellenbereich an.
Die Wirkung der solaren Teilchenstrahlung in der Erdatmosphäre hängt von ihrem Eindringvermögen ab. Sie wird vom Erdmagnetfeld abgelenkt. Am energiereichsten sind die in Protonenstürmen auftretenden solaren Protonen, die etwa 20-40 Stunden nach ihrer Emission bis etwa 30 km Höhe eindringen; sie verstärken die Ionisation. Die Wirkung weniger energiereicher Protonen ist auf die Polarkappen beschränkt.
Polarlichter werden von Protonen und Elektronen mit Geschwindigkeiten zwischen 1 000 und 2 000 km/s hervorgerufen. Diese energiearmen elektrisch geladenen Teilchen können wegen des erdmagnetischen Feldes nur in den Zonen um die magnetischen Pole in die Atmosphäre eindringen. Sie regen durch Stoß die atmosphärischen Gase zum Leuchten an (Polarlicht), erhöhen die Elektronendichte in der E-Schicht und heizen sie auf. Bei der Abbremsung der Elektronen entsteht Bremsstrahlung, die eine Zunahme der Elektronendichte auch in der D-Schicht bewirkt. Die Zunahme der Elektronendichte in der E-Schicht zusammen mit großräumigen Bewegungsvorgängen führt zur Ausbildung von flächenhaften Strömen, die erdmagnetische Stürme hervorrufen. Die mit dem Stromsystem verbundenen elektrischen Felder bewirken, dass die Störung nicht auf die Polarlichtzone beschränkt bleibt, sondern auch in mittleren geomagnetischen Breiten einen Anstieg der Höhe des Elektronendichtemaximums und eine Verminderung der Elektronendichte in der F-Schicht (Ionosphärensturm) hervorruft, wodurch der Kurzwellenfunkverkehr erheblich beeinträchtigt wird.
Eine auffallende Abweichung vom normalen Zustand der E-Schicht ist das sporadische Auftreten der Es-Schicht. Dabei nimmt in einem relativ schmalen vertikalen Höhenbereich (einige 100 m bis einige km) die Elektronendichte um einige Prozent bis zum 25fachen spontan zu, bei einer horizentalen Ausdehnung zwischen einigen km und einigen 1 000 km. In der Polarlichtzone entsteht die Es-Schicht (Polarlicht-Es) durch die Wirkung solarer Teilchen. Statistisch ist die Es-Schicht in mittleren Breiten bei Tag und im Sommer häufiger als bei Nacht und im Winter. In äquatorialen Breiten ist tagsüber die Es-Schicht eine fast regelmäßige Erscheinung. Sie deckt manchmal die für den Funkfernverkehr bedeutsame E-Schicht ab und stört dadurch Kurzwellenverbindungen. Bei starker Zunahme der Elektronendichte reflektiert sie sogar UKW-Strahlung, sodass es beim Empfang zu Überreichweiten kommt.
In der F-Schicht löst sich bei Nordlichtstörungen und in Winternächten die regelmäßige Schicht in Wolken von einigen 100 m Durchmesser auf. In Äquatornähe ist dies nachts fast die Regel.
Die Ionosphäre umgibt die Erde wie ein Hohlspiegel für Radiowellen. Langwellen werden an der Unterseite reflektiert und breiten sich zwischen Erdboden und Ionosphäre wie in einem Wellenleiter aus. Mit abnehmender Wellenlänge dringen Radiowellen immer weiter in die Ionosphäre ein, wobei sie teils absorbiert, teils reflektiert werden. Mittelwellen werden z. B. tagsüber stark gedämpft, während nachts die Reichweite wächst. Kurzwellen werden in einem Bereich von 3 bis 30 MHz an der Ionosphäre reflektiert und ermöglichen so Verbindungen über beliebige Entfernungen auf der Erde. Ultrakurzwellen können im Normalfall die Ionosphäre passieren, es sei denn, sie werden bei ungewöhnlich starker Ausprägung der Es-Schicht reflektiert.
Die elektrischen Eigenschaften der Ionosphäre werden vom Boden aus mittels reflektierter elektrischer Wellen (Ionosonde), die Leuchterscheinungen mithilfe von optischen Geräten und die elektrischen Ströme mithilfe von Magnetometern untersucht. Neben den Messungen von Raketen beziehungsweise Satelliten aus hat sich gegenwärtig das Incoherent-Scatter-Verfahren als leistungsfähigste Methode erwiesen. Die Bezeichnung weist darauf hin, dass sich die rückgestreuten Wellen (Thomson-Streuung) der einzelnen Elektronen inkohärent addieren, also keine feste Phasenbeziehung zueinander haben. Bei diesem Verfahren werden stark gebündelte Hochfrequenzimpulse mit einem Radarsender in die Ionosphäre geschickt, wobei aus dem rückgestreuten Echo gleichzeitig und mit großer Genauigkeit die Elektronendichte, Temperatur der Elektronen und Ionen, Ionenart, Driftgeschwindigkeit u. a. ermittelt werden können.
1878 stellte B. Stewart aufgrund der Analyse erdmagnetischer Zeitvariationen die Hypothese von der Existenz einer elektrisch leitenden atmosphärischen Schicht in großer Höhe auf. Ihm folgten 1902 (voneinander unabhängig) O. Heaviside und A. E. Kennelly (Heaviside-Schicht, Kennelly-Heaviside-Schicht). 1924/25 untersuchte E. V. Appleton die Reflexion elektromagnetischer Wellen an Schichten der höheren Atmosphäre. Er stellte hierbei Interferenzen fest, die er durch Reflexionen an einer ionisierten Schicht in etwa 100 km Höhe erklärte. 1927 entdeckte er eine zweite Schicht in etwa 250 km Höhe.
S. J. Bauer: Physics of planetary ionospheres (Berlin 1973);
G. Klawitter: I. u. Wellenausbreitung (21993).
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Universal-Lexikon. 2012.