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Galilei
Ga|li|lei […'le:ɪ; nach dem ital. Mathematiker u. Physiker Galileo Galilei (1564–1642)], das; -, -; angloamer. Syn.: Galileo; Einheitenzeichen: Gal: nicht mehr zulässige Einheit für die Beschleunigung: 1 Gal = 1 cm/s2.

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I
Galilei
 
[nach G. Galilei] das, -/-, Einheitenzeichen Gal, in der Geophysik und Geodäsie verwendete (nicht gesetzliche) Einheit der Beschleunigung (besonders der Fallbeschleunigung): 1 Gal = 1 cm/s2.
 
II
Galilei,
 
1) Alessandro, italienischer Architekt, * Florenz 25. 7. 1691, ✝ Rom 21. 12. 1736; ausgebildet in Florenz, hielt sich 1714-19 in England auf. 1730 wurde er von Papst Klemens XII. nach Rom berufen, wo er seine bedeutendsten, Züge des Palladianischen Klassizismus aufweisenden Werke schuf: die Cappella Corsini (1732-35) und die Fassade von San Giovanni in Laterano (1733-35).
 
 2) Galileo, italienischer Mathematiker, Physiker und Philosoph, * Pisa 15. 2. 1564, ✝ Arcetri (heute zu Florenz) 8. 1. 1642, Sohn von 3); studierte 1581-85 in Pisa, wurde an der Florentiner Accademia del Disegno mit den Schriften des Archimedes bekannt und baute daraufhin 1586 eine hydrostatische Waage; 1589 erhielt er die Professur für Mathematik in Pisa. Ob er dort am Schiefen Turm Fallversuche zur Bestätigung einer von ihm aufgestellten Falltheorie anstellte, ist nicht eindeutig erwiesen. Der besseren Bezahlung halber übernahm Galilei 1592 die Professur der Mathematik in Padua. Er erfand dort einen Proportionalzirkel, richtete sich in seinem Haus eine feinmechanische Werkstatt ein, fand die Gesetze für das Fadenpendel und leitete in reinen Gedankenexperimenten die Fallgesetze her; zur Bestätigung seiner Theorie entwickelte er die Fallrinne. Galilei baute das ein Jahr früher in Holland erfundene Fernrohr nach, benutzte es zu astronomischen Beobachtungen und veröffentlichte deren erste Ergebnisse 1610 in seinem »Sidereus nuncius«, der »Sternenbotschaft«. Galilei entdeckte die bergige Natur des Mondes, den Sternenreichtum der Milchstraße, die Phasen der Venus, die vier größten Jupitermonde (7. 1. 1610 und die Saturnringe sowie 1611 nach J. Fabricius die Sonnenflecke. Diese Beobachtungen widersprachen zum Teil dem damaligen, an der aristotelischen Lehre ausgerichteten Weltbild.
 
Erst seit 1610 trat Galilei, der in diesem Jahr als Hofmathematiker und Hofphilosoph des Großherzogs nach Florenz zurückgekehrt war, öffentlich für das heliozentrische Weltsystem des N. Kopernikus ein. 1613 entwickelte er in einem Brief an den Benediktiner B. Castelli seine Vorstellungen über das Verhältnis der Bibel zur Naturerkenntnis und v. a. zum heliozentrischen System, die eine Neuinterpretation der Heiligen Schrift erforderten. Dies führte zu einer ersten Auseinandersetzung mit der römischen Kirche, die 1616 mit dem Verbot dieser Lehre durch den Papst antwortete. Galilei widmete sich nunmehr intensiv der Widerlegung der aristotelisch-scholastischen Physik. Im Rahmen eines Streites über das Wesen der Kometen von 1618, bei dem Galilei nicht in allen Punkten im Recht war, verfasste er als eine seiner geistvollsten Abhandlungen den »Saggiatore« (»Prüfer mit der Goldwaage«, 1623), eine Schrift, die Papst Urban VIII. gewidmet war. Da dieser als Kardinal ihm wohlgeneigt gewesen war, glaubte Galilei ihn für die Anerkennung der kopernikanischen Lehre gewinnen zu können. Er verfasste seinen »Dialogo sopra i due massimi sistemi«, den »Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme, das ptolemäische und das kopernikanische«, legte die Handschrift in Rom zur Prüfung vor und ließ sie 1632 in Florenz erscheinen; das Buch wurde noch im selben Jahr auf kirchlichen Befehl wieder eingezogen. Da er seine Parteinahme für Kopernikus zu deutlich gezeigt hatte, kam es zu einem Prozess gegen Galilei, der mit seiner Abschwörung und Verurteilung am 22. 6. 1633 endete. Galilei befand sich im Gebäude der Inquisition wenige Tage in Haft. Legende ist der Ausspruch: »Und sie (die Erde) bewegt sich doch« (»Eppur si muove«). Galilei wurde zu unbefristeter Haft verurteilt, die er (seit 1637 erblindet) mit kurzer Unterbrechung in seinem Landhaus zu Arcetri verbrachte. Dort verfasste er auch sein für die weitere Entwicklung der Physik wichtigstes Werk, die »Discorsi e dimostrazioni matematiche« (Leiden 1638), die »Unterredungen und mathematische Demonstrationen über zwei neue Wissenszweige, die Mechanik und die Fallgesetze betreffend«, wobei mit Mechanik hier die Festigkeitslehre gemeint ist. Im Rahmen einer Erklärung zur Beziehung von Religion und Wissenschaft, die Papst Johannes Paul II. im Oktober 1992 vor der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften abgab, wurde die Verurteilung Galileis als ungerechtfertigt charakterisiert und Galilei von der katholischen Kirche auch formell rehabilitiert.
 
Galileis Hauptleistung besteht in der neuen Auffassung von der Möglichkeit physikalischer Erkenntnisse. An die Stelle der Frage nach dem »Warum« setzte er die Frage nach dem »Wie« eines Prozesses; denn nur so könne die menschliche Ratio mithilfe der Mathematik Einblick in den göttlichen Schöpfungsplan gewinnen. Galilei begründete (wenn er auch Anreger hatte) - mit R. Descartes - ein neues Zeitalter der Wissenschaft, v. a. durch eine klare Methodenlehre (Mathematisierung der Natur); er war ein bedeutender philosophischer Denker und zugleich ein guter Beobachter. Als glänzender Redner und Schriftsteller hat er einer sich anbahnenden neuen Naturwissenschaft und ihren Methoden unter den Gebildeten seiner Zeit Freunde und Gönner geworben und sie zu weiteren Forschungen angeregt.
 
Galilei war einer der ersten Italiener, die sich für die Darstellung naturwissenschaftlicher Probleme in ihren Werken auch der Muttersprache bedienten. Seine Prosa nimmt im Rahmen der italienischen Literatur eine Sonderstellung ein, da sie sich durch ihre Klarheit und Schlichtheit von dem herrschenden barocken Schwulst abhebt, den Galilei auch in seinen literaturkritischen Aufsätzen über Tasso u. a. getadelt hatte. In seinen wichtigsten Werken bediente er sich der von den italienischen Humanisten überkommenen Form des Dialogs, um gemeinverständlich zu sein.
 
Galileis Konflikt mit der Kirche ist mehrfach Gegenstand dichterischer Behandlung geworden, z. B. in Z. von Harsányi: »Und sie bewegt sich doch« (Roman; deutsch 1937), B. Brecht: »Leben des Galilei« (Drama, 3. Fassung 1955), M. Brod: »Galilei in Gefangenschaft« (Roman, 1948), Gertrud von Le Fort: »Am Tor des Himmels« (Novelle, 1954), A. Koestler: »Die Nachtwandler« (Roman; deutsch 1959) und F. Zwillinger: »Galileo Galilei« (Drama, 1962).
 
 
Ausgaben: Unterredungen und mathematische Demonstrationen über zwei neue Wissenszweige, die Mechanik und die Fallgesetze betreffend, übersetzt und herausgegeben von A. von Oettingen, 3 Bände (1890-1904, Nachdruck 1995 in 1 Band); Le opere di G. Galilei. Edizione nazionale, 20 Bände (Neuausgabe 1964-66); Sidereus nuncius. Dialog über die Weltsysteme. .., herausgegeben von H. Blumenberg (Neuausgabe 1980); Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme, das ptolemäische und das kopernikanische, herausgegeben von R. Sexl u. a. (Neuausgabe 1982); Schriften, Briefe, Dokumente, herausgegeben von A. Mudry, 2 Bände (1987).
 
Literatur:
 
K. von Gebler: G. G. u. die röm. Curie, 2 Bde. (1876-77, Nachdr. 1968 in 1 Bd.);
 E. Wohlwill: G. u. sein Kampf für die Copernican. Lehre, 2 Bde. (1909-26, Nachdr. 1987);
 L. Olschki: Gesch. der neusprachl. wiss. Lit., Bd. 3: G. u. seine Zeit (1927, Nachdr. Vaduz 1965);
 F. Dessauer: Der Fall G. u. wir (41957);
 
Sonne, steh still. 400 Jahre G. G., hg. v. E. Brüche (1964);
 O. Loretz: G. u. der Irrtum der Inquisition (1966);
 H.-C. Freiesleben: G. als Forscher (1968);
 H.-C. Freiesleben: G. G. Physik u. Glaube an der Wende zur Neuzeit (21969);
 W. Brandmüller: G. u. die Kirche oder das Recht auf Irrtum (1982);
 K. Fischer: G. G. (1983);
 W. A. Wallace: Galileo and his sources (Princeton, N. J., 1984);
 E. Schmutzer u. W. Schütz: G. G. (Leipzig 61989);
 J. Hemleben: G. G. (58.-60. Tsd. 1994);
 A. Fölsing: G. G. - Prozeß ohne Ende. Eine Biogr. (Neuausg. 1996).
 
 3) Vincenzo, italienischer Komponist und Musiktheoretiker, * Santa Maria a Monte (bei Pisa) um 1520, begraben Florenz 2. 7. 1591, Vater von 2); Schüler von G. Zarlino und G. Mei; zuerst als Lauten- und Violenspieler tätig; veröffentlichte Madrigale (1574, 1587) und Lautenkompositionen (1563, 1584). Geschichtliche Bedeutung erlangte er v. a. mit seinen Bemühungen um die neue Monodie in der Florentiner Camerata sowie mit seinen zum Teil gegen Zarlino gerichteten Musiktraktaten, u. a. »Dialogo della musica antica e della moderna« (1581, Neuausgabe 1968) und »Discorso intorno all'opere di Messer Gioseffo Zarlino« (1589, Neuausgabe 1933).
 

Universal-Lexikon. 2012.