In|ves|ti|tur|streit, der <o. Pl.> (Geschichte):
(im 11./12. Jh.) Streit der deutschen, englischen u. französischen Herrscher mit den Päpsten um die Einsetzung der Bischöfe und Äbte.
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I Investiturstreit
Der Investiturstreit ist die Auseinandersetzung zwischen dem Papsttum und den Königen Europas um das Recht der Investitur (Einsetzung) der Bischöfe, in die die deutschen Könige besonders stark verwickelt waren. Nach altüberliefertem Brauch setzte der deutsche König die Bischöfe seines Herrschaftsbereichs durch die Übergabe von Ring und Stab in ihr Amt ein, nachdem »Klerus und Volk« zuvor die Wahl vollzogen hatten. Da man aber den Kandidaten durch den Willen Gottes, den man nur nachzuvollziehen glaubte, vorher bestimmt sah, bestand kein Bedürfnis nach einer klaren Regelung des Wahlverfahrens. Das bedeutete, dass dem König als dem »Gesalbten des Herrn« auch eine ausschlaggebende Rolle bei der Feststellung des Willens Gottes und damit bei der Auswahl des neuen Bischofs zukam. Diese Praxis erregte lange keinen Anstoß, zumal die Reichskirche nicht nur geistliche, sondern auch weltlich-herrschaftliche Funktionen im Reich wahrzunehmen hatte und beide Bereiche gedanklich nicht klar getrennt wurden. Man dachte in Personen, nicht in institutionellen Zuständigkeitsbereichen, und die Reichsbischöfe waren eben durch die königliche Einsetzung als Personen ihrem Herrn, dem König, in Treue verbunden.
Seit in der Mitte des 11. Jahrhunderts die Anhänger der Kirchenreform die Vergabe von Kirchenämtern durch Laien als Missbrauch anzuprangern begannen, bezogen die wenigsten auch die königliche Investiturpraxis in diese Kritik mit ein, weil der König ja gar nicht als reiner Laie galt. Erst die Auseinandersetzungen um die Neubesetzung des Mailänder Erzbistums seit 1073, bei denen König Heinrich IV. einen Mailänder Kleriker investierte, während das Papsttum kraft apostolischer Autorität einen anderen Kandidaten zu dem von Gott gewünschten und damit rechtmäßig gewählten erklärte, machte die königliche Investitur der Bischöfe zum zentralen Thema der Kirchenreform. Papst Gregor VII. (1073-85) sprach ein allgemeines Investiturverbot aus, ohne auf die Tatsache Rücksicht zu nehmen, dass die Reichsbischöfe als Reichsfürsten ja auch weltliche Funktionen wahrnahmen und der König daher berechtigterweise den Anspruch erheben konnte, dass ihrer Verpflichtung gegen König und Reich schon bei ihrer Einsetzung Rechnung getragen wurde. Eine Lösung des Problems wurde dadurch möglich, dass man begrifflich klar zwischen geistlichem und weltlichem Bereich zu unterscheiden lernte und auf dieser Grundlage im Wormser Konkordat von 1122 einen doppelten Einsetzungsakt (durch König und Papst) für die Reichsbischöfe als gültige Rechtsform anerkannte.
Investiturstreit
Nachdem Heinrich IV. bereits von Papst Alexander II. mit dem Bann bedroht worden war, schien sich das Verhältnis zwischen Papst und König nach dem Amtsantritt Gregors VII. 1073 zunächst zu verbessern. Heinrich IV. wandte sich mit einem Ergebenheitsschreiben an den neuen Papst, der sogar daran gedacht haben soll, dem deutschen König für den Fall seiner Abwesenheit auf einem in Aussicht genommenen Kreuzzug die Leitung der abendländischen Kirche zu übertragen. Es kam zum Bruch, als Heinrich IV. 1075 in Mailand und sogar innerhalb des Kirchenstaats Bischöfe erhob, was gegen die von der Kirchenreform vertretenen Prinzipien der kanonischen Wahl durch Klerus und Volk verstieß.
Als Gregor VII. im Dezember 1075 Heinrich IV. schroff ermahnte und mit Bann bedrohte, gab es im deutschen Episkopat erheblichen Widerstand gegen die Zielvorstellung Gregors, den Kauf bzw. Verkauf geistlicher Ämter (Simonie) zu unterbinden und die Einhaltung des Zölibats auch in den deutschen Diözesen zu erzwingen. Auf einem von zahlreichen Bischöfen besuchten Hoftag wurde beschlossen, dem Papst den Gehorsam aufzukündigen (26. Jan. 1076), und in einem überaus scharfen Schreiben - gerichtet nicht an den Papst, sondern »den falschen Mönch Hildebrand« - forderte Heinrich seinen Gegenspieler auf, den angemaßten Stuhl Petri zu verlassen.
Gregor erklärte nun seinerseits in einem Gebet an den heiligen Petrus den deutschen König für abgesetzt und exkommuniziert. Damit war etwas Unerhörtes geschehen, denn noch nie hatte ein Papst einen weltlichen Herrscher seines Amtes enthoben. Die alten Gegner des Königs, vor allem die Sachsen und die süddeutschen Herzöge, sammelten sich, und auch ein Teil der Bischöfe fiel von Heinrich IV. ab. Um einem Vermittlungsversuch des Papstes zuvorzukommen, überquerte er daher mit kleinem Gefolge die Alpen und erschien Ende Januar 1077 im Büßergewand vor der Burg Canossa, wohin der Papst sich zurückgezogen hatte. Nachdem der König in einem dreitägigen Bußgang Abbitte geleistet hatte, blieb Papst Gregor nichts anderes, als den reuigen Sünder wieder in die Kirchengemeinschaft aufzunehmen. Damit hatte Heinrich zwar einen taktischen Erfolg errungen, aber er hatte zugleich die weltliche Oberherrschaft des Papstes über das Königtum anerkannt und konnte auch nicht verhindern, dass die Fürsten in Forchheim einen Gegenkönig (Rudolf von Schwaben) wählten.
Gregor VII. untersagte 1078 dem deutschen König grundsätzlich, Bischöfe einzusetzen; damit war der Investiturstreit in vollem Gange. Nach seiner zweiten Ächtung 1080 ließ Heinrich IV. im gleichen Jahr den Erzbischof von Ravenna als Klemens III. zum Gegenpapst erheben. 1084 ließ sich Heinrich von seinem Papst in Rom zum Kaiser krönen, nachdem die Römer ihn in die Stadt gelassen hatten. Papst Gregor, der sich in der Engelsburg verschanzt hatte, wurde zwar von einem normannischen Heer entsetzt, musste aber wegen der Übergriffe seiner Verbündeten die Stadt bald verlassen und starb 1085 im Exil in Salerno. Der Investiturstreit wurde erst unter Heinrich V. durch das Wormser Konkordat beendet.
Investiturstreit,
Bezeichnung für den Konflikt zwischen dem (Reform-)Papsttum und dem englischen, französischen und deutschen Königtum seit 1075 um die Investitur der Bischöfe und Äbte, der zur grundsätzlichen Auseinandersetzung zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt wurde. Bis dahin wurden im Heiligen Römischen Reich, in Frankreich und England die Bischöfe und Äbte vom Landesherrn eingesetzt, der ihnen als Amtsinsignien Ring und Stab überreichte. Im Reich und dem normannischen England verfügte über die Bistümer und die wichtigsten Klöster der König, in Frankreich lag die Verfügungsgewalt auch bei den Herzögen und Grafen. Seinen Ursprung hatte das Investiturrecht in der Einrichtung der Eigenkirche; die Einweisung in das kirchliche Amt und die Übergabe der oft umfangreichen Besitzungen und Rechte bildeten eine Einheit. Im ottonisch-salischen Reichskirchensystem schuf sich der deutsche (Römische) König im Episkopat eine wesentliche politische Stütze seiner Herrschaft. Da Bischöfe und Äbte den Besitz ihrer Kirche wegen ihrer Ehelosigkeit nicht in eine vererbbare Hausmacht umwandeln konnten, sondern wirtschaftlich und militärisch zum Nutzen des investierenden Herrschers einzusetzen hatten, bildeten sie ein Gegengewicht zu den dem Königtum zuwiderlaufenden Partikularinteressen.
Die im 11. Jahrhundert aufgekommene kirchliche Reformbewegung hatte zunächst nur die Vergabe von Kirchenämtern gegen Geld als Simonie bekämpft; eine radikale Richtung verurteilte seit etwa 1060 jede Investitur durch Laien als Simonie. Papst Gregor VII. formte im »Dictatus Papae« diese Ansicht weiter aus (gregorianische Reform) und verbot bei Strafe des Kirchenausschlusses die Laieninvestitur 1075 wohl nur dem (deutschen) König aus Anlass der umstrittenen Neubesetzung des Mailänder Bischofsstuhls mit einem deutschen Erzbischof, nach Ausbruch des Kampfes mit König Heinrich IV. (Canossa 1077; deutsche Geschichte) jedoch 1078 allgemein. Dieses Vorgehen führte besonders in Deutschland zu schweren Kämpfen unter Heinrich IV. und Heinrich V. Ein Kompromiss wurde erst möglich, als Ivo von Chartres die Unterscheidung zwischen geistlichem Amt und weltlicher Herrschaft des Bischofs wieder zur Geltung brachte. 1104 verzichtete der französische, 1107 der englische König auf die Investitur mit Ring und Stab; beide behielten sich aber vor, den Gewählten mit dem Kirchenbesitz zu belehnen und den Treueid zu fordern, was den königlichen Einfluss auf die Wahl auch weiterhin sicherte. Ähnliches erstrebte das Wormser Konkordat (1122), mit dem der Investiturstreit schließlich beigelegt wurde. Mit dem dort gefundenen Kompromiss fiel letztlich das Reichskirchensystem. In der Folge galt das Interesse der dem Reich nur noch lehnsrechtlich verpflichteten geistlichen Fürsten dem Aus- und Aufbau einer eigenen Landesherrschaft.
Hb. der Kirchengesch., hg. v. H. Jedin, Bd. 3, Tl. 1 (21973);
I. u. Reichs-Verf., hg. v. J. Fleckenstein (1973);
Canossa als Wende, hg. v. H. Kämpf (31976);
U.-R. Blumenthal: Der I. (1982);
G. Tellenbach: Die westl. Kirche vom 10. bis zum frühen 12. Jh. (1988);
W. Hartmann: Der I. (21996).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Investiturstreit und Kirchenreform: Macht und Glaube
Investiturstreit: Sein Ursprung in der Eigenkirche
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In|ves|ti|tur|streit, der <o. Pl.> (hist.): (im 11./12. Jh.) Streit der deutschen, englischen u. französischen Herrscher mit den Päpsten um die Einsetzung der Bischöfe und Äbte.
Universal-Lexikon. 2012.