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Klaviermusik
Kla|vier|mu|sik, die:
1. <o. Pl.> Musik für Klavier:
sie spielt K. von Chopin.
2. <o. Pl.> auf einem Klavier gespielte Musik.
3. Klavierstück.

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Klaviermusik,
 
bis etwa 1750 die Musik für Tasteninstrumente (Klavierinstrumente im weiteren Sinne) wie Orgel, Cembalo, Virginal, Klavichord, Hammerklavier, doch ist eine Differenzierung zwischen Orgelmusik und Klaviermusik schon seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert zu bemerken. Die frühesten Beispiele für Klaviermusik sind Übertragungen von Vokalmusik und Tänzen in Handschriften des 14./15. Jahrhunderts Die Tabulaturbücher der deutschen Orgelmeister des frühen 16. Jahrhunderts enthalten auch eigenständige Klavierstücke. Formen rein instrumentalen Charakters (Ricercar, Fantasie, Toccata u. a.) wurden im 16. Jahrhundert v. a. in Spanien (A. de Cabezón) und Italien (C. Merulo, A. und G. Gabrieli, G. Frescobaldi) ausgebildet. Bedeutende Orgelmusik schufen im Anschluss hieran der Niederländer J. P. Sweelinck und seine deutschen Schüler J. Praetorius der Jüngere, S. Scheidt und H. Scheidemann. Die ersten Sammlungen mit Kompositionen ausdrücklich für besaitete Tasteninstrumente finden sich in der englischen Virginalmusik. Eine spezielle Cembalokunst entwickelten im 17. Jahrhundert die französischen Clavecinisten. J. Champion de Chambonnières gilt neben dem Deutschen J. J. Froberger als Schöpfer der Klaviersuite. L. Couperin und v. a. sein Neffe F. Couperin führten die von der französischen Lautenmusik auf das Cembalo übertragene »kleine Form« zur Vollendung und schufen das Charakterstück. D. Scarlatti entwickelte formal und technisch die italienische Klaviersonate, die dann J. Kuhnau in die deutsche Klaviermusik einführte. G. F. Händel und J. S. Bach pflegten besonders die Suite und als Erste das Orgel- und Klavier-(Cembalo-)Konzert. Besonders in Bachs Klaviermusik, die die nationalen Traditionen in sich vereinigte, sind klavieristische Themengestaltung und Spieltechnik mit einzigartiger Formgebung verbunden. C. P. E. Bach verschaffte der freien Fantasie und dem Rondo erhöhte Geltung; durch seine Konzerte und Sonaten und diejenigen J. Haydns und v. a. W. A. Mozarts wird der Rang der Klaviermusik als einer der repräsentativen Kompositionsbereiche der Vorklassik und der Wiener Klassik bis hin zur Romantik begründet. L. van Beethovens Musik für das Hammerklavier zeichnet sich aus durch Brillanz und Virtuosität, kompositorische Dichte und höchste Ausdruckskraft. Die Romantiker (F. Schubert, R. Schumann, auch F. Mendelssohn Bartholdy und J. Brahms) bevorzugten neben Konzert und Sonate das kleine lyrische Klavierstück (Moment musical, Impromptu, Intermezzo) sowie das Charakterstück. F. Chopin und F. Liszt schufen virtuose Klaviermusik (u. a. Etüde, Prélude, Nocturne, Fantasie) von hohem Rang. Daneben waren im 19. Jahrhundert Salonmusik sowie Unterrichtsliteratur sehr verbreitet. Um 1900 knüpfte M. Reger bei Brahms an, während sich C. Debussy, M. Ravel und A. Skrjabin an Chopin und Liszt orientierten. Besonders Debussy entwickelte einen impressionistischen Klavierstil, dem A. Schönberg (»Drei Klavierstücke« Opus 11, 1909) mit expressionistischer, I. Strawinsky (Sonate fis-Moll, 1903/1904) mit klassizistischer und B. Bartók mit folkloristischer Klaviermusik folgten; von A. Webern erlangten die zwölftönigen »Variationen« Opus 27 (1936) Bedeutung. O. Messiaen, der zahlreiche Werke unter Verarbeitung von Vogelgesang komponierte (»Catalogue d'oiseaux«, 1956-58), bereitete mit vier Etüden (1949/50) die serielle Klaviermusik vor, als deren Repräsentanten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts P. Boulez und K. Stockhausen gelten; beide schufen auch Modelle aleatorischer Klaviermusik (»Troisième Sonate«, 1957/58; »Klavierstück XI«, 1956). Stockhausen erweiterte den Klavierklang durch liveelektronische Ringmodulation (»Mantra« für zwei Pianisten, 1970).
 
Neue Wege der Klangerzeugung, die heute Allgemeingut sind, beschritten H. Cowell (Tastenanschlag durch Handfläche oder Unterarm, Cluster) und J. Cage (präpariertes Klavier, z. B. »Sonatas and interludes«, 1946-48), der auch sein Verfahren der Zufallskomposition in der Klaviermusik anwendete. Durch seinen kurztönigen, perkussiven Klangcharakter zur Erzeugung schneller Repetitionsketten prädestiniert, wurde das Klavier in den 1960er-Jahren eines der bevorzugten Instrumente der Minimalmusic (u. a. S. Reichs »Piano phase«, 1966, und »Six pianos«, 1973). Inwieweit die heutige Klaviermusik neben den wachsenden Einflüssen des Jazz und der fernöstlichen Musik auch durch die Verwendung elektrischer oder digitaler Klaviere stilbildend geprägt wird, ist noch nicht abzusehen.
 
Literatur:
 
M. Seiffert: Gesch. der K.. .. bis um 1750 (1899, Nachdr. 1966);
 G. Schünemann: Gesch. der K. (21956);
 W. Apel: Gesch. der Orgel- u. K. bis 1700 (1967);
 W. Georgii: K. (Zürich 51976);
 K. Wolters: Hb. der Klavierlit. K. zu zwei Händen (21977);
 
K. A-Z, hg. v. C. Rüger (Leipzig 1979);
 O. Schumann: Hb. der K. (21979);
 P. Hollfelder: Gesch. der K., 2 Bde. (1989).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Klaviermusik und Kammermusik des 19. Jahrhunderts
 

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Kla|vier|mu|sik, die: Musik für Klavier.

Universal-Lexikon. 2012.