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Schönberg
I
Schönberg,
 
Name von geographischen Objekten:
 
 1) Schönberg, Stadt im Landkreis Nordwestmecklenburg, Mecklenburg-Vorpommern, 17 m über dem Meeresspiegel, im westlichen Teil der Mecklenburgischen Seenplatte, an der Maurine (Zufluss zur Trave), 4 300 Einwohner; Heimatmuseum, Niederdeutsche Bühne; Möbelbau; Landwirtschaftsbetriebe. Bei Schönberg auf der Gemarkung der Gemeinde Selmsdorf große »Deponie Schönberg« (von der DDR-Regierung zur Devisenbeschaffung eingerichtet), auf der bis 1990 mehr als 8 Mio. t Abfälle und Sonderabfälle aus den alten Bundesländern abgelagert wurden.
 
Geschichte:
 
1219 wurde Schönberg erstmals erwähnt und erhielt 1822 Stadtrecht.
 
 
 2) Schönberg (Họlstein), Gemeinde im Kreis Plön, Schleswig-Holstein, 6 100 Einwohner, in der Probstei; umfasst außerhalb des Ortskerns (4 km landeinwärts) u. a. den Ortsteil Holm (Heilbad mit Kurklinik) und die Ostseebäder Schönberger Strand und Kalifornien.
 
II
Schönberg,
 
Arnold, österreichischer Komponist, * Wien 13. 9. 1874, ✝ Los Angeles (Kalifornien) 13. 7. 1951; trieb frühzeitig intensive autodidaktische musikalische Studien und war kurze Zeit Schüler von A. von Zemlinsky. 1901 ging Schönberg als Kapellmeister an das Berliner Kabarett »Überbrettl« von E. von Wolzogen, unterrichtete 1902 am Sternschen Konservatorium in Berlin und ließ sich 1903 in Wien als Komponist und Kompositionslehrer nieder. Von seinen Schülern blieben A. Berg und A. Webern lebenslang mit Schönberg befreundet und als bedeutende Komponisten mit ihm in der »Zweiten Wiener Schule« eng verbunden. In diesen Jahren (Schwerpunkt um 1910 und in Kontakt mit W. Kandinsky und dem Blauen Reiter in München) malte Schönberg visionäre Bilder zwischen Symbolismus und Expressionismus (etwa 60 Gemälde sowie 200 Zeichnungen und Aquarelle). Die Erfahrung seiner Lehrtätigkeit fand 1911 ihren Niederschlag in Schönbergs »Harmonielehre«. Im gleichen Jahr übersiedelte Schönberg wieder nach Berlin, lehrte am Sternschen Konservatorium, kehrte aber 1915 nach Österreich zurück und wurde zum Militärdienst einberufen. 1917-20 führte er die früheren Wiener Kompositionskurse als »Seminar für Komposition« fort, ab 1918 in seinem Haus in Mödling (heute Schönberggedenkstätte und Sitz der Schönberggesellschaft). Zu den Schülern dieser Zeit gehörten u. a. H. Eisler, E. Ratz, J. Rufer und R. Serkin. 1918 wurde unter Schönbergs Leitung der »Verein für musikalische Privataufführungen« gegründet, der bis 1921 bestand und in dessen öffentlichen Proben und Aufführungen v. a. zeitgenössische Musik gepflegt wurde. 1925 erfolgte Schönbergs Berufung als Nachfolger F. Busonis an die Berliner Akademie der Künste. Aufgrund der nationalsozialistischen Rassengesetze 1933 entlassen, emigrierte er über Paris in die USA und lebte in New York, Hollywood und in der Nähe von Los Angeles. 1936-44 hatte er dort einen Lehrstuhl für Musik an der University of California. Seit 1941 war er amerikanischer Staatsbürger.
 
Schönbergs musikalisches Schaffen lässt sich in vier Phasen gliedern. Außer der letzten sind sie für die Entwicklung der Musik im 20. Jahrhundert beispielhaft und geschichtlich repräsentativ. Die erste Phase bis etwa 1900 (»Gurrelieder«; Streichsextett »Verklärte Nacht«) führte im Anschluss an R. Wagner und J. Brahms zu einer letzten Steigerung und Differenzierung der spätromantischen Musiksprache. Das wird in den folgenden Werken (u. a. in der 1. »Kammersymphonie« Opus 9 und dem 2. Streichquartett Opus 10) in Richtung auf eine freie Atonalität weiterentwickelt, die um 1908 in den George-Liedern Opus 15 und den Klavierstücken Opus 11 vollständig ausgeprägt erscheint und eine Reihe höchst individueller, in Form, Besetzung und Ausdrucksdichte exemplarischer Werke der zweiten, atonal-expressionistischen Phase bestimmt, darunter das traumhaft psychogrammatische Monodram »Erwartung« Opus 17, die 21 Gedichte für Sprechstimme und Kammerensemble »Pierrot lunaire« Opus 21, die ganz neuartigen Orchesterstücke Opus 16 und die äußerst kurzen Klavierstücke Opus 19. Um 1920 begann die dritte Phase mit der Herausbildung eines neuen Ordnungsprinzips, der Zwölftontechnik, die Schönberg erstmals in den Klavierstücken Opus 23 und 25, der Serenade Opus 24 und dem Bläserquintett Opus 26 verwendete. Sie ermöglicht als satztechnische Grundlage die erneute Hinwendung zu größeren Formzusammenhängen und zeigt vielfach die Tendenz zur Auseinandersetzung mit traditionellen Bildungen (Suite, Sonate, Variation). Die vierte (amerikanische) Schaffensphase umfasst weitere, teils modifizierte Zwölftonkompositionen, teils Rückgriffe auf das tonale Idiom (z. B. »Kol nidre« Opus 39, nach jüdischer Liturgie), teils tiefsinnige, religiös geprägte Spätwerke (Psalmkompositionen der letzten Zeit).
 
Schönberg, der seine stilistische Entwicklung stets als folgerichtige Weiterführung der abendländischen, insbesondere österreichischen Musiktradition verstand, hat mit seinen Kompositionen und theoretischen Schriften die Kunstmusik des 20. Jahrhunderts entscheidend geprägt. Als Kompositionslehrer hat er mehrere Generationen bedeutender Musiker und Komponisten geformt und beeinflusst. Die von ihm geschaffene Zwölftontechnik wurde seit den 50er-Jahren Ausgangspunkt serieller Kompositionsverfahren (serielle Musik).
 
1998 wurde in Wien das A. Schönberg Center eröffnet, das der Archivierung und Forschung des musikalischen Nachlasses von Schönberg dient und das bildnerische Werk des Komponisten aufbewahrt.
 
Werke: Opern: Erwartung Opus 17 (Monodram; 1909, Uraufführung 1924); Die glückliche Hand Opus 18 (1908-13, Uraufführung 1924); Von heute auf morgen Opus 32 (1928/29, Uraufführung 1930); Moses und Aron (1930-32, unvollendet, Uraufführung konzertant 1954, szenisch 1957).
 
Chorwerke: Gurrelieder (für Soli, Chor und Orchester; 1900-1911); Die Jakobsleiter (Oratorium; 1917-22, unvollendet); Drei Satiren Opus 28 (für gemischten Chor; 1925); Psalm »De profundis« Opus 50 B (1950); Moderner Psalm Opus 50 C (1950).
 
Melodramen: Pierrot lunaire Opus 21 (1912); Kol nidre Opus 39 (1938); Ode an Napoleon Opus 41 (1942); Ein Überlebender aus Warschau Opus 46 (1947).
 
Orchesterwerke: sinfonische Dichtung »Pelleas und Melisande« Opus 5 (1903); 1. Kammersinfonie für 15 Soloinstrumente Opus 9 (1906; Bearbeitung für Orchester Opus 9 B, 1935); 5 Orchesterstücke Opus 16 (1909, revidiert 1949); Variationen für Orchester Opus 31 (1928); Begleitmusik zu einer Lichtspielszene Opus 34 (1930); Violinkonzert Opus 36 (1936); 2. Kammersinfonie Opus 38 (1906-39); Klavierkonzert Opus 42 (1942).
 
Kammermusik: Streichsextett »Verklärte Nacht« Opus 4 (1899; Bearbeitung für Streichorchester 1917 und 1943); »Serenade« für 7 Instrumente und Bariton Opus 24 (1920-23); Bläserquintett Opus 26 (1923/24); Suite für 7 Instrumente Opus 29 (1926); 5 Streichquartette, D-Dur (1897), Nummer 1 d-Moll Opus 7 (1905), Nummer 2 fis-Moll Opus 10 (1907/08, mit Solosopran im 3. und 4. Satz), Nummer 3 Opus 30 (1927), Nummer 4 Opus 34 (1936); Streichtrio Opus 45 (1946).
 
Klaviermusik: Drei kleine Klavierstücke Opus 11 (1909); Sechs kleine Klavierstücke Opus 19 (1911); 5 Klavierstücke Opus 23 (1920-23); Suite Opus 25 (1921-23); Klavierstücke Opus 33 A und 33 B (1928 und 1931).
 
Lieder: Opus 1; Opus 2; Opus 3; Opus 6; Opus 8; Opus 14; 15 Gedichte aus »Das Buch der hängenden Gärten« von S. George, Opus 15 (1908/09); Herzgewächse Opus 20 (für hohen Sopran, Harfe, Celesta und Harmonium; 1911); 4 Orchesterlieder Opus 22 (1913-16).
 
Schriften: Harmonielehre (1911); Models for beginners in composition (1942; deutsch Modelle für Anfänger im Kompositionsunterricht); Style and idea (1950; deutsch Gesammelte Schriften, Band 1: Stil und Gedanke).
 
Ausgaben: Sämtliche Werke, herausgegeben von J. Rufer u. a., auf zahlreiche Bände berechnet (1966 ff.); Gesammelte Schriften, herausgegeben von I. Vojtěch, auf mehrere Bände berechnet (1976 ff.).
 
Literatur:
 
C. Dahlhaus: A. S. Variationen für Orchester op. 31 (1968);
 G. Krieger: S.s Werke für Klavier (1968);
 R. Brinkmann: A. S. Drei Klavierstücke op. 11, Studien zur frühen Atonalität bei S. (1969);
 J. Rufer: Das Werk A. S.s (Neuausg. 1971);
 J. Maegaard: Studien zur Entwicklung des dodekaphonen Satzes bei A. S., 3 Bde. (1972);
 
Herausforderung S. Was die Musik des Jh. veränderte, hg. v. U. Dibelius (1974);
 W. Reich: A. S. oder der konservative Revolutionär (Neuausg. 1974);
 H. H. Stuckenschmidt: S. (1974);
 C. Möllers: Reihentechnik u. musikal. Gestalt bei A. S. (1977);
 C. Dahlhaus: S. u. andere. Ges. Aufs. zur Neuen Musik (1978);
 M. Pfisterer: Studien zur Kompositionstechnik in den frühen atonalen Werken von A. S. (1978);
 U. Thieme: Studien zum Jugendwerk A. S.s (1979);
 
A. S., hg. v. H.-K. Metzger u. a. (1980);
 T. W. Adorno: Philosophie der neuen Musik (Neuausg. 1983);
 A. Jakobik: A. S., die verräumlichte Zeit (1983);
 M. Mäckelmann: A. S. u. das Judentum (1984);
 T. W. Adorno: A. S., in: T. W. Adorno: Prismen (31987);
 
A. S. - Das bildner. Werk 1874-1951, hg. v. T. Zaunschirm, Ausst.-Kat. (Klagenfurt 1991);
 B. von Thülen: A. S. Eine Kunstanschauung der Moderne (1996);
 
The Arnold Schoenberg companion, hg. v. W. B. Bailey (Westport, Conn., 1998).

Universal-Lexikon. 2012.