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Luzern
Lu|zẹrn:
Schweizer Kanton u. Stadt.

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Luzẹrn,
 
1) Stadt am Ausfluss der Reuss aus dem Vierwaldstätter See, Schweiz, 436 m über dem Meeresspiegel, 57 200 Einwohner (davon 12 100 Ausländer); in der städtischen Agglomeration, die elf Gemeinden umfasst, 180 400 Einwohner; Hauptort des Kantons Luzern und des Bezirks Luzern, daher v. a. Verwaltungs- und Kulturzentrum mit Höherer Wirtschafts- und Verwaltungsschule, Kunstmuseum (Kunsthalle 1990 eröffnet), Historisches (im alten Zeughaus), Natur-, Gletschergarten- und Verkehrsmuseum (»Verkehrshaus der Schweiz«) mit Planetarium und Hans-Erni-Haus, Richard-Wagner-Museum mit Musikinstrumentensammlung (in Tribschen), Picasso-Sammlung Donation Rosengart und Schweizerisches Trachten- und Heimatmuseum mit Jodlerarchiv (in Utenberg); bedeutender Fremdenverkehrs- und Kongressort mit internationalen Musikfestwochen; Ausgangsort der Schifffahrt auf dem Vierwaldstätter See. Die Industrie umfasst v. a. Apparatebau, Textilindustrie und grafisches Gewerbe. Zum Stadtgebiet gehört auch der Steilabfall des Bürgenstocks zum Vierwaldstätter See.
 
Stadtbild:
 
Gut erhaltenes historisches Stadtbild; in der Altstadt, nach Norden von der Befestigung (um 1400) mit zahlreichen Türmen begrenzt (der 1994 bei einem Brand zerstörte Schirmerturm wurde bis 1995 wieder hergestellt), das Rathaus (1602-04) im oberitalienischen Renaissancestil; ehemaliges Ursulinenkloster Maria Hilf (1676-81); zahlreiche Bürgerhäuser (seit dem 16. Jahrhundert), besonders Haus zur Gilgen; daneben die Peterskapelle, älteste Kirche der Stadt (im Kern 12. Jahrhundert, zahlreiche Umbauten). Östlich der Altstadt der »Hof« mit Chorherrenhäusern und Hofkirche Sankt Leodegar und Mauritius (auf Vorgängerbau 1633-39) im Stil der deutschen Spätrenaissance mit spätgotischen Westtürmen und reicher Ausstattung. Zur Neustadt am linken Reussufer führen u. a. zwei gedeckte Holzbrücken: Kapellbrücke (um 1300, später wiederholt erneuert; nach Brand von 1993 rekonstruiert bis 1994, daneben der Wasserturm (um 1300) und Spreuerbrücke (erwähnt 1300-10, um 1408 und im 16. Jahrhundert erneuert) mit Totentanzzyklus (1626-35); in der Neustadt gotische Franziskanerkirche (um 1280 vollendet) mit barocker Ausstattung (17.-18. Jahrhundert); Ritterscher Palast, das ehemalige Jesuitenkolleg (1556-61 und 1573/74) mit Arkadenhof, im Hof gotischer Weinmarktbrunnen (1481). Die Jesuitenkirche Sankt Franz Xaver (1666-69, Turmaufsätze 1893) ist die erste große Barockkirche der Schweiz. Die erste Betonkirche der Innerschweiz ist die katholische Sankt Karlikirche (1932-34). Nördlich der Altstadt das Denkmal des »Sterbenden Löwen« (1820/21) nach Entwurf von B. Thorvaldsen. Am Löwenplatz befindet sich in einem eigens dafür erstellten Gebäude (Erweiterungsbau bis 1999 geplant) das Bourbaki-Panorama. Zu den bemerkenswerten Bauten gehört auch das Wohnhochhaus Schönbühl (1965-67) von A. Aalto. Der französische Architekt J. Nouvel entwarf das neue Kultur- und Kongresszentrum (1995-2000 erbaut), dem das alte Kunst- und Kongresshaus (1930-33) weichen musste.
 
Geschichte:
 
Im Anschluss an ein vermutlich im frühen 8. Jahrhundert gegründetes Kloster Sankt Leodegar im »Hof« (840 ersterwähnt) wuchs die Ortschaft, die 1178 durch den Abt von Murbach Stadtrecht erhielt (1210 als Stadt genannt; 1252 »geschworener Brief« zur teilweisen kommunalen Selbstverwaltung); 1274 erlangte sie den besonderen Schutz des Heiligen Römischen Reichs. Wegen der nahen Pässe (u. a. Sankt Gotthard) erwarb König Rudolf I. von Habsburg 1291 die Stadt durch Kauf. Am 13. 11. 1332 verbündete sich Luzern mit den Waldstätten Uri, Schwyz und Unterwalden und löste sich damit aus habsburgischer Herrschaft. Mit der Schlacht bei Sempach (9. 7. 1386 bewahrte Luzern die Unabhängigkeit, die von König Siegmund 1415 formell bestätigt wurde. Zugleich erlangte Luzern in der Folge ein größeres Herrschaftsgebiet, den Großteil des späteren Kantons. Im 16. Jahrhundert wurde Luzern Vorort der katholischen Innerschweiz (u. a. Kappelerkriege 1529-31). Während der Helvetischen Republik (1798-1803) war Luzern 1798-99 deren Hauptstadt, 1803 wurde es Hauptstadt des selbstständigen Kantons. Nach 1815 (Bundesvertrag) einer der eidgenössischen Vororte, führte Luzern 1819-20 und 1825/26 die Bundesgeschäfte. Im Sonderbundkrieg (1847) war die katholische Stadt von eidgenössischen Truppen besetzt. Nach 1830 wurden Fremdenverkehr und Tourismus prägend für die Stadtentwicklung.
 
Literatur:
 
A. P. von Segesser: Rechtsgesch. der Stadt u. Rep. L., 4 Bde. (Luzern 1851-58, Neudr. 1974);
 
L. 1178-1978. Beiträge zur Gesch. der Stadt, bearb. v. H. Wicki u. a. (ebd. 1978);
 
L., Beitr. v. A. Gerth u. a. (1994).
 
 2) Kanton in der Zentral- und Nordwestschweiz, 1 493 km2, (1999) 345 400 Einwohner; über 90 % sind deutsch-, 4 % italienisch-sprachig; der Ausländeranteil beträgt 14,9 %.; Hauptstadt ist Luzern. Der Kanton umfasst im Norden mehrere nach Norden orientierte breite Flusstäler (v. a. Wiggertal, Suhretal mit Sempacher See, Rontal mit Baldegger See) und grenzt im Westen an den Vierwaldstätter See (einschließlich des Südteils des Rigi); den Südosten nimmt das Entlebuch ein, das im Westen vom Napf (1 408 m über dem Meeresspiegel) begrenzt wird und im Süden über die Schrattenfluh (2 092 m über dem Meeresspiegel) bis zur Kette des Brienzer Rothorns (2 350 m über dem Meeresspiegel) reicht. Überwiegend sind dies Landschaften in der Molasse des Schweizer Mittellandes, nur der äußerste Süden und Westen (Rigi) hat Anteil an der Kreide- und Flyschzone der Voralpen (Helvetiden).
 
Recht:
 
Nach der Verfassung vom 29. 1. 1875 (mehrfach geändert) liegt die Gesetzgebung beim Volk und dem von ihm gewählten Großen Rat. Verfassungsänderungen unterstehen dem obligatorischen Referendum, Gesetze dem fakultativen. Eine Initiative zur Änderung der Verfassung bedarf 5 000, eine Gesetzesinitiative 4 000 Unterschriften. Der Große Rat besteht aus 170 Mitgliedern (eine Reduzierung auf 100 Mitgliedern bis 1999 ist geplant) und wird alle vier Jahre nach dem Proporzwahlrecht gewählt. Stimm- und wahlberechtigt ist jeder Bürger, der das 18. Lebensjahr vollendet hat (Frauenstimmrecht seit 1971). Der Regierungsrat (sieben Mitglieder) wird ebenfalls auf vier Jahre vom Volk gewählt; sein Präsident (Schultheiß) und dessen Stellvertreter (Statthalter) werden - jeweils für eine einjährige Amtsdauer - vom Großen Rat gewählt. Oberste Gerichte sind das Obergericht und das Verwaltungsgericht.
 
Bevölkerung:
 
Es besteht neunjährige Schulpflicht; sechsjährige Primarschule, dreijährige Orientierungsstufe (als Sekundar-, Real- oder Werkschule), im Anschluss Möglichkeit zum Übertritt ins vierjährige Gymnasium, in die Diplommittelschule, die Handelsdiplomschule, die Verkehrsschule oder Berufslehre in Verbindung mit Berufs- beziehungsweise Berufsmittelschule; sechsjähriges Gymnasium (bei Eintritt nach dem 6. Schuljahr), Lehrerseminar (nach der 9. Klasse) und Lehrerfortbildung. In der Stadt Luzern Hochschule (mit geisteswissenschaftlicher und theologischer Fakultät). Zentralschweizerisches Technikum (HTL), Abendtechnikum, Höhere Wirtschafts- und Verwaltungsschule (HWV), erzieherische, soziale, pflegerische und hauswirtschaftliche Schulen, Schule für Gestaltung, Konservatorium und Akademie für Schul- und Kirchenmusik, theologische Fakultät mit philosophischem und katechetischem Institut; die Stadt ist Sitz der Zentralschweizerischen Beratungsstelle für Schulfragen (ZBS), der Schweizerischen Zentralstelle für die Weiterbildung der Mittelschullehrer (WBZ) und der Schweizerischen Zentralstelle für Heilpädagogik (SZH).
 
Wirtschaft:
 
Der Kanton wird durch den Gegensatz zwischen dem städtischen Ballungsgebiet (mit Industriegebieten) um die Hauptstadt, das außer Luzern Emmen, Littau, Kriens, Horw und zehn weitere Gemeinden umfasst und in dem auf 12 % der Kantonfläche 52 % der Bevölkerung wohnen, und dem übrigen Kantongebiet geprägt, in dem Landwirtschaft und - in vielen Orten - kleinere Gewerbebetriebe dominieren. Insgesamt arbeiten (1991) 7,6 % der Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft, 38,5 % im industriellen Sektor und 53,9 % im Dienstleistungsbereich. Mit einem Volkseinkommen je Einwohner von (1995) 39 375 sfr liegt Luzern an 17. Stelle unter den 26 Kantonen (Schweiz: 45 276 sfr). Agrarisch genutzt werden rd. 900 km2; Feldfutterbau überwiegt. Der nur an günstigen Stellen betriebene Obst- und Weinbau (Rebfläche 14 ha) umfasst eine Fläche von rd. 200 ha. Einen Schwerpunkt der Landwirtschaft bildet die Schweinezucht (23 % der schweizerischen Produktion). Rd. 400 km2 der Kantonsfläche sind von Wald bedeckt. Bedeutendste Industriebranchen sind Maschinen- und Fahrzeugbau, Elektrotechnik, Textil-, Nahrungsmittel- und Papierindustrie sowie Holzverarbeitung. Größter Industriestandort ist die Stadt Luzern mit ihren Vororten. Weitere Standorte sind Sursee, Willisau, Hochdorf und das untere Wiggertal. 1981 wurden Erdgasbohrungen im Entlebuch fündig; seit 1985 wird Erdgas gefördert. Die Vorräte werden auf mindestens 100 Mio. m3 geschätzt. Von besonderer Bedeutung für Luzern ist der Fremdenverkehr um den Vierwaldstätter See mit Weggis, Vitznau, Rigi, Kaltbad, Pilatus und Bürgenstock. Sörenberg (Gemeinde Flühli) am Fuß des Brienzer Rothorns ist Wintersportzentrum. 1995 wurden im Kanton Luzern 680 500 Gäste gezählt.
 
Geschichte:
 
Der heutige Kanton Luzern entstand 1803 aus dem Herrschaftsgebiet der Stadt Luzern. In der Restaurationszeit (1814-30) übernahm das alteingesessene städtische Patriziat erneut die Macht und verschaffte der Stadt ein Übergewicht innerhalb des Kantons. Nach Unruhen 1830/31 wurde eine liberale Verfassung durchgesetzt (30. 1. 1831, die aber durch eine konservative Verfassungsrevision abgelöst wurde (31. 1. 1841). Die konfessionell katholisch geprägte Politik (1841-47) wurde - nach zwei misslungenen Umsturzversuchen durch liberale Freischarenzüge (Dezember 1844 und 31. 3./1. 4. 1845) - im Sonderbundkrieg (1847) beendet. Die Verfassung von 1875 führte die direkte Demokratie ein (u. a. Direktwahl des »Großen Rats« und des »Regierungsrats«, Legislatur: vier Jahre).
 
Literatur:
 
Gesch. des Kt. L., hg. v. W. Schnyder u. a., 4 Bde. (Luzern 1932-90);
 H. Wicki: Bev. u. Wirtschaft des Kt. L. im 18. Jh. (ebd. 1979);
 Anne-Marie Dubler: Gesch. der Luzerner Wirtschaft (ebd.1983);
 P. Hafner: Staat u. Kirche im Kanton L. (Freiburg 1991).
 
 3) Bezirk (Amt) im Kanton Luzern, Schweiz, 260 km2, 156 800 Einwohner, umfasst das Luzerner Gebiet mit 19 Gemeinden um den Vierwaldstätter See; Hauptort ist Luzern.
 

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Lu|zẹrn: Stadt u. Kanton in der Schweiz.

Universal-Lexikon. 2012.