Stre|se|mann, der; -s [nach dem dt. Politiker G. Stresemann (1878–1929)]:
Gesellschaftsanzug, der aus einem dunklen, einfarbigen, ein- od. zweireihigen Sakko, grauer Weste u. schwarz u. grau gestreifter Hose ohne Umschlag besteht.
* * *
I Stresemann
Stresemann,
Gustav, Politiker, * Berlin 10. 5. 1878, ✝ ebenda 3. 10. 1929; Nationalökonom, 1902-18 Syndikus des Verbandes sächsischer Industrieller, politisch zunächst dem Nationalsozialen Verein F. Naumanns nahe stehend, schloss sich später der Nationalliberalen Partei und dem Alldeutschen Verband an. 1907-12, 1914-18 und 1920-29 war er Mitglied des Reichstags, 1919-20 Mitglied der Nationalversammlung. Als Politiker entwickelte er eine starke, kämpferisch bestimmte Beredsamkeit.
Im Reichstag arbeitete Stresemann eng mit E. Bassermann zusammen und trat dort 1917 dessen Nachfolge als Fraktionsvorsitzender der Nationalliberalen an. Den Ersten Weltkrieg betrachtete er als Kampf des Deutschen Reiches um machtpolitische Gleichberechtigung. Bei der Formulierung der Kriegsziele trat er als entschiedener Verfechter eines »Siegfriedens« (im Gegensatz zu einem »Verständigungsfrieden«) und weitgehender Annexionen zugunsten des Deutschen Reiches hervor. Er befürwortete seit Januar 1917 den »uneingeschränkten« U-Boot-Krieg. Im Juli 1917 lehnte er die Friedensresolution des Reichstags ab. In der Innenpolitik trat Stresemann als entschiedener Gegner des Reichskanzlers T. von Bethmann Hollweg hervor, an dessen Sturz er - in Verbindung mit der OHL unter General E. Ludendorff - wesentlichen Anteil hatte. Als Stabilisierungsfaktor und damit als Voraussetzung einer deutschen Weltmachtstellung forderte er Verfassungsreformen (besonders die Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts in Preußen) und die Weiterentwicklung der staatlichen Sozialpolitik; vor diesem Hintergrund wünschte er zugleich die Einbeziehung der SPD in die Staatsführung.
Nach der Novemberrevolution 1918 beteiligte er sich an der Neuformierung des politischen Lebens der (späteren) »Weimarer Republik«. Im Dezember 1918 rief er zur Gründung der Deutschen Volkspartei (DVP) auf, die er als Vorsitzender (1918-29) aus ihrer anfänglichen Ablehnung der Weimarer Republik in die Verantwortung für diesen Staat führte. Als Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses des Reichstages kam er in Kontakt mit Persönlichkeiten des diplomatischen Korps (besonders mit dem britischen Botschafter E. V. Lord d'Abernon). Unter dem Eindruck dieser Erfahrungen bemühte er sich um eine realistische Analyse der Möglichkeiten der Außenpolitik.
Am 13. 8. 1923 wurde Stresemann Reichskanzler und Reichsaußenminister einer Regierung der »großen Koalition« (DVP, SPD, Zentrum, DDP). Mit dem Abbruch (26. 9. 1923 des passiven Widerstandes (seit dem 11. 1. 1923) gegen die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen und die Einführung der Rentenmark am 15. 11. 1923 legte seine Regierung die Grundlagen für die Gesundung der Reichsfinanzen sowie - außenpolitisch - für eine Politik des Verhandelns mit den Siegermächten des Ersten Weltkrieges. Im Konflikt mit Bayern und Sachsen konnte Stresemann die Einheit des Deutschen Reiches wahren. Die auf das Recht des Reichspräsidenten gestützte »Reichsexekution« (Artikel 48, 1 der Weimarer Verfassung) gegen die sozialdemokratisch-kommunistische Regierung in Sachsen (29. 10. 1923 führte am 2. 11. 1923 zum Rücktritt der SPD-Minister aus der Reichsregierung und zum Sturz der Regierung Stresemann am 22. 11. 1923.
Den folgenden Reichsregierungen gehörte Stresemann als Außenminister (bis zu seinem Tod) an. Im Rahmen einer Verständigung mit Frankreich, verbunden mit dem Aufbau eines kollektiven Sicherheitssystems in Europa, strebte er eine Revision des Versailler Vertrags und - in ihrer Konsequenz - die Wiederherstellung der deutschen Großmachtposition an. Er suchte dabei, die angloamerikanischen Wirtschaftsinteressen in Deutschland und das britische Interesse an einer deutschen Westoption politisch nutzbar zu machen. Während er die deutsch-französische und deutsch-belgische Grenze anerkannte, hielt Stresemann die Revision der deutschen Ostgrenze offen. Bei den Verhandlungen mit der französischen Regierung entwickelte sich ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Stresemann und dem französischen Außenminister A. Briand. Innerhalb des europäischen Mächtesystems nach dem Ersten Weltkrieg betrieb Stresemann eine Politik der Balance; er wollte v. a. eine britisch-französische und französisch-russische Verständigung - wie vor dem Ersten Weltkrieg - verhindern. Der Abschluss des Dawesplanes (1924), die Locarnoverträge (1925), die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund (1926), der Berliner Vertrag (1926) und die Vorbereitung des Youngplanes auf der 1. Haager Konferenz (August 1929) waren die Höhepunkte der Außenpolitik Stresemanns. Durch die Widerstände, die Briand in Frankreich und Stresemann in Deutschland fanden, geriet der deutsch-französische Verständigungsprozess ins Stocken. - 1926 erhielten beide Politiker den Friedensnobelpreis.
Ausgaben: Vermächtnis. Der Nachlaß, herausgegeben von H. Bernhard, 3 Bände (1932-33); Reichstagsreden, herausgegeben von G. Zwoch (1972); Schriften, herausgegeben von A. Harttung (1976).
Von Bassermann zu S. Die Sitzungen des nationalliberalen Zentralvorstandes 1912-1917, bearb. v. K.-P. Reiss (1967);
M. Walsdorff: Bibliogr. G. S. (1972);
Akten der Reichskanzlei. Weimarer Rep.: Die Kabinette S. I u. II, hg. v. K. D. Erdmann, 2 Bde. (1978);
B. Schot: S., der dt. Osten u. der Völkerbund (1984);
H. Weiler: Die Reichsexekution gegen den Freistaat Sachsen unter Reichskanzler Dr. S. im Okt. 1923 (1987);
K. Koszyk: G. S. Der kaisertreue Demokrat (1989);
* * *
Stre|se|mann, der; -s [nach dem dt. Politiker G. Stresemann (1878-1929)]: Gesellschaftsanzug, der aus einem dunklen, einfarbigen, ein- od. zweireihigen Sakko, grauer Weste u. schwarz u. grau gestreifter Hose ohne Umschlag besteht: Eine Brillantnadel blitzte auf dem Samtkleid meiner Mutter, mein Vater trug den S. (B. Vesper, Reise 442).
Universal-Lexikon. 2012.