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Unternehmenskonzentration
Un|ter|neh|mens|kon|zen|t|ra|ti|on, die:
Konzentration (1) von [kleineren] Unternehmen in wenigen großen Unternehmen (2).

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Unternehmenskonzentration,
 
im weiteren Sinn die Ballung von Marktanteilen und Verfügungsmacht über Produktionsmittel bei Unternehmen durch überproportionales Wachstum eines Unternehmens (Unternehmenskonzentration durch internes Unternehmenswachstum) oder durch Unternehmenszusammenschlüsse (Unternehmenskonzentration durch externes Unternehmenswachstum). Unternehmenskonzentration durch internes Wachstum beruht in der Regel auf überlegenen Leistungen im Wettbewerb; bei offenen Märkten ohne Marktzutrittsschranken kommt es dabei kaum zu einer dauerhaften Monopolstellung oder zu einem engen Oligopol mit aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen. Weitaus häufiger und wettbewerbspolitisch bedeutsamer ist Unternehmenskonzentration durch externes Wachstum (Unternehmenskonzentration im engeren Sinn). Der Begriff Unternehmenszusammenschluss v. a. durch Unternehmensübernahmen beschränkt sich dabei nicht auf die rechtliche Vereinigung von Unternehmen, sondern bezieht auch Formen ein, durch die bisher selbstständige Unternehmen unter einer einheitlichen wirtschaftlichen Leitung zusammengefasst werden. Hierzu zählen v. a. die Bildung eines Konzerns durch teilweisen oder vollständigen Erwerb von Verfügungsrechten (Beteiligung), womit in der Regel auch personelle Verflechtungen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand der beteiligten Unternehmen verbunden sind, sowie die rechtliche Verschmelzung von Unternehmen zu einem neuen Unternehmen. Auch die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen durch in anderen Geschäftsbereichen konkurrierende und selbstständig bleibende Unternehmen, Kartelle, strategische Allianzen und Interessengemeinschaften wird in einem weiten Sinn als Unternehmenskonzentrationsformen bezeichnet.
 
Unternehmenskonzentrationen lassen sich nach verschiedenen Kriterien klassifizieren: Nach der Verbindung zwischen den betroffenen Märkten wird unterschieden zwischen horizontaler Unternehmenskonzentration, bei der die beteiligten Unternehmen der gleichen Produktionsstufe angehören, vertikaler Unternehmenskonzentration, bei der sich Unternehmen aus vor- oder nachgelagerten Produktionsstufen verbinden, und konglomerater Unternehmenskonzentration, bei der die beteiligten Unternehmen auf verschiedenen Märkten agieren. Nach der Herkunft der Beteiligten wird unterschieden zwischen internationaler (multinationale Unternehmen), nationaler und regionaler Unternehmenskonzentration. Unter dem Aspekt der quantitativen Auswirkungen auf die Marktstruktur wird unterschieden zwischen absoluter Unternehmenskonzentration, bei der sich der Gesamtbetrag des Branchenumsatzes auf wenige Unternehmen verteilt, und relativer Unternehmenskonzentration, bei der zwar viele Unternehmen am Markt agieren, jedoch eine ungleichmäßige Verteilung des Branchenumsatzes vorliegt.
 
 Ursachen und Wirkungen
 
Von den beteiligten Unternehmen wird Unternehmenskonzentration häufig mit der Möglichkeit zur Rationalisierung und Kosteneinsparung durch Vergrößerung der Produktionskapazitäten und Annäherung an die optimale Betriebsgröße begründet. Solche Größenvorteile liegen z. B. vor, wenn die Stückkosten mit steigender Ausbringungsmenge sinken (Fixkostendegression, Skalenerträge). Meist handelt es sich dabei um Betriebe, die aus technischen Gründen hohe Investitionen erfordern oder hohe Kapazitäten vorhalten müssen (z. B. Stahlwerk, Energieversorgungsunternehmen). Die Kapazitäten von Großunternehmen in den hoch konzentrierten Wirtschaftszweigen liegen allerdings häufig über der Schwelle, von der an weitere Kostenvorteile durch Erweiterung zu erzielen sind; andere Motive für Unternehmenskonzentration sind hier gewichtiger. Auch sind Produktivitäts- und Kostenvorteile nur zu erwarten, wenn sich nicht gleichzeitig die Wettbewerbsintensität vermindert. Reduziert die Unternehmenskonzentration den Wettbewerbsdruck, fehlt der Zwang zur Anpassung sowohl im produktionstechnischen Bereich (z. B. verlangsamte Prozess- und Produktinnovationen) als auch in der Preispolitik (z. B. Produktivitätsfortschritte und Kosteneinsparungen werden nicht in Preissenkungen an die Abnehmer weitergegeben).
 
Ein weiteres Motiv für Unternehmenskonzentration ist die Diversifizierung, die u. a. einen Risikoausgleich durch die Verringerung der Abhängigkeit von einer begrenzten Produktpalette ermöglicht. Ein Unternehmen mit einem breiten Produktionsprogramm erscheint eher in der Lage, Misserfolge auf einigen Märkten auszugleichen, ohne in eine Krise zu geraten. Auch lassen sich bei einer Diversifizierungsstrategie (konglomerate Unternehmenskonzentration) durch Zusammenfügung bestimmter betrieblicher Teilbereiche (z. B. Forschung und Entwicklung, Beschaffung und Absatz) und Straffung des Managements Verbundvorteile (Synergieeffekte) erzielen, die zu Kosteneinsparungen führen. Allerdings sind auch Verbundnachteile nicht ausgeschlossen (z. B. Bürokratisierung, Managementfehler, unzureichende Anpassungsfähigkeit an Marktentwicklungen).
 
Für Großunternehmen bestehen Finanzierungsvorteile, weil sie in der Regel leichter und günstiger Kredite erhalten als kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Außerdem können finanzkräftige Großunternehmen eher risikoreiche und kostenintensive Investitionen realisieren und besser auf den Weltmärkten agieren. Oft wird Unternehmenskonzentration auch durch staatliches Handeln begünstigt. So kritisiert z. B. die Monopolkommission, dass die Einführung der Verpackungs-VO vom 12. 6. 1991 zu nachhaltigen Konzentrationstendenzen im Entsorgungssektor geführt hat. In Schwierigkeiten geratene Großunternehmen werden auch eher durch Subventionen gestützt als KMU. Forschungs- und Technologieförderung bevorzugt oft größere Unternehmen oder macht sogar Unternehmenszusammenschlüsse zur Voraussetzung für die Projektförderung. Auch steuerrechtliche Regelungen sind nicht immer konzentrationsneutral. Zudem wird Unternehmenskonzentration durch verschiedene Formen des Protektionismus begünstigt: Importbeschränkungen verhindern z. B. den Markteintritt ausländischer Konkurrenten; Exportförderung bevorzugt nicht selten Großunternehmen.
 
Unternehmenskonzentration ist ein in der Marktwirtschaft legitimes und betriebswirtschaftlich häufig vorteilhaftes Instrument zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Durch Unternehmenskonzentration erzielte Kostenvorteile können gesamtwirtschaftlich als Produktivitätsfortschritte durchaus positiv bewertet werden. Andererseits führt Unternehmenskonzentration auch zur Beschränkung des Wettbewerbs mit Folgen wie überhöhte Preise, erlahmende Innovationstätigkeit, verringerte Anpassungsfähigkeit an veränderte Marktbedingungen. Unternehmenskonzentration kann zur Bildung marktbeherrschender Unternehmen mit entsprechender Machtposition auf Beschaffungs- und Absatzmärkten führen, was bis zur Ausbeutung von Lieferanten (z. B. im Einzelhandel oder bei Zulieferern von Industriekonzernen) reichen kann. Unternehmenskonzentration hat eine Verringerung der Dezentralisierung wirtschaftlicher Entscheidungen, ein Wesensmerkmal von Marktwirtschaften, zur Folge. Die Marktmacht von Großunternehmen kann die leistungsorientierte primäre Einkommensverteilung verzerren. Bei fehlender oder unzureichender Wettbewerbsintensität wird wirtschaftliche Macht von Großunternehmen weder wirksam begrenzt noch kontrolliert, wobei die Gefahr besteht, dass wirtschaftliche Macht als politische Macht missbraucht werden kann (These vom Monopolkapitalismus). Unternehmenskonzentration führt zu einer Verminderung der Zahl und der Chancen von selbstständigen Unternehmern, beschleunigt eine Entwicklung zu von Topmanagern und Großbanken beherrschten, von den Eigentümern nur unzureichend kontrollierten Großunternehmen und Unternehmensverbindungen, die allein aufgrund ihrer Größe (Umsatz, Arbeitsplätze) politische Bedeutung und Einfluss haben, wettbewerbspolitisch aber - zumal bei multinationalen Unternehmen - nur schwer zu kontrollieren sind.
 
 Messung und Entwicklung
 
In Deutschland beobachten Bundeskartellamt und Monopolkommission Stand und Entwicklung der Unternehmenskonzentration. Probleme ergeben sich dabei schon bei der Frage nach dem geeigneten Indikator (für Industrieunternehmen meist der Umsatz, bei Banken die Bilanzsumme; andere Indikatoren sind z. B. Beschäftigtenzahl und Gewinn). Verschiedene Konzentrationsmaße können nur auf Basis der amtlichen Statistik (die Angebotskonzentration nach Gütergruppen und Warenklassen, die Unternehmenskonzentration nach Wirtschaftsbereichen) berechnet werden. Solche Daten lassen z. B. Diversifizierungen und Kapitalverflechtungen über die Grenzen der Wirtschaftszweige hinaus nicht erkennen. Dies versucht die Monopolkommission mithilfe einer Analyse der Konzentration der nach der Wertschöpfung 100 größten deutschen Unternehmen zu leisten (aggregierte Unternehmenskonzentration). Für wettbewerbspolitische Zwecke sind Gütergruppen zu grob; eigentlich müsste der jeweils relevante Markt sachlich und räumlich abgegrenzt werden. Auf die nationale Ebene bezogene Zahlen müssen differenziert werden, um das Ausmaß regionaler oder lokaler Marktbeherrschung (z. B. durch Energieversorgungs- und Bauunternehmen oder durch Zeitungsverlage im Zusammenhang mit der Medienkonzentration) sachgerecht beurteilen zu können. Abgrenzungen des relevanten Marktes und diagonale Unternehmenskonzentration sind schwierige Probleme, mit denen sich v. a. das Bundeskartellamt auseinander setzt. Konzentrationsmessungen auf nationalen Märkten verlieren zudem angesichts des Europäischen Binnenmarkts, fortschreitender Globalisierung und weltweiter Handelsverflechtungen in außenhandelsintensiven Wirtschaftsbereichen (z. B. Luft- und Raumfahrt-, Automobil-, Pharmaindustrie) an Aussagekraft.
 
So sind Zahlen zur absoluten Größe von Konzernen zwar eindrucksvoll und werden jährlich zu nationalen wie internationalen Ranglisten zusammengestellt, zur Beurteilung der Unternehmenskonzentration sind sie aber wenig aussagefähig. Zur Messung der absoluten Unternehmenskonzentration verwendet die Monopolkommission die Konzentrationsrate (Concentration-Ratio, Abkürzung CR) und den Hirshman-Herfindahl-Index. Die Konzentrationsrate misst den Anteil der größten Unternehmen am Gesamtumsatz eines Marktes oder eines Wirtschaftszweiges. Nehmen diese Anteile zu, steigt auch der Konzentrationsgrad. Ein Nachteil dieser Methode ist, dass Größenunterschiede zwischen den einzelnen Unternehmen nicht deutlich werden. Um dieses Problem zu überwinden, erfasst der Hirshman-Herfindahl-Index alle Unternehmen einer Gütergruppe oder eines Wirtschaftszweiges und gewichtet die größeren gegenüber den kleineren Unternehmen stärker. Der Index ist als Summe der quadrierten Anteilswerte aller Unternehmen definiert. Auch hier spiegelt ein großer Indexwert einen hohen Konzentrationsgrad wider: Gibt es im Extremfall nur ein Unternehmen, so erreicht er einen Wert von 1; ist die Anzahl der Unternehmen dagegen sehr groß, und sind die einzelnen Anteile gleichmäßig verteilt, so konvergiert er gegen null. Um die Verteilung der Umsätze auf unterschiedlichen Unternehmensgrößenklassen und deren Veränderung zu erfassen (relative Unternehmenskonzentration), errechnet die Monopolkommission den Variationskoeffizienten (Verhältnis der Standardabweichung der Merkmalswerte zu ihrem arithmetischen Mittel). Die relative Unternehmenskonzentration kann durch die Lorenz-Kurve grafisch veranschaulicht werden.
 
In Deutschland verlaufen die Konzentrationsprozesse innerhalb der Wirtschaftszweige sehr unterschiedlich. Der Anteil der fünfzig größten Industrieunternehmen am Umsatz aller Industrieunternehmen hat sich von (1994) 27,6 % auf (1996) 29,4 % erhöht. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der zehn größten Handelsunternehmen am Umsatz aller Handelsunternehmen von 7,1 % auf 8,3 %. Die Bilanzsumme der zehn größten Kreditinstitute erhöhte sich zwischen 1994 und 1996 um 29,2 %, während die Bilanzsumme aller Kreditinstitute im gleichen Zeitraum nur um 22,1 % anstieg. Demgegenüber sind die Beitragseinnahmen der zehn größten Versicherungsunternehmen zwischen 1994 und 1996 nur um 2,4 % angestiegen, während die Beitragseinnahmen aller Versicherungen um 8,2 % zunahmen. Insgesamt betrachtet, ging der Anteil der 100 größten Unternehmen an der Wertschöpfung aller Unternehmen von (1994) 19,6 % auf (1996) 17,8 % zurück.
 
Aufgrund der von der Monopolkommission veröffentlichten Daten lassen sich oftmals keine eindeutigen Aussagen über Stand und Prozess der Unternehmenskonzentration formulieren. Gleichwohl bleiben vorbeugende Kontrolle wettbewerbsgefährdender Unternehmenszusammenschlüsse (Fusionskontrolle) und Missbrauchsaufsicht über bestehende Formen der Unternehmenskonzentration wichtige Elemente einer Wettbewerbspolitik, die die Schaffung und Sicherung eines funktionsfähigen Wettbewerbs zum Ziel hat.
 
Literatur:
 
Tätigkeitsbericht, hg. vom Bundeskartellamt (1959 ff.);
 
Hauptgutachten der Monopolkommission (1976 ff.);
 M. Haubrock: Konzentration u. Wettbewerbspolitik (1994);
 U. Taenzer: Wettbewerb u. Konzentration (1994);
 S. Paprottka: Unternehmenszusammenschlüsse. Synergiepotentiale u. ihre Umsetzungsmöglichkeiten durch Integration (1996);
 E.-M. Reißmann: Großunternehmen, Konzentration u. Kartelle (1996);
 Ingo Schmidt: Wettbewerbspolitik u. Kartellrecht (51996);
 Ingo Schmidt: u. S. Binder: Wettbewerbspolitik im internat. Vergleich (1996).

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Un|ter|neh|mens|kon|zen|tra|ti|on, die: Konzentration (1) von [kleineren] Unternehmen in wenigen großen ↑Unternehmen (2).

Universal-Lexikon. 2012.