Fugger
Nach Anfängen in Italien entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch in Deutschland eine neue, hauptsächlich vom städtischen Bürgertum getragene Wirtschaftsform, der Frühkapitalismus. Die bedeutendste und politisch einflussreichste deutsche Unternehmerfamilie an der Wende zur Neuzeit waren die Fugger, die innerhalb der Augsburger Weberzunft zu Geld und Ansehen gelangten, aber erst durch Metallhandel und Bankgeschäfte und vor allem durch ihre Geschäftsverbindungen mit den Habsburgern und sogar mit dem Papst zur Weltgeltung aufstiegen.
Während der Linie »Fugger vom Reh« (benannt nach ihrem Wappentier) eine große Anleihe an Erzherzog Maximilian, den späteren Kaiser, zum geschäftlichen Verhängnis wurde, wusste die Linie »Fugger von der Lilie« ihre Beziehungen geschickter zu nutzen. Zum eigentlichen kaiserlichen Bankier wurde Jakob II. mit dem Beinamen »der Reiche«, der, 1459 geboren und als jüngster Sohn Jakobs des Älteren ursprünglich zur geistlichen Laufbahn bestimmt, 1485 die Leitung der Fuggerschen Faktorei in Innsbruck übernahm. Er gewährte Erzherzog Sigmund, dem Grafen von Tirol, umfangreiche Kredite, sicherte sich dafür aber das Recht zur Ausbeutung der Kupfer- und Silberbergwerke des Landes und ließ es sich von Maximilian, dem er 1490 zur Nachfolge des bankrotten Sigmund verholfen hatte, bestätigen. Für Maximilian I., infolge seiner zahlreichen Unternehmungen selbst ständig in Geldnöten, wurde die »Gesellschaft Ulrich Fugger und Gebrüder von Augsburg« unter Jakobs Leitung als Geldgeber immer unentbehrlicher. Von ihrer Zahlungsbereitschaft hingen Erfolg oder Scheitern diplomatischer und militärischer Aktionen ebenso ab wie der Erwerb von Amt und Würden. Für die römische Kurie organisierte die Gesellschaft die Finanzierung des Pfründen- und Gebührenwesens und finanzierte den Ablasshandel vor, was allerdings zu ungeahnten Verwicklungen führte. Mehrmals mischte sich Jakob Fugger bei Papstwahlen ein, wie er auch 1519 die Kaiserwahl Karls V. mit über 850 000 Dukaten Bestechungsgeldern finanzierte. Während seiner ganzen Regierungszeit blieb der Kaiser von der Finanzkraft des Hauses Fugger abhängig, während diesem - nach Jakobs Tod 1525 unter der Leitung seines Neffen Anton - die Autorität und der politische Erfolg des Herrschers Sicherheit für die gewährten Darlehen und neue wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten boten. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts jedoch geriet das Unternehmen, vor allem durch hohe Verluste bei mehreren spanischen Staatsbankrotten, an den Rand des Ruins, und die Familie zog sich aus der Hochfinanz auf ihre Güter und Herrschaften zurück.
Fụgger,
schwäbische Geschlecht, seit 1367 in Augsburg ansässig. Jakob I. (✝ 1469) ist der Stammvater der noch bestehenden Linie Fugger von der Lilie und Gründer des fuggerschen Handelshauses. Seine Söhne Ulrich (* 1441, ✝ 1510), Georg (* 1453, ✝ 1506) und Jakob II., der Reiche, schufen die Weltstellung und das Vermögen des Hauses. Jakob II. (seit 1514 Reichsgraf) erschloss mit Beteiligungen am Erzbergbau sowie Finanzgeschäften, die die Fugger zu den führenden Bankiers ihrer Zeit machten, weitere Erwerbsquellen. Ihm folgten seine Neffen Raimund (* 1489, ✝ 1535) und Anton, 1530 ebenfalls in den Reichsgrafenstand erhoben. Wie Jakob II. unterstützten sie den Kaiser, mussten jedoch durch die Zerrüttung der spanischen Finanzen schwere Verluste hinnehmen. Sie begründeten die noch bestehenden Hauptlinien Fugger von Kirchberg und Weißenhorn sowie Fugger von Glött (1913 bayerischer Fürstenstand); die Linie Fugger von Babenhausen wurde 1803 reichsfürstlich. Die Fugger errichteten bedeutende Bauten und waren Kunstmäzene und Sammler. Daneben fühlten sie sich zu Wohltätigkeits- und Andachtsstiftungen verpflichtet; 1519 entstand in Augsburg die noch heute bestehende Fuggerei als Siedlung für unverschuldet in Not geratene Bürger.
N. Lieb: Die F. u. die Kunst, 2 Bde. (1952-58);
G. Freiherr von Pölnitz: Die F. (51990).
Bedeutende Vertreter:
1) Anton Reichsgraf (seit 1530), Handelsherr, * Augsburg 10. 6. 1493, ✝ ebenda 14. 9. 1560, Vater von 3). Von seinem Onkel Jakob II., dem Reichen, testamentarisch als Leiter des Familienunternehmens bestimmt, befolgte er seit 1525 die von diesem eingeschlagene Geschäftspolitik. So unterstützte er die Bewerbung Ferdinands (I.) um die böhmische und ungarische Königskrone (1526). Er tat sich als Finanzier von Kaiser Karl V. hervor, der ihn dafür 1530 in den Reichsgrafenstand erhob, und gewährte auch Philipp II. von Spanien 1556/57 Kredite. Mit kaiserlicher Hilfe konnten die Fugger ihren Handel zeitweilig bis nach Zentral- und Südamerika ausdehnen. Auf Ausgleich der Konfessionen bedacht, gelang ihm der Versuch, sich seit 1548/49 mehr und mehr von den Habsburgern zu lösen, nur teilweise. Zwar stellte er sich 1552 angesichts der deutschen Fürstenverschwörung gegen Karl V. auf dessen Seite und wendete durch seine Subsidien die völlige Niederlage des Kaisers ab, doch zog sich Fugger immer mehr aus dem Großhandel und dem in den Vordergrund getretenen Finanzierungsgeschäft zurück. Er stellte die grundherrliche Existenz in den Vordergrund (u. a. Erwerb von Babenhausen, Glött, Kirchheim) und hinterließ so neben einem beträchtlichen Barvermögen (6 Millionen Goldkronen) einen zielbewusst vermehrten Landbesitz.
2) Jakob II., der Reiche, Reichsgraf (seit 1514), Handelsherr und Bankier, * Augsburg 6. 3. 1459, ✝ ebenda 30. 12. 1525, Onkel von 1); errichtete ein Kupfermonopol in Europa, indem er die Mehrzahl der Kupferbergwerke in Spanien, Tirol, Kärnten und Ungarn erwarb. Schon vorher hatte er sich seit 1485 als Leiter der Innsbrucker Faktorei seines Hauses in den Silberabsatz Tirols und in das Finanzwesen dieses Landes eingeschaltet; er war es auch, der Erzherzog Maximilian (dem späteren Kaiser) zum Besitz Tirols verhalf (1490). Sein großes Kupfermonopol beutete er, besonders in Ungarn, gemeinsam mit dem Krakauer Kaufmann und Ingenieur Johann Thurzo dem Älteren (* 1437, ✝ 1508) aus. Er beteiligte sich bereits 1505 am ostindischen Gewürzhandel. Als Bankier der Päpste, der römischen Kurie sowie der Kaiser Maximilian I. und Karl V. war er auch am Ablasshandel von 1517 finanziell beteiligt. Er finanzierte u. a. 1519 die Wahl Karls I. von Spanien zum Römischen König (Karl V.). Durch ihn wurden die Fugger das größte europäische Bankhaus der Zeit; er schuf 1519 die »Fuggerei«.
3) Johann (Hans), Reichsgraf, Handelsherr und Kunstsammler, * Augsburg 4. 9. 1531, ✝ ebenda 15. 4. 1598, Sohn von 1); widmete sich bevorzugt seiner Bilder- und Antikensammlung, die er über die Firmenfaktoreien zur Ausgestaltung seiner Schlösser Kirchheim und Stettenfels bezog.
4) Johann Jakob, Reichsgraf, Handelsherr und Mäzen, * Augsburg 23. 12. 1516, ✝ München 14. 7. 1575, Bruder von 5); vermochte das von seinem Onkel Anton übernommene Unternehmen nur unvollkommen zu leiten. Infolge der hohen spanischen Staatsschulden sowie eigener kaufmännischer Unzulänglichkeit brachte er die fuggersche Firma an den Rand des Zusammenbruchs; 1564 trat er nach seinem Ausscheiden in den Dienst von Herzog Albrecht V. von Bayern. Er war ein bedeutender Mäzen (u. a. von Orlando di Lasso); seine Bibliothek (berühmte Handschriftensammlung) bildete, 1571 an Albrecht verkauft, den Grundstock der heutigen Bayerischen Staatsbibliothek.
5) Markus, Reichsgraf, Handelsherr, * 14. 2. 1529, ✝ Augsburg 18. 6. 1597, Bruder von 4); leitete seit 1564 die Familienunternehmen, besserte deren Ertragslage, konnte aber die spanischen Staatsschulden (1577: rd. 5,8 Mio. Rheinische Gulden) nicht eintreiben. 1591 zog er sich ins Privatleben zurück und widmete sich v. a. der byzantinischen Geschichtsschreibung; er war auch ein bedeutender Pferdezüchter.
Universal-Lexikon. 2012.