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Harry Potter
Harry Potter
 
Harry Potter ist der jugendliche Protagonist einer auf sieben Teile (und sieben Jahre) angelegten Kinderbuchreihe der englischen Autorin Joanne K. Rowling. Die heute 36-Jährige entwickelte ihren Stoff um einen Waisenjungen, der zum Zauberer ausgebildet wird, über fünf Jahre hinweg und war in dieser Zeit teilweise auf Sozialhilfe angewiesen. 1997 erschien der erste Band »Harry Potter und der Stein der Weisen«, der innerhalb kurzer Zeit wichtige Buchpreise erhielt, in viele Sprachen übersetzt wurde und nicht nur einen richtiggehenden »Kult« - bei Kindern wie Erwachsenen - auslöste, sondern gemeinsam mit den jährlich nachfolgenden Bänden die Autorin zu einer der erfolgreichsten Schriftstellerinnen aller Zeiten machte. Seinen jüngsten Höhepunkt erreichte das Harry-Potter-Fieber hierzulande im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des vierten Bandes »Harry Potter und der Feuerkelch« im Herbst 2000. Wie im Juli des Jahres die englische Originalfassung, so startete auch die deutsche Übersetzung am 14. Oktober mit einer - nie zuvor da gewesenen - Auflage von einer Million Exemplaren.
 
 Joanne K. Rowlings mühsamer Weg
 
Joanne K. Rowling (geboren am 31. Juli 1965 in Chipping Sodbury bei Bristol) verbrachte ihre Kindheit als ältere von zwei Töchtern des Rolls-Royce-Managers Peter und seiner Frau Anne im Südwesten Englands und im ländlichen Wales. Joanne, die ursprünglich keinen zweiten Vornamen hatte und das »K.« erst aus Publicitygründen von ihrem Verlag erhalten sollte, war ein eher introvertiertes Kind, interessierte sich von frühester Jugend an für Literatur und schrieb sechsjährig ihre erste eigene Geschichte. Nach dem Schulabschluss studierte sie Französisch und Altphilologie an der Exeter University und verbrachte während dieser Zeit ein Jahr als Englischlehrerin in Paris. 1987 ging sie dann nach London, wo sie eine Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin machte und begann, für Amnesty International zu arbeiten. Ihre eigentliche (und heimliche) Ambition war jedoch schon damals, Schriftstellerin zu werden, und in ihrer Freizeit arbeitete sie an einem Roman »für Erwachsene«, der allerdings genauso wenig veröffentlicht wurde wie alles andere, was Joanne seit ihrer Kindheit verfasst hatte. Rowlings damaliger Freund lebte in Manchester, weshalb sie oft von London aus mit dem Zug nach Norden fuhr. Auf der Heimreise nach einem dieser Ausflüge passierte es dann 1990, dass ihr die Figur des Harry Potter - wie sie erzählt - richtiggehend »erschien«, und sie begann, aufgeregt wie nie zuvor, in Gedanken seine Geschichte auszuarbeiten. Als der Zug im Londoner Bahnhof King's Cross einfuhr, hatte sie nicht nur die wichtigsten Figuren und Erzählstränge entwickelt, ihr war auch bereits klar, dass sie Harrys Geschicke in sieben Bänden erzählen wollte. Das Schlusskapitel des siebten Bandes ist mittlerweile geschrieben und lagert sicher verwahrt in einem Banksafe. Doch vorerst übersiedelte sie nach Manchester, arbeitete kurzzeitig bei der Handelskammer und nahm dann eine Tätigkeit an der Universität auf. Nach dem Tod ihrer Mutter verließ sie 1991 England und ging nach Porto in Portugal, wo sie wieder Englischunterricht gab und an ihrer Geschichte des Jungen mit den Zauberkräften weiterarbeitete. Sie heiratete einen portugiesischen Journalisten und brachte 1993, kurz vor ihrem 28. Geburtstag, die gemeinsame Tochter Jessica zur Welt, die sie nach ihrem Idol, der Autorin und Schriftstellerin Jessica Mitford (1917-1996) benannte. Nachdem die Ehe gescheitert war, kehrte Rowling mit ihrer Tochter 1993 in die Heimat zurück, genauer gesagt ins schottische Edinburgh, wo ihre Schwester mittlerweile lebte. Allein erziehend und von dem Wunsch besessen, ihr erstes Buch endlich »für sich« fertig zu stellen, lebte Rowling von Sozialhilfe und schrieb, um Heizkosten zu sparen, im Nicolson's Café ihres Schwagers »Harry Potter and the philosopher's stone« zu Ende.
 
1995 war es dann so weit, dass sie eigenhändig getippte Fassungen des Manuskripts an Verlage und Literaturagenten verschicken konnte. Nach anfänglichen Ablehnungen (hauptsächlich aufgrund der Länge) schaffte es dann 1996 der Agent Christopher Little, das »Kinderbuch« beim Verlag Bloomsbury unterzubringen.
 
 Der rasante Aufstieg
 
Im Juni 1997 erschien schließlich »Harry Potter and the philosopher's stone« (dt. »Harry Potter und der Stein der Weisen«). Das Buch verkaufte sich zunächst »überraschend gut« (Rowling), und nachdem sich im Herbst des Jahres der amerikanische Verlag Scholastic die US-Rechte für Aufsehen erregende 105 000 Dollar gesichert hatte und der erste »Harry Potter«-Band mit dem Smarties Book Prize, einem der international wichtigsten Kinderbuchpreise, ausgezeichnet worden war, richtete sich das öffentliche Interesse immer mehr auf den kleinen Zauberer und seine Erfinderin. Als im Juli 1998 der zweite Band »Harry Potter and the chamber of secrets« (dt. »Harry Potter und die Kammer des Schreckens«) erschien, kletterte er sofort an die Spitze der Belletristik-Bestsellerlisten (der Erwachsenen), und als ein Jahr später der dritte Band »Harry Potter and the prisoner of Azkaban« (dt. »Harry Potter und der Gefangene von Askaban«) folgte, belegten Rowling-Bücher gar die ersten drei Plätze. Nachdem Warner Brothers bereits 1998 die Merchandising-Rechte für »Harry Potter« gekauft hatte, sicherte sich der Konzern 1999 auch die Filmrechte für die ersten beiden Bände, was genau wie die immensen Verkäufe der mittlerweile in 42 Sprachen übersetzten Bücher (Mai 2001: 100 Millionen Exemplare) dazu beitrug, dass die medienscheue Joanne K. Rowling nun eine der reichsten Frauen Großbritanniens war (geschätztes Vermögen: 50 Millionen DM). Der vierte Band »Harry Potter and the goblet of fire« wurde im Juli 2000 mit einer - bislang noch nie da gewesenen - Startauflage von einer Million Exemplaren veröffentlicht, und auch die hierzulande sehnlich erwartete deutsche Übersetzung »Harry Potter und der Feuerkelch« startete am 14. Oktober 2000 in eben dieser Höhe. Nachdem der Internetbuchversand Amazon.de schon vier Wochen vor dem Veröffentlichungstermin den vierten Band als meistbestelltes Buch verzeichnet hatte (gefolgt von den ersten drei Bänden auf Deutsch und Englisch und sogar dem noch unveröffentlichten fünften Band), wurde an diesem Tag - wie der zuständige Carlsen Verlag mitteilte - über die Hälfte der Auflage verkauft.
 
 Harry Potter und seine Welt
 
Harry Potter ist ein Waisenjunge, der sich rein äußerlich von anderen Kindern kaum unterscheidet: Er hat strubbelige Haare und trägt eine Brille. Nur die blitzförmige Narbe auf seiner Stirn ist auffallend. Diese stammt von dem bösen Lord Voldemort, der auch Harrys Eltern umgebracht hat. So muss der Junge bei seinen grässlichen Verwandten leben, bis er an seinem elften Geburtstag erfährt, dass seine Mutter eine bedeutende Hexe und sein Vater ein großer Zauberer war und er selbst über magische Kräfte verfügt. Er wird in die Hogwarts-Schule für Zauberei und Hexerei eingeladen, um dort eine siebenjährige Ausbildung zu absolvieren. Die sieben Bücher beschreiben nacheinander je ein Schuljahr und Harry wird dementsprechend jeweils ein Jahr älter. Am 1. September beginnt das erste Schuljahr, in dessen Verlauf Harry sich neben der Zauberei mit Quidditch beschäftigt, einer in der Luft auf Besen ausgetragenen Cricketvariante. Seine besten Freunde werden Ron Weasley (den Rowling nach einem Jugendfreund gestaltet), Hermine Granger (die Züge der Autorin trägt) und Hagrid, der riesenhafte Wildhüter von Hogwarts. Harry muss gegen böse magische Gewalten kämpfen und allerhand Abenteuer bestehen - auch der Umgang mit den Muggles, den nicht magischen Menschen, die nichts mit Zauberei am Hut haben, bietet Konfliktstoff. Im zweiten Jahr ereignen sich grauenvolle Dinge in Hogwarts: Die »Kammer des Schreckens« ist geöffnet worden, doch Harry wird von Fabelwesen gerettet. Im dritten Jahr ist Harrys Leben in Gefahr, weil ein gefürchteter Magier aus dem Gefängnis Askaban geflohen und auf dem Weg nach Hogwarts ist. Im vierten Jahr, das im jüngst erschienenen Band behandelt wird, findet der Quidditch-Worldcup statt. Doch der böse Lord Voldemort kehrt zurück, und es gibt Tote.
 
 Das Geheimnis des Erfolgs
 
Über den unglaublichen Erfolg der »Harry Potter«-Bücher - auch bei Erwachsenen - ist viel gerätselt worden. Die Autorin selbst erklärt die Beliebtheit der Figur mit der »Mischung aus Normalität und Magie, mit der sich viele Menschen identifizieren können. Harry ist ein ganz normaler Typ. Weder besonders klug, schön oder stark. So fühlen sich viele, und vielleicht träumen sie alle davon, einmal, so wie Harry an seinem elften Geburtstag, eine Einladung zur Zauberschule zu bekommen« (Interview in: kultur-Spiegel, 4/2000). Wichtig für den Erfolg ist mit Sicherheit die märchenhafte Anlage des Kinderabenteuers, das ganz normale Probleme wie Schule und Familie thematisiert, aber eben mit fantastischen, aus Krimis und Gruselgeschichten vertrauten Elementen und Motiven versehen ist (Zauberei, böse Mächte, Heldentaten). Nicht nur der stets zu Streichen aufgelegte Harry, auch die klare Gegenüberstellung von Gut und Böse sowie von Kinder- und Erwachsenenwelt bietet ein großes Identifikationspotenzial für junge ebenso wie für ältere Leser. Sehr geschickt ist auch die Komponente der Zeit in den sieben Romanen eingesetzt: Die Handlung umfasst die sieben Jahre der Ausbildung, in denen Harry mit dem Leser - und umgekehrt - wächst und älter wird. Über den Inhalt der Bücher hinaus dürfte auch die Publicity um die ursprüngliche Armut der Autorin ebenso wie der Medienrummel um wachsende Verkaufszahlen zum Erfolg beigetragen haben, ganz abgesehen von dem aufwendigen Merchandising, das wiederum von der cleveren Einfachheit von Harrys besonderen - und damit imitierbaren - Merkmalen profitiert: Brille, blitzförmige Narbe, Umhang, Zauberstab und Besen.
 
 Harry Potter im Internet
 
Den vielleicht größten Beitrag zum Erfolg von Harry Potter lieferte das breitenwirksame Medium Internet. Hier gibt es nicht nur die professionellen Webseiten der Verlage oder Vertriebe, sondern auch Webseiten von Hobbybetreibern, die zum Großteil sogar minderjährig sind. Die Suchmaschine Fireball.de listet über 22 500 deutsche Webseiten auf, weltweit nennt Altavista.com über 470 000 (de.altavista.com über 40 000 Webseiten), Google.de 788 000. Die äußerst leichte und schnelle Kommunikationsmöglichkeit, die sowohl das Wahrnehmen von Angeboten als auch Eigeninitiative zulässt, ist als der entscheidende Faktor bei der Gewinnung und Multiplikation der Fans einzuschätzen - viel stärker als durch »traditionelle« Mittel wie Mundpropaganda oder Werbung ist es hier gegeben, ein Massenphänomen bzw. einen Kult zu etablieren. Davon profitierte auch der deutsche Carlsen Verlag, der ursprünglich illegale Vorabübersetzungen des vierten Bandes im Internet unterbinden wollte, sich dann aber eines Besseren besonnen hat und das Amateurunternehmen unterstützte. Unter der Adresse harry-auf-deutsch.de kann man auch die nächsten Bände vor dem Erscheinungstermin einsehen.
 
 Harry Potter im Kino
 
Der Medienkonzern Warner Brothers kaufte 1999 die Filmrechte für die ersten beiden »Harry Potter«-Bände und akzeptierte für die filmische Adaption des Stoffes Rowlings Bedingungen - sie bestand auf einem Mitspracherecht bei der Drehbucherstellung und darauf, dass das Projekt als Spielfilm und nicht als Zeichentrickfilm konzipiert wird. Als Regisseur war zunächst Steven Spielberg im Gespräch, doch letztendlich erhielt der Hollywoodregisseur Chris Columbus den Auftrag. Obgleich sich die Produktionsfirma mit der Preisgabe von Informationen zurückhielt - man fürchtete Massenaufläufe an den Drehorten -, wurde doch so viel bekannt: Ab Ende September 2000 wurde gedreht, Schauplätze waren unter anderem der Londoner Bahnhof King's Cross, von dessen Gleis 93/4 der Zaubererzug losfährt, sowie die Kathedrale von Gloucester, die als Kulisse des Zaubererinternats Hogwarts dient. Harry Potter wird von dem elfjährigen Daniel Radcliffe gespielt, der unter 40 000 Bewerbern ausgesucht wurde, seine Partner sind Rupert Grint (Ron Weasley), Emma Watson (Hermine Granger) und etliche bekanntere Schauspieler, darunter Robbie Coltrane (Rubeus Hagrid). Die Weltpremiere des ersten Films »Harry Potter und der Stein der Weisen« - es wird analog zu den Büchern voraussichtlich mehrere geben - fand am 4. November 2001 in London statt. Die Tickets wurden z. B. im Internet für umgerechnet bis zu 16 000 Mark gehandelt. Die Verfilmung wurde vom Publikum bejubelt und die Autorin sagte anlässlich der Premiere in London: »Chris Columbus, der Regisseur, hatte mir zwei Versprechen gegeben: dass die Besetzung rein britisch sein würde und dass er der Buchvorlage so treu bleiben würde, wie es ein Film eben zulässt. Er hat beide Versprechen gehalten.« Für den Film sind nach der Premiere in Großbritannien mittlerweile eine halbe Million Karten reserviert worden. Nach Erwartungen von Branchenkennern könnte die etwa 300 Millionen Mark (gut 150 Millionen Euro) teure Filmproduktion bis zu zwei Milliarden Mark einspielen. In Deutschland kam der erste Film am 22. November 2001 in die Kinos. Die Dreharbeiten zum zweiten Teil »Harry Potter und die Kammer des Schreckens« haben bereits begonnen, weil die US-Firma Warner Brothers unter Zeitdruck steht, denn ihre jugendlichen Darsteller dürfen nicht schneller erwachsen werden als Harry Potter und seine Klassenkameraden.
 
 Schon jetzt ein Kinderbuchklassiker
 
Inzwischen werden Joanne K. Rowling und ihre Romane um Harry Potter in die Tradition der großen englischen Kinderbuchklassiker wie Lewis Carroll (»Alice im Wunderland«), A. A. Milne (»Pu, der Bär«), Kenneth Grahame (»Wind in den Weiden«) und Edith Nesbit (»Die Schatzsucher«) gestellt.

Universal-Lexikon. 2012.