Ma|ya
I 〈m. 6 oder m.; -, -〉 Angehöriger eines indian. Kulturvolkes der vorkolumb. Zeit in Mexiko u. im nördl. Südamerika
II 〈n.; -; unz.〉 Sprache der Maya
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1Ma|ya , der; -[s], -[s]:
Angehöriger eines indianischen Kulturvolkes in Mittelamerika.
2Ma|ya, die; -, -[s]:
Angehörige eines indianischen Kulturvolkes in Mittelamerika.
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I Maya
[Sanskrit »Illusion«, »Täuschung«], Religionsgeschichte und Philosophie: Begriff in der Philosophie des indischen Advaita-Vedanta, nach dessen illusionistischem Monismus nur das all-eine Brahman im eigentlichen Sinn existiert, während die vergängliche empirische Vielheit durch Maya, die schöpferische Kraft Brahmans, bedingt ist, die somit Brahman einerseits offenbart, andererseits aber verbirgt. Maya wird mit Vidya (Erkenntnis) und Avidya (Unwissenheit) zusammen gedacht. - Im Buddhismus bezeichnet Maya die sich ständig verändernde Welt der Erscheinungen, im Gegensatz zum unwandelbaren Absoluten, der eigentliche Wirklichkeit.
Maya,
indianische Völker- und Sprachfamilie im südlichen Mesoamerika, in Süd- und Nordostmexiko, Guatemala, Honduras und Belize, mit mehr als 2 Mio. Sprechern. Nach räumlich-kulturellen Kriterien unterscheidet man zwischen den in Streusiedlungen lebenden Waldlandbauern des tropischen Tieflandes (Maya im engeren Sinn oder Yucateken, in den mexikanischen Staaten Yucatán, Quintana Roo und Campeche, etwa 715 000; ferner Lakandonen, Chorti u. a.) und den stärker kolonialspanisch geprägten Dorfgemeinschaften des kühlgemäßigten Hochlandes (Quiché, Cakchiquel, Tzutuhil). Der politischen Ämterhierarchie und den Kultbruderschaften der Höhenregion steht im Tiefland eine Organisationsform in Verwandtschaftsgruppen gegenüber, dem intensiven Brandrodungsbau (Mais, Kürbis, Bohnen) der Bergmaya die extensive Gartenkultur der Waldbewohner. Der indianische Katholizismus ist von Elementen der traditionellen Religion durchsetzt. Alte Götter erscheinen im Gewand christlicher Heiliger, das Wirken der Menschen wird von Geistmächten bestimmt. Orakel- und Aussaatkalender sowie die schamanistischen Rituale der Krankenheilung sind noch anzutreffen.
Sozialrebellionen (z. B. »guerra de castas« von 1847) und messianische Heilsbewegungen (wie der Tzotzil-Aufstand 1867-70) gehören ebenso zur neueren Geschichte der Maya wie der blutige Konflikt zwischen indianischen Kleinbauern und dem Militärregime während des Bürgerkriegs in Guatemala und der Aufstand der Zapatisten im mexikanischen Chiapas. Mitte des 19. Jahrhunderts gründeten aufständische Maya (»Macehuales«) in Yucatán und Quintana Roo freie Kleinstaaten, in denen traditionelle Formen indianischen Zusammenlebens als »konkrete Utopie« wieder erstanden; sie konnten sich teilweise bis 1915 gegen die mexikanische Armee behaupten. Im Übrigen sind die Maya schon lange in die Entwicklungen ihrer jeweiligen Staaten eingebunden.
Die vorkolumbische Mayakultur
Über die Geschiche und Kultur der Maya vor der Conquista geben nicht nur archäologische Quellen Auskunft. Aus der Zeit der spanischen Eroberung und der Kolonialzeit sind Quellen überliefert, die zwar in lateinischer Schrift aufgezeichnet sind, deren Inhalte aber auf vorspanische Mayatraditionen zurückgehen. Dazu gehört z. B. das »Popol Vuh« der Quichémaya. In vorkolumbischer Zeit waren die Maya Träger einer hoch entwickelten Kultur, deren Blütezeit um 300 n. Chr. begann und die mit der spanischen Eroberung endete. In dieser Zeit ist eine räumliche Verschiebung der kulturellen Hochblüte von Süden nach Norden festzustellen (die Aufgabe der Zentren im Süden bedeutete das Ende der klassischen Mayakultur), deren Ursachen noch nicht eindeutig geklärt werden konnten (Kriege, Epidemien, Natur- oder Umweltkatastrophen).
Älteste Zeugnisse der Mayakultur sind Keramiken aus der Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. (Nord-Belize). Für die Zeit um 650 v. Chr. sind im gesamten Kulturgebiet Hunderte von Siedlungen nachzuweisen. Wichtigste Zentren dieser vorklassischen Periode (bis 300 n. Chr.) waren Izapa und Kaminaljuyú im Hochland, in klassischer Zeit (300-900) Tikal, El Mirador, Palenque, Yaxchilán, Copán, Piedras Negras, Quiriguá und Uaxactún im südlichen Tiefland, in der Nachklassik (900-1540) Chichén Itzá, Uxmal, Mayapán und Tulum im nördlichen Tiefland und Iximché und Zaculeu im Hochland. Diese Städte und Stadtstaaten wurden von Königen oder Statthaltern regiert. Sie und der Klerus entstammten der Adelsschicht (ein Bild vom höfischen Leben geben die polychromen Wandmalereien von Bonampak ). Die Mittelschicht bildeten die Angehörigen der weltlichen und religiösen Verwaltung (Tempeldiener, Wahrsagepriester, Steuereinnehmer u. a.). Basis der Gesellschaft waren als unterste Schicht die die Nahrungsmittel erzeugenden Bauern. Brandrodungsfeldbau war die gebräuchlichste Agrarform für den Anbau von Mais und Bohnen, hinzu kamen verschiedene andere Anbauverfahren (so in Sumpf- und Überschwemmungsgebieten Entwässerung und Schlammdüngung), mit denen Süßkartoffeln, Yucca, Kakao, Avocados, Tomaten u. a. kultiviert wurden.
und Architektur der Maya stellen unter den altamerikanischen Hochkulturen einen Höhepunkt dar. Verschiedene regional begrenzte Stilregionen lassen sich feststellen: im Süden das Hochland von Guatemala, die Südostregion, die Usumacinta-Region, die Westregion, der Petén und im Norden der Puuc-, Chenes- und Río-Bec-Stil. Trotz regionaler Unterschiede drückt sich die Homogenität des Kulturraumes in vielen Merkmalen aus. In der Architektur sind es das »falsche Gewölbe«, die auf den Pyramiden errichteten Tempel (zum Teil mit Dachkämmen), die niedrigen, lang gestreckten Paläste und die Ballspielplätze. Dazu gehört auch die von den Maya entwickelte Hieroglyphenschrift (mesoamerikanische Hochkulturen); sie wurde auf Stelen, Altären, Türstürzen, Wandtafeln und Treppenstufen eingemeißelt.
Die Inschriften dieser Steinmonumente geben Auskunft über die dynastische Geschichte der jeweiligen Städte. In den Texten werden Geburt, Inthronisation, Heirat, geführte Kriege, errungene Titel und Tod der Herrscher angegeben. Diese Informationen sind eingebunden in ein hoch entwickeltes Kalendersystem und werden oft durch bildliche Herrscherdarstellungen ergänzt. Die vier überlieferten Bilderhandschriften der Maya enthalten auch kalendarische, astronomische und astrologische Berechnungen u. a. Auf der Keramik sind in Schrift und Bild Nachrichten über die Unterwelt und die Mythen der Maya festgehalten.
Die Sprachen der Maya sind leicht polysynthetisch (polysynthetische Sprachen) und leicht fusionierend (flektierende Sprachen). Das Verb steht jeweils am Anfang des Satzes. Es werden sowohl Präfixe als auch Suffixe verwendet. Die Mayasprachen gehören zu den Sprachen mit ergativ. Struktur (Ergativ), jedoch ist die Ergativmarkierung nicht durchgängig; unter bestimmten Bedingungen wird sie durch ein Nominativ-Akkusativ-System ersetzt. Morphosyntaktische Differenzierungen der Wortarten Substantiv, Verb und Adjektiv sind gut ausgeprägt; in vielen Mayasprachen besteht eine besondere Klasse von »Positionalen« (so zur Markierung von »sitzen«, »stehen«, »liegen« u. a.).
Ihre zahlreichen Götter teilten die Maya in eine gute und eine schlechte Klasse. Oberster der Götter war wohl Itzamná, der Himmelsgott; in Yucatán hatte der Regengott Chac große Bedeutung. Die Götter konnten auch jeweils in mehreren Gestalten erscheinen. In immer neuen Zusammenstellungen waren sie für die Maya im Zusammenhang mit ihrem Wahrsagekalender von Bedeutung. Die Wahrsagepriester befragten mithilfe von Orakeln den Einfluss der Götter auf das Schicksal des einzelnen Menschen. Die Priester waren auch zuständig für die Beobachtung der Gestirne, für Astrologie sowie für Berechnungen für den Kalender, denn die Beschäftigung mit der Zeit nahm im Denken der Maya eine zentrale Stelle ein.
Die Mathematik der Maya basiert auf einer auf der Zahl 20 (mit besonderen Namen für die Rangschwellen 20, 202 = 400, 203 = 8 000, 204 = 160 000) fußenden Zählreihe (Vigesimalsystem), die für Kalenderrechnungen aufgebaut worden war. Auf diese beziehen sich auch die von Denkmälern und Handschriften her bekannten Rechnungen in einer Bilderschrift, in der eigenartig geformte Köpfe die Rangschwellen symbolisieren, während Punkte und Striche die »Einer« (von 1 bis 19) darstellen.
Dabei tritt in den Handschriften unter Wegfall der Kennzeichnung der Rangschwellen auch ein Zeichen für die Null auf; es liegt also ein Positionssystem mit Nullzeichen vor. Aus astronomischen Gründen (Jahreseinteilung in 18 Monate zu 20 Tagen, zusätzlich fünf Schalttage) sind die Rangschwellen im geschriebenen Zahlsystem 20, 18 · 20, 18 · 202 usw. Die Rechenverfahren sind noch nicht völlig aufgeklärt; sie treten hauptsächlich auf bei der Abstimmung verschiedener astronomischer Perioden und bei der Kalenderrechnung.
K. Helfrich: Menschenopfer u. Tötungsrituale im Kult der M. (1973);
H. Stierlin: Die Kunst der M. (a. d. Frz., 1981);
Chactun - Die Götter der M., hg. v. C. Rätsch (1986);
H. Wilhelmy: Welt u. Umwelt der M. (Neuausg. 1989);
Auf den Spuren der M. Eine Fotodokumentation von Teobert Maler (1842-1917), hg. v. R. Springhorn (Graz 1992);
Die Welt der M. Archäolog. Schätze aus drei Jahrtausenden, hg. v. E. u. A. Eggebrecht, Ausst.-Kat. Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde der Stadt Köln (41994);
B. Riese: Die M. Gesch. - Kultur - Religion (1995).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Maya: Städte und Tempel
Maya: Stelen und Staaten
Maya,
Mutter des Buddha Shakyamuni, nach der Überlieferung ✝ um 560 v. Chr.; in der indischen Mythologie der Glücksgöttin Lakshmi gleichgesetzt und als Lotos symbolisiert. In Reliefs der Gandhara- und Mathurakunst sowie in Amaravati wurde Maya seit dem 2. Jahrhundert in der Empfängnisszene als Liegende und in der Geburtsszene als Stehende dargestellt, die in das Geäst eines Baumes greift, während eine kleine Figur Shakyamunis aus ihrer Taille tritt.
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1Ma|ya: ↑Maja.
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2Ma|ya, der; -[s], -[s]: Angehöriger eines indianischen Kulturvolkes in Mittelamerika.
Universal-Lexikon. 2012.