Neu|en|burg:
Schweizer Kanton u. Stadt.
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Neuenburg,
Name von geographischen Objekten:
1) Neuenburg, amtlich französisch Neuchâtel [nøʃa'tɛl], Hauptstadt des Kantons und des Bezirks Neuenburg, Schweiz, erstreckt sich vom Ufer des Neuenburger Sees (430 m über dem Meeresspiegel) auf die Hänge des Jura, 31 600 Einwohner; Universität (gegründet 1909), Höhere Wirtschafts- und Verwaltungsschule, Konservatorium, Berufsschulzentrum, Schweizerische Drogistenschule, kantonales astronomisches Observatorium, Museum für Kunst und Geschichte (des Kantons Neuenburg), Archäologisches, Ethnographisches sowie Naturhistorisches Museum, Centre Dürrenmatt (ehemaliges Wohnhaus des Schriftstellers mit Dokumentationszentrum und neuem Ausstellungsbau von M. Botta, 2000 eröffnet); Schweizerisches Zentrum für Elektronik und Mikrotechnik (CSEM), Uhren- und Schmuckindustrie, Apparatebau; Verkehrsknotenpunkt.
Schloss (ursprünglich 12. Jahrhundert, Ausbau 15./16. Jahrhundert) und Stiftskirche beherrschen das Stadtbild; die dreischiffige Kirche (begonnen um 1180, geweiht 1276) zeigt den Übergang von Romanik zu Frühgotik; Kreuzgang (15. Jahrhundert). Bedeutende Profanbauten: Maison des Halles (1569-72), ehemals Kornmarkt (Erdgeschoss) und Tuchhalle; Haus Marval (1609); Patrizierhaus Hôtel DuPeyrou (1764-71) in einem französischen Garten; klassizistisches Rathaus (1784-86).
Das um eine Burg entstandene Neuenburg erhielt als Residenz der Grafen von Neuenburg 1214 Stadtrecht. Im Weiteren teilte es das Schicksal von 2).
2) Neuenburg, amtlich französisch Neuchâtel [nøʃa'tɛl], Kanton in der französisch-sprachigen Westschweiz, 803 km2 (davon 86 km2 Anteil am Neuenburger See), (1999) 165 600 Einwohner, Hauptstadt ist Neuenburg. Der deutschsprachige Bevölkerungsanteil beträgt rd. 9 %, 36 800 sind Ausländer; knapp 52 % der Bevölkerung sind Protestanten, 40 % Katholiken. Neuenburg umfasst das Gebiet des Kettenjura zwischen Neuenburger See und schweizerisch-französischer Grenze (im nördlichen Teil durch den Doubs gebildet) und ist daher durch lang gestreckte Bergregionen (Montagnes) und dazwischen liegende Talschaften (u. a. Val de Travers an der Grenze zur Waadt, Val de Ruz nördlich der Stadt Neuenburg, die Hochtäler, etwa 1 000 m über dem Meeresspiegel, von La Brévine und von La Chaux-de-Fonds) gekennzeichnet. Am Chasseral erreicht das Kantonsgebiet 1 552 m über dem Meeresspiegel; höchste Berge sind Le Soliat des Creux-du-Van (1 463 m über dem Meeresspiegel) an der waadtländischen Grenze und der Tête de Ran (1 422 m über dem Meeresspiegel) im Zentrum.
Nach der Verfassung vom 21. 11. 1858 (mit zahlreichen Änderungen) ist der Große Rat (Grand Conseil) mit 115 im Verhältniswahlsystem vom Volk für vier Jahre gewählten Mitgliedern gesetzgebendes Organ. Die vollziehende Gewalt wird durch den fünfköpfigen Staatsrat (Conseil d'État) ausgeübt, der ebenfalls für vier Jahre vom Volk gewählt wird. Den Frauen wurde 1959 das Stimm- und Wahlrecht zugesprochen. Für die Gesetzesinitiative und das (fakultative) Gesetzesreferendum ist die Unterstützung von 6 000 Stimmberechtigten erforderlich. Oberste kantonale Gerichte sind das Kantonsgericht (Tribunal Cantonal) und das Verwaltungsgericht (Tribunal Administratif).
Das Wappen (von 1848) ist zweimal gespalten in Grün, Weiß und Rot (von heraldisch rechts bis links) und vereinigt die Nationalfarben der Schweiz mit der grünen Freiheitsfarbe. Im heraldisch linken Obereck befindet sich ein weißes Kreuz.
Landesnatur:
Klimatisch begünstigt ist nur der Abfall des Juras zum See (Weinland), während in den anderen Gebieten kühlfeuchtes Klima mit reichlichen Niederschlägen vorherrscht; in den Talmulden bilden sich bei winterlichen Hochdrucklagen vielfach Kaltluftseen. In der Vegetation dominieren daher Wälder (etwa 35 % der Landfläche) sowie Wiesen und Weiden (37 %); lediglich 6 % werden als Ackerland genutzt.
Der Kindergartenbesuch ist kostenlos und fakultativ. Der Schuleintritt erfolgt mit sechs Jahren, die Primarstufe dauert fünf Jahre. Daran schließt sich die vierjährige Sekundarstufe I mit Orientierungsjahr (Année d'orientation) und drei Jahren in einer der vier Sektionen (»classique«, »scientifique«, »moderne«, »préprofessionnelle«) an. Die Sekundarstufe II umfasst das Gymnasium (eidgenössische Maturitätstypen A, B, C, D, E sowie die kantonale Maturität G), die höhere Handelsschule, die Vollzeitberufsschule und die Berufslehre. Es gibt kaufmännische und gewerblich-technischen Berufsschulen, Uhrmacherschulen, eine Holz- und Baufachschule, Technikerschulen, Höhere Technische Lehranstalt, Schule für Gestaltung, Lehrerseminar, Höhere Wirtschafts- und Verwaltungs-, Drogisten-, landwirtschaftliche Schule, Universität (Medizin nur propädeutisches Studium) mit Mikrotechnischem Institut. Die Stadt Neuenburg ist Sitz der westschweizerischen Bildungsforschungsstelle (»Institut romand de recherches et de documentation pédagogiques«, IRDP).
Neuenburg wird durch Industrie und den Dienstleistungssektor geprägt, 38,8 % beziehungsweise 57 % der (1993) insgesamt 90 500 Erwerbstätigen sind hier beschäftigt. Mit einem Volkseinkommen je Einwohner von (1995) 39 205 sfr liegt Neuenburg an 19. Stelle unter den 26 Kantonen (Schweiz: 45 276 sfr). Führende Industriezweige sind Metallindustrie, Maschinen- und Apparatebau (11 300 Beschäftigte) sowie die früher dominierende Uhren- und Schmuckindustrie (8 500 Beschäftigte; Zentren sind La Chaux-de-Fonds und Le Locle; die Umstrukturierung ist noch im Gange, Nachfolgeindustrien sind Elektronik und Präzisionsmechanik) und das Baugewerbe einschließlich der Baustoffindustrie (Kalkvorkommen; der Naturasphaltabbau im Val de Travers wurde 1986 eingestellt). Weiterhin wichtig sind die Nahrungs- und Genussmittelindustrie (v. a. Schokoladenfabriken, Tabakverarbeitung), die Holz- sowie die Papierindustrie einschließlich grafischer Gewerbe. Im landwirtschaftlichen Sektor (1993: 3 800 Beschäftigte) ist neben der Almwirtschaft in der Montagne und etwas Ackerbau v. a. der Weinbau am Neuenburger See von Bedeutung (610 ha Rebland, zu 70 % mit Gutedelreben bestanden; rd. 30 000 hl Wein jährlich). Der Tourismus hat keine große Bedeutung; Beliebtheit erlangte aber der Jura als Wintersportgebiet.
Die Grafschaft Neuenburg kam im 9. Jahrhundert zum Königreich Burgund. 1406 ging Neuenburg ein »Ewiges Burgrecht« mit Bern ein. Unter Berner Einfluss wurde um 1530 die Reformation durchgeführt. 1504 waren die gräflichen Rechte an das Haus Orléans-Longueville gelangt. Nach dessen Aussterben (1694) ging die Grafschaft, 1648 zum Fürstentum unter dem Schutz der Eidgenossenschaft erhoben, durch die Wahl (1707) der seit 1648 mitbestimmungsberechtigten Stände an König Friedrich I. in Preußen, dessen Ansprüche als Erbe des Hauses Oranien auch Bern gegen die Anwartschaften französischer Fürsten stützte. 1805 musste Neuenburg an Frankreich abgetreten werden. 1806-13 wurde es von Marschall L. A. Berthier als »Fürst und Herzog von Neuenburg« regiert.
Seit 1814 wieder mit Preußen vereint, erhielt Neuenburg von König Friedrich Wilhelm III. eine Verfassung, die seine Aufnahme am 12. 9. 1814 als 21. Staat in die Eidgenossenschaft ermöglichte. Die vom preußischen König als persönlicher Besitz vorbehaltenen Hoheitsrechte (Neuenburger Frage) wurden am 1. 3. 1848 durch eine bewaffnete Erhebung, mittels derer der Staatsrat zur Abdankung gezwungen wurde, mit einer von der Schweiz gewährleisteten republikanischen Verfassung aufgehoben (seither Kantonsfeiertag). Nach erfolglosen Protesten und Bemühungen um die Wiedererlangung seiner Rechte verzichtete der preußische König am 20. 4. 1857 auf alle Rechte, wobei er den Titel »Fürst von Neuenburg« behielt.
Neuchâtel et la Suisse, hg. v. L. Montandon u. a. (Neuenburg 1969);
3) Neuenburg, amtlich französisch Neuchâtel [nøʃa'tɛl], Bezirk im Kanton Neuenburg, Schweiz, 80 km2 (zuzüglich 32 km2 Anteil am Neuenburger See), 49 800 Einwohner; umfasst den Nordosten des Kantons.
4) Neuenburg am Rhein, Stadt im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, Baden-Württemberg, 230 m über dem Meeresspiegel, auf einem Sporn der Niederterrasse, der in die Rheinaue vorragt, 10 300 Einwohner; Museum für Stadtgeschichte; Kunststoff- und Maschinenfabriken; Straßen- und Eisenbahnübergang nach Frankreich.
Neuenburg wurde zwischen 1170 und 1180 von den Zähringern planmäßig in Kreuzform angelegt; 1219 erhob es Friedrich II. zur Reichsstadt. 1956 wurde das Stadtrecht erneuert.
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Neu|en|burg: Stadt u. Kanton in der Westschweiz.
Universal-Lexikon. 2012.