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Pferderassen
Pferderassen,
 
nach Exterieur (Aussehen, Größe, Gewicht), Temperament, Verwendungszweck und Zuchtgebiet unterschiedlicher Pferdetypen, die nach bestimmten Auswahlkriterien weitergezüchtet werden.
 
Die genetische Variabilität des Wildpferdes war Voraussetzung für die Entstehung der heutigen Rassenvielfalt. Während zunächst nur Umwelt und Klima in den Verbreitungsgebieten, Isolation einzelner Pferdegruppen oder Teilpopulationen sowie Zuchtwahl innerhalb einer Gruppe zur unterschiedlichen Entwicklung der Pferde beitrugen, nahm nach erfolgter Domestikation der Mensch durch Selektion bestimmter Exemplare für die Zucht einen entscheidenden Einfluss auf die Ausprägung einzelner Merkmale und Eigenschaften. Immer wieder mussten einzelne Pferderassen einem wechselnden Zuchtziel angepasst werden. Im deutschsprachigen Raum unterteilt man die Pferderassen grob in Vollblut-, Warmblut- und Kaltblutrassen sowie nach der Größe in Großpferde- und Ponyrassen.
 
 Geschichte
 
Beginn und Ursprung der Domestikation der Wildpferderassen sind wissenschaftlich umstritten, ebenso die Abstammung der Hauspferderassen. Während die polyphyletische Abstammungslehre den Hauspferderassen mehrere Stammformen zugrunde legt, geht die heute bevorzugte monophyletische Abstammungstheorie davon aus, dass in der Jungsteinzeit, als die Wildtiere domestiziert wurden, in Eurasien nur noch das Prschewalskipferd existierte und somit die Stammform aller heute lebenden Pferderassen darstellt.
 
Eine der ältesten und bedeutendsten Pferderassen der Erde ist der Araber. Sein Ursprung ist in Pferdepopulationen des zentralasiatischen Raumes zu suchen, die von den Persern nach Vorder- und Kleinasien gebracht wurden, sich dort ausbreiteten und weiterentwickelten. Früheste Zeugnisse über die dortige Pferdezucht stammen aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. Im frühen Mittelalter entstand das Hauptzuchtgebiet des Arabers im Hochland von Nedjd, dem Stammland der Wahhabiten. Besondere Förderung erfuhr die arabische Pferdezucht durch Mohammed, der die Stellung des Pferdes religiös verankerte und die Reinzucht zum obersten Gebot erhob. Dadurch entstand eines der ersten geschlossenen Zuchtgebiete, in dem im Verlauf von Jahrhunderten ein hochedles, charakterlich einwandfreies, ausdauerndes und v. a. schnelles Pferd entstand. Im 9. Jahrhundert gelangten arabische Pferde über Nordafrika nach Spanien und Frankreich sowie vereinzelt auch nach West- und Mitteleuropa, wobei sie insbesondere die Landeszuchten Nordafrikas (Berber) und Spaniens (Andalusier) stark prägten. Der über viele Generationen hinweg in seinen typischen Merkmalen gefestigte Araber hat dadurch direkt oder indirekt zur Entstehung oder Veredlung nahezu aller Pferderassen weltweit beigetragen. Das ursprüngliche Nedjder Pferd ist heute durch Auswanderung der Beduinen nach Nordarabien in seiner Stammheimat nahezu verschwunden; ein großer Teil der wertvollen Zuchtpferde konnte jedoch im 19. Jahrhundert (unter Pascha Abbas I. Hilmi) nach Ägypten gerettet werden, das dadurch zum wichtigsten Zuchtgebiet der reinrassigen Wüstenaraber wurde. Pferde aus dieser Zucht werden auch als Vollblut-Araber oder Asil-Araber (von asil »reinblütig«) bezeichnet.
 
Möglicherweise noch älter als die Araberzucht ist die der Achal Tekkiner, einer aus dem Gebiet des heutigen Turkmenistan stammenden, edlen, harten und schnellen Pferderasse, die von vielen Hippologen als weitere Vollblutrasse anerkannt wird. Älteste Funde turkmenischer Pferde, die bereits große Ähnlichkeit mit dem existierenden Achal Tekkiner aufweisen, lassen sich auf die Zeit um 1500 v. Chr. datieren.
 
In Europa bildeten sich erst um 300 v. Chr. die ersten Landschläge aus; bei den kleinwüchsigen Pferden der Jungsteinzeit, Bronze- und Eisenzeit waren noch keine Rassenunterschiede erkennbar. Die gallorömischen Pferde des 3. und 4. Jahrhunderts v. Chr. waren größer als ihre Vorgänger und Nachfahren. In den ersten Jahrhunderten n. Chr. finden sich bei den Landschlägen bereits kleinere und größere Formen; während der Zeit der Völkerwanderung entstanden mittelgroße, breitwüchsige »Urkaltblüter«, aus denen später die Ritterpferde des Mittelalters (Stockmaß um 1,60 m) herausgezüchtet wurden.
 
Im 14. Jahrhundert begannen die Engländer mit einer ausschließlich auf Rennleistung ausgerichteten Pferdezucht; zunächst auf der Basis einheimischer keltischer Landschläge, die sie durch Kreuzung mit anderen europäischen Rassen zu verbessern suchten. Eindeutige Erfolge erzielte man schließlich durch Veredlung mit orientalischen Pferderassen (Arabern, Turkmenen, Berbern). Im 18. Jahrhundert erkannte man die züchterische Bedeutung der genetischen Isolation; als Folge wurden keine weiteren Pferde mehr in die Zucht aufgenommen. Die 1791 in das Generalstutbuch eingetragenen Pferde dieser ersten planmäßig geschlossenen Pferdezucht bilden die Grundlage der heute so bedeutenden Rasse des Englischen Vollbluts.
 
Im 18. und 19. Jahrhundert entstanden in Europa Pferderassen auf der Basis vorhandener Landschläge, die v. a. mithilfe des Arabischen und Englischen Vollbluts und der Angloaraber (Kreuzungsprodukte aus Arabischem und Englischem Vollblut) veredelt wurden, das Warmblut. Zuchtziel war ein als Wagen- (Karossier-) und Reitpferd geeignetes Pferd, das sich aber auch in der Landwirtschaft einsetzen ließ. Zu den zuchthistorisch wichtigsten deutschen Warmblutrassen zählen Trakehner, Mecklenburger, Hannoveraner, Holsteiner und Oldenburger. Durch starke Angleichung des Zuchtzieles stehen heute die Warmblutpferde aller deutschen Zuchtgebiete nahezu ausnahmslos im Typ des Deutschen Reitpferdes und gehören zu den für den Pferdesport bedeutendsten Pferderassen weltweit.
 
Literatur:
 
J. Forbis: Das klass. arab. Pferd (a. d. Engl., 1980);
 E. Schiele: Araber in Europa. Gesch. u. Zucht (31982);
 
Dt. Pferdezucht. Gesch., Zuchtziele, hg. v. C. Freiherr von Stengelin u. a. (1983);
 
Asil-Araber. Arabiens edle Pferde. Eine Dokumentation, hg. vom Asil-Club (Neuausg. 1985);
 G. Kapitzke: Staatsgestüte Bundesrepublik Dtl., Österreich, Schweiz (1989);
 L. Knoll: Das engl. Vollblut (1990);
 E. H. Edwards: Pferde-Rassen (a. d. Engl., 1995).

Universal-Lexikon. 2012.