Thomson
[tɔmsn],
1) Sir Charles Wyville, britischer Biologe und Ozeanograph, * Bonsyde (Lothian Region) 5. 3. 1830, ✝ ebenda 10. 3. 1882; ab 1870 Professor in Edinburgh, plante und leitete die Challenger-Expedition (Challenger).
2) Sir (seit 1943) George Paget, britischer Physiker, * Cambridge 3. 5. 1892, ✝ ebenda 10. 9. 1975, Sohn von 5); Professor in Aberdeen 1922-30, in London 1930-50, danach in Cambridge; v. a. Arbeiten zur Elektronenbeugung. Thomson bestätigte 1927 kurz nach dem Davisson-Germer-Versuch gleichfalls experimentell den Welle-Teilchen-Dualismus des Elektrons durch Beugungserscheinungen von Elektronenstrahlen an Kollodiumfolien. Damit war die von L. de Broglie und E. Schrödinger postulierte Wellennatur des Elektrons nachgewiesen. Für diese Entdeckung erhielten Thomson und C. J. Davisson 1937 den Nobelpreis für Physik.
Werke: Applied aerodynamics (1920); The atom (1930; deutsch Das Atom); The wave mechanics of free electrons (1930); Theory and practice of electron diffraction (1939, mit W. Cochrane); The forseeable future (1955; deutsch Ein Physiker blickt in die Zukunft); The strategy of research (1957).
3) James, schottischer Schriftsteller, * Ednam (Borders Region) 11. 9. 1700, ✝ Richmond (heute zu London) 27. 8. 1748; studierte Theologie in Edinburgh, ging 1725 nach London und trat dort mit dem in Blankvers geschriebenen naturbetrachtenden, philosophisch-reflexiven Zyklus »The seasons« (4 Teile, 1726-30; deutsch »Die Jahreszeiten«) hervor. Das Werk gilt als Wegbereiter der englischen Romantik und beeinflusste die deutschen Dichtungen in der Phase ihrer Abwendung von klassizistischen französischen Vorbildern (1801 vertont von J. Haydn). Bekannt wurde Thomson auch durch die nationalistische Hymne »Rule, Britannia« (in dem 1740 mit David Mallet [* 1705, ✝ 1765] verfassten Maskenspiel »Alfred«).
H. H. Campbell: J. T. (1700-1748).
An annotated bibliography. .. (New York 1976);
J. Sambrook: J. T. 1700-1748 (Oxford 1991).
4) James, schottischer Lyriker, * Port Glasgow (Strathclyde Region) 23. 11. 1834, ✝ London 3. 6. 1882. Thomson, der unter dem Pseudonym B. V. schrieb, den Initialen von Bysshe (zweiter Vorname P. B. Shelleys) und Vanolis (Anagramm von Novalis), führte ein unstetes Leben, u. a. als Journalist, und war ab 1862 für die Zeitschrift »National Reformer« tätig. Er wurde v. a. bekannt durch die spätromantisch visionäre Allegorie des modernen Menschen in »The city of dreadful night. ..« (1880), deren Themen die Vereinsamung des Einzelnen und die alptraumhafte Erfahrung der Großstadt sind.
Ausgaben: The poetical works, 2 Bände, herausgegeben von B. Dobell (1895).
Nachtstadt u. a. lichtscheue Schriften, herausgegeben von U. Horstmann (1992).
5) Sir (seit 1908) Joseph John, britischer Physiker, * Cheetham Hill (heute zu Manchester) 18. 12. 1856, ✝ Cambridge 30. 8. 1940, Vater von 2); ab 1884 Professor und Direktor am Cavendish Laboratory in Cambridge, ab 1915 Präsident der Royal Society. Thomson leistete wichtige Beiträge zur Elektrodynamik bewegter Ladungen, wies 1896/97 die elektrische Leitfähigkeit von Gasen in evakuierten Gefäßen unter Röntgenbestrahlung nach, klärte die Natur der dabei auftretenden Kathodenstrahlen als Ströme freier Elektronen auf und bestimmte die elektrische und magnetische Ablenkung der Kathodenstrahlen sowie mit J. S. E. Townsend das Verhältnis von Masse zu Ladung der Elektronen. Der Nachweis von Elektronen in Atomen führte Thomson und W. Thomson 1898 zu dem nach ihnen benannten Atommodell. 1899 wies Thomson gleichzeitig mit P. Lenard nach, dass auch beim Photo- und beim glühelektrischen Effekt Elektronen emittiert werden. Er gab Anstoß zur Entwicklung der Nebelkammer durch C. T. R. Wilson und der Massenspektroskopie durch F. Aston, mit dem er 1912 erstmals Isotope beobachtete. 1906 erhielt Thomson für seine Untersuchungen des elektrischen Leitungsmechanismus den Nobelpreis für Physik.
Werke: Application of dynamics to physics and chemistry (1888); Notes on recent researches in electricity and magnetism (1893); A textbook of physics, 16 Teile (1899-1914, mit J. H. Poynting); Conduction of electricity through gases (1903; deutsch Elektrizitäts-Durchgang in Gasen, mit G. P. Thomson); Electricity and matter (1904; deutsch Elektrizität und Materie); The corpuscular theory of matter (1907; deutsch Die Korpuskulartheorie der Materie); Rays of positive electricity and their application to chemical analysis (1913); The atomic theory (1914); Recollections and reflections (1936, Autobiographie).
R. J. Rayleigh: The life of Sir J. J. T., O. M. Sometime master of Trinity College Cambridge (Cambridge 1942, Nachdr. London 1969);
J. G. Crowther: British scientists of the twentieth century (London 1952);
G. P. Thomson: J. J. T. and the Cavendish Laboratory in his day (London 1964, Nachdr. ebd. 1967).
6) Sir (seit 1866) William, Lord Kẹlvin of Largs [- əv lɑːgz] (seit 1892), britischer Physiker, * Belfast 26. 6. 1824, ✝ Nethergall (bei Largs, Strathclyde Region) 17. 12. 1907; ab 1846 Professor für theoretische Physik in Glasgow. Seine Hauptforschungsgebiete waren die Elektrophysik und die Thermodynamik; daneben leistete er bedeutsame Beiträge zur Elastizitätslehre, Hydrodynamik, Geophysik und förderte die beginnende Elektrotechnik, v. a. die Unterwassertelegrafie. 1848 gab Thomson, ausgehend vom Carnot-Prozess, eine von der thermometrischen Substanz unabhängige Definition der Temperatur und kam neben R. J. E. Clausius zu eigenen Formulierungen der beiden Hauptsätze der Thermodynamik. Die absolute Temperatur wird heute in Kelvin angegeben. Mit J. P. Joule entdeckte Thomson 1853 den Joule-Thomson-Effekt und 1856 den thermoelektrischen Thomson-Effekt. Thomson erfand und verbesserte auch zahlreiche Messverfahren und Geräte, u. a. die Thomson-Brücke.
Werke: Treatise on natural philosophy (1867; deutsch Handbuch der theoretischen Physik, 2 Teile, mit P. G. Tait); Reprint of papers on electrostatics and magnetism (1872); Mathematical and physical papers, 6 Bände (1882-1911); Popular lectures and addresses, 3 Bände (1889); Baltimore lectures on molecular dynamics and the wave theory of light (1904; deutsch Vorlesungen über Molekulardynamik und die Theorie des Lichts).
A. Gray: Lord Kelvin. An account of his scientific life and work (London 1908, Nachdr. New York 1973);
S. P. Thompson: The life of W. T., Baron Kelvin of Largs, 2 Bde. (London 1910);
A. P. Young: Lord Kelvin (ebd. 1948).
Universal-Lexikon. 2012.