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Die Betreuung
Die Betreuung
 
Mit Wirkung vom 1. 1. 1992 hat das Betreuungsgesetz die früheren Bestimmungen zur Entmündigung, Vormundschaft über Volljährige sowie Gebrechlichkeitspflegschaft aufgehoben und in den §§ 1896 ff. BGB die Betreuung geregelt; das Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 25. 6. 1998 hat die Betreuung in »rechtliche Betreuung« umbenannt.
 
 Voraussetzungen für die Anordnung der Betreuung
 
Die Anordnung einer Betreuung durch das Vormundschaftsgericht (auf Antrag des zu Betreuenden oder von Amts wegen) setzt voraus, dass ein Volljähriger seine rechtlichen Angelegenheiten nicht oder zum Teil nicht mehr besorgen kann. Ursache kann eine psychische Krankheit sein oder eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung. Die psychische Krankheit muss fachärztlich diagnostizierbar sein; die Art der Behinderung muss Krankheitswert aufweisen. Die Voraussetzungen werden durch Sachverständigengutachten festgestellt. Hinzukommen muss, dass der Betroffene zur Besorgung der eigenen Angelegenheiten unfähig ist. Beispiele sind Schizophrenie, schwere Depression, Alzheimer-Krankheit, Epilepsie, Hirnverletzungen; Trunksucht oder Drogenabhängigkeit begründen erst dann eine Betreuung, wenn in ihrer Folge der Betroffene psychisch schwer erkrankt. Bloße Eigenwilligkeit oder z. B. Altersstarrsinn begründen nicht die Anordnung einer Betreuung.
 
 Welche Hilfen stehen zur Verfügung, wenn kein Krankheitsbild des Betroffenen vorliegt?
 
Ist jemand altersbedingt nicht in der Lage, z. B. seinen Haushalt in Ordnung zu halten oder seine Vermögensangelegenheiten wahrzunehmen, muss dies noch nicht Krankheitscharakter haben. In diesem Falle ist die Anordnung einer Betreuung nachrangig. Es kommen andere Hilfen in Betracht: Der Betroffene kann selbst einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragen bzw. seine Angelegenheiten z. B. durch Verwandte regeln lassen. Er kann eine Vorsorgevollmacht ausstellen. Die Vollmacht kann sich auf die Besorgung von Rechtsgeschäften, auch in höchstpersönlichen Angelegenheiten, beziehen. Sie kann Bestimmungen zu Einwilligungen bzw. Verboten bestimmter ärztlicher Eingriffe oder für den Fall notwendiger Unterbringung enthalten. Die Vollmacht muss in diesen Fällen schriftlich erteilt werden. Die Kontrolle des Bevollmächtigten erfolgt dadurch, dass er bei schwer wiegenden Maßnahmen der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf.
 
Patiententestament:
 
Mittels eines so genannten Patiententestaments kann der Betroffene aufgrund seines Selbstbestimmungsrechts Anordnungen über Fortsetzung oder Abbruch medizinischer Behandlungen für den Fall treffen, dass er bei Eintritt schwerster körperlicher Leiden oder Dauerbewusstlosigkeit nicht mehr in der Lage sein sollte, seine Angelegenheiten selbst zu regeln.
 
 Wer kann zum Betreuer bestellt werden?
 
Der Betreuer oder die Betreuerin sollte eine natürliche Person sein. Der Betroffene hat ein Vorschlagsrecht. Betreuer können Verwandte sein, Bekannte oder Dritte, die in jedem Fall geeignet sein müssen, in den zu betreuenden Angelegenheiten für den Betreuten rechtlich tätig zu werden. Sie müssen ihn im erforderlichen Umfang persönlich betreuen können. Kann der Betroffene durch eine oder mehrere natürliche Personen nicht hinreichend betreut werden, bestellt das Vormundschaftsgericht einen anerkannten Betreuungsverein zum Betreuer. Betreuungsvereine haben das Ziel, geeignete Betreuer zu gewinnen und sie entsprechend fortzubilden. Wird ein Betreuungsverein zum Betreuer bestellt, überträgt der Verein die Wahrnehmung der Betreuung einzelnen natürlichen Personen. Der Betreuungsverein teilt dem Gericht alsbald mit, wem er die Betreuung übertragen hat. Kann auch durch den Verein die Betreuung des Volljährigen nicht hinreichend sichergestellt werden, wird Behördenbetreuung angeordnet. Näheres regelt das Betreuungsbehördengesetz.
 
 Umfang der Betreuung
 
Ein Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Zu unterscheiden ist die Betreuung in allen Angelegenheiten von der Teilbetreuung. Wird die Besorgung aller Angelegenheiten des Betreuten dem Betreuer übertragen, spricht man auch von Totalbetreuung. Die Totalbetreuung führt bis zum Verlust des Wahlrechts des Betroffenen. Sie soll die Ausnahme bleiben. Bei der Teilbetreuung werden dem Betreuer nur bestimmte, genau bezeichnete Aufgaben übertragen, wie z. B. die Aufenthaltsbestimmung für den Betroffenen, die Vermögenssorge für den Betroffenen, Entscheidungen über ärztliche und medizinische Eingriffe oder Ähnliches. Der Betreuer darf nicht auf unbefristete Dauer bestellt werden. Spätestens nach fünf Jahren muss seine Bestellung überprüft werden.
 
 Wirkungen der Betreuung
 
Der Betreuer vertritt in den Angelegenheiten, für die er bestellt wird, den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich. Er hat die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht. Im Rahmen des Zumutbaren muss er den Wünschen des Betreuten entsprechen. Dabei gehört es zum Wohl des Betreuten, dass er die Möglichkeit hat, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Ist der Betreute geschäftsfähig, so verliert er auch durch die Bestellung eines Betreuers seine Geschäftsfähigkeit nicht. Im Rahmen des übertragenen Aufgabenkreises ist der Betreuer seinerseits berechtigt, Erklärungen namens des Betreuten im Außenverhältnis mit Wirkung für und gegen diesen abzugeben. Einander widersprechende rechtsgeschäftliche Erklärungen sind damit nicht ausgeschlossen. Um den Betreuten vor Erklärungen zu schützen, mit denen er sich selbst schadet, kann das Vormundschaftsgericht zusätzlich von Amts wegen einen Einwilligungsvorbehalt anordnen. Das bedeutet, dass der Betreute zu einer Willenserklärung der Einwilligung des Betreuers dann bedarf, wenn die Einwilligung zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist. Der Betreute, der geschäftsfähig ist, soll Erklärungen abgeben können, bedarf aber zu deren Wirksamkeit der Einwilligung des Betreuers, sofern sich die Betreuung auf eine solche Angelegenheit bezieht. Der Einwilligungsvorbehalt erstreckt sich nicht auf höchstpersönliche Rechtsgeschäfte, z. B. wenn der Betreute eine Ehe eingehen möchte, Verfügungen von Todes wegen trifft oder das Rechtsgeschäft ihm einen lediglich rechtlichen Vorteil bringt. Als lediglich rechtlich vorteilhaft gilt z. B. die Schenkung.
 
 Beschränkungen für den Betreuer
 
Über Maßnahmen, die für die betreute Person besonders gravierend sind, darf der Betreuer nicht allein entscheiden, er bedarf zusätzlich der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Hierzu gehören ärztliche Heileingriffe, bei denen die begründete Gefahr besteht, dass die betreute Person aufgrund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. Nur wenn mit dem Aufschub Gefahr für den Betreuten verbunden ist, darf die Maßnahme ohne Genehmigung des Gerichts durchgeführt werden. Will der Betreuer seine Einwilligung zum medizinischen Eingriff verweigern, bedarf es hierzu keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung!
 
Soll der Betreute sterilisiert werden, ist ebenfalls neben der Einwilligung des Betreuers die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich. Der Betreuer kann in die Sterilisation nur einwilligen, wenn die Sterilisation dem Willen des Betreuten nicht widerspricht, der Betreute auf Dauer einwilligungsunfähig bleiben wird, anzunehmen ist, dass es ohne Sterilisation zu einer Schwangerschaft kommen würde und infolge dieser Schwangerschaft eine Gefahr für das Leben, zumindest schwer wiegende körperliche oder seelische gesundheitliche Beeinträchtigungen der Betreuten zu erwarten wären und andere zumutbare Mittel der Schwangerschaftsverhütung nicht in Betracht kommen. Müsste nach Austragen der Schwangerschaft die betreute Person vom Kind getrennt werden, so begründet dies bereits eine ausreichend schwere Gefahr für den seelischen Gesundheitszustand des Betreuten, der die Einwilligung in die Sterilisation rechtfertigen würde. Für die Entscheidung über die Einwilligung in eine Sterilisation ist stets ein besonderer Betreuer zu bestellen.
 
Die Unterbringung des Betreuten bedarf neben der Einwilligung des Betreuers der zusätzlichen Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, wenn die Unterbringung mit Freiheitsentziehung verbunden ist. Voraussetzung ist, dass die Unterbringung zum Wohl des Betreuten erforderlich ist (Beispiel: Unterbringung eines Drogenabhängigen in einem Entziehungsheim). Die freiheitsentziehende Unterbringung ist ohne richterliche Genehmigung nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist. Dann allerdings ist die Genehmigung unverzüglich nachzuholen. Wichtig ist, dass das Einwilligungs- und Genehmigungserfordernis auch für so genannte unterbringungsähnliche Maßnahmen gilt. Alle Maßnahmen, mit denen in die Freiheitsrechte des Betreuten eingegriffen wird, sind daher nur mit Einverständnis des Betreuers und Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zulässig. Dazu gehören z. B. die Fixierung von Patienten durch Anbringen von Fußgurten, Bauchgurten, Handgurten; Sedieren von Patienten durch Einsatz von starken Psychopharmaka. Um die Wohnung des Betreuten zu kündigen, bedarf der Betreuer ebenfalls der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Sinn und Zweck des Genehmigungserfordernisses ist es, dass dem Betreuten die Rückkehr in seine vertraute Umgebung offen bleiben soll. Die Beendigung des Mietverhältnisses muss daher dem Wohl und Interesse des Betreuten dienen. Dabei sind nicht allein wirtschaftliche Gesichtspunkte ausschlaggebend.
 
 Ende der Betreuung
 
Die Betreuung ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen weggefallen sind. Gegebenenfalls ist der Aufgabenkreis des Betreuers einzuschränken. Grundsätzlich endet die Betreuung durch Beschluss des Vormundschaftsgerichts. Besteht die Betreuungsbedürftigkeit in einer körperlichen Behinderung, so genügt ein Antrag des Betreuten, die Betreuung aufzuheben. Liegt eine psychische Krankheit oder eine geistige oder seelische Behinderung vor, muss das Gericht prüfen, ob die Betreuungsvoraussetzungen weggefallen sind. Es steht im Ermessen des Gerichts, ein neues Gutachten einzuholen.
 
 Gründe für die Entlassung eines Betreuers
 
Das Vormundschaftsgericht hat den Betreuer zu entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt oder die Eignung des Betreuers für das Amt nicht mehr gewährleistet ist, z. B. wenn das Vertrauensverhältnis beeinträchtigt ist, wenn der Betreuer seine Berichtspflichten verletzt oder nur schleppend und verzögert Rechnung legt. Auch auf Wunsch des Betreuers kann das Betreuungsverhältnis enden. Er kann seine Entlassung verlangen, wenn nach Ernennung Umstände eingetreten sind, die die Betreuung zur unzumutbaren Belastung werden lassen, z. B. bei Verschlechterung des eigenen Gesundheitszustandes, bei fortgeschrittenem Alter des Betreuers. Für den Vereins- oder Behördenbetreuer kann der Verein bzw. die Behörde die Entlassung des Mitarbeiters aus der Betreuung verlangen. Ist das Wohl des Betreuten nicht beeinträchtigt, so können die bisherigen betreuenden Personen als Privatpersonen die Betreuung fortführen.
 
 Kosten der Betreuung
 
Konkret angefallene Aufwendungen einschließlich der Kosten einer Haftpflichtversicherung des Betreuers gegen Schäden, die er dem Betreuten zufügt, sind vom Betreuten zu erstatten. Ist er mittellos, zahlt die Staatskasse. Einen Anspruch auf Aufwendungsersatz haben auch Betreuungsvereine sowie die Behörde im Falle der Behördenbetreuung. Eine zusätzliche Vergütung kann nur unter engen Voraussetzungen verlangt werden.

Universal-Lexikon. 2012.