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Dekadenz
De|ka|denz [deka'dɛnts̮], die; - (bildungsspr.):
[kultureller] Zustand, der als durch Überfeinerung in Lebensgewohnheiten und Ansprüchen entstandener Verfall angesehen wird:
die Dekadenz des Bürgertums.
Syn.: Niedergang.

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De|ka|dẹnz 〈f. 20; unz.〉
1. kultureller Niedergang, sittlicher Verfall
2. Kraftlosigkeit
3. künstlerische Entartung
● die \Dekadenz dieser Epoche wird offenkundig [<frz. décadence]

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De|ka|dẹnz, die; - [frz. décadence < mlat. decadentia, zu lat. de- = von – weg u. cadere = fallen, sinken] (bildungsspr.):
kultureller Niedergang mit typischen Entartungserscheinungen in den Lebensgewohnheiten u. Lebensansprüchen; Verfall, Entartung:
die D. des Bürgertums.

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Dekadẹnz
 
[französisch; zu lateinisch de »herab« und cadere »fallen«] die, -, französisch Décadence [deka'dãs], Niedergang, Verfall, insbesondere bei Kulturen. Schon in frühen Zeitaltern wurden Verfall und Krise einer Kultur empfunden und als solche beschrieben, u. a. von Hesiod, Tacitus, Salvian, Augustinus.
 
Literatur
 
und Geschichtsphilosophie: Im 17./18. Jahrhundert wurde die Dekadenz von Kulturen als philosophisches Problem gesehen und auf ihre Ursachen untersucht, bei J. B. Bossuet, G. B. Vico und Montesquieu (»Considérations sur les causes de la grandeur des Romains et de leur décadence«, 1734); am eindrucksvollsten wurde sie in E. Gibbons »History of the decline and fall of the Roman Empire« (1776-88) dargestellt, hier bereits mit dem Aspekt, dass das Kultiviert-Verfeinerte dem Neuen, in diesem Fall dem Christentum, und dem Barbarischen unterliegen müsse. In vielen neueren Geschichtsphilosophien spielt das Problem des gesetzmäßig eintretenden Kulturverfalls eine wichtige Rolle, z. B. bei O. Spengler (»Untergang des Abendlandes«, 1918-22) und A. J. Toynbee (»A study of history«, 1934-61).
 
Trotz Rousseaus Zivilisationspessimismus blieb das 18. Jahrhundert der eigenen Zeit gegenüber optimistisch. Erst im 19. Jahrhundert, in und nach der Romantik, verbreitet sich im europäischen Raum ein Dekadenzgefühl.
 
Dekadenzdichtung wird zum Sammelbegriff für eine vielschichtige Tendenz innerhalb der europäischen Literatur des 19. Jahrhunderts, entstanden aus dem Bewusstsein überfeinerter Kultur; die Dekadenz verabsolutiert die Welt des Sinnlich-Schönen, das moralisch freie Kunsthafte gegenüber einer Welt normierter bürgerlicher Moral- und Wertvorstellungen, das Traumhaft-Unbestimmte, Sensibilität und Morbidität. - Vorbereitet wurde die Dekadenz durch Lord Byron, zum Teil auch durch H. Heine, N. Lenau, A. de Musset, G. Leopardi, von E. A. Poe und T. De Quincey (»Confessions of an English opium-eater«, 1822). Das Dekadenzgefühl gipfelt in der Dichtung C. Baudelaires (»Les fleurs du mal«, 1857), im lyrischen Werk von S. Mallarmé, A. Rimbaud, P. Verlaine, in den Romanen von T. Gautier und J.-K. Huysmans. In anderen europäischen Ländern werden oft nur einzelne Autoren oder Werke der Dekadenz zugerechnet, so A. Tschechow (Russland), H. J. Bang und als Vorläufer J. P. Jacobsen (Dänemark), O. Wilde u. a. (England), M. Maeterlinck und É. Verhaeren (Belgien), G. D'Annunzio (Italien) sowie R. M. del Valle-Inclán (Spanien). Gegen Ende des 19. Jahrhunderts (»Fin de Siècle«) vertrat eine starke literarische Strömung den Kult des Krankhaften, Nervösen und Überfeinerten, bei dem aus Gefühlen der Lebensschwäche und der Nutzlosigkeit des Tuns das Bewusstsein des Kulturendes entsteht. In Deutschland gebrauchte F. Nietzsche als Erster den Begriff Dekadenz, deutete zeitgenössische europäische Kulturerscheinungen als Erschöpfungssymptome und bezeichnete Richard Wagner als typischen »décadent«. In der deutschen Literatur tragen die Frühwerke von H. und T. Mann Züge der Dekadenzdichtung, ferner sind zu nennen M. Dauthendey und F. Huch; aus Österreich A. Schnitzler, P. Altenberg, frühe Werke von R. M. Rilke und H. von Hofmannsthal. - Von Stilrichtungen wie Impressionismus und Symbolismus lässt sich die Dekadenz z. T. nur schwer trennen. Gegen die Dekadenz wandten sich nach 1900 aus gegensätzlichen Positionen heraus Heimatkunst sowie Futurismus und Expressionismus.
 
Literatur:
 
E. von Sydow: Die Kultur der D. (1921);
 A. E. Carter: The idea of decadence in French literature, 1830-1900 (Toronto 1958);
 Hans Mayer: Über Realismus u. D., in: Gesellschaft, Recht u. Politik, hg. v. H. Maus u. a. (1968);
 E. Koppen: Dekadenter Wagnerismus. Studium zur europ. Lit. des Fin de siècle (1973);
 
Fin de siècle, hg. v. R. Bauer u. a. (1977);
 H. Hinterhäuser: Fin de siècle (1977);
 J. M. Fischer: Fin de siècle. Komm. zu einer Epoche (1978);
 U. Horstmann: Ästhetizismus u. D. (1983);
 W. Rasch: Die literar. Décadence um 1900 (1986);
 
D. in Dtl., hg. v. D. Kafitz (1987);
 S. F. Fuchs: D. Versuch zur ästhet. Negativität im industriellen Zeitalter anhand von Texten aus dem frz. u. engl. fin de siècle (1992).

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De|ka|dẹnz, die; - [frz. décadence < mlat. decadentia, zu lat. de- = von - weg u. cadere = fallen, sinken] (bildungsspr.): kultureller Niedergang mit typischen Entartungserscheinungen in den Lebensgewohnheiten u. Lebensansprüchen; Verfall, Entartung: die D. des Bürgertums; Parallelen zwischen dem herrschenden moralischen Klima und der D., die das alte Griechenland und Rom schwächte (St. Frank [Übers.], Mann 116).

Universal-Lexikon. 2012.