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Kreuzigung
Kreu|zi|gung 〈f. 20das Kreuzigen, Hinrichtung am Kreuz

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Kreu|zi|gung, die; -, -en [mhd. kriuzigunge, ahd. chrūzigunga]:
1. das Kreuzigen.
2. (bild. Kunst) Darstellung der Kreuzigung Christi.

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Kreuzigung,
 
eine aus dem Orient stammende, bei vielen antiken Völkern übliche Art der Hinrichtung von Männern. In alter Zeit bestand sie oft im Aufspießen oder Aufhängen an einem einfachen Pfahl; bei den Römern, die die Kreuzigung wahrscheinlich von den Karthagern übernahmen, wurde sie meist durch Annageln und/oder Anbinden an Pfahl und Querholz vollzogen.
 
Die Kreuzigung galt bei den Römern (neben der Tötung durch wilde Tiere) als schändlichste Form der Todesstrafe. Sie wurde nur über Sklaven und nichtrömische Freie wegen eines Schwerverbrechens wie Mord, Hochverrat oder Tempelraub verhängt. Der Verurteilte musste selbst das Querholz (Patibulum) zur außerhalb der Stadt gelegenen Richtstätte tragen. Dort (oder auf dem Weg dorthin) wurde er in nacktem Zustand ausgepeitscht (gegeißelt) und mit ausgestreckten Armen an das Querholz angebunden, später immer häufiger angenagelt. Dieses zog man dann am (in der Regel ortsfesten) Pfahl hoch und befestigte es oben. Ein Holzklotz etwa in der Mitte des Pfahls (Sedile) stützte den hängenden Körper und verhinderte einen zu raschen Tod; das in der christlichen Kunst vom 6. Jahrhundert an gezeigte Fußbrett ist vielleicht ein unhistorischer Ersatz für den schwer darstellbaren Sitzpflock. An der Spitze des Kreuzes wurde eine Tafel mit Namen und Schuld des Verurteilten (Titulus) angebracht. Das Exekutionskommando - in den Provinzen römische Soldaten - teilte den Nachlass des Gekreuzigten unter sich auf und blieb als Wache an der Richtstätte. Sollte der Tod des Verurteilten beschleunigt werden, zerschlug man ihm die Unterschenkel mit Keulen, oder sie wurden abgehauen. Der Tod trat in diesem Fall durch Verbluten, sonst durch Kreislaufkollaps und Herzversagen ein. Der Leichnam blieb meist hängen, bis er verwest oder eine Beute von Tieren geworden war. Der zuständige Magistrat konnte ihn aber gnadenweise zur Bestattung freigeben. Durch Kaiser Konstantin dem Großen wurde die Kreuzigung um 315 abgeschafft.
 
 Kreuzigung Jesu Christi
 
Der Verlauf der Kreuzigung Jesu Christi kann annähernd aus den Passionsberichten der vier Evangelien rekonstruiert werden. Ob die Hinrichtung Jesu an einem Pfahl oder an einem Pfahl mit Querbalken erfolgte, lässt sich nicht sicher sagen. Auf dem Weg zur Hinrichtungsstätte wird ein Zuschauer, Simon von Kyrene, gezwungen, Jesus den Querbalken (oder den Pfahl) abzunehmen. Der Ort der Kreuzigung wird mit Golgatha bezeichnet. Dort wurde Jesus nach jüdischem Brauch mit Myrrhe gewürzter Wein angeboten (Markus 15, 23; nach Johannesbrief 19, 29 ein Schwamm mit Essig), der eine schmerzlindernde Wirkung hatte. Daraufhin wurde Jesus - offenbar zusammen mit zwei Verbrechern - gekreuzigt. Unter den anwesenden Zuschauern werden besonders Maria, Johannes, Maria Magdalena sowie weitere Frauen erwähnt. Die Verteilung der Kleider, die mit den Worten von Psalter 22, 19 (»Sie verteilen unter sich meine Kleider und werfen das Los um mein Gewand«) beschrieben wird, sowie die Anbringung der Tafel mit Namen und Hinrichtungsgrund (Johannesbrief 19, 19: »Jesus von Nazareth, der König der Juden«) entsprachen römischem Brauch. Der Tod Jesu trat wahrscheinlich durch Kreislaufversagen ein. In Johannesbrief 19, 34 heißt es, dass einer der römischen Soldaten mit seiner Lanze Jesus in die Seite stieß und Blut und Wasser herausflossen. Auf Anfrage des Joseph von Arimathaia, der gemäß jüdischem Gesetz (5. Mose 21, 23) den Leichnam nicht über Nacht hängen lassen wollte, gab Pilatus diesen zur Bestattung frei. - Ablauf und Szenerie der Kreuzigung wurden in den Apokryphen des Neuen Testaments und in den mittelalterlichen Legenden mit weiteren Details breit ausgestaltet.
 
 Ikonographie
 
In der bildenden Kunst ist die Kreuzigung das zentrale Thema der christlichen Ikonographie und die wichtigste Darstellung innerhalb der Passion. Ein frühes Beispiel (Holztür von Santa Sabina in Rom, um 430) zeigt Jesus Christus zwischen den beiden Schächern. Etwa gleichzeitig ist in einem spätrömischen Elfenbeinrelief (London, Britisches Museum) der Soldat - in der Tradition als Longinus bezeichnet - dargestellt, der an der linken Seite Christi steht und den Arm zum Lanzenstoß erhoben hat. Zur Rechten Christi stehen Johannes und Maria. In der Darstellung des aus Nordmesopotamien stammenden Rabula-Evangeliars (586; Florenz, Biblioteca Laurenziana) trägt Christus ein langes, ärmelloses Gewand (Kolobion), rechts ist er flankiert von Longinus mit der Lanze, Maria und Johannes, links sind ein Mann, der den Essigschwamm reicht (nach der Legende Stephaton), eine Gruppe von Frauen und die um das Gewand Christi würfelnden Soldaten angeordnet. Die beiden Schächer bleiben Bestandteil der Darstellung. Auffällig ist, dass die Darstellungen der Kreuzigung Christi in den ersten sechs Jahrhunderten Christus lebend mit offenen Augen am Kreuz zeigen, obwohl gleichzeitig durch den Lanzenstich sein Tod bezeugt wird. Nicht der Tod Christi, sondern die Überwindung des Todes durch ihn sollte zum Ausdruck gebracht werden. In der byzantinischen Kunst um die Wende des 8. zum 9. Jahrhundert zeigen sich ikonographische Veränderungen: Christus hängt in sich zusammengesunken am Kreuz, das Haupt auf die Schulter geneigt, aus seiner Seite rinnt Blut, oft auch Blut und Wasser. Maria und Johannes sind als Trauernde dargestellt. Diese gewandelte Vorstellung stand möglicherweise im Zusammenhang mit dem Bilderstreit. Die bildliche Darstellung der Kreuzigung Christi sollte gegen die Bilderfeindlichkeit gerechtfertigt werden, indem man Jesus Christus und seinen Tod realistisch (d. h. Christus in seiner Menschennatur) darstellte. Neben dem Kolobion kommt nun auch der Lendenschurz als Bekleidung Christi auf. In der westeuropäischen Ikonographie findet sich zunächst weiterhin der lebende, jugendliche Christus am Kreuz. Seit karolingischer Zeit erhalten die Bildelemente der Kreuzigung z. T. theologisch-symbolischen Charakter. Rechts vom Kreuz steht neben Maria und Longinus die Ecclesia (Symbol der Kirche), die mit einem Kelch das Blut Christi auffängt, links neben Johannes und Stephaton die Synagoge (Symbol des Judentums), von deren Haupt die Krone fällt. Die Personifikationen von Sonne und Mond, die verschiedentlich mit einem Tuch ihr Gesicht verdecken, verweisen mit Terra (Erde) und Oceanus (Meer) symbolisch auf die kosmische Herrschaft Christi. In der ottonischen Buchmalerei und auf den Prachteinbänden liturgischer Bücher bleibt der drei- beziehungsweise fünffigurige Kreuzigungstypus, gebildet aus Christus, Johannes, Maria, Longinus, Stephaton, Ecclesia und Synagoge, in seinem streng symmetrischen Bildaufbau als Vergegenwärtigung des Opfertodes Christi vorherrschend. Eine Besonderheit bilden die im 13. Jahrhundert entstandenen Triumphkreuze. In Deutschland sind es monumentale plastische Dreiergruppen (Christus, Johannes, Maria) wie in Halberstadt (Dom, zweites Viertel des 13. Jahrhunderts) oder Wechselburg (Stiftskirche, um 1230), während in Italien die »croci dipinti« als gemalte Holztafeln in Kreuzesform vom 11. bis 14. Jahrhundert eine eigene Entwicklung nehmen. Seit dem 13. Jahrhundert setzt sich der leidende Christus in der Ikonographie durch. Der vom Leiden gezeichnete Körper hängt mit geknickten Beinen am Kreuz, die Dornenkrone ersetzt die Königskrone, das Antlitz ist schmerzverzerrt, Christus erscheint sterbend oder tot (Kreuzigung vom Lettner im Naumburger Dom, um 1250). Die Wand- und Tafelmalerei des 14. Jahrhunderts in Italien erweiterte die Kreuzigungsdarstellungen durch erzählerische Elemente zum dramatischen Geschehen (Fresko von Giotto in der Arenakapelle in Padua, zwischen 1304 und 1313). Unter dem Einfluss der Mystik erfolgte eine Steigerung der Leidensmerkmale des geschundenen Körpers Christi (Isenheimer Altar von M. Grünewald, zwischen 1512 und 1516; Colmar, Musée d'Unterlinden). Die Ikonographie der Kreuzigungsbilder ist im 15./16. Jahrhundert durch die außerordentliche Vermehrung der um das Kreuz versammelten Personen und die Erweiterung des Schauplatzes (Kalvarienberg) gekennzeichnet (u. a. R. van der Weyden). In der Bretagne entstanden vom 15. Jahrhundert an auch große, vielfigurige plastische Kreuzigungsgruppen (Kalvarienberge [Calvaires]). Die Expressivität des Leidens wurde in den Darstellungen des 16./17. Jahrhunderts gemildert. Die Gestaltung der Kreuzigung geriet zunehmend zu einem großen historischen Schauspiel (P. P. Rubens, A. van Dyck, Rembrandt). Die barocke Bildhauerkunst beschränkte sich auf eine Gruppe von drei oder vier Personen. Es bestand auch die Möglichkeit der Umdeutung der Szenerie zum Andachtsbild, indem die üblichen Personen unter dem Kreuz durch Heilige ersetzt wurden. Im 19. Jahrhundert lebten die Kreuzigungsdarstellungen stark von Rückgriffen auf ikonographische Vorbilder älterer Epochen. Im 20. Jahrhundert wurde das Thema der Kreuzigung nur noch selten gestaltet (M. Slevogt, L. Corinth, E. Nolde, M. Beckmann, O. Dix).
 
Literatur:
 
J. Blinzler: Der Prozeß Jesu (41969);
 H.-R. Weber: Kreuz. Überlieferung u. Deutung der K. Jesu im neutestamentl. Kulturraum (1975);
 
Der Tod Jesu, hg. v. K. Kertelge (1976);
 F. G. Untergassmair: Kreuzweg u. K. Jesu (1980);
 G. Lohfink: Der letzte Tag Jesu. Die Ereignisse der Passion (41983).
 
Bildende Kunst: G. W. Benson: The cross, its history and symbolism (Buffalo, N. Y., 1934, Nachdr. New York 1976);
 R. Schneider-Berrenberg: Studien zur monumentalen Kruzifixgestaltung im 13. Jh., 2 Bde. (1977);
 E. Hürkey: Das Bild des Gekreuzigten im MA. (1983);
 C. Beutler: Der Gott am Kreuz. Zur Entstehung der Kreuzigungsdarstellung (1986);
 B. Schlichtenmaier: Die Passionsikonographie in der bildenden Kunst des 19. Jh. u. frühen 20. Jh. (1987).
 

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Kreu|zi|gung, die; -, -en [mhd. kriuzigunge, ahd. chrūzigunga]: 1. das Kreuzigen. 2. (bild. Kunst) Darstellung der Kreuzigung Christi.

Universal-Lexikon. 2012.