Pariser Vorortverträge,
die Friedensverträge zwischen den Entente- und den Mittelmächten nach dem Ersten Weltkrieg:
1) Friedensvertrag von Versailles [- vɛr'saj], abgeschlossen am 28. 6. 1919 zwischen den 27 alliierten und assoziierten Mächten (den Ententemächten) und dem Deutschen Reich, Versailler Vertrag.
2) Friedensvertrag von Saint-Germain-en-Laye [- sɛ̃ʒɛrmɛ̃ã'lɛ], abgeschlossen am 10. 9. 1919 zwischen den Ententemächten und Österreich, das als Nachfolgestaat Österreich-Ungarns als besiegter Staat behandelt wurde. Gemeinsam mit Deutschland und Ungarn wurde es mit der alleinigen Kriegsschuld belastet sowie zu Wiedergutmachungsleistungen verpflichtet. Es musste auf den Namen Deutschösterreich sowie auf den Zusammenschluss mit dem Deutschen Reich verzichten und die neuen Staaten ČSR, Polen sowie das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (das spätere Jugoslawien) anerkennen. Mit dem Vertrag (in Kraft seit 30. 6. 1920) wurde die bereits faktisch vollzogene Trennung zwischen Österreich und Ungarn auch völkerrechtlich wirksam.
Territoriale Bestimmungen:
Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien (ohne Teschen) fielen an die ČSR, Südtirol (bis zum Brenner), das Küstenland (Adriafrage) und das Kanaltal an das Königreich Italien. Die Südsteiermark und das Kärntner Mießtal musste Österreich an das spätere Jugoslawien abtreten. Im südlichen Kärnten sollte eine Volksabstimmung die staatliche Zugehörigkeit klären. Die deutschsprachigen Teile Westungarns wurden Österreich zugesprochen (Burgenland).
3) Friedensvertrag von Trianon [-tria'nɔ̃], abgeschlossen am 4. 6. 1920 zwischen den Ententemächten und Ungarn, das ebenso wie Deutschland und Österreich als besiegtes, am Krieg allein schuldiges Land betrachtet und zu Wiedergutmachungsleistungen verpflichtet wurde. Es verlor zwei Drittel seines Staatsgebiets an Rumänien (Siebenbürgen mit der Bukowina und dem Großteil des Banats), das spätere Jugoslawien (Kroatien, Batschka, West-Banat, Slawonien sowie Bosnien mit der Herzegowina), Österreich (Burgenland) und die Tschechoslowakei (Slowakei; 17 Komitate). Ungarn übergab den Vertrag am 26. 7. 1921.
4) Friedensvertrag von Neuilly-sur-Seine [- nœ'jisyr'sɛːn], abgeschlossen am 27. 11. 1919 zwischen den Ententemächten und Bulgarien, in dem Bulgarien zu einer Kriegsentschädigung von 2,25 Mrd. Goldfranken verpflichtet wurde. Kleinere Grenzbezirke und der Strumicabogen im Westen fielen an das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (das spätere Jugoslawien). Griechenland erhielt das westliche Thrakien, Rumänien wieder die Süddobrudscha.
5) Friedensvertrag von Sèvres [- sɛːvr], abgeschlossen am 10. 8. 1920 zwischen den alliierten und assoziierten Mächten (ohne die USA) und dem Osmanischen Reich. Einzelbestimmungen: Besetzung Konstantinopels und der Meerengen durch die Alliierten, Wiederherstellung der Kapitulationen zugunsten ausländischer Personen, militärische Kontrolle und Finanzaufsicht über die Türkei. Diese trat an Griechenland ab: Thrakien (bis zur Tschataldschalinie), alle Ägäischen Inseln (außer den Italien zugeeigneten) und Smyrna; an Frankreich: Syrien und Kilikien, an Großbritannien: Mesopotamien (Irak) und Palästina und die Schutzherrschaft über Arabien; an Italien: den Dodekanes einschließlich Rhodos. Türkisch-Armenien wurde unabhängig, Kurdistan erhielt Autonomie. Die Türkei wurde auf Konstantinopel und das Gebiet bis zur Tschataldschalinie und Kleinasien beschränkt. Revision des Vertrages durch den Frieden von Lausanne (1923).
II
Pariser Vorortverträge
Österreich, dessen Friedensdelegation unter Leitung des Sozialdemokraten Karl Renner stand, bemühte sich vergebens, als eine aus den Resten der Donaumonarchie neu entstandene Republik anerkannt und für den von der k.u.k. Monarchie verursachten Krieg nicht verantwortlich gemacht zu werden.
Im Frieden von St. Germain vom 10. September 1919 wurde die Republik Deutsch-Österreich ebenso wie Ungarn als Nachfolgestaat der Doppelmonarchie eingestuft und somit als besiegte Nation behandelt. Verboten wurde der von der Nationalversammlung bereits beschlossene Anschluss an Deutschland. Anerkannt werden musste die Unabhängigkeit der neuen Staaten Tschechoslowakei und Polen sowie des südslawischen Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen, das 1929 den Namen Jugoslawien annahm. Abtreten musste Österreich Südtirol bis zum Brenner, außerdem Triest, Istrien und Dalmatien sowie Teile von Krain und Kärnten. Aus der ungarischen Erbmasse erhielt Österreich das Burgenland.
Auch Ungarn wurde im Friedensvertrag von Trianon am 4. Juni 1920 als Nachfolgestaat der Donaumonarchie behandelt und als Kriegsanstifter angesehen. Demzufolge enthielt auch dieser Vertrag wie der deutsche und der österreichische den Kriegsschuldparagraphen sowie Bestimmungen über Wiedergutmachung, Abrüstung und Rüstungsbeschränkung. Ungarn verlor die Slowakei und weitere Gebiete an die Tschechoslowakei, Kroatien und Slawonien an das spätere Jugoslawien, die Bukowina, Siebenbürgen und einen Großteil des Banats an Rumänien sowie das Burgenland an Österreich.
Bulgarien wurde in dem am 27. November 1919 in Neuilly-sur-Seine unterzeichneten Friedensvertrag schonender behandelt, verlor südwestthrakische Küstengebiete an Griechenland, mazedonische an Jugoslawien und musste eine Kriegsentschädigung zahlen.
Im Frieden von Sèvres vom 10. August 1920 musste die Türkei Ostthrakien mit Gallipoli und die ägäischen Inseln an Griechenland abtreten und in die Internationalisierung der Meerengen einwilligen. Syrien und Kilikien fielen als Mandatsgebiete an Frankreich, der Irak und Palästina an Großbritannien, das auch die Schutzherrschaft über Arabien übernahm. Rhodos und die Dodekanes erhielt Italien. Armenien wurde selbstständig.
Universal-Lexikon. 2012.