Staat in Vorderasien:
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Irak,
Fläche: 438 317 km2
Einwohner: (2000) 22,7 Mio.
Hauptstadt: Bagdad
Amtssprache: Arabisch
Nationalfeiertag: 14. 7.
Zeitzone: 1400 Bagdad = 1200 MEZ
amtlich arabisch Al-Djumhurijja al-Irakijja [-dʒʊm-], deutsch Republik Irak, Staat in Vorderasien, 438 317 km2, (2000) 22,7 Mio. Einwohner; Hauptstadt ist Bagdad, Amtssprache Arabisch; in der kurdischen Region auch Kurdisch.; Währungseinheit: 1 Irak-Dinar (ID) = 1 000 Fils. Uhrzeit: 1400 Bagdad = 1200 MEZ.
Staat und Recht:
Die am 22. 9. 1968 beschlossene und am 16. 7.1970) in Kraft getretene Provisorische Verfassung (geändert zuletzt 1995) bestimmt Irak als panarabisch und sozialistisch orientierte Volksrepublik mit Präsidialregime. Der Islam ist Staatsreligion, wobei die Religionsfreiheit garantiert wird. Ebenso unter dem Schutz der Verfassung stehen die kulturellen Rechte der nationalen Minderheiten. Höchstes Staatsorgan mit Gesetzgebungs- und Vollzugsbefugnissen ist der Revolutionäre Kommandorat (RCC; acht Mitglieder). Staatsoberhaupt ist der mit weitgehenden Machtbefugnissen ausgestattete Präsident (Amtszeit: sieben Jahre). Er wird seit 1995 direkt gewählt und ist auch Regierungschef, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Vorsitzender des RCC. Legislative Funktionen üben der RCC und die Nationalversammlung (250 für vier Jahre gewählte Abgeordnete) aus. Exekutivorgan ist die Regierung unter Vorsitz des Ministerpräsidenten, die dem Präsidenten verantwortlich ist und von ihm ernannt wird.
Parteien:
Durch das Parteiengesetz vom Juli 1991 ist die Legalisierung von politischen Parteien stark eingeschränkt, sodass de facto ein Einparteiensystem existiert. Die Arabische Sozialistische Baath-Partei (ASBP, Baath) beherrscht alle Führungspositionen in Staat, Armee und Massenorganisationen. Die Irak. Kommunistische Partei (gegründet 1934; 1973-79 mit der ASBP die Nationale Fortschrittsfront bildend) wurde während des 1. Golfkrieges, beschuldigt der Unterstützung des Iran, verboten. Mitgliederstärkste Parteien unter den irakischen Kurden sind die Demokratische Partei Kurdistans (DPK; gegründet 1946), die konservativ-nationalistischen Ziele verfolgt, und die Patriotische Union Kurdistans (PUK; gegründet 1976). Als Dachverband von über 30 im Exil wirkenden Oppositionsgruppen besteht seit 1992 der Irak. Nationalkongress (Sitz: London).
In Irak existieren sechs große Gewerkschaftsorganisationen mit rd. 1,3 Mio. Mitgliedern; Dachverband ist die der Regierung nahe stehende Federation of Iraqui Trade Unions (GFTU).
Das Wappen (seit 1965) zeigt den Saladinadler mit Brustschild (Darstellung der Staatsflagge) auf einer Schrifttafel mit arabischer Inschrift (deutsch »Republik Irak«).
Nationalfeiertage:
Nationalfeiertag ist der 14. 7., der an den Sturz der Monarchie und die Ausrufung der Republik 1958 erinnert.
Das Land ist in 15 Provinzen und eine autonome Region der Kurden mit drei Provinzen gegliedert. Das kurdische Autonomiegebiet verfügt über ein Regionalparlament (115 Mitglieder) und einen Exekutivrat.
Das irakische Gerichtswesen kennt einen Kassationsgerichtshof, Appellationsgerichtshöfe, Gerichte 1. Instanz, Friedensgerichte, Revolutionsgerichte (für Verbrechen gegen den Staat), Scharia-Gerichte (mit einem islamischen Richter für religiöse Angelegenheiten) sowie Strafgerichte.
Die Gesamtstärke der Wehrpflichtarmee (Dienstzeit 24 Monate) beträgt schätzungsweise mindestens 345 000 Mann. Das Heer (rd. 300 000 Soldaten) ist gegliedert in je eine mechanisierte und gepanzerte Division, 18 Infanteriedivisionen und zehn Brigaden Spezialkräfte. Die Republikanische Garde umfasst drei Infanterie- und vier mechanisierte Divisionen. Die Luftwaffe hat etwa 40 000, die Marine rd. 5 000 Mann. Die Ausrüstung besteht im Wesentlichen aus etwa 2 500 Kampfpanzern (T-54/-55, T-62, T-72 sowjetischer Herkunft, T-59/-69 chinesischer Herkunft), 400 Kampfflugzeugen der unterschiedlichsten Typen sowie etwa zehn Kleinen Kampfschiffen.
Landesnatur und Bevölkerung:
Die Hauptachse Iraks fällt mit dem Senkungsgebiet des »mesopotamischen Trogs« zusammen, der sich vom Persischen Golf im Südosten nach Nordwesten erstreckt. Euphrat und Tigris haben hier in Unterirak weite Schwemmlandebenen geschaffen, die seit Jahrtausenden im Bewässerungsfeldbau genutzt werden. Daneben findet man in der Tiefebene Unteriraks auch ausgedehnte Schilf- und Seengebiete sowie vegetationslose Salztonebenen. Das Staatsgebiet greift auf die angrenzenden Großlandschaften über. Das Land westlich des Euphrats (Syrische Wüste) sowie die Gebiete zwischen mittlerem Euphrat und Tigris (Djesire) gehören dem mesozoischen und tertiären Tafelland an, das im Nordteil Arabiens dem kristallinen Sockel der Arabischen Platte aufgelagert ist. Hier herrschen eintönige, oft ebene Kieswüsten und Wüstensteppen vor. Nordostirak hat an den jungen Kettengebirgen des Taurus und Zagrosgebirges mit Höhen bis über 3 500 m über dem Meeresspiegel Anteil. In dem nach Südwesten geneigten Vorland zwischen Gebirge und Tigris wurden weite, oft von fruchtbaren Lehmen überdeckte Schotterflächen aufgeschüttet.
Irak gehört noch zum Gebiet der subtropischen Winterregen; die Niederschlagsmenge nimmt von den Gebirgen im Nordosten (bis 1 200 mm) nach den Wüsten im Südwesten (unter 100 mm) rasch ab. Der Sommer ist trocken und heiß (bis 52 ºC). Im Winter sind auch in Unterirak Nachtfröste nicht selten.
Die beiden großen Flüsse Euphrat und Tigris haben durch Winterregen und Schneeschmelze Hochwasser im Frühjahr. Der niedrigste Wasserstand ist im Herbst, gerade zur Zeit des größten Wasserbedarfs. Zur Regulierung der Wasserführung wurden Staudämme an Euphrat, Tigris und Dijala errichtet.
Die Besiedlung Iraks war von der frühesten Antike bis heute vorwiegend auf zwei Kernräume konzentriert, die durch dünn bevölkerte Gebiete voneinander getrennt sind: Assyrien, die Regenfeldbaugebiete des nordirakischen Gebirgsvorlandes, und Babylonien, die Bewässerungsgebiete des unterirakischen Tieflandes. - In der Naturlandschaft herrschen Wüstensteppen und Wüste vor, im Gebirge lichte Eichenwälder, in höheren Lagen montane Vegetation. Die Kulturlandschaft wird größtenteils bestimmt durch weite baumlose Ebenen mit extensivem Getreideanbau; längs der Kanäle und Flüsse intensiver Anbau von Gemüse, Obst, Sonderkulturen.
Die Bevölkerung ist in sprachlicher, religiöser und sozialer Hinsicht sehr uneinheitlich. Das tragende Staatsvolk sind die rd. 15 Mio. Araber, die v. a. das unterirakische Bewässerungstiefland sowie die Steppen des mittleren und nördlichen Irak besiedeln. Die rd. 3,7 Mio. Kurden leben im bergigen Nordosten des Landes. Ferner gibt es Türken, Iraner u. a.
Den Kurden wurde nach dem Aufstand von 1961-70 kulturelle Autonomie und Anerkennung ihrer Sprache als gleichberechtigte Schul-, Verwaltungs- und Gerichtssprache in den von ihnen besiedelten Gebieten zugestanden. Nach einem erneuten Aufstand 1974 und dessen Zusammenbruch leitete die irakische Regierung den Aufbau von neuen Arbeiter- und Bauernsiedlungen, aber auch Umsiedlungen von Kurden aus dem Bergland in die Tiefebene ein. Nach der Niederschlagung von Kurdenaufständen 1991 und anschließender Massenflucht der Kurden nach Iran und in das Grenzgebiet zur Türkei wurde das Gebiet nördlich des 36. Breitengrades von der UNO als Schutzzone für die Kurden eingerichtet.
Die Sterblichkeitsrate ist noch sehr hoch. Die Säuglingssterblichkeit liegt bei über 10 %. Mit 45 ‰ ist die Geburtenziffer eine der höchsten der Erde; 45 % der irakischen Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt; 75 % der Einwohner leben in Städten. - Die irakischen Städte mit ihren oft engen, winkligen Gassen sind nach dem Zweiten Weltkrieg durch eine rege, modern-westliche Bautätigkeit umgestaltet worden.
Die Revolution von 1958 hat die Beseitigung der sozialen Kluft zwischen Großgrundbesitzern und abhängigen Fellachen eingeleitet; sie brachte aber auch vieljährige blutige Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden revolutionären Gruppierungen. Erst nach der Machtergreifung der Baath-Partei stabilisierten sich die Verhältnisse, doch wächst die Kluft zwischen politischer Elite (v. a. Großfamilie von S. Hussain) und breiten Bevölkerungsschichten; seit dem Wirtschaftsembargo leidet besonders der Mittelstand unter Verarmung (siehe Abschnitt Geschichte).
Staat und Religion sind gesetzlich getrennt. Die staatliche Religionspolitik betont die rechtliche Gleichstellung aller Religionsgemeinschaften, besonders das mit ihr verbundene Recht auf freie Religionsausübung. Der Islam, zu dem sich über 96 % der Bevölkerung bekennen, wird als wichtige Grundlage arabischer Identität anerkannt. Mit rd. 62 % bilden die v. a. in Südirak lebenden Schiiten die Mehrheit der irakischen Muslime. Mit Kerbela und Nedjef befinden sich die bedeutendsten schiitischen Wallfahrtsorte in Irak. Die in Nordirak lebenden sunnitischen Muslime (etwa je zur Hälfte Araber und Kurden) gehören der hanefitischen und schafiitischen Rechtsschule an. - Rd. 3,8 % der Bevölkerung sind Christen. Von ihnen gehören etwa zwei Drittel der mit der katholischen Kirche unierten Chaldäischen Kirche (Sitz des Patriarchen in Bagdad) an, die Übrigen der Assyrochaldäischen (ostsyrischen) Kirche (»Nestorianer«), Syrisch-Orth. (westsyrische) Kirche (»Jakobiten«), griechisch-orthodoxen Kirche (Patriarchat von Antiochien), Melchitisch-Kath. Kirche, Syrisch-Kath. Kirche, armenische Kirche (Katholikat Etschmiadsin) und armenisch-katholische Kirche. Für die rd. 3 000 katholischen Christen des lateinischen Ritus besteht das exemte Erzbistum Bagdad. - Religiöse Minderheiten bilden die Jesiden in Nordirak (rd. 30 000), die Mandäer (rd. 20 000) und die Bahai (rd. 1 000). Die einst große jüdische Gemeinde ist seit 1949 (über 200 000 Mitglieder) bis auf etwa 200 Juden nach Israel ausgewandert.
Der Staat beansprucht die Kontrolle und Lenkung des Bildungswesens und fördert es dementsprechend; dennoch beträgt die Analphabetenquote noch 43,2 %. Es besteht seit 1978 per Dekret (Nummer 92) allgemeine Schulpflicht vom 6. bis 11. Lebensjahr in der sechsjährigen Grundschule (Ausdehnung auf neun Jahre geplant), deren Besuch ebenso kostenpflichtig ist wie der von Mittel- und höheren Schulen. Unterrichtssprache ist Arabisch, im Kurdengebiet seit 1970 auch Kurdisch. Nach der Grundschule ist der Übergang zur Oberschule möglich. Die dreijährige Mittelstufe endet hier mit einer Abschlussprüfung, die zur Teilnahme an einer dreijährigen sprachlichen oder naturwissenschaftlichen Oberstufe berechtigt. Deren Abschluss ist Voraussetzung für ein Hochschulstudium. Universitäten (insgesamt neun, darunter eine TU) gibt es u. a. in Bagdad (z. B. University of Bagdad, Al-Hikma University, Al-Mustansiriya University), Basra, Mosul und Sulaimaniya.
Alle großen Verlagshäuser sind staatlich, es herrscht Zensur. In der Hauptstadt erscheinen, mit Auflagen über 200 000, die arabischen Tageszeitungen »Ath-Thawra« (»Die Revolution«), »Al-Jumhuriya« (»Die Republik«) und »Al-Qadissiya; ferner: »Baghdad Observer«, ein Nachdruckblatt mit englischen Übersetzungen aus der landessprachlichen Presse, »Al-Iraq« in kurdischer Sprache und die tägliche Sportzeitung »Ar-Riyadhi«. - Nachrichtenagentur: »Iraqi News Agency - INA«, gegründet 1959, Sitz: Bagdad. - Rundfunk: Dem Minister für Kultur und Information untersteht die Rundfunk- und Fernsehverwaltung Iraks als Aufsichtsbehörde für »Idhaa al-Djumhurijja Irakijja« (»Rundfunk der Republik Irak«), gegründet 1936, Sitz: Bagdad, mit den landesweiten arabischen Programmen »Idhaa Bagdad« (»Radio Bagdad«), »Idhaa Saut al-Djamahir« (»Radio Stimme der Massen«, gegründet 1970) sowie kurdischen, türksprachigen und syrischen Programmen, einem Auslandsdienst in sieben Sprachen, darunter Deutsch. Die staatliche Fernsehgesellschaft »Baghdad Television«, gegründet 1956, verbreitet zwei landesweite arabische Programme, seit 1974 ein achtstündiges kurdisches Fernsehprogramm, ferner Regionalprogramme.
Wirtschaft und Verkehr:
Aufgrund reicher Erdöllagerstätten erlebte die Wirtschaft Iraks zwischen 1973 und 1980 einen großen Aufschwung und verzeichnete sehr hohe Wachstumsraten. Die bis dahin sehr stark agrarisch geprägte Wirtschaftsstruktur veränderte sich völlig. Der Krieg gegen Iran (1980-88) brachte einen ersten Rückschlag, das Pro-Kopf-Einkommen sank in diesem Jahrzehnt von 3 020 auf rd. 2 000 US-$. Wegen sinkender Weltmarktpreise für Rohöl bei gleichzeitig hohen Rüstungsausgaben stiegen die Auslandsschulden auf 4 700 US-$ pro Kopf an. Der Überfall auf Kuwait (1990), der dadurch ausgelöste 2. Golfkrieg (1991) und das international verhängte Wirtschaftsembargo schädigten alle Bereiche der Wirtschaft Iraks so stark, dass das Land wieder auf den Stand von 1970 zurückgeworfen wurde. Bereits 1993 war das Pro-Kopf-Einkommen auf 485 US-$ gesunken. Ein Großteil der Bevölkerung ist völlig verarmt. Von den umfangreichen Privatisierungen staatlicher Betriebe profitierten v. a. die Familie S. Hussains sowie eine Gruppe von hochrangigen Offizieren und Beamten.
Trotz der starken Dominanz des Erdölsektors arbeiteten (1986) noch 40 % der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft. Aber bereits Mitte der 80er-Jahre war Irak jedoch auf umfangreiche Nahrungsmittelimporte angewiesen. Die Golfkriege und das andauernde Wirtschafts- und Handelsembargo haben die Situation im Ernährungssektor dramatisch verschärft; viele Bauern haben ihr Land verlassen oder wurden von dort vertrieben. Anbauflächen und Erträge gingen auch wegen fehlender Produktionsmittel (Düngemittel, Maschinen, Saatgut) stark zurück. Der Anteil der in der Landwirtschaft Erwerbstätigen sank auf (1993) 18 %. Die für die Getreideversorgung Mittel- und Unteriraks wichtigen Regenfeldbaugebiete Kurdistans sind seit 1992 von der Regierung mit einer Blockade belegt. Insgesamt sank die Ackerfläche von 5,15 Mio. ha (1985) auf unter 4 Mio. ha (1993). Die Getreideproduktion ging von 3 Mio. t (1990) auf 1 Mio. t (1993) zurück. Vor Beginn der Erdölförderung waren Datteln das bedeutendste Handelsgut. 1983 wurden mit einer Erntemenge von 400 000 t Datteln 15 % der Weltproduktion erzeugt. Es folgten einige Trockenjahre mit starkem Produktionsrückgang. 1994 wird die Dattelproduktion auf 580 000 t geschätzt (16 % der Weltproduktion), wovon allerdings mindestens 100 000 t in der Industrie zu Zucker, Alkohol und Essig verarbeitet werden.
Weizen und Gerste sind die wichtigsten Anbauprodukte. Große Bedeutung für die wasserreichen Gebiete in Unterirak hat auch die Kultivierung von Reis. Daneben werden Baumwolle, Hülsenfrüchte, Sesam, Mais und Mungobohnen angebaut. Intensiv bewirtschaftete (mehrstöckige) Bewässerungskulturen mit Baumhainen und Gemüsebau finden sich nur in einem schmalen Saum entlang den Flüssen und Hauptkanälen; hier ist die Dattelpalme die weitaus wichtigste Nutzpflanze, gefolgt von Granatäpfeln, Zitrusfrüchten und Edelobst.
Der Fischfang in Euphrat und Tigris spielt eine wichtige Rolle (Fangmenge 1993: 18 000 t). Im Persischen Golf war wegen der Kriege in den vergangenen Jahren kein Fischfang möglich.
Der Abbau von Bodenschätzen hat, abgesehen von Erdöl, keine große Bedeutung. Gewonnen werden z. B. Meersalz, Phosphat, Gips, Schwefel. Nachgewiesen sind u. a. Vorkommen an Kupfer-, Eisen- und Uranerz. Mit (1993) 13,4 Mrd. t gemeldeter Erdölreserven liegt Irak hinter Saudi-Arabien weltweit an 2. Stelle. Die Fördermengen stiegen 1970-79 von 75 Mio. t auf 170 Mio. t, die Erlöse von 521 Mio. US-$ auf 26 Mrd. US-$. Im Krieg gegen Iran sanken die Fördermengen zunächst auf 47 Mio. t (1983), um dann wieder auf 170 Mio. t (1990) anzusteigen. Wegen des Verfalls der Rohölpreise erreichten die Erlöse aber 1990 nur noch 6,9 Mrd. US-$. Seit 1991 hat Irak wegen des Wirtschaftsembargos keine Einnahmen aus Erdölexporten mehr erzielt, die Produktion für den Binnenbedarf stagniert bei 20 Mio. t. Die größten Lagerstätten liegen entlang der Grenze zu Iran sowie in der Nähe von Basra. Das in Verbindung mit Erdöl gewonnene Erdgas wird nach wie vor größtenteils abgefackelt. Erdölförderung und -verarbeitung (in sieben Raffinerien) erfolgen durch die 1964 gegründete staatliche Iraq National Oil Company (INOC). Als Folge der Kriegshandlungen sind viele Pipelines, durch die früher der Export erfolgte, zerstört.
1964 wurden fast alle größeren Betriebe (20 und mehr Beschäftigte) verstaatlicht. Lag der Schwerpunkt der industriellen Entwicklung vor Beginn des 1. Golfkrieges auf der Petrochemie und dem Energiesektor, so wurden in der Folgezeit kriegsrelevante Projekte besonders gefördert. Wichtige Industriezweige sind weiterhin die Verarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten, die Baustoff- und die Textilindustrie sowie die Konsumgüterindustrie. Im 2. Golfkrieg wurden besonders in Mittel- und Südirak die meisten Großbetriebe stark beschädigt oder zerstört. Die führende Rolle der Handwerks- und Kleinbetriebe hat seitdem noch an Bedeutung gewonnen. In der Industrie waren 1990 21 % der Erwerbstätigen beschäftigt.
Hauptanziehungspunkte sind die historischen Stätten des alten Mesopotamien wie Ur, Babylon oder Ninive. Seit dem 2. Golfkrieg ist der Tourismus vollständig zum Erliegen gekommen.
Bis zur Verhängung des Wirtschafts- und Handelsembargos wies Irak eine ausgeglichene Handelsbilanz auf. Mit den Erlösen aus den Erdölexporten (99 % des Ausfuhrwertes) wurden erhebliche Importe von Nahrungsmitteln und Fertigwaren finanziert. Lediglich in den ersten Kriegsjahren gegen Iran war die Handelsbilanz deutlich negativ; aus dieser Zeit stammt der größte Teil der hohen Auslandsschulden (rd. 86 Mrd. US-$). Derzeit beschränkt sich der Außenhandel auf illegale Erdöltransporte (in gewissem Umfang), v. a. über Jordanien.
Verkehr:
Die Infrastruktur hat, besonders in Südirak, beträchtliche Kriegsschäden erlitten. Wegen der Golfkriege stieg aber die Bedeutung des Straßenverkehrs erheblich. Neben den Straßen in die ehemaligen Kriegsgebiete sind auch die Verbindungen zu den westlichen Nachbarstaaten ausgebaut worden (Straßennetz 29 000 km, davon 70 % befestigt). Dagegen hat die Flussschifffahrt, die einst wichtigster Verkehrsträger war, immer mehr an Bedeutung verloren. Die Seeschifffahrt im Golf ist fast vollständig zum Erliegen gekommen. Basra war bis zum Kriegsausbruch einziger bedeutender Seehafen. Das Eisenbahnnetz wurde zwischen 1977 und 1985 um 25 % erweitert und hat eine Länge von (1993) 2 030 km. Eine wichtige Strecke ist der Endabschnitt der Bagdadbahn von der syrischen Grenze nach Basra, seit 1971 verlängert nach Umm Kasr. Eine Schmalspurbahn führt von Bagdad über Kirkuk nach Erbil. Internationale Flughäfen befinden sich bei Bagdad und Basra.
Zur Vorgeschichte Vorderasien; zur Geschichte und Kultur des Altertums im Gebiet des heutigen Irak Alter Orient, Assyrien, assyrische Kultur, Babylonien, babylonische Kultur, Mesopotamien, Sumerer.
Seit der Eroberung Babyloniens durch Kyros II. (539 v. Chr.) gehörte Mesopotamien, dessen wesentlicher Teil das Gebiet des heutigen Irak einnahm, zum Perserreich und teilte dessen Schicksal unter Alexander dem Großen und seinen Nachfolgern (Iran, Geschichte). Unter den Sassaniden (224-651) war das Gebiet Kernland des neuen persischen Großreichs mit der Hauptstadt Ktesiphon.
Von der arabischen Eroberung bis zur Beendigung der osmanischen Herrschaft:
Nach der Eroberung durch die muslimischen Araber (seit 635) wurde es unter den Omaijaden (661-749/750) neben Ägypten wichtigste Provinz des Kalifats und unter den Abbasiden (749/750-1258) Kernraum des islamischen Weltreiches. 637/638 wurden Basra und Kufa, 702 Wasit als Militärlager gegründet; 762 folgte die Gründung der Kalifenresidenz Bagdad. 838-883 herrschten die Kalifen in Samarra. Im 8.-10. Jahrhundert war Irak Mittelpunkt der arabisch-islamischen Kultur. Durch türkische Prätorianer (seit 833) und Hausmeierdynastien wie die Bujiden (945-1055) und die Seldschuken (seit 1055) sowie Lokalfürsten setzte ein allmählicher Niedergang ein, zu dem auch dauernde Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten beitrugen. 1258 wurde Irak von den Mongolen erobert und Teil des Reichs der Ilchane, denen wieder Lokalfürsten folgten, darunter die der turkmenischen Stammesbünde des »Schwarzen Hammels« und des »Weißen Hammels« (15. Jahrhundert). Im 16. Jahrhundert wurde Irak Streitobjekt der persischen Safawiden und des Osmanischen Reiches. Nachdem Bagdad 1534 und - nach kurzer iranischer Herrschaft seit 1623 - endgültig 1638 an die Osmanen gefallen war, gehörte Irak, in vier Provinzen aufgeteilt, bis 1918 zum Osmanischen Reich.
Irak unter britischer Mandatsverwaltung und als Königreich (1920-1958):
Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches (1918) erhielt Großbritannien im Vertrag von Sèvres (10. 8. 1920 Mesopotamien als Mandat des Völkerbundes und setzte den Haschimiten Feisal als König ein (Feisal I., 1921-33). Unter dem Namen »Irak« erhielt das Mandatsgebiet 1924 eine Verfassung (Monarchie mit parlamentarischem System). 1926 verzichtete die Türkei auf ihren Anspruch auf das Mosulgebiet. Mit dem Vertrag von Bagdad (1930; wirksam seit 1932) gab Großbritannien, bei Fortbestand seiner militärischen Präsenz, Irak die Unabhängigkeit.
Unter den Königen Ghasi (1933-39) und Feisal II. (1939-58, 1939-53 unter der Regentschaft Abd al-Ilahs) lösten sich viele Regierungen ab. Eine der führenden Persönlichkeiten war Nuri as-Said (mehrfach Ministerpräsident), der das Land auf einem gemäßigt nationalistischen, probritischen Kurs hielt. In den 30er-Jahren verbesserte sich die technisch-ökonomische Struktur Iraks (u. a. Errichtung eines Staudamms bei Kut el-Amara; Eisenbahnbau). Nach einer Verständigung mit den Nachbarstaaten (besonders mit Iran über den Grenzverlauf im Bereich des Schatt el-Arab 1936) trat Irak 1937 dem Pakt von Sadabad bei. Im Zweiten Weltkrieg stand Irak auf britischer Seite; ein Aufstand von Kräften um Raschid al-Gailani, die den Achsenmächten zuneigten, scheiterte.
1945 beteiligte sich Irak an der Gründung der Arabischen Liga und wurde im selben Jahr Mitglied der UNO. 1948/49 nahm das Land am Krieg gegen Israel teil (Palästinakrieg). Im Kampf gegen die konservativ-monarchistische Führungsschicht (um Nuri as-Said) traten unter panarabischen Vorzeichen republikanisch-nationalistische (Istiklal) und sozialistische (Baath) Kräfte immer stärker hervor. Nach heftigen antibritischen Demonstrationen lehnte das irakische Parlament 1948 einen von der Regierung neu ausgehandelten britisch-irakischen Vertrag ab. Im Spannungsfeld des Ost-West-Konfliktes war Irak nach dem Zweiten Weltkrieg prowestlich eingestellt und trat 1955 dem Bagdadpakt bei. In Auseinandersetzungen mit den nationalistisch-republikanischen Kräften in ihrem Innern schlossen sich 1958 die Königreiche Irak und Jordanien zur Arabischen Föderation zusammen.
Irak als Republik (ab 1958):
Nach dem blutigen Staatsstreich vom 14. 7. 1958 (u. a. Ermordung König Feisals II. und einiger seiner Familienangehörigen) rief eine Gruppe von Offizieren die Republik aus. Ministerpräsident General A. K. Kassem leitete eine Bodenreform ein, die die Kluft zwischen den Großgrundbesitzern und der großen Zahl der Fellachen beseitigen sollte. Er verfolgte zunehmend einen diktatorischen Kurs und versuchte dabei die verschiedenen innenpolitischen Kräfte gegeneinander auszuspielen. Zeitweilig stützte er sich auf die Kommunisten. Außenpolitisch löste er Irak aus seiner Verbindung mit Jordanien und wandte sich vom prowestlichen Kurs der Monarchie ab (1958/59 Austritt aus dem Bagdadpakt). Die Betonung einer eigenständigen irakischen Politik im arabischen Raum brachte Kassem in Konflikt mit panarabischen Kräften im Innern, außenpolitisch v. a. mit dem ägyptischen Präsident G. Abd el-Nasser. Die Forderung auf Einverleibung Kuwaits verstärkte die Isolierung Iraks unter den Staaten der Arabischen Liga. Seit 1961 sah sich die irakische Regierung mit einem Aufstand der Kurden konfrontiert.
Im Februar 1963 stürzten panarabisch-nasseristische Kräfte um General A. S. M. Aref und Mitglieder der panarabisch-sozialistischen Baath-Partei Kassem. Präsident wurde Aref, nach seinem Tod (1966) sein Bruder A. R. Aref. In dieser Periode arbeitete Irak mit Ägypten und Syrien zusammen; Vereinigungspläne scheiterten jedoch an wachsenden Interessengegensätzen zwischen Ägypten und Syrien. 1966 gestand die Regierung den Kurden ein Autonomiestatut zu. Im Juni 1967 nahm Irak auf jordanischer Seite am Sechstagekrieg teil.
Machtergreifung durch die Baathpartei (1968) und das Regime S. Husains (ab 1979):
Unter den Auswirkungen der arabischen Niederlage im Sechstagekrieg übernahm im Juli 1968 die Baath-Partei, die im November 1963 von Präsident Aref aus der Regierung gedrängt worden war, im Zuge eines Militärputsches die Macht. Mit Massenverhaftungen und öffentlichen Exekutionen (1969) setzte Präsident A. H. al-Bakr seine Herrschaft und die seiner Partei durch. Mit der Nationalisierung der »Iraq Petroleum Company« (1972) expandierte die Wirtschaft des Landes. Nach dem Rücktritt al-Bakrs (1979) übernahm S. Husain dessen Ämter in Staat (Vorsitzender des Revolutionsrates und Staatspräsidenten) und Partei (Generalsekretär der Baath-Partei).
Außenpolitisch brach Irak unter dem Regime des Baath die Zusammenarbeit mit Syrien und Ägypten ab und lehnte sich eng an die UdSSR an (Abschluss eines irakisch-sowjetischen Freundschaftsvertrages 1972). Im Nahostkonflikt setzte Irak seine betont antiisraelitische Linie fort, besonders seit Abschluss des ägyptisch-israelischen Rahmenabkommens von Camp David (1978).
Der 1. und der 2. Golfkrieg:
Nach dem Umsturz in Iran (1979) entwickelte sich ein tief greifender Gegensatz zwischen den fundamentalistisch-islamischen Machthabern dort und den sozialistisch-laizistischen Kräften in Irak. Im September kündigte Husain den 1975 mit Iran geschlossenen Grenzvertrag im Bereich des Schatt el-Arab und löste mit dem Einmarsch irakischer Truppen in die iranische Provinz Khusistan (September 1980) den 1. Golfkrieg (1980-88) aus, der in Irak über 250 000 Menschenleben kostete. 1988 kam es zu einem Waffenstillstand mit Iran.
Während des Krieges hatte Husain die irakische Armee verstärkt (damals mit rd. 1 Mio. Mann eine der größten im arabischen Raum) und ihre militärtechnische Ausstattung mit direkter Waffenhilfe der UdSSR sowie Frankreichs und Chinas modernisiert; aber auch andere Staaten hatten sich - besonders in politisch-ideologischer Frontstellung gegen Iran - an Waffenlieferungen beteiligt (u. a. die USA). Im 1. Golfkrieg setzte Irak Giftgas gegen iranische Truppen ein, des Weiteren bei einer Offensive im März 1988 gegen die Kurden im Norden des Landes.
1989/90 bemühte sich Husain verstärkt, Irak eine politische und militärische Führungsrolle im Nahen Osten zu sichern.
Im Anschluss an irakisch-kuwaitische Streitigkeiten im Juli 1990 über die beiderseitige Erdölförderpolitik sowie über gegenseitige Grenzverletzungen bei der Erdölförderung besetzten irakische Truppen am 2. 8. 1990 Kuwait (Flucht der Herrscherfamilie ins Ausland). Unter Berufung auf (umstrittene) historische Ansprüche annektierte Irak, das nur einen schmalen Zugang zum Persischen Golf besitzt, am 8. 8. 1990 Kuwait und erklärte es am 28. 8. zur »19. Provinz«. Weder internationale Sanktionen (Wirtschaftsembargo, Seeblockade) noch die ultimative Resolution des UN-Sicherheitsrates vom November 1990 erreichten den irakischen Rückzug; zwischen August und Dezember 1990 wurden Tausende von Ausländern von der irakischen Regierung festgehalten und zum Teil als »menschliche Schutzschilde« an strategisch wichtige Orte verschleppt (Freilassung erst nach massivem internationalen Druck und mehreren diplomatischen Missionen). Vorbehaltlos nur von der PLO, bedingt auch von Jordanien und Libyen unterstützt, suchte Husain mit seiner Forderung, die Krise um Kuwait im Rahmen einer Gesamtlösung aller Konflikte im Nahen Osten zu beenden, die weitgehende außenpolitische Isolierung Iraks zu überwinden. Seine strikte Weigerung, sich der Forderung des UN-Sicherheitsrates nach Abzug seiner Truppen bis zum 15. 1. 1991 zu beugen, löste am 17. 1. den 2. Golfkrieg aus, in dem die von den USA geführten alliierten Streitkräfte Irak eine schwere Niederlage beibrachten (Einstellung der Kampfhandlungen am 28. 2. 1991). Irak, das beträchtliche Kriegsschäden erlitt (insbesondere Zerstörungen durch die alliierte Luftoffensive), musste sich verpflichten, alle UN-Resolutionen zu erfüllen (u. a. Räumung Kuwaits und Anerkennung seiner Unabhängigkeit, Schadensersatzpflicht gegenüber den durch den Golfkrieg geschädigten Staaten, Einrichtung einer entmilitarisierten Zone zwischen Irak und Kuwait unter UN-Aufsicht).
Anfang März 1991 erhoben sich die schiitischen Muslime in Südirak und die Kurden in Nordirak; beide Aufstände wurden jedoch v. a. von den Einheiten der »Republikanischen Garde« Husains blutig niedergeschlagen. Hunderttausende flüchteten nach Iran und in die Türkei; das Elend der Flüchtlinge veranlasste die USA, v. a. Schutzlager für die Kurden zu errichten, zumal Präsident G. Bush die Gegner Husains in Irak während des Golfkrieges zum aktiven Widerstand gegen den Diktator aufgefordert hatte. Die verfolgten Schiiten zogen sich ins südirakische Sumpfgebiet im Schatt el-Arab zurück.
Irak nach dem 2. Golfkrieg:
Husain, dessen Machtposition nach dem Golfkrieg zunächst geschwächt war und der im März 1991 das Amt des Ministerpräsidenten abgab, konnte nach der Unterdrückung der schiitischen und kurdischen Erhebungen und der Niederschlagung eines Offiziersputsches (Dezember 1991) seine Diktatur wieder konsolidieren. Eine UN-Kommission stellte außer großen Beständen an chemischen Waffen in Irak auch ausführungsreife Pläne für den Bau von Kernwaffen fest. Im Oktober 1991 beschloss der UN-Sicherheitsrat, die irakische Rüstungsindustrie einer ständigen internationalen Kontrolle zu unterstellen.
Das andauernde Wirtschafts- und Handelsembargo gegenüber Irak (festgelegt in verschiedenen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats) führte in Irak zu wachsender Verarmung und hoher Sterblichkeit (v. a. von Kindern). Entsprechend der Resolution 687 des UN-Sicherheitsrats (3. 4. 1991), die die Waffenstillstandsbedingungen für die Beendigung des 2. Golfkriegs enthält, suchte die UNO seitdem die tatsächliche Vernichtung der ABC-Waffen zu kontrollieren, wurde dabei jedoch von der irakischen Regierung oft behindert. Zur Überwachung des Waffenstillstands entsandte die UNO eine Friedenstruppe in die entmilitarisierte Zone beiderseits der irakisch-kuwaitischen Grenze (UNIKOM). Zum Schutz vor Angriffen der irakischen Regierungstruppen wurde in Nordirak, nördlich des 36. Breitengrads, eine Schutzzone für die Kurden (April 1991), in Südirak, südlich des 32. Breitengrads, eine Flugverbotszone zum Schutz der Schiiten eingerichtet (August 1992, im September 1996 bis zum 33. Breitengrad ausgedehnt).
Nach Wahlen vom 19. 5. 1992 in der nordirakischen Zone, die von der Zentralregierung in Bagdad für illegal erklärt wurden, proklamierte das kurdische Regionalparlament am 4. 10. 1992 in Erbil ein konföderatives »Kurdistan« innerhalb Iraks. Bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der rivalisierenden Kurdengruppen, besonders der Demokratischen Partei Kurdistans (DPK) von M. Barsani und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) von J. Talabani, führten jedoch 1993/94 zu einer Aufteilung des nordirakischen Gebiets unter die Kampfparteien. Zwischen 1991 und 1996 drangen türkische Truppen wiederholt in das Gebiet ein, um Stützpunkte der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) anzugreifen; im Süden der kurdischen Zone kam es 1995 zu Kämpfen mit irakischen Regierungstruppen.
Im Januar 1993 führten die ständigen Behinderungen der UN-Inspektionen, der Aufmarsch irakischer Truppen in den von der UNO Kuwait zugesprochenen Gebietsstreifen zum Abtransport noch dort lagernden Kriegsmaterials sowie die Missachtung der Flugverbotszone zu alliierten Luftangriffen (USA, Großbritannien und Frankreich); weitere militärische Schläge der USA folgten auf Enthüllungen, dass der irakische Geheimdienst im April 1993 versucht haben soll, den damaligen amerikanischen Präsident Bush zu ermorden.
Im November 1993 legte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) einen Bericht vor, demzufolge das Kernwaffenprogramm Iraks entweder vollständig zerstört oder zumindest neutralisiert sei; im Juni 1994 stellte die UNO fest, dass das Land über keine chemische Kampfstoffe mehr verfüge. Am 10. 11. 1994 erkannte Irak die Grenzen und Souveränität Kuwaits sowie sämtliche UN-Resolutionen an, nachdem die an die Grenze zu Kuwait verlegten irakischen Truppenkontingente auf militärischem Druck der USA hin zurückgezogen worden waren. V. a. vor dem Hintergrund der Frage der Reparationszahlungen, der steigenden Zahl von Menschenrechtsverletzungen, der konventionellen Aufrüstung und der im Sommer 1995 von Rüstungsfachleuten der UNO bekannt gegebenen Tatsache, dass Irak 1991 über 200 einsatzfähige biologische Sprengköpfe verfügt hatte, wurde das UN-Embargo insbesondere auf Initiative der USA (aber auch Großbritanniens, Kuwaits und Saudi-Arabiens) mehrfach verlängert. Die sich ständig verschärfende Lebensmittelknappheit und die dadurch ausgelöste Inflation (Anfang 1992: etwa 2 000 %) zwangen zur Einführung eines rigorosen staatlichen Rationierungssystems. Der weitgehenden wirtschaftlichen Isolierung - in gewissem Umfang gelang es Irak indes, über Iran und Jordanien illegal Erdöl zu exportieren - suchte die irakische Wirtschaftspolitik mit Bestrebungen zu größtmöglicher Autarkie zu begegnen.
Nachdem Husain 1994 mit Hinweis auf die von den Kriegsfolgen beeinträchtigte Wirtschaft wieder selbst das Amt des Ministerpräsidenten übernommen hatte, ließ er sich in einem Referendum am 15. 10. 1995 (als einziger Bewerber) für weitere sieben Jahre als Staatspräsident bestätigen. Die innenpolitische Krise des Regimes verschärfte sich 1995 mit dem blutig niedergeschlagenen Aufstand bislang regierungstreuer sunnitischer Stämme in der westirakischen Provinz Anbar, der brutalen Unterdrückung einer Militärrebellion in dem unweit von Bagdad gelegenen Abu Gharib (anschließende Hinrichtung von etwa 150 beteiligten Militärs) und der Flucht der Schwiegersöhne Husains, beide bis dahin hochrangige Mitglieder der irakischen Führung, mit ihren Familien nach Jordanien (August 1995), die zu einer Säuberungswelle in der Staats-, Partei- und Militärhierarchie führte; die - angeblich aufgrund einer Amnestierung durch Husain - im Februar 1996 zurückgekehrten Schwiegersöhne wurden kurz danach ermordet. Irak. Truppen mischten sich Ende August 1996 auf ein »Hilfsersuchen« der von Barsani geführten KDP in die erneut eskalierenden innerkurd. Kämpfe in der nordirakischen UN-Schutzzone ein. Im September reagierten die USA darauf mit einem (vom UN-Sicherheitsrat nicht offiziell unterstützten) militärischen Luftschlag. Bis Oktober 1996 konnten die Truppen der PUK unter Talabani ihr traditionelles Einflussgebiet in Nordirak wieder besetzen. Die von der irakischen Regierung gesteuerten Parlamentswahlen am 27. 3. 2000 sicherten allen 165 Kandidaten der Baath-Partei einen Abgeordnetensitz (darunter auch dem Präsidentensohn Uday Husain); im Mai 2001 ließ sich S. Husain als Generalsekretär der Baath-Partei bestätigen und lancierte seinen Sohn Kusay in deren Führungsgremium.
1996 schloss die UNO mit Irak ein Abkommen (»Öl für Nahrungsmittel«), das die begrenzte Ausfuhr von irakischem Erdöl vorrangig zum Zweck der Beschaffung von Versorgungsgütern für die Bevölkerung erlaubte, deren Situation sich allerdings mit anhaltender Dauer der Sanktionen zuspitzte (in wachsendem Maße von Vertretern der UN-Hilfsorganisationen kritisiert). Besonders das Rüstungskontrollprogramm führte immer wieder zu starken Spannungen zwischen der UNO und ihren Waffeninspektoren einerseits sowie der irakischen Regierung andererseits; irakische Boykottmaßnahmen gegen Inspektionen und deren schließliche Unterbindung (Ende 1998), aber auch Zwischenfälle in den Flugverbots- beziehungsweise Schutzzonen nahmen die USA (zum Teil mit militärischer Unterstützung durch Großbritannien) zum Anlass für Luftangriffe gegen irakische Militärstellungen und infrastrukturelle Ziele im Land (1996, 1998-2000 und 2001/02). Als der Irak als einziger Staat die verheerenden Terroranschläge auf New York und das Pentagon am 11. 9. 2001 nicht verurteilte und sie als Folge der »verbrecherischen« amerikanischen Außenpolitik wertete, erhöhten sich die Spannungen mit den USA erneut drastisch; diese beschuldigten das irakische Regime (nach amerikanischer Lesart Mitglied einer »Achse des Bösen«), terroristische Organisationen zu unterstützen sowie erneut nach dem Besitz von Massenvernichtungswaffen zu streben, und behielten sich ein militärisches Vorgehen gegen Irak als »Option« vor. Im Mai 2002 beschloss der UN-Sicherheitsrat auf Initiative der USA eine Modifizierung der Sanktionspolitik; in Ablösung der »Öl für Nahrungsmittel«-Regelung erhielt Irak erstmals die Möglichkeit, über den Import aller zivilen Güter zu verfügen; zugleich wurde das Rüstungsembargo verschärft.
Allgemeines:
'A. al-J. 'Abd al-Rahmān: Iraq (Oxford 1984);
K. Habib: Zur heutigen Wirtschaftslage im I., in: Inamo-Beiträge 1 (1995).
S. H. Longrigg: Four centuries of modern Iraq (Oxford 1925, Nachdr. Farnborough 1968);
S. H. Longrigg: Iraq: 1900-1950 (Beirut 31968);
M. Khadduri: Independent Iraq, 1932-1958. A study in Iraqi politics (London 21960);
M. Khadduri: Republican 'Iraq. A study in 'Iraqi politics since the revolution of 1958 (ebd. 1969);
M. Khadduri: Socialist Iraq. A study of Iraqi politics since 1968 (Washington, D. C., 1978);
M. R. al-Feel: The historical geography of Iraq. .., 1258-1534, 2 Bde. (Nejef 1965-67);
H. A. Foster: The making of modern Iraq (Neuausg. New York 1972);
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C. M. Helms: Iraq. Eastern flank of the Arab world (Washington, D. C., 1984);
P. Sluglett u. M. Farouk-Sluglett: Der I. seit 1958. Von der Revolution zur Diktatur (a. d. Engl., 1991);
H. Weiler: Der Konflikt am Pers. Golf aus völkerrechtl. Sicht (1992).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Golfkrieg: Regional- und weltpolitische Aspekte der Golfkriege
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Universal-Lexikon. 2012.