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Siebenbürgen
Transsylvanien; Transilvania (rumänisch); Transsilvania (lat.); Ardeal (rumänisch); Erdély (ungarisch); Transsilvanien

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Sie|ben|bụ̈r|gen; -s:
Gebiet in Rumänien.

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Siebenbụ̈rgen,
 
rumänisch Transilvạnia, Ardeạl, ungarisch Erdély ['ɛrdeːj], historische Landschaft in Rumänien, im Innern des Karpatenbogens, etwa 80 000 km2, 6,4 Mio. Einwohner; umfasst v. a. das von den Ost- und Südkarpaten im Norden, Osten und Süden und vom Westsiebenbürgischen Gebirge (mit Bihorgebirge) im Westen umschlossene, 300-800 m über dem Meeresspiegel gelegene Siebenbürger Hochland, ein lössbedecktes, ehemalig stark bewaldetes Hügelland, das durch Maros (Hauptfluss von Siebenbürgen), Alt, Großer und Kleiner Kokel, Szamos u. a. Flüsse gegliedert wird. Durch tektonische Bewegungen entstanden kleine Teilbecken und Senken am Innenrand der Ostkarpaten (Burzenland, Gheorgheni-, Ciucbecken) sowie am Südkarpatenrand und östlich vom Bihorgebirge (Fogarasch-, Turdasenke). Außerdem gehören im Nordwesten das Szamoshochland sowie große Teile des Westsiebenbürgischen Gebirges, im weiteren Sinn auch noch Marmarosch im Norden und Crişana im Westen zu Siebenbürgen, wodurch die Gesamtfläche 98 000 km2 erreicht. Gegen Westen ist Siebenbürgen durch die Täler von Maros und Szamos zum Großen Ungarischen Tiefland geöffnet. Das Klima ist gemäßigt kontinental und im Norden niederschlagsarm. Im Süden herrschen Eichenwälder vor, in den Randgebirgen Buchen- und Fichtenwälder.
 
Der Anteil der Rumänen an der Bevölkerung stieg bis heute auf 76 % an (vor zehn Jahren bei etwa 65 %), der Anteil der Ungarn (Szekler), die im Ostteil leben, verminderte sich entsprechend auf 24 %. Das Gebiet zwischen Großer Kokel und Alt, das Burzenland und der Nordostteil sind Siedlungsgebiete der Siebenbürger Sachsen. Haupterwerbszweig ist die Landwirtschaft mit Anbau von Mais, Weizen, Kartoffeln, Zuckerrüben; Wein- (im Gebiet der Großen und Kleinen Kokel) und Obstbau sowie Schweine- (besonders im Süden), Rinder- und Schafzucht. In den angrenzenden Gebirgen ist die Waldwirtschaft von Bedeutung. Die Industrie umfasst Eisenmetallurgie, Maschinenbau, chemische, Textil-, Leder-, Nahrungsmittel-, keramische und Papierindustrie sowie Druckereien; größte Industriestandorte sind Klausenburg, Kronstadt, Hermannstadt und Neumarkt. Neben Erdgas- und Salzgewinnung sind Braunkohle- und Bauxitförderung wichtig.
 
Geschichte:
 
Das seit dem Altpaläolithikum kontinuierlich besiedelte Siebenbürgen wurde seit dem 2. Jahrtausend v. Chr. von den nordthrakischen Dakern bewohnt; es war das Kernland ihrer Reiche sowie Zentrum der 106 n. Chr. von Kaiser Trajan errrichteten römischen Provinz Dakien. Nach dem Rückzug der Römer (270/271; Nachkommen: Dakoromanen) von Sarmaten, Goten und Hunnen beherrscht, gehörte Siebenbürgen zu den Reichen der Gepiden (bis 567), Awaren (bis Ende des 7. Jahrhunderts) und Bulgaren, bevor es zwischen 895/896 und 955 von Magyaren besetzt wurde, die bis Ende des 12. Jahrhunderts noch ansässige slawische Bevölkerungsgruppen assimilierten. In dem von König Stephan I. unterworfenen und bis 1526 zu Ungarn gehörenden autonomen Siebenbürgen wurden zur Grenzverteidigung im 10. Jahrhundert Szekler (1213 erstmals erwähnt) und ab etwa 1150 deutsche Bauern und Handwerker (Siebenbürger Sachsen; zunächst nur etwa 3 000) angesiedelt; 1211-25 breitete sich im Burzenland der Deutschen Orden aus. Eine rumänische Bevölkerung gilt seit etwa 1210 sicher bezeugt, als walachische Wanderhirten in den Karpaten unter eigenen Knesen (Fürsten) sesshaft wurden; mögliches früheres Auftreten in waldreichen Bergregionen ist umstritten. 1437 schlossen sich ungarischer Adel, Szekler und Siebenbürger Sachsen zur »Union der drei Nationen« zusammen, die der Verteidigung ihrer ständischen Privilegien gegen die Rumänen sowie der Abwehr der 1432, 1438 und 1442 vordringenden Türken diente; sie führte aber auch die älteren Bestrebungen der Woiwoden von Siebenbürgen (u. a. J. Hunyadi, 1441-56) nach größerer Unabhängigkeit von Ungarn fort.
 
Nach dem Sieg der Türken bei Mohács (1526) konnte sich der Habsburger König Ferdinand I. in Siebenbürgen nicht gegen den von den Osmanen unterstützten J. Zápolya durchsetzen. Unter dessen Nachfolgern wurde Siebenbürgen nach 1541 ein der Hohen Pforte tributäres, aber weitgehend autonomes Fürstentum mit eigenem Landtag der drei »Nationen« und von diesem gewählten Fürsten, meist aus den ungarischen Familien Báthory und Rákócsi. Unter Stephan IV. Báthory (1571-83) und G. Bethlen von Iktár (1613-29) erreichte Siebenbürgen seine wirtschaftliche und kulturelle Blüte. Die vier nach der Reformation vertretenen Konfessionen (Katholiken, Lutheraner, Kalvinisten, Unitarier) beachteten seit 1557 eine beispielhafte religiöse Toleranz und »duldeten« die Orthodoxie der Rumänen. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts setzte ein durch schwache Fürsten, Aufstände und die österreichischen Erfolge gegen die Türken bedingter Niedergang ein, sodass Fürst Mihály I. Apafi (✝ 1690) die Oberhoheit des Kaisers anerkannte (1686). Durch das Leopoldinische Diplom (1691) und endgültig im Frieden von Karlowitz (1699) wurde Siebenbürgen mit dem Habsburgerreich verbunden und als eigenes »Großfürstentum« (seit 1765) von einem Gubernium in Hermannstadt und in der »Siebenbürger Hofkanzlei« in Wien verwaltet. Gegenreformatorische Maßnahmen scheiterten am Widerstand der Stände. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts forderten die Rumänen, nun die absolute Mehrheit der Bevölkerung, unter der Führung der unierten Geistlichkeit, den Trägern des rumänischen Nationalgedankens, ihre Gleichstellung mit den drei anderen »Nationen«. Die 1766 eingerichtete siebenbürgische Militärgrenze wurde 1851 aufgehoben. Ein Aufstand leibeigener rumänischen Bauern unter Horia (1784/85) führte zur Aufhebung der Leibeigenschaft durch Kaiser Joseph II. (1785).
 
In den Revolutionsjahren 1848/49 kurz eins mit Ungarn, wurde Siebenbürgen nach dem Österreichisch-Ungarischen Ausgleich 1867 unter Verlust der Autonomie wieder mit Ungarn vereinigt. Die starke Magyarisierungspolitik (u. a. Auflösung der Ständevertretung, 1876 Einführung der ungarischen Komitatsverfassung) stieß auf den entschiedenen Widerstand der Rumänen und Siebenbürger Sachsen. Die Rumänen sprachen sich am 1. 12. 1918 in Karlsburg, die Siebenbürger Sachsen und Rumänienungarn am 28. 12. 1918/ 8. 1. 1919 in Mediasch für den Anschluss Siebenbürgens an Rumänien aus, dem Ungarn 1920 im Frieden von Trianon zustimmen musste. Die nach dem 2. Wiener Schiedsspruch 1940 erfolgte Angliederung des nördlichen und südöstlichen Siebenbürgen (mit Nösner- und Szeklerland) an Ungarn wurde im Pariser Frieden von 1947 zurückgenommen.
 
Kunst:
 
Die Kunst Siebenbürgens ist stark von mittel- und westeuropäischen Einflüssen geprägt. Das hervorragendste mittelalterliche Bauwerk, die Kathedrale in Karlsburg (erbaut zwischen 1241 und 1356), ist von den Domen Mitteldeutschlands, v. a. dem Magdeburgs, geprägt. Im Spätmittelalter entstanden unter dem Einfluss der Prager Parlerhütte bedeutende Hallenkirchen, Sankt Michael in Klausenburg (um 1350 ff.) und die Schwarze Kirche in Kronstadt (um 1385-1477). Die Bedrohung durch die Türken führte nach 1493 bis etwa 1530 zum Um- und Ausbau der Kirchen zu Kirchenburgen, z. B. in Tartlau (rumänisch Prejmer; bei Kronstadt; 13.-16. Jahrhundert) oder Schönberg (rumänisch Dealu Frumos) westlich von Fogarasch, Mediasch, Wurmloch (rumänisch Valea Viilor) oder Bussd (rumänisch Buzd) bei Mediasch und Bussd (rumänisch Boz) östlich von Sebeş. Die Wandmalerei des 14. Jahrhunderts zeigt Beziehungen zur byzantinischen und serbischen Kunst, vermittelt über die Walachei, später über Klausenburg, das besonders für die Plastik des Spätmittelalters, mit Prag durch die Straße über Kaschau verbunden, das Zentrum gewesen zu sein scheint (Erzgießer Martin und Georg von Klausenburg, tätig 1470-90). Berührungen mit dem islamischen Kunstkreis während der Türkenzeit haben sich v. a. im Kunsthandwerk ausgewirkt. Seit dem 18. Jahrhundert wurde die Kunst Siebenbürgens v. a. von Österreich her bestimmt; die Eigenart der Nationalitäten (Siebenbürger Sachsen, Rumänen, Ungarn) tritt besonders in der Volkskunst (Stickerei, Weberei, Spitzenarbeit, Holzschnitzereien) hervor.
 
Literatur:
 
Geschichte: E. Horváth: Die Gesch. S.s (Budapest 1943);
 K. Horedt: Unterss. zur Frühgesch. S.s (Bukarest 1958);
 K. Horedt: S. im Früh-MA. (1986);
 O. Mittelstrass: Beitrr. zur Siedlungsgesch. S.s im MA., 2 Tle. (1961);
 
Brève histoire de la Transylvanie, hg. v. C. Daicoviciu u. a. (Bukarest 1965);
 A. Matthiae: S. (41967);
 K. Hitchins: Studien zur modernen Gesch. Transsilvaniens (a. d. Rumän., Klausenburg 1971);
 C. Bodea u. V. Cândea: Transylvania in the history of the Romanians (Boulder, Colo., 1982);
 S. Pascu: A history of Transylvania (a. d. Rumän., Detroit, Mich., 1982);
 
Transylvania. The roots of ethnic conflict, hg. v. J. F. Cadzow u. a. (Kent, Ohio, 1983);
 
Wege landeskundl. Forschung. 25 Jahre Arbeitskreis für Siebenbürg. Landeskunde 1962-1987, bearb. v. K. G. Gündisch (1988);
 
Kurze Gesch. S.s, hg. v. B. Köpeczi (a. d. Ungar., Budapest 1990);
 
Histor.-Landeskundl. Atlas von S., bearb. v. W. Heller u. a., 3 Tle. (1992-93);
 H. Roth: Kleine Gesch. S.s (1996);
 
S. im Flug, bearb. v. G. Gerster u. M. Rill (1997).
 
Kunst: G. Treiber: Mittelalterl. Kirchen in S. (1971);
 
Studien zur siebenbürg. Kunstgesch., bearb. v. G. Gündisch u. a. (1976);
 
Kirchenburgen in S., Beitrr. v. H. Fabini u. a. (21991);
 W. Myss: Kunst in S. (Thaur 1991).
 

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Sie|ben|bụ̈r|gen; -s: Gebiet in Rumänien.

Universal-Lexikon. 2012.