Akademik

Krimkrieg
Orientkrieg

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I
Krimkrieg
 
Als Schutzmacht der im Osmanischen Reich lebenden christlichen Untertanen stellte Zar Nikolaus I. in ultimativer Form Forderungen an den Sultan, die dieser ablehnte. Als daraufhin der Zar die Donaufürstentümer Moldau und Walachei besetzen ließ, erklärte die Türkei im Oktober 1853 Russland den Krieg; der Krimkrieg hatte begonnen. Großbritannien und Frankreich traten dem russischen Vordringen nach Südosteuropa im Interesse des europäischen Gleichgewichts entgegen. Da ihre Forderung nach Räumung der besetzten Gebiete unbeantwortet blieb, erklärten sie Ende März 1854 Russland den Krieg.
 
Seit 1815 standen erstmalig wieder europäische Großmächte gegeneinander im Krieg, die Heilige Allianz war endgültig zerbrochen. Da jedoch Preußen und Österreich neutral blieben, weitete sich der Krieg nicht aus, sondern blieb im Wesentlichen auf das Gebiet des Schwarzen Meeres begrenzt und spielte sich hauptsächlich auf der Krim ab. Von Oktober 1854 bis September 1855 belagerten britische und französische Streitkräfte sowie ein italienisches Hilfscorps die Festung Sewastopol. Nach ihrem Fall führten Waffenstillstandsverhandlungen mit dem neuen Zaren Alexander II. zur Beendigung des Krieges, der mit einer halben Million Toten außerordentlich verlustreich gewesen war.
 
In dem am 30. März 1856 in Paris unterzeichneten Frieden wurde der Bestand des Osmanischen Reiches gewährleistet. Die Donaufürstentümer verblieben nominell unter der Oberhoheit des Sultans, doch gaben die Großmächte Garantien für ihre weitgehende Autonomie ab: Sie wurden 1878 zu dem neuen Königreich Rumänien vereinigt. Das Osmanische Reich versprach die Durchführung innenpolitischer Reformen (Gleichstellung von Islam und Christentum) und musste sich ausländischen Handelsverträgen mit niedrigen Einfuhrzöllen öffnen; die Staatseinnahmen wurden verpfändet.
 
Das Schwarze Meer wurde neutralisiert. Russland und die Türkei durften weder Küstenbefestigungen anlegen noch Kriegsschiffe unterhalten (Pontusklausel). Der Krimkrieg führte zu einer dauernden Verstimmung zwischen Russland und Österreich. Russland hatte als Dank für die Hilfe bei der Niederschlagung des ungarischen Aufstandes 1849 auf österreichische Unterstützung gerechnet. Stattdessen hatte Österreich durch die Mobilmachung seiner grenznahen Truppen die Russen gezwungen, die Donaufürstentümer wieder zu räumen. Russland musste auf die Schutzherrschaft über die türkischen Christen verzichten; diese standen nun unter dem Protektorat aller Großmächte.
 
II
Krịmkrieg,
 
der Krieg, den das Osmanische Reich und an seiner Seite Großbritannien und Frankreich (seit 1855 auch Sardinien) 1853/54-56 gegen Russland führten.
 
Die Ursachen des Krimkriegs sind in der politischen Lage im Vorderen Orient zu sehen, wo der Verfall des Osmanischen Reiches Interessenkonflikte zwischen den Großmächten, besonders zwischen Russland und Großbritannien, hervorgerufen hatte (orientalische Frage). Der Anlass war ein an die osmanische Regierung (die »Pforte«) gerichtetes, von ihr dann mit britischer und französischer Rückendeckung abgelehntes Ultimatum des russischen Kaisers Nikolaus I.; er forderte, die russische Schutzherrschaft über die orthodoxen Christen des Osmanischen Reiches anzuerkennen. Auf das Einrücken eines russischen Korps in die Donaufürstentümer Moldau und Walachei erklärte am 4. 10. 1853 die Pforte den Krieg, am 28. 3. 1854 folgten die Westmächte nach. Diese landeten am 14. 9. ein Expeditionskorps auf der Krim, wo in mehreren Schlachten und besonders durch die elfmonatige Belagerung von Sewastopol (seit 17. 10. 1854) die militärische Entscheidung herbeigeführt wurde (erster Stellungskrieg der modernen Geschichte). Die Russen, die ohne Eisenbahn keinen ausreichenden Nachschub organisieren konnten, gaben am 9. 9. 1855 Sewastopol auf. Das militärische Geschehen auf der Krim wurde, neben einer Blockade der russischen Ostseehäfen, flankiert von einem Bündnis der Westmächte mit Österreich (2. 12. 1854, das ohne Kriegseintritt durch seine drohende Haltung starke russische Kräfte band, sowie durch den Kriegseintritt Sardiniens (26. 1. 1855, das sich dadurch die französische Unterstützung der nationalitalischen Ziele sichern wollte. Am 28. 11. 1855 nahmen die Russen die türkische Festung Kars ein. Im Pariser Frieden (30. 3. 1856 verzichtete das vor dem (v. a. wirtschaftlichen) Zusammenbruch stehende Russland auf das Protektorat über die Donaufürstentümer und die orthodoxen Christen im Osmanischen Reich, trat die Donaumündungen und das südliche Bessarabien an das Fürstentum Moldau ab, erkannte die Freiheit der Donauschifffahrt unter internationaler Kontrolle an und gab Kars zurück. Das Schwarze Meer wurde entmilitarisiert; Russland verpflichtete sich, hier keine Kriegsflotte zu halten und keine Festungen anzulegen. Von dieser Verpflichtung sagte es sich 1870 los, was die Londoner Konferenz 1871 bestätigte.
 
Das kontinentale Übergewicht Russlands um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde durch den Krimkrieg gebrochen; die Niederlage war Anlass zu inneren Reformen (Bauernbefreiung, Eisenbahnbau). In Europa wurde der Pariser Frieden als ein Sieg des Liberalismus über die Autokratie gefeiert. Das Europäische Konzert, im Pariser Frieden zum letzten Mal offiziell genannt, war gesprengt; besonders zwischen Österreich und Russland war eine Feindschaft entstanden, der Bismarck 1866 und 1870 die Rückendeckung durch Russland verdankte.
 
Literatur:
 
B. Unckel: Österreich u. der K. (1969);
 W. Baumgart: Der Friede von Paris 1856 (1972);
 
Akten zur Gesch. des K., bearb. v. W. Baumgart, auf mehrere Bde. ber. (1979 ff.);
 W. Treue: Der K. u. seine Bedeutung für die modernen Flotten (21980);
 G. Werth: Der K. (Neuausg. 1992);
 H. Wentker: Zerstörung der Großmacht Rußland? Die brit. Kriegsziele im K. (1993).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
 
Osmanisches Reich (1683 bis 1856): Vom Niedergang einer Großmacht
 
Russland: Die Expansion nach dem Krimkrieg
 

Universal-Lexikon. 2012.