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Askese
Enthaltsamkeit; Entsagung; Abstinenz; Mäßigung; Zurückhaltung; Aszese; Enthaltung

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As|ke|se 〈f. 19; unz.〉 streng enthaltsame Lebensweise, Selbstüberwindung, Entsagung, Bußübung, um Begierden abzutöten u. Laster zu überwinden [zu grch. askein „üben“]

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As|ke|se, die; - [griech. áskēsis = Übung, Lebensweise]:
a) streng enthaltsame u. entsagende Lebensweise [zur Verwirklichung sittlicher u. religiöser Ideale]:
A. üben;
in strenger A. leben;
b) Bußübung zur Überwindung von Lastern u. Abtötung von Begierden.

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I
Askese
 
[griechisch »(körperliche und geistige) Übung«, »Lebensweise«] die, -, ursprünglich die Zucht, das Training und die Enthaltsamkeit der Athleten; dann allgemein die religiös-ethisch begründete Enthaltsamkeit mit verschiedenen Ausprägungen und Stufen: Enthaltung von bestimmten Speisen und Getränken, von Geschlechtsverkehr, von lustbezogenen Verhaltensweisen und Konsummöglichkeiten, Ablegen von (wärmender) Kleidung (z. B. die Digambaras des Jainismus, Jaina), völlige Abkehr von weltlichen Freuden auch auf der psychisch-kognitiven Ebene und von der Gemeinschaft (Einsamkeit, Schweigen), bis hin zu rigoristischen und zum Teil pathologischen Übertreibungen (z. B. Flagellanten). - In der Religionsgeschichte ist Askese allen Kulturen bekannt.Vor allem von den Trägern kultureller Akte (Medizinmänner, Schamanen, Priester) kann zur Vorbereitung und Durchführung kultureller Handlungen eine besondere Askese gefordert sein, die oft als Mittel, (magische) Kraft (Mana) zu konzentrieren, verstanden wird. In Hinduismus und Buddhismus spielt Askese eine überragende Rolle, da Erlösung die Überwindung von Begierden jeglicher Art und damit das Freisein von allen Bindungen voraussetzt. In den Hochkulturen, v. a. in den Religionen der Völker des Mittelmeerraums, verstärkt sich die Tendenz, Askese nicht nur im Blick auf begrenzte kulturelle Anlässe, sondern für jedermann und für das ganze Leben zu verlangen. Die Entwicklung wurde besonders von religiösen Konzepten gefördert, die im Einflussbereich antiker dualistischer Philosphie Ich und Welt oder Seele und Körper in einen Gegensatz stellen (Dualismus), sodass Askese als Mittel verstanden wird, die unsterbliche Seele aus der Materie, dem Ursprung des Übels, zu befreien. Die jüdische Religion kennt diese Form der Askese nicht, wenngleich auch hier vereinzelt (z. B. in der Gemeinschaft von Qumran, bei den Nasiräern, bei Philon von Alexandria) Enthaltsamkeits-, meist Fastenforderungen erhoben wurden. Ähnlich kennt der Islam in seinen Anfängen Askese nur in der typisch morgenländischen Form des Fastens (Ramadan). Erst mit dem Aufkommen einer islamischen Mystik (Sufismus), später nachhaltig getragen von den Derwischorden, gewinnt die Askese einen höheren Stellenwert. - Im Christentum kann sich die Askese nur bedingt auf Jesus berufen (z. B. Fasten, Markus 2, 20; aber dagegen Matthäus 11, 19). Aus der hellenistischen Philosophie, der Gnosis und der Tradition der Gemeinschaft von Qumran drangen allerdings asketische Züge in das Frühchristentum ein, die dann in Mönchtum, Orden und Mystik ihre volle Ausprägung erfuhren. Askese (jetzt meist Aszese genannt) spielt nunmehr als bewusstes Streben nach Vollkommenheit, Abwendung von Sünde und (oft auch) Welt, Hinwendung zu Gott und Einübung der Tugenden eine so wichtige Rolle, dass es in der katholischen Kirche zur Ausbildung einer eigenen theologischen Disziplin, der Aszetik, kam, die zunächst (seit dem 17./18. Jahrhundert) in Ordensschulen praktiziert, 1931 in den kirchlichen Studienplan aufgenommen wurde. Der Einfluss der aus dem Manichäismus kommenden Leibfeindlichkeit auf die Geschichte der Askese ist nicht zu übersehen. Eine bis heute verwendete systematische Anweisung zur meditativen Askese bilden die »Geistlichen Übungen« (Exercitia spiritualia) des Ignatius von Loyola. - Die Stellung der Kirchen der Reformation zur Askese ist einerseits von dem Kampf der Reformatoren gegen die Werkgerechtigkeit bestimmt, andererseits wurde jedoch, v. a. von der kalvinistisch-puritanischen Ethik, ein Berufsethos - Rechtfertigung rastloser Berufsarbeit, ökonomisch rationale Lebensführung, Sparsamkeit und Kapitalbildung (zum »Ruhme Gottes«) - entwickelt, das starke asketische Züge trägt, sodass man mit M. Weber und E. Troeltsch von einer »innerweltlichen Askese« sprechen kann, die entscheidend zur Herausbildung der kapitalistischen Industriegesellschaft beigetragen hat. Mit der Entfaltung der Wohlstandsgesellschaft, der Ausbreitung von Komsumhedonismus und Freizeitorientierung hat sich dieser asketische Lebensstil abgeschwächt, mit der Folge einer Krise der ethisch-motivationalen Voraussetzungen der modernen Leistungsgesellschaft. Vor diesem Hintergrund, der seit den letzten Jahrzehnten weltweit mit einer Verschärfung der sozialen und ökologischen Probleme verbunden ist, fordern einzelne kirchliche u. a. Gruppen in den westlichen Industriestaaten einen neuen, durch bewussten Konsum und Verzicht geprägten Lebensstil. Dessen zeichenhafte Vorwegnahme wird v. a. in bestimmten Aktionen gesehen (z. B. kirchliche Fastenaktionen, Verzicht auf Autofahren u. a.).
 
Literatur:
 
M. Weber: Die prot. Ethik u. der Geist des Kapitalismus, in: Archiv für Sozialwiss. u. Sozialpolitik, Jg. 20 (1904) u. 21 (1905);
 E. Troeltsch: Die Soziallehren der Christl. Kirchen u. Gruppen (21923);
 J. Stelzenberger: Die Beziehungen der frühchristl. Sittenlehre zur Ethik der Stoa (1933);
 L. Massignon in: Enzykl. des Islam, Bd. 4 (Leiden 1934), S. 1341 ff.;
 H. von Campenhausen: Die A. im Urchristentum (1949);
 J. Leipoldt: Griech. Philosophie u. frühchristl. A. (1961);
 D. Bell: Die Zukunft der westl. Welt (a. d. Amerikan., 21979);
 C. F. von Weizsäcker: Gehen wir einer asket. Weltkultur entgegen ?, in: DERS.: Deutlichkeit (1981).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
 
Pythagoreer: Askese, Zahlenphilosophie und Harmonielehre
 
Yoga und Askese: Wege zur Erkenntnis
 
II
Askese,
 
Streben nach ethischer, geistiger oder religiöser Vervollkommnung durch Unterdrückung egoistischer und sinnlicher Bedürfnisse sowie durch Einschränkung von Essen (z. B. Fasten), Trinken und Schlaf.
 
Im Zusammenhang mit der modernen Konsumgesellschaft hat die Forderung nach zumindest vorübergehender Askese, beispielsweise ein mehrwöchiger Verzicht auf Fernsehen, wieder an Aktualität gewonnen.
 

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As|ke|se, die; - [griech. áskēsis = Übung, Lebensweise]: a) streng enthaltsame u. entsagende Lebensweise [zur Verwirklichung sittlicher u. religiöser Ideale]: Jeschaja hatte ein Asketengesicht, ohne je A. geübt zu haben (Buber, Gog 78); in strenger A. leben; b) Bußübung zur Überwindung von Lastern und Abtötung von Begierden.

Universal-Lexikon. 2012.