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Ikone
Ikon; Andachtsbild; geweihtes Tafelbild; Kultbild; besondere Werte verkörpernde Person

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Iko|ne 〈f. 19Heiligenbild der Ostkirche [<grch. eikon „Bild, Abbild“]

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Iko|ne, die; -, -n:
1. [russ. ikona < mgriech. eikóna, zu griech. eiko̅̓n = Bild] Kultbild der orthodoxen Kirche mit der Darstellung heiliger Personen od. ihrer Geschichte.
2. [engl. icon, < mgriech. eikóna, Ikone (1)] Person od. Sache als Verkörperung bestimmter Werte, Vorstellungen, eines bestimmten Lebensgefühls o. Ä.

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Ikone
 
[russisch, von mittelgriechisch eikóna, zu griechisch eiko̅́n »Bild«] die, -/-n, transportables Kultbild der Ostkirchen, auf dem Christus, Maria, andere Heilige oder biblische Szenen wiedergegeben sind. Wie auf dem 2. Konzil von Nicäa 787 in Überwindung des Ikonoklasmus und endgültig erst seit 842/843 theologisch definiert, steht den Ikonen Verehrung, nicht Anbetung zu, die sich auf die in ihnen dargestellten Urbilder bezieht, als deren authentische und gnadenhafte Abbilder die Ikonen verstanden werden. Die Ikonenmalerei gilt als liturgische Handlung (ursprünglich nur von Priestern ausgeübt) und ist hinsichtlich Komposition und Farbgebung sowie der Materialien genau festgelegt (Malerbuch vom Berge Athos). Die Vorbilder verschiedener Bildtypen galten als Acheiropoieta (»nicht von Händen gemacht«), besonders drei Darstellungen (Abdrücke) vom Antlitz Christi (Kamulia, Mandylion und Keramidion). Der Darstellungstypus der Maria als Hodegetria, der zum vorherrschenden Bildtypus der Ostkirche wurde, zählte ebenfalls zu den Acheiropoieta. Man führte ihn wohl seit dem 11. Jahrhundert in Byzanz auf jenes Bild zurück, das der Evangelist Lukas von der Gottesmutter gemalt haben soll.
 
Ikonen sind nach einem bestimmten Schema an der Ikonostase angebracht. Auf dem Pult (Proskynetarion) in der Mitte der Kirche wird jeweils die Ikone des Tagesheiligen oder -festes ausgelegt. In orthodoxen Häusern finden sich Ikonen als private Andachtsbilder.
 
Ikonen wurden meist auf Holz, das mit einem Malgrund bedeckt war, mit Mineralfarben (Eitempera) gemalt und mit einem Schutzfirnis aus gekochtem Leinöl überzogen. Für die Darstellung der göttlichen Personen, des Zyklus der 12 Feste (Verkündigung, Geburt Christi, Darstellung im Tempel, Taufe Christi, Verklärung, Erweckung des Lazarus, Einzug in Jerusalem, Kreuzigung, Christus in der Vorhölle, Himmelfahrt, Pfingsten, Entschlafen Mariä) und einzelner Heiliger bildete sich ein fester Kanon heraus. Dieser wurde bei den göttlichen Personen sehr streng beibehalten, während die Darstellung der Szenen stärker von der Entwicklung der Wand- und Buchmalerei beeinflusst wurde.
 
Die Anfänge der Ikonenmalerei stehen wohl in der Tradition der spätantiken Porträtmalerei, v. a. Ägyptens. Die frühesten erhaltenen Ikonen (5.-7. Jahrhundert) sind neben den koptischen die Sinai-Ikonen (im Katharinenkloster); sie waren meist in enkaustischer Technik hergestellt. Trotz ihres hieratisch-strengen Stils, der sich im Anschluss an den Bilderstreit herausbildete, lassen sie oft ein Nachleben des spätantiken Illusionismus erkennen.
 
Durch die Zerstörungen der Türkenzeit (1453 Fall Konstantinopels) haben sich auf der Balkanhalbinsel nur wenige mittelalterliche (byzantinische) Ikonen erhalten. Ikonen der Komnenenzeit (1081-1204) finden sich v. a. in Russland, teils von griechischen, teils von russischen Meistern nach griechisch-byzantinischen Vorbildern geschaffen. Am eindeutigsten byzantinisch sind die kostbaren, in Konstantinopel entstandenen Mosaikikonen des 12.-14. Jahrhunderts, die als Geschenke an Klöster und Fürstenhöfe gelangten. Aus der Paläologenzeit (1259-1453) sind v. a. in Ohrid einige um 1300 entstandene Ikonen erhalten, die eine neue Intensität religiösen Empfindens ankündigen. Den visionären Stil der späten Paläologenzeit verkörpern besonders die Ikonen, die dem in Russland tätigen Theophanes dem Griechen zugeschrieben werden. Im östlichen Mittelmeergebiet (Kreta, Zypern, Athos, Venedig) bildete sich ein gräkoitalischer Mischstil heraus.
 
Ungebrochen entwickelte sich die Ikonenkunst in Russland. Im 14. und 15. Jahrhundert entstand in Nowgorod ein eigener Stil. Charakteristisch für Nowgoroder Ikonen sind leuchtende Farben; Ocker und Zinnober geben ein warmes Kolorit, mit kräftigen Pinselstrichen sind die Linien sicher und beherrschend gemalt. Neben Nowgorod entstanden hervorragende Malerschulen v. a. in Susdal, Pleskau, Jaroslawl, Twer, Smolensk und Rjasan. In den Susdaler Ikonen herrschen kühle, bläuliche und silbrige Töne vor. Die Farbigkeit der Pleskauer Ikonen ist gewöhnlich dunkel und beschränkt sich auf drei Töne: Rot, Braun und Dunkelgrün, manchmal auch nur auf zwei: Rotorange und Grün. Lichter werden mit Gold als parallele oder auseinander gehende Striche gemalt. Als die Moskauer Großfürsten nach 1380 ihre Vormachtstellung ausbauten, zogen die Ikonen- und Buchmaler von Wladimir und Susdal an den Moskauer Hof. Etwa seit 1405 stand A. Rubljow, ein Schüler von Theophanes dem Griechen, an der Spitze einer Schule von Ikonen- und Freskenmalern, die leuchtende Farben, transparentes Licht und fein geführte Linien bevorzugten. Seine Tradition wurde von Dionissij und seinen Söhnen fortgesetzt und zu einer profaneren Behandlung religiöser Themen erweitert; klare Farben und Formen, Grazie und eine gewisse Eleganz kennzeichnen diese Ikonen. Von Moskau griff die neue Bewegung auch auf das seit 1478 von ihm abhängige Nowgorod, auf Twer und Jaroslawl über. Hier entstanden Ende des 16. Jahrhunderts vorwiegend Hausikonen in kleinem Format mit vielen minutiös gemalten Szenen und feingliedrigen, schlanken Figuren in graziöser Gestik.
 
Um den enormen Bedarf an Ikonen befriedigen zu können, richteten die Zaren um die Mitte des 16. Jahrhunderts Ateliers für Ikonenmaler (»Zarenwerkstätten«) ein. Ihre größte künstlerische Bedeutung erreichten sie zur Zeit Boris Godunows. Prunkvolle, großformatige Tafeln und vielfigurige Szenen, reich vergoldet, wurden bevorzugt. Diese Stilrichtung erlebte unter S. Uschakow ihren Höhepunkt. Die Malerwerkstätten der Nowgoroder Kaufmannsfamilie Stroganow machten eine ähnliche Entwicklung durch. Um die unter abendländischem Einfluss vermehrt aufkommenden realistischen und illusionistischen Elemente zurückzudrängen, wurden mehrfach Musterbücher (russisch »podlinniki«) der alten Bildtypen angelegt und die Maler zur Nachahmung der alten Vorbilder angehalten (z. B. Stoglaw-Konzil 1551). Zu diesem Zweck legten die Stroganows auch die ersten Ikonensammlungen Russlands an. Durch die Massenproduktion der folgenden Jahrhunderte wurde der ursprüngliche Charakter der Ikonen immer mehr verändert, teils durch Aufnahme neuer Stoffe (Apokalypse, märchenhafte Legenden, moralisierende Ikonen), teils durch den Einbruch abendländischer Bildauffassung und Wucherung der Details. Häufig wurden die Ikonen mit prunkvollen Verkleidungen (russisch »risa« oder »oklad«) aus Edelmetall bedeckt, die nur Gesicht und Hände frei ließen. Ikonen gab es auch in Email und Stickerei. Die Ikonen der Altgläubigen blieben stärker der Tradition verhaftet. Durch Erlass Peters I. von 1707 wurden die Zarenwerkstätten aufgelöst und die Trennung der kirchlichen und weltlichen Malerei durchgesetzt. Die Herstellung von Ikonen erfolgte nun in Klosterwerkstätten von Malermönchen. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts bildeten sich im Gouvernement Wladimir neue Zentren der Ikonenmalerei in den Dörfern Palech, Mstjora und Choluj. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die künstlerischen Werte unter dem Einfluss der modernen Kunstrichtungen wieder entdeckt. Seit 1955 besteht ein Ikonenmuseum in Recklinghausen.
 
Literatur:
 
M. Alpatow: Early Russian icon painting (a. d. Russ., Moskau 1974);
 H. Skrobucha: Welt der I. (61977);
 H. Skrobucha: Von Geist u. Gestalt der I. (31984);
 B. Bornheim: I. (1985);
 W. Lindenberg: Die hl. I. (1987);
 H. Brenske: I. (Neuausg. Zürich 1988);
 A. Heuser: I.-Malerei heute (1988);
 V. Ivanov: Das große Buch der russ. I. (a. d. Russ., 1988);
 H. G. Thümmel: Die Frühgesch. der ostkirchl. Bilderlehre (1992);
 
Die Ikonen, hg. v. K. Weitzmann u. a., übers. v. T. Münster (31993);
 H. Belting: Das Bild u. sein Publikum im MA. Form u. Funktion früher Bildtafeln der Passion (21995);
 K. Onasch: I. Kirche, Gesellschaft (1996).

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Ikon, das; -s, -e (seltener), Iko|ne, die; -, -n [russ. ikona < mgriech. eikóna, zu griech. eikṓn = Bild]: Kultbild der orthodoxen Kirche mit der Darstellung heiliger Personen od. ihrer Geschichte: russische, byzantinische Ikonen; eine Ikone aus dem 12. Jh.; Ü indem es (= das Magazin) ihn (= den Prominenten) als naturalistische Ikone auf seinem Umschlag präsentiert (Enzensberger, Einzelheiten I, 86); Der Mann ... war aber auch die I. (Kultfigur) des liberalen München, von Lebensart und Lebenslust (Spiegel 35, 1993, 65).

Universal-Lexikon. 2012.