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Venedig
Ve|ne|dig:
norditalienische Stadt.

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Venedig
 
[v-], italienisch Venezia,  
 1) Hauptstadt der Region Venetien und der Provinz Venedig, Italien, auf zahlreichen eng beieinander liegenden flachen Inseln in der Lagune von Venedig, durch mehrfach durchbrochene sandige Nehrungen (Lidi) vom Adriatischen Meer getrennt, hat einschließlich der auf dem Festland gelegenen Vorstädte Marghera und Mestre als Großgemeinde 291 500 Einwohner. Im eigentlichen Venedig leben etwa 75 000 Einwohner (1945: 180 000). Zu Venedig gehören auch die Inseln Murano und Torcello.
 
Venedig ist (wie die gesamte obere Adriaküste) von der Landsenkung betroffen. 1876-1955 stieg der mittlere Wasserspiegel um 39 cm (8 cm als Folge des Meeresspiegelanstiegs, 31 cm durch Sackung der Sedimente), heute jährlich 4-6 mm. Wasserentnahme für Städte und Industrie (heute Fernwasserversorgung) sowie Erdgasgewinnung (seit 1961 eingestellt) beschleunigten die Absenkung. Bei Sturmfluten wird der 50 cm über Mittelwasser gelegene Markusplatz immer öfter überschwemmt. Hochwasser der Flüsse und auflandige Winde führten am 4. 11. 1966 zum bisher bekannten höchsten Hochwasser (140 cm über dem Markusplatz). Die zunehmenden Überschwemmungen werden auch auf die Trockenlegung von Lagunenflächen und die Verbreiterung und Vertiefung der Wasserfahrrinne auf 14 m zum Erdölhafen Marghera zurückgeführt. Flexible Schleusen und Uferschutzbauten sollen in Zukunft die Hochwasser abhalten, die ökologische Situation der Lagune soll wiederhergestellt werden. Durch die Senkung sind über 600 historisch wertvolle Bauten gefährdet und konnten zum Teil nur mit internationaler Hilfe (v. a. durch die UNESCO, die Venedig zum Weltkulturerbe erklärte) restauriert werden. Industrieabgase (begünstigt durch die feuchte Meeresluft) schädigen v. a. die Marmorbildwerke. Das Sondergesetz der italienischen Regierung zur Rettung Venedigs von 1973 hat bislang wenig konkrete Ergebnisse gebracht.
 
Venedig zählt zu den bedeutenden kulturellen Zentren Italiens. Es ist Sitz eines katholischen Erzbischofs (Patriarch), besitzt eine Universität (gegründet 1868 als Wirtschafts- und Handelshochschule, Universitätsstatus 1968), Hochschulinstitut für Architektur, Konservatorium, Kunstakademie, ein nautisches und ozeanographisches Institut, ferner die 1846 gegründete Markusbibliothek und ein Staatsarchiv sowie zahlreiche Museen. Die bedeutende internationale Biennale für zeitgenössische Kunst, Musik- und Filmfestspiele (seit 1932; die ersten Filmfestspiele der Erde), Opernhäuser (u. a. Teatro »La Fenice«, 1790-92, 1836 erneuert, 1996 durch Brand zerstört, Wiederherstellung im Gange) und Theater unterstreichen den kulturellen Rang Venedigs.
 
Im engeren Stadtbereich sind meist kunstgewerbliche Betriebe (Glas, Schmuck, Textilien, Spitzen, Reiseandenken) angesiedelt. Die eigentliche Industriebetriebe liegen auf dem Festland. Von größter wirtschaftlicher Bedeutung ist der Fremdenverkehr (über 1 Mio. Besucher jährlich). - Seit 1846 ist Venedig durch eine Eisenbahnbrücke, seit 1933 durch eine große Straßenbrücke mit dem Festland verbunden. Der am Festlandssaum gelegene Hafen hat einen Umschlag von (1994) 22 Mio. t. Der Flughafen (Marco Polo) befindet sich auf dem Festland nördlich von Venedig. Der innerstädtische Verkehr erfolgt zum großen Teil mit Barken und Motorbooten auf den vielen Kanälen; Hauptkanal ist der 3,8 km lange, 30-70 m breite Canal Grande.
 
Bevölkerung:
 
Wirtschaft:
 
Verkehr:
 
Stadtbild:
 
Die Stadt liegt auf etwa 150 Inseln; die Baublöcke sind durch breite »canali« oder schmale, seichte »rii« (Singular »rio«) getrennt, manche sind aufgefüllt (rio terrà). Die Gebäude stehen auf tiefen Pfahlrosten und Kalksteinfundamenten. Die Hauptverkehrsader der Stadt ist der Canal Grande, der beim Piazzale Roma, dem Endpunkt der Autostraße und der Eisenbahn, beginnt und in der Nähe des Dogenpalastes (Palazzo Ducale) in den Canale di San Marco mündet. Südlich davon und jenseits des Canale della Giudecca liegen die Inseln La Giudecca und San Giorgio Maggiore (ehemalige Salineninsel).
 
Politischer und (seit Verlegung des Bischofssitzes von San Pietro di Castello nach San Marco 1807) auch kirchlicher Mittelpunkt Venedigs ist der Bereich des Dogenpalastes und der Markuskirche (San Marco; ursprünglich Palastkapelle des Dogen). Diese wurde nach Vorgängerbauten des 9. und 10. Jahrhunderts ab 1063 als byzantinischer Zentralbau über griechisches Kreuz mit fünf Kuppeln und Vorhallen im Westen und Norden (mit Gewölbemosaiken des 13. Jahrhunderts) errichtet; an Haupt- und Nebenfassaden reicher Skulpturen- und v. a. in den Portalnischenwölbungen Mosaikschmuck. Das Innere hat einen polychromen Mosaikfußboden (12. und 13. Jahrhundert) und ist in den unteren Zonen mit Marmorplatten verkleidet, Oberwände und Kuppeln sind vollständig mit goldgrundigen Mosaiken des 12. bis 14. Jahrhunderts ausgeschmückt. Zu den bedeutendsten Stücken der Ausstattung gehören die Pala d'Oro, die bronzene Sakristeitür von J. Sansovino (1545 ff.) und die Ikonostase von Jacobello und Pierpaolo Dalle Masegne (1394-1404). Viele Kunstwerke wurden während der Kreuzzüge im Orient erbeutet: byzantinische Werke der Goldschmiedekunst, Kuppelciborium aus griechischem Marmor u. a. in der Schatzkammer sowie v. a. die vier hellenistischen (?) Bronzepferde, die 1204 in Konstantinopel erbeutet und schließlich über dem Mittelportal der Markuskirche aufgestellt wurden (heute Kopien). Im Museo di San Marco (Museo Marciano, über den Vorhallen der Markuskirche) befinden sich die Originale sowie Wandteppiche des 14. und 15. Jahrhunderts. An der Nordseite der Piazza San Marco befinden sich die Procuratie Vecchie (1500-32), an der Südseite die Procuratie Nuove (1583 ff., von V. Scamozzi), die ehemaligen Sitze der Prokuratoren. Überragt wird der Platz von dem mächtigen Campanile (im 12. Jahrhundert erbaut, zu Beginn des 16. Jahrhunderts erneuert, 1902 eingestürzt und in unveränderter Form 1903-12 wieder aufgebaut). In seiner Nähe die Loggetta, eine mit Bronzefiguren und Marmorreliefs geschmückte Bogenhalle von Sansovino (1537-40, beim Einsturz des Campanile zerstört und 1912 wiederhergestellt). An der Südseite der Markuskirche, mit ihr verbunden durch die skulpturengeschmückte Porta della Carta (1438-42), erstreckt sich der Dogenpalast (14. Jahrhundert ff., auf Vorgängerbauten errichtet), im Westen und Süden sich öffnend in Bogengängen mit gotischen Figurenkapitellen und einer darüber hinlaufenden Loggia mit venezianisch-gotischen durchbrochenen Bögen, über der die glatte Oberwand mit einem Rautenmuster von weißem und rotem Marmor bedeckt ist. Das Innere des einen großen Hof umschließenden Palastes (im Innenhof Prachttreppe »Scala dei Giganti«, von A. Rizzo 1483 begonnen, und zweigeschossiger Triumphbogen »Arco Foscari«, 1462-71) birgt zahlreiche Kunstwerke, vor allem Wand- und Deckengemälde von Tintoretto, Paolo Veronese u. a. Der Westfront des Dogenpalastes gegenüber erheben sich die Markusbibliothek, das Hauptwerk von Sansovino (1536 ff., von Scamozzi 1583-88 vollendet, Deckengemälde von Tizian), und die ebenfalls von Sansovino 1537-45 erbaute Zecca (Münze; heute Biblioteca Marciana mit Handschriftensammlung). Zwischen diesen beiden Bauten liegt die Piazzetta San Marco, die von der Markuskirche zur Lagune führt, mit zwei antiken Granitsäulen (bekrönt von dem Markuslöwen und dem heiligen Theodor von Euchaita, ✝ 306) als Herrschafts- und Gerichtszeichen. Die Ostfront des Dogenpalastes ist mit dem ehemaligen Staatsgefängnis (nach 1563-1614) durch die »Seufzerbrücke« (um 1603 vollenedet) verbunden.
 
Groß ist die Zahl der Paläste, besonders am Canal Grande, darunter vor allem die Ca' d'Oro (»Goldenes Haus«), ein Hauptwerk der venezianischen Spätgotik (um 1421-40; ursprünglich mit vergoldeter Marmorfassade), der Fondaco dei Tedeschi (Kauf- und Lagerhaus der Deutschen in Venedig, 1228 erstmals genannt, Neubau 1505-08; Reste der weitgehend zerstörten Fassadenfresken von Tizian und Giorgione in der Ca' d'Oro), der Palazzo Corner (»Ca' Grande«, von Sansovino 1537 begonnen, ein Hauptwerk der venezianischen Renaissance) und der Palazzo Grimani (1540 ff., 1556-57 von M. Sanmicheli); B. Longhena schuf die Paläste Ca' Rezzonico (um 1660 ff., im Inneren Fresken von G. B. Tiepolo) und Ca' Pesaro (1676 begonnen), die das Stadtbild weithin beherrschende Kuppelkirche Santa Maria della Salute (1631 begonnen) und die spätbarocke Kirche Gli Scalzi (1670 begonnen) am Bahnhof. Der Canal Grande wird von drei Brücken überquert; bis ins 19. Jahrhundert war die einzige der Ponte di Rialto (Rialtobrücke, 1588-92), getragen von einem einzigen Marmorbogen und zu beiden Seiten gesäumt von Kaufläden.
 
Von den vielen Kirchen Venedigs sind ferner zu nennen: die großen gotischen Backsteinbauten Santi Giovanni e Paolo (die Dominikanerkirche, um 1246 begonnen; mit Grabmälern von Dogen und Feldherren sowie Deckengemälden von G. B. Piazzetta; auf dem Platz vor der Kirche das Reiterdenkmal des B. Colleoni von A. del Verrocchio) und Santa Maria Gloriosa dei Frari (die Franziskanerkirche, um 1340 begonnen, mit Triptychon von Giovanni Bellini, der Himmelfahrt Mariä über dem Hochaltar und der Pesaro-Madonna, beide von Tizian, der hier begraben ist). Ganz mit mehrfarbigem Marmor bedeckt ist Santa Maria dei Miracoli, ein kleiner Bau der venezianischen Frührenaissance (1481-89 von P. Lombardo; mit qualitätvollen Skulpturen im Inneren). Die im 9. Jahrhundert gegründete Kirche San Zaccaria wurde im 15. Jahrhundert völlig umgestaltet (mehrgeschossige Marmorfassade, um 1500 vollendet; Altarbild von Giovanni Bellini und Gewölbefresken von A. del Castagno). Ein Meisterwerk der Hochrenaissance ist San Salvatore (1507-34, Barockfassade 1663 begonnen; Altarretabel von Tizian und Venier-Grabmal von Sansovino, 1561). Die Wand- und Deckenmalereien in der Kirche San Sebastiano schuf 1553 ff. Paolo Veronese. In der Spätrenaissance erbaute A. Palladio die Kirche Il Redentore auf der Insel La Giudecca (1577-92) und die Klosterkirche San Giorgio Maggiore auf der gleichnamigen Insel (1566 begonnen; mit Altarbildern von Tintoretto); die Klostergebäude sind heute Sitz der Fondazione Giorgio Cini.
 
Typisch für Venedig waren die Scuole, Laienbruderschaften karitativer Art, deren Versammlungshäuser mit Zyklen religiöser Bilder ausgestattet waren (noch vollständig erhalten in der Scuola di San Giorgio degli Schiavoni mit Gemälden von V. Carpaccio und der Scuola Grande di San Rocco mit großen Wand- und Deckengemälden von Tintoretto). - Zeugnisse der jüdischen Gemeinde Venedigs, die ab dem 16. Jahrhundert im Getto (im Norden der Stadt) angesiedelt war, sind fünf Synagogen sowie der alte jüdische Friedhof (14.-17. Jahrhundert) auf dem Lido.
 
Museen:
 
Bedeutendstes Museum Venedigs ist die Gemäldesammlung der Gallerie dell'Accademia; in den Procuratie Nuove befinden sich das Museo Civico Correr (Werke venezianischer Meister des 14.-16. Jahrhunderts und stadtgeschichtliche Sammlung) und das Archäologiee Museum (v. a. griechische Antikensammlung); in der Ca' d'Oro die Galleria Franchetti (Kunstwerke venezianischer Wohnkultur von der Spätgotik bis zum Barock); in der Ca' Rezzonico das Museo del Settecento Veneziano (venezianische Kunst des 18. Jahrhunderts); die Pinakotheken Querini-Stampalia im gleichnamigen Palast (venezianische Malerei des 14.-18. Jahrhunderts) und Manfrediana im Palast des Erzbischöflichen Seminars (Gemälde und Skulpturen des 14.-18. Jahrhunderts); in der Ca' Pesaro das Museo d'Arte Moderna und im Palazzo Venier dei Leoni die Sammlung Peggy Guggenheim.
 
Geschichte:
 
Anfänge:
 
Die Stadt Venedig erhielt ihren Namen nach dem Wohngebiet der antiken Veneter (Venetien). Die Abwanderung der Bewohner des venetischen Festlandes auf die Laguneninseln setzte schon im 5. Jahrhundert ein (Invasionen der Westgoten 402 und 408, der Hunnen Attilas 452, der Ostgoten Theoderichs des Großen 489), doch versuchten die Flüchtlinge meist, wieder zum Festland zurückzukehren. Zu einer dauerhaften Besiedlung der Inseln - u. a. Malamocco, Grado, Torcello, Caorle und die Inselgruppe des Rivus altus (Rialto) - kam es erst nach dem Einfall der Langobarden (568), vor denen auch der Patriarch von Aquileja mit dem Kirchenschatz nach Grado (»Neuaquileja«) flüchtete. Die Inseln blieben zunächst im Verwaltungsbereich des byzantinischen Exarchen von Ravenna, dem der für die »Provincia Venetiarum« zuständige Magister militum, später der Dux (der Doge) unterstand. Mit der Zurückdrängung des byzantinischen Einflusses im 8. Jahrhundert gewann das Amt des nun von Adel und Klerus gewählten Dogen an Bedeutung. 774 wurde das Bistum gegründet, 811 die Residenz des Dogen von Malamocco auf die geschützter liegenden Rialto-Inseln verlegt. Durch einen Vertrag mit Kaiser Lothar I. sicherte sich das entstehende Gemeinwesen 840 die Freiheit des Pohandels und wurde um 900 befestigt. 828 wurden die Reliquien des heiligen Markus in Alexandria (Ägypten) geraubt und nach Rialto überführt; daher die spätere Bezeichnung Markusrepublik oder Republik von San Marco; im 10. Jahrhundert wurde die Siedlung noch Civitas Rivoalti genannt.
 
Der Aufstieg zur Handelsmetropole:
 
Die venezianische Expansion im Orienthandel begann bereits im 10. Jahrhundert. Die Republik eroberte an allen Küsten der Levante Stützpunkte und besaß im 12. Jahrhundert bereits dalmatinisches Küstengebiete (mit Zara) und hatte neben Genua eine wirtschaftliche Monopolstellung im Byzantinischen Reich inne. Seit 1172 wurde die Macht des Dogen durch den Großen Rat 2) beschränkt, neben den später noch der Kleine Rat (Signoria) trat. Die venezianische Handelsflotte stand unter staatlichem Schutz; in Konstantinopel befand sich eine Kolonie von 10 000 Venezianern unter einem »Bailo« als Repräsentanten der Stadt, die einer eigenen Gerichtsbarkeit unterworfen waren, als die Hauptstadt des Byzantinischen Reiches auf Veranlassung des Dogen E. Dandolo im 4. Kreuzzug erobert und geplündert wurde (1204).
 
Der Wettstreit mit Genua führte ab dem 13. Jahrhundert zu Auseinandersetzungen, die mit dem Sieg über die genuesische Flotte bei Chioggia (1380, »Chioggiakrieg«) und dem Frieden von Turin (1381) die Anerkennung der venezianischen Vorherrschaft im östlichen Mittelmeer brachten. Durch die Beschränkung des Großen Rats auf bestimmte Familien (erste Schließung des Großen Rats 1297, Goldenes Buch), die Einsetzung des Rats der Zehn, später der »Inquisitori di Stato« wurde die oligarch. Verfassung gefestigt. Von den vom Großen Rat eingesetzten Kommissionen mit richterlichen und politischen Befugnissen entwickelten sich ab dem frühen 13. Jahrhundert der Rat der Vierzig (Quarantia) und der Senat zu wichtigen Zentralbehörden. Anschläge auf die Verfassung, z. B. der versuchte Staatsstreich des Dogen M. Faliero in Verbindung mit den Popolanen 1355, wurden unterdrückt und streng geahndet. Seit Ende des 14. Jahrhunderts begann Venedig seine Herrschaft auch auf das Festland (Terra ferma) auszudehnen und erreichte im Frieden von Lodi (1454) die Adda als Grenze gegenüber Mailand.
 
Niedergang:
 
In den Kriegen um die Vormacht über die italienischen Staaten nach dem Italienzug Karls VIII. von Frankreich (1494-95) behauptete sich Venedig als unabhängige Macht auch gegenüber der Liga von Cambrai (1508), deren Ziel eine Aufteilung des oberitalienischen Festlandbesitzes Venedigs war. Sich meist an Frankreich anlehnend, konnte Venedig sich gegen die Übermacht Habsburgs, besonders des habsburgischen Österreich, schützen. Dagegen musste die Republik nach dem Fall Konstantinopels (1453) in immer neuen Verträgen auf ihre Besitzungen im östlichen Mittelmeer zugunsten der Osmanen verzichten: 1479 (Frieden von Skutari) auf Negroponte (Euböa), Lemnos, Skutari und die meisten albanischen Küstenplätze; 1502/03 (Frieden von Konstantinopel) auf Durazzo und Lepanto (Naupaktos); 1540 auf Nauplia (Nauplion) und Malvasia (Monemvassia); 1573 auf Zypern. Nach dem Verlust Kretas (1669), der letzten Besitzung im östlichen Mittelmeer, blieben noch Korfu u. a. Ionische Inseln sowie das nördliche Dalmatien und Istrien bei Venedig, 1687-1715/18 gehörte die Peloponnes noch einmal zum Machtbereich der Stadt, die selbst mit 148 000 Einwohnern zu Anfang des 17. Jahrhunderts die zweitgrößte Italiens (nach Neapel) war. Nach dem Frieden von Passarowitz (1718), der das Machtgefüge im östlichen Mittelmeer zugunsten der Habsburger verschob, hatte Venedig seine Großmachtstellung verloren.
 
Nach der Entdeckung Amerikas (1492) und des Seeweges nach Indien (1498) war der Levantehandel erheblich zurückgegangen und hatte einer v. a. im 18. Jahrhundert blühenden Luxusindustrie (Glas, Email, Filigranschmuck, gold- und silberdurchwirkte Seidenstoffe) Platz gemacht. In den europäischen Konflikten wahrte Venedig strikte Neutralität; die venezianische Diplomatie genoss an den europäischen Höfen hohes Ansehen. Politisch spielte Venedig jedoch keine große Rolle mehr. Bedeutend war im 18. Jahrhundert besonders Venedigs einzigartiges gesellschaftliches Leben, seine mit viel Prunk begangenen Feste (Karneval), sein Theater (C. Goldoni, C. Gozzi) und seine Malerei (G. B. Piazzetta, G. B. Tiepolo, Canaletto, F. Guardi, P. Longhi u. a.).
 
Verlust der Selbstständigkeit:
 
Trotz seiner Neutralität in den Revolutionskriegen wurde Venedig während des Italienfeldzugs Napoleons I. am 13. 5. 1797 besetzt, nachdem der Doge am 12. 5. sein Amt niedergelegt hatte. Entsprechend den Vereinbarungen des Friedens von Campoformio kam Venedig 1797 an Österreich, das es 1805 dem napoleonischen Königreich Italien abtreten musste. Seit dem Wiener Kongress war Venetien Teil des österreichischen Lombardo-Venezianischen Königreichs. 1848 rief D. Manin die unabhängige »Repubblica di San Marco« aus (im August 1849 von den Österreichern zurückerobert). 1866 trat Österreich Venedig ab, das nach einer Volksabstimmung mit dem Königreich Italien vereinigt wurde.
 
Literatur:
 
P. Longworth: Aufstieg u. Fall der Rep. V. (a. d. Engl., Neuausg. 1978);
 M. Langewiesche: V., Gesch. u. Kunst (51981);
 A. Zorzi: V. Eine Stadt, eine Rep., ein Weltreich, 697-1797 (a. d. Ital., 1981);
 A. Zorzi: V. Die Gesch. der Löwen-Rep. (a. d. Ital., 21992);
 D. Crivellari: V., Gesch., Kunst u. Kultur der Lagunenstadt (a. d. Ital., 1982);
 W. Döpp: Porto Marghera, V. Ein Beitr. zur Entwicklungsproblematik seiner Großindustrie (1986);
 M. Hellmann: Gesch. V.s in Grundzügen (31989);
 
Die Accademia in V. Meisterwerke venezian. Malerei, Beitrr. v. G. Scirè Nepi (a. d. Ital., 1991);
 E. S. u. G. Rösch: V. im Spät-MA. 1200-1500 (1991);
 
Achitekturführer V., bearb. v. G. Zucconi (a. d. Ital., 1993);
 N. Huse u. W. Wolters: V., die Kunst der Renaissance. Architektur, Skulptur, Malerei 1460-1590 (21996);
 
V., Beitrr. v. G. Romanelli (a. d. Ital., 1997).
 
 2) Provinz in Venetien, Italien, 2 463 km2, 815 000 Einwohner
 
 3) katholisches Erzbistum; 774 als Suffraganbistum des Patriarchats Grado gegründet, seine Kathedrale wurde San Pietro di Castello. 1451 wurden Grado und Castello aufgehoben, 1457 wurde Venedig Patriarchat. Mit Venedig vereint wurden die Bistümer Iesolo (1466), Torcello und Caorle (1818). Die Kapitel von San Pietro und San Marco vereinigten sich 1807 zum Domkapitel von Venedig. Das Erzbistum Venedig hat neun Suffraganbistümer. Patriarch von Venedig ist seit 1978 Kardinal Marco Cè (* 1925). - Im 20. Jahrhundert wurden drei Patriarchen von Venedig zum Papst gewählt (Pius X., Johannes XXIII. und Johannes Paul I.).
 

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Ve|ne|dig: norditalienische Stadt.

Universal-Lexikon. 2012.