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Bilderverehrung: Der byzantinische Bilderstreit
Bilderverehrung: Der byzantinische Bilderstreit
 
In den orthodoxen Kirchen des Ostens spielen Bilder von. Christus, der Gottesmutter und den Heiligen eine sehr große Rolle; sie werden durch Fußfall und/oder Kuss verehrt und vermitteln die Kommunikation mit der dargestellten Person, die in ihrem Bild anwesend ist. Unter der aus dem Griechischen stammenden Bezeichnung »Ikone« wird meist das auf Holz gemalte tragbare Bild verstanden, doch sind Ikonen im weiteren Sinn auch Wandgemälde und Mosaiken in Kirchen. Theologisch anerkannt wurde die Praxis der Bilderverehrung endgültig erst seit dem Jahr 843; davor gab es um diese Frage im Byzantinischen Reich eine sich über etwa 120 Jahre erstreckende heftige Kontroverse, die man als »Bilderstreit« oder mit dem latinisierten griechischen Wort »Ikonoklasmus« bezeichnet. Die Frage der Bilderverehrung wird theologisch als so wichtig angesehen, dass Orthodoxie und Bilderverehrung geradezu als identisch gelten; seit 843 ist für die orthodoxe Kirche alljährlich der erste Sonntag der vorösterlichen Fastenzeit der Festtag der Wiederherstellung der Ikonenverehrung und der Orthodoxie.
 
Der Bilderstreit fällt in eine lange Periode der Bewältigung großer äußerer und innerer Krisen des Byzantinischen Reiches; er ist aber nicht deren Ursache, sondern ein begleitender Umstand. Widerstand gegen die Verehrung von Bildern gab es seit der Spätantike. Das frühe Christentum erbte mit den heiligen Schriften des Alten Testaments auch das jüdische Bilderverbot, und andererseits unterschied es sich vom antiken Heidentum ja gerade auch durch die Ablehnung von Götterbildern. Erst im 4. Jahrhundert entwickelte sich allmählich, ausgehend vom Kaiserbild einerseits und dem Angehörigenporträt, das an liebe Verstorbene erinnerte, andererseits, ein christliches Bilderprogramm. Allerdings gab es dagegen Widerstand mit Begründungen, die später von den Ikonoklasten in Florilegien gesammelt und weiterentwickelt wurden. Am Anfang stand die Betonung der pädagogischen Bedeutung des Bildes (»Bibel der Armen«); diese allein wurde auch in der Folge von der lateinischen Kirche des Westens akzeptiert. In der Praxis sahen viele Gläubige jedoch im Bild zunehmend die dargestellte Person selbst. Daher wurde schon im 4. Jahrhundert der Grundsatz hervorgehoben, dass die dem Bild erwiesene Verehrung nicht dem Bild als solchem gelte, sondern durch das Abbild dem Urbild zuteil werde. Verstärkt bezeugt und auch archäologisch nachweisbar sind Bilder ab dem 6. Jahrhundert.
 
Der Ausbruch des Bilderstreits unter der Regierung Leons III. im Jahr 730 hat zur Voraussetzung eine Zunahme der Bilderverehrung im Lauf des 7. Jahrhunderts und eine tiefe Krise des Reiches, die im Verstehenshorizont der Zeit nur als Strafe Gottes für ein religiöses Fehlverhalten (eben die Bilderverehrung) gedeutet werden konnte. Sichtbares Zeichen der Krise war vor allem die Eroberung weiter Teile Kleinasiens durch die Araber, nachdem schon im 7. Jahrhundert Ägypten, Palästina und Syrien an die Muslime verloren gegangen waren; ein weiteres Zeichen für den Zorn Gottes war die Naturkatastrophe, die der Ausbruch des Vulkans auf Thera (Santorini) im Jahr 726 im Gefolge hatte.
 
Die Auseinandersetzung begann im Inneren der Kirche, wurde aber zur Reichsangelegenheit durch das Eingreifen Leons, der sich 730 gegen die Bilderverehrung erklärte und den bilderfreundlichen Patriarchen Germanos zur Abdankung zwang. Große symbolische Bedeutung hatte die von Leon angeordnete Entfernung des Christus-Bildes vom Haupteingangstor in den kaiserlichen Palast. Insgesamt ist die bilderfeindliche Politik in dieser Phase jedoch sehr gemäßigt; eine Verfolgung, die spätere hagiographische Schriften Leon anlasten, hat nicht stattgefunden. Sie gehört zusammen mit angeblicher Beeinflussung Leons durch jüdische Zauberer oder Maßnahmen des Kalifen zu den von den Ikonodulen (= Bilderverehrer) erfundenen Legenden. Neue theologische Argumente wurden nicht vorgebracht. Ein schlagendes Argument der Bilderfeinde waren ihre großen militärischen und administrativen Erfolge und die insgesamt stabilen und langen Regierungszeiten Leons von 717 bis 741 und seines Sohnes Konstantin V. von 741 bis 775.
 
Konstantin verschärfte die Auseinandersetzung. Er verfasste eine theologische Schrift, die als Basis für die bilderfeindliche Synode von 754 diente: Gültiges Abbild Christi ist allein die Eucharistie, Symbol das Kreuz, das Abbild der Heiligen sind die in ihrer Vita geschilderten Tugenden. In den 760er-Jahren gab es dann Verfolgungen und Exekutionen, Aufhebungen von bilderfreundlichen Klöstern, und die Kritik richtete sich zunehmend auch gegen den Heiligen- und Marienkult sowie die Verehrung von Reliquien. Die theologische Verteidigung der Bilderverehrung übernahm in erster Linie der außerhalb des Reichsgebietes lebende Johannes von Damaskus in seinen Bilderreden, in denen er eine Zeichentheorie des Bildes entwickelte und zwischen anbetender Verehrung des Urbildes und relativer Verehrung des Abbildes unterschied.
 
Nach dem Tod des Konstantin-Sohnes und Nachfolgers Leon IV. 780 betrieb seine Witwe Irene, wohl in erster Linie aus innenpolitischem Machtkalkül heraus, eine Rückkehr zur Bilderverehrung, die nach kurzer Vorbereitung durch den von ihr eingesetzten Patriarchen Tarasios auf der später von der Ostkirche als 7. Ökumenisches Konzil sanktionierten Synode von Nikaia, dem heutigen İznik, 787 durchgesetzt wurde.
 
Die Rückkehr zu den Bildern war zwischen 787 und 813 von neuen inneren und äußeren Katastrophen, den Niederlagen gegen Bulgaren und Araber, begleitet, sodass Leon V. 815 durch eine Synode in der Hagia Sophia die Beschlüsse von 787 für ungültig erklären ließ und damit die zweite Phase des Ikonoklasmus einleitete, während derer es unter Theophilos in den Jahren nach 830 wieder zu Verfolgungen und Exekutionen kam. Auf der anderen Seite war die ikonodule Opposition vor allem im Mönchtum stark; theologisch unterstützten die ikonodule Position vor allem Theodoros Studites und der 815 zum Rücktritt gezwungene Patriarch Nikephoros.
 
Da die militärischen Erfolge ausblieben - Amorion wurde 838 erobert, Sizilien und Kreta gingen dem Reich verloren -, kam es in einer ähnlichen Konstellation wie 787 unter der Theophilos-Witwe Theodora mithilfe einflussreicher Helfer am Kaiserhof 843 zum »Triumph der Orthodoxie« und zur Wiederherstellung des Bilderkults und damit zur festen Verankerung der Ikone im täglichen Leben des orthodoxen Gläubigen.
 
Prof. Dr. Diether R. Reinsch
 
Literatur:
 
Handbuch der Ostkirchenkunde, herausgegeben von Wilhelm Nyssen u. a. Band 1 und 2. Düsseldorf 1984—89.
 Müller, C. Detlef G.: Geschichte der orientalischen Nationalkirchen. Göttingen 1981.
 Onasch, Konrad: Kunst und Liturgie der Ostkirche in Stichworten unter Berücksichtigung der Alten Kirche. Wien u. a. 1981.
 Ostrogorsky, Georg: Byzantinische Geschichte, 324—1453. Sonderausgabe München 1965. Nachdruck München 1996.
 Rice, David Talbot: Byzantinische Kunst. Aus dem Englischen. München 1964.

Universal-Lexikon. 2012.