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Tibet
Ti|bet 〈m. 1
1. Fell eines in Nordchina lebenden Fettsteißschafes
2. Reißwolle aus Lumpen von Kammgarn
[nach dem asiat. Land Tibet]

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1Ti|bet […ɛt ], der; -[e]s, -e (Textilind.):
1. [nach 2Tibet] Mohair.
2. [nach 1, wegen der größeren Qualität gegenüber anderer Reißwolle] Reißwolle aus neuen Stoffen.
2Ti|bet [auch: …'be:t ]; -s:
1. autonome Region in der Volksrepublik China.
2. Hochland in Zentralasien.

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I
Tibet
 
['tiːbɛt, ti'beːt, nach dem gleichnamigen innerasiatischen Hochland] der, -s/-e,  
 1) Pelzhandel: Felle der eineinhalb bis zwei Monate alten Lämmer einer in Nordchina lebenden Schafart.
 
 2) Textilkunde: ein weicher Kleiderstoff aus dem Haar der Kaschmirziege (Kaschmirwolle) oder als Imitat aus feinem Wollkammgarn; auch eine Reißwollqualität aus gerissenen Kammgarnstoffen.
 
II
Tibet
 
['tiːbɛt, ti'beːt], chinesisch Xizang [ɕidzaȖ], amtlich Xizang Zizhiqu [-tsidʒitʃy], autonomes Gebiet im Westen Chinas, im Hochland von Tibet, 1 228 400 km2, (1999) 2,52 Mio. Einwohner (meist Tibeter, daneben nach offiziellen Angaben 100 000 Chinesen); Hauptstadt ist Lhasa. Amtssprache ist neben Chinesisch auch Tibetisch.Verwaltungsmäßig ist Tibet in fünf Präfekturen (Changdu, Shannan, Shigatse, Naqu, Ali) und den etwa 78 000 km2 großen Stadtbezirk Lhasa gegliedert.
 
Vom Hauptkamm des Himalaja, wo Tibet an Birma, Indien, Bhutan und Nepal grenzt, und seiner Nordabdachung erstreckt sich die Region über die südtibetanische Längstalfurche, den Transhimalaja und das menschenfeindliche abflusslose Hochland von Tibet bis zum Tanggula Shan an der Grenze zur Provinz Qinghai (im Nordosten) und zum Kunlun Shan an der Grenze zum autonomen Gebiet Sinkiang (im westlichen Norden). Der weitaus größte Teil des autonomen Gebietes Tibet gehört zum Hochland von Tibet, das mit rd. 2 Mio. km2 und einer mittleren Höhe von 4 500 m über dem Meeresspiegel das ausgedehnteste, geschlossenste und höchstgelegene Hochland der Erde ist. Die das Hochland umrahmenden, 7 000-8 000 m über dem Meeresspiegel aufragenden Gebirgsbarrieren machen es in seiner natürlichen Ausstattung und kulturlandschaftlichen Ausprägung zum isoliertesten Großraum Asiens. Der nordöstliche Teil gehört zur Provinz Qinghai (Hochland von Qinghai zwischen Nanshan und Bayan Har Shan). Zentraler Teil ist das zwischen Kunlun Shan und Transhimalaja gelegene abflusslose Hochland Changtang, das von wenigen, sich im Westen und Nordwesten zusammendrängenden Gebirgsketten durchzogen wird. Zwischen den Ketten erstrecken sich flache, durch vorherrschende mechanische Verwitterung (v. a. Frostverwitterung) von Schutt erfüllte, oder von Salzseen und -sümpfen eingenommene Becken.
 
Südlich der Wasserscheide zwischen den Quellgebieten von Hwangho und Jangtsekiang schließen sich die osttibetanischen Randketten an, eng gescharte, in Gipfellagen zum Teil vergletscherte Gebirgsketten, die durch parallel verlaufende, schluchtartig eingeschnittene Stromtäler voneinander getrennt werden. Wichtigste Flüsse sind außer dem Jangtsekiang (Grenze zur Provinz Sichuan), dessen Oberlauf sich als eigenständiger Landschaftsraum heraushebt, Mekong und Salween. Im äußersten Südosten grenzt Tibet an die Provinz Yunnan. Südlich des Transhimalaja erfolgt die Entwässerung über die Oberläufe von Brahmaputra (Yarlung Zangbo Jiang), Sutlej und Indus in der südtibetanischen Längstalfurche, einer über 1 600 km langen, durchschnittlich 3 600 m über dem Meeresspiegel gelegenen, im Süden vom Himalaja begrenzten Grabenzone. Das Tal des Yarlung Zangbo Jiang (Tsangpo) mit seinen Seitentälern gilt als wirtschaftlicher und kultureller Kernraum des Landes (Zentraltibet).
 
Tibet wird durch Trockenheit, starke Sonneneinstrahlung, warme Sommer und sehr kalte Winter geprägt (die Täler sind dabei aber relativ geschützt); die tageszeitlichen Temperaturschwankungen sind beträchtlich. Während der Westen und Norden des Landes ausgesprochene Trockengebiete sind, die von Felsschutt- und Geröllwüsten, sporadisch von Dorn- und Zwergstrauchformationen eingenommen werden, hat der Osten im Sommer ein feuchtwarmes Klima (Hochsteppen, die im Gebiet des Qinghai Hu, dem Hauptweidegebiet der Tibeter, in Baumsteppen übergehen). Ackerbau kann daher nur im Süden und Osten betrieben werden. Angebaut werden v. a. Gerste (Hauptnahrungsmittel ist Tsampa aus Gerstenmehl), Weizen, Hirse und Buchweizen, in geringem Maße auch Gemüse (Rettich, Bohnen, Möhren, Tomaten, Zwiebeln) und Kartoffeln. Importiert werden müssen Tee (für den traditionellen Buttertee, ein Gemisch aus Tee, Butter und Salz), Zucker und Reis. Weite Teile (insgesamt 57 Mio. ha) werden als Weidegebiet genutzt (im Norden und Westen des Landes durch Nomaden), und zwar für Schafe und Ziegen (Wollgewinnung) sowie für Rindvieh. Dieses ist für die Nomaden der Grunzochse (Yak), für die sesshafte Bevölkerung das Dzo (weiblich Dzomo), eine Kreuzung zwischen Yak und Rind. Tibet besitzt große Waldgebiete (v. a. zur Papiererzeugung genutzt).
 
Die Bodenschätze werden erst seit der chinesischen Besetzung untersucht; nachgewiesen sind u. a. Vorkommen von Borax, Eisen- und Magnesiumerz sowie Gold. Das große Potenzial an Wasserkraft wird kaum genutzt. Das verarbeitende Gewerbe umfasst rd. 300 mittlere und kleinere Betriebe, v. a. der Textilindustrie sowie der Metall- und Holzverarbeitung; wichtigster Industriestandort und Handelsplatz ist Lhasa. Das Land ist, v. a. im Süden und Osten, durch lediglich 22 000 km Straßen erschlossen, die v. a. in den 1950er- und 60er-Jahren von Chinesen erbaut wurden.
 
 Geschichte
 
Der mythologische Ursprung des Königtums lag im Tsangpotal, wo der erste sagenhafte König Nyatri Tsenpo 127 v. Chr. die Yarlungdynastie begründet haben soll, die bis um 842 n. Chr. bestand. Unter ihrem 33. König Srongtsan Gampo (etwa 620-649) wurde Tibet in kurzer Zeit zur beherrschenden Vormacht Zentralasiens; es erstreckte sich von Nordbirma über Nepal bis Gilgit und von Westturkestan bis in die nordwestlichen Grenzregionen Chinas. Srongtsan Gampo regte u. a. die Einführung des tibetanischen Kalenders und der Schrift an und gründete die Stadt Lhasa, die seitdem das politische und religiöse Zentrum Tibets ist. Durch seine Vermählung mit einer nepalesischen (Bhrikuti) und einer chinesischen Prinzessin (Wencheng) führte er den Buddhismus zur Stütze des Königtums ein, der die im Adel verwurzelte, vorbuddhistische Bon-Religion teilweise verdrängte (zahlreiche Mischformen) und die Einigung des Reiches ermöglichte. Unter Trisrong Detsen (755-797) erreichte Tibet seine größte geographische Ausdehnung; 763 eroberten seine Truppen sogar die chinesische Hauptstadt Chang'an (heute Xi'an). Er berief Padmasambhava aus Indien, der mit Samye das erste buddhistische Kloster gründete. Nach einer Buddhistenverfolgung unter König Langdarma (836-841/42) zerfiel Tibet wieder in zahlreiche kleine Staaten. Als um 1000 eine erneute Buddhisierung von Indien aus einsetzte, etablierte sich ein mönchischer Buddhismus, der von dieser Zeit an als Lamaismus bezeichnet werden kann und verschiedene Schulrichtungen hervorbrachte. Durch Förderung der mongolischen Yuankaiser (1271-1368) wurde die Sakyapa-Schule mit ihrem Zentrum im Kloster Sakya zur maßgeblichen politischen Kraft. Unter dem bedeutendsten Reformator des tibetanischen Buddhismus, Tsongkhapa (* 1357, ✝ 1419), der 1409 östlich von Lhasa ein Kloster gründete, entwickelte sich die streng asketische Gelugpa-Schule (»Schule der Tugendhaften«, »Gelbmützen«). 1578 erhielt ihr Oberhaupt Sonam Gyatso vom mongolischen Fürsten Altan Khan den Titel Dalai-Lama. Mit mongolischer Hilfe setzten die Gelugpa bis 1642 (Sieg über den König aus dem Herrschergeschlecht der Tsangpa) ihre Herrschaft über Tibet durch und erlangten dort vom »großen 5.« Dalai-Lama Lobsang Gyatso (* 1617, ✝ 1682) an über das institutionalisierte Prinzip der Reinkarnation (Tulku) dauerhaft die Position des politischen und religiösen Oberhaupts.
 
Als erste Europäer suchten 1661 zwei Jesuiten Lhasa auf. 1717 bemächtigten sich die Dsungaren der tibetanischen Hauptstadt; die zu Hilfe gerufenen Truppen der chinesischen Qingdynastie eroberten Lhasa 1720 zurück. Diese Gelegenheit nutzend, begründeten die Mandschukaiser ein Protektorat über Tibet, stationierten dort Truppen und setzten Ambane (kaiserliche Statthalter) als Kontrolleure der tibetanischen Regierung ein. 1750 scheiterte ein antichinesischer Umsturzversuch. Der Pantschen-Lama hielt sich oft als Vertreter Tibets am chinesisch-mandschurischen Kaiserhof auf. - 1788, 1791/92 und 1854-56 fielen nepalesische Gurkhas in das tibetanische Gebiet ein. Ende des 19. Jahrhunderts geriet Tibet in den Konflikt zwischen China, Großbritannien und Russland. Eine britische Militärexpedition unter Oberst F. E. Younghusband drang 1904 gewaltsam bis Lhasa vor (Flucht des Dalai-Lama, der bis 1909 im Exil blieb). Überraschend erkannten Großbritannien (1906) und Russland (1907) die chinesische Oberhoheit über Tibet an. 1910 floh der Dalai-Lama erneut vor anrückenden chinesischen Truppen (Rückkehr 1912). Nach dem Zusammenbruch des chinesischen Kaiserreichs (1911) verselbstständigte sich Tibet unter der Führung des 13. Dalai-Lama (Tubten Gyatso, * 1876, ✝ 1933) mithilfe der britisch-indischen Regierung als theokratisch-lamaistischer Staat. Im östlichen Tibet konnte sich zwar der mit China sympathisierende Pantschen-Lama vorübergehend behaupten, musste jedoch nach einem 1917 fehlgeschlagenen chinesischen Rückeroberungsversuch 1923 nach Nanking ins Exil gehen. 1940 wurde der 14. Dalai-Lama (Tenzin Gyatso, * 1935) feierlich eingeführt, an dessen Hof sich ab 1946 H. Harrer aufhielt.
 
Nach dem Sieg der Kommunisten im chinesischen Bürgerkrieg und der Errichtung der Volksrepublik China (1949) erneuerte Mao Zedong unter Ausnutzung der Rivalität zwischen Dalai-Lama und Pantschen-Lama den Anspruch Chinas auf Tibet. Im Herbst 1950 drangen Einheiten der chinesischen »Volksbefreiungsarmee« in Tibet ein und besetzten am 9. 9. 1951 Lhasa. In einem zuvor von Indien vermittelten tibetisch-chinesischen 17-Punkte-Vertrag (23. 5. 1951 erhielt Tibet innerhalb des Staatsverbandes der Volksrepublik China innere Autonomie. Nach einer Einigung mit dem Pantschen-Lama (1952) sollte der Dalai-Lama Staatsoberhaupt und, gemeinsam mit dem Pantschen-Lama, geistliches Oberhaupt und Mitglied der chinesischen Zentralregierung sein. Die Volksrepublik China begründete ihre Legitimation mit historischen (»seit der Tangzeit«), politischen (»Befreiung des tibetanischen Volkes vom Feudalismus«) und wirtschaftlichen Argumenten (»Modernisierung«). Mit dem Bau strategisch wichtiger Fernstraßen zu den benachbarten chinesischen Regionen und Provinzen, für den viele Tibeter unter unmenschlichen Bedingungen zwangsverpflichtet wurden, sowie durch die Anlage von Flugplätzen konnte sie die Abgeschlossenheit Tibets durch eine immer stärkere Bindung an die Volksrepublik China ersetzen.
 
Die wachsende Unzufriedenheit mit der politischen Vorherrschaft der chinesischen Kommunisten in Tibet, die schon in der ersten Hälfte der 50er-Jahre zu schweren Unruhen (Höhepunkt 1956) geführt hatte, entlud sich im März 1959 in einem Aufstand, der jedoch blutig niedergeschlagen wurde. Der Dalai-Lama flüchtete nach Indien ins Exil; rd. 80 000 Tibeter flohen nach Indien, Nepal, Bhutan, Sikkim und Europa. Tibet wurde jetzt voll in den gesamtchinesischen »Revolutions«-Prozess einbezogen. Der Pantschen-Lama, zunächst als Vorsitzender des »Vorbereitenden Komitees für die Autonome Region Tibet« eingesetzt, fiel 1964 in Ungnade (bis 1978 in China inhaftiert, dann wieder in öffentlichen Ämter eingesetzt). Am 9. 9. 1965 wurde dem etwa um die Hälfte seines Territoriums reduzierten Tibet offiziell der Status einer Autonomen Region der Volksrepublik China eingeräumt; große Gebiete gliederte man administrativ den chinesischen Nachbarprovinzen Yunnan, Sichuan und Qinghai an.
 
Nachdem bereits bis 1966 etwa vier Fünftel der lamaistischen Klöster und Tempel zerstört worden waren, kam es in den Wirren der chinesischen Kulturrevolution zur Verwüstung fast aller noch verbliebener (mit Ausnahme von 13). Die Bauern und auch die Nomaden wurden zum Leben in Volkskommunen gezwungen; Tausende Tibeter starben in Arbeitslagern, durch Verfolgung oder Hungersnöte. Unter Deng Xiaoping ließ die kommunistische Führung Chinas seit 1979 eine vorsichtige Öffnung Tibets zu, förderte die Entwicklung der Wirtschaft, die aber mit einer rücksichtslosen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen verbunden wurde, und duldete unter strenger Aufsicht eine begrenzte Wiederbelebung der einheimischen religiösen und kulturellen Traditionen (Wiederaufbau einiger Tempel und Klöster). Gleichzeitig betrieb die Volksrepublik China eine strikte Sinisierungspolitik (Ansiedlung besonders von Hanchinesen, die bereits in allen größeren Städten die Bevölkerungsmehrheit bilden; Geburtenkontrolle unter der tibetanischen Bevölkerung, Zerstörung der alten Städte durch Abriss ganzer historischer Viertel und Neubau chinesischer Siedlungen) und sicherte ihre Macht durch starke Militärpräsenz (Stationierung Hunderttausender Soldaten). Den diplomatischen Bemühungen des im Exil in Dharamsala lebenden Dalai-Lama zur Beendigung des Tibetkonflikts begegnete die chinesische Führung mit strikter Ablehnung. Ausgehend von den lamaistischen Klöstern, kam es seit 1987, als sich erstmals wieder gewalttätige Proteste gegen die chinesische Herrschaft richteten, wiederholt zu schweren Unruhen (besonders im März 1989 [daraufhin 1989/90 Verhängung des Kriegsrechts], 1993 und 1995).
 
Literatur:
 
G. Tucci: Tibetan painted scrolls, 2 Bde. (a. d. Ital., Rom 1949);
 G. Tucci: u. W. Heissig: Die Religionen T.s u. der Mongolei (1970);
 H. Hoffmann: Die Religionen T.s (1956);
 H. Hoffmann: T. A handbook (Bloomington, Ind., 21986);
 T. W. Shakabpa: T. A political history (New Haven, Conn., 1967);
 D. Snellgrove u. H. Richardson: A cultural history of T. (London 1968);
 M. Henss: T. Die Kulturdenkmäler (Zürich 1981);
 R. A. Stein: La civilisation tibétaine (Paris 21981);
 M. C. Goldstein: A history of modern T., 1913-1951 (Neuausg. Berkeley, Calif., 1991);
 
Die Nomaden West-T.s. Der Überlebenskampf der tibet. Hirtennomaden, Text von M. C. Goldstein u. a. (a. d. Engl., 1991);
 C. Bass: Der Ruf des Muschelhorns. Begegnung mit T. (a. d. Engl., 1992);
 E. Temple: Bibliographie du T., auf 2 Bde. ber. (Saintes 1992 ff.);
 K. Ludwig: T. (21996);
 
Encyclopaedia of T., hg. v. S. K. Sharma u. a., 7 Bde. (Delhi 1996);
 T. Hoppe: T. heute: Aspekte einer komplexen Situation (1997).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
 
Tibet: Geschichte und religiöse Traditionen
 
tibetische Klöster und Mönche
 
tibetische religiöse Kunst
 

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1Ti|bet [...ɛt], der; -s, -e [1: nach 2Tibet; 2: ↑nach (1), wegen der größeren Qualität gegenüber anderer Reißwolle] (Textilind.): 1. Mohair. 2. Reißwolle aus neuen Stoffen.
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2Ti|bet; -s: 1. autonome Region in der Volksrepublik China. 2. Hochland in Zentralasien.

Universal-Lexikon. 2012.