Martin Luther King
Martin Luther King versuchte in seiner an Mahatma Gandhi orientierten Strategie des zivilen Ungehorsams, den Schwarzen in den USA zu ihren Bürgerrechten zu verhelfen. Er stellte dabei den Staat auf eine harte Probe, da dieser in der Auseinandersetzung mit einer außerparlamentarischen Opposition kaum Erfahrungen besaß. King erhielt 1964 den Friedensnobelpreis, sah sich aber in den eigenen Reihen mit seiner gewaltfreien Vorgehensweise immer mehr unter Druck geraten. Am 4. April 1968 wurde der Mann, der sich zeitlebens für das friedliche Miteinander eingesetzt hatte, ermordet.
Martin Luther King - die Biografie
Martin Luther King wurde am 15. 1. 1929 unter dem Namen Michael King, Jr., als zweites von drei Kindern eines schwarzen Geistlichen und einer Lehrerin in Atlanta (Georgia) geboren. Sein Vater benannte sich und seinen Sohn nach dem großen Reformator in Martin Luther um. Martin Luther King, Jr., besuchte 1944-1948 das Morehouse College in Atlanta, anschließend bis 1951 das Crozer Theological Seminary in Chester (Pennsylvania). Dort erhielt er als bester Student ein Stipendium, mit dem er ab 1951 an der Boston University studierte. Dort promovierte er im Jahr 1955 zum Dr. phil. Von seinem Vater bereits 1948 als Pastor in dessen Gemeinde (Ebenezer Baptist Church von Atlanta) eingeführt, erhielt King dann im Jahr 1954 einen eigenen Pfarrbezirk in Montgomery (Alabama) an der Dexter Avenue Baptist Church. Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt Atlanta teilte er sich von 1960 bis 1968 mit seinem Vater das Pastorat in der Ebenezer Baptist Church.
Am 18. Juni 1953 heiratete er die 1927 geborene und aus Marion (Alabama) stammende Coretta Scott. Aus dieser Ehe gingen vier Kinder hervor.
Friedlich gegen die Rassentrennung
Ab Mitte der 1950er-Jahre setzte sich Martin Luther King intensiv für eine Verbesserung der Lage der Schwarzen in den USA ein. Er rief seine Gemeindemitglieder dazu auf, Verbänden beizutreten, die sich für die farbigen US-Bürger einsetzten, so zum Beispiel der NAACP (»National Association for the Advancement of Colored People« [»Nationale Vereinigung für den Fortschritt der Farbigen«] oder auch der »Montgomery Improvement Association«, an deren Spitze er selbst stand. Sein Ziel war es, das Rassentrennungsgesetz, das zu dieser Zeit noch in den Südstaaten der USA galt, systematisch zu verletzen. Dabei lehnte er Gewalt ab und setzte ganz auf das Prinzip des zivilen Ungehorsams, das Gandhi beim Unabhängigkeitskampf in Indien eingesetzt hatte. 1957 wurde King Vorsitzender der von ihm gegründeten »Southern Christian Leadership Conference«, die sich für den gewaltlosen Widerstand und gegen Diskriminierung und Rassenhetze einsetzte. Er war dabei überall an vorderster Front vertreten, um so zu verhindern, dass es bei den Protestaktionen zu Gewaltausbrüchen kam. King wurde häufig verhaftet. Immer wieder waren er, seine Familie und sein Haus das Ziel von Anschlägen gewaltbereiter Rassisten. Mit dem Ziel, sein Verständnis von Gandhis »Satyagraha«-Lehre des gewaltlosen Widerstands zu vertiefen, hielt sich King im Februar 1959 in Indien auf, wo er u. a. vom Premierminister Jawaharlal Nehru empfangen wurde.
Erste Erfolge
Die Strategie Martin Luther Kings hatte 1956 zu einem ersten Erfolg geführt. In den öffentlichen Verkehrsmitteln seiner Heimatstadt Montgomery war die Rassenschranke nach dem von ihm geleiteten und 381 Tage andauernden »bus boycott« aufgehoben worden. Diese und zahlreiche weitere, entschieden gewaltfreie Aktionen (friedliche Massenkundgebungen, Märsche, Sitzstreiks usw.) weiteten sich immer mehr aus und erreichten über die Städte des Südens und über Chicago schließlich die Metropolen an der Ostküste. Ein Höhepunkt war der legendäre Marsch auf Washington am 28. August 1963, bei dem Hunderttausende zum Lincoln-Denkmal kamen, um für die Bürgerrechte zu demonstrieren. King hielt eine Rede, deren Satz »I have a dream. ..« mittlerweile zu einem weltweiten Allgemeingut geworden ist. Dabei sprach er von seiner Vision, dass eines Tages nicht mehr die Hautfarbe, sondern der Charakter der entscheidende Maßstab zur Beurteilung eines Menschen sein werde.
Martin Luther King schien mit seiner Strategie Erfolg zu haben. 1957 und 1960 wurden (erstmals seit 1875) wieder Bürgerrechtsgesetze erlassen und Präsident John F. Kennedy brachte im Jahr 1963 eine umfassende Bürgerrechtsvorlage ein, die nach Verabschiedung durch den Kongress 1964 zum Gesetz wurde. King bezeichnete diesen Vorgang als einen »Meilenstein auf dem Weg zur Gerechtigkeit«. Auch bei den Unruhen im April 1963 in Birmingham (Alabama) hatten er und seine Mitarbeiter immer wieder auf friedliche Kompromisse hingearbeitet. 1964 erhielt King in Anerkennung seines Wirkens für einen friedlichen Ausgleich zwischen den Rassen den Friedensnobelpreis. Weitere Ehrungen schlossen sich an, so verschiedene Ehrendoktortitel von Universitäten im In- und Ausland.
Widerstand in den eigenen Reihen
Allerdings zeigte sich schon bei den Unruhen des Jahres 1964 in den Städten New York, Rochester und Philadelphia, dass King zwar an der Spitze der Bewegung immer wieder ausgleichend wirken konnte, er aber zugleich mehr und mehr durch radikale Vertreter in den eigenen Reihen unter Druck geriet. Wichtigste Vertretung der radikalen Schwarzen war die »Black-Power-Bewegung«. Diese setzte seit Mitte der 1960er-Jahre darauf, die Macht zu erlangen, um so die politischen, sozialen und kulturellen Bereiche des Staates und der Gesellschaft kontrollieren zu können. Unter Führern wie James Meredith und Stokely Carmichael wandte sie sich gegen Kings Konzept des friedlichen Ausgleichs und forderte die Schwarzen auf, eine so starke Machtbasis zu schaffen, dass man die Weißen in die Knie zwingen könne, wann immer sie sich gegen Schwarze stellten. Das Spektrum dieser Bewegung reichte von der militanten, 1966 gegründeten »Black Panther Party for Self-Defense« über die einem schwarzen Nationalismus verbundenen »Black Muslims« bis hin zu den Vertretern eines »Black Capitalism«. Männer wie Martin Luther King wurden von der Black-Power-Bewegung abschätzig als »Uncle Toms« bezeichnet. King musste Kompromisse machen an die Kampfstimmung, die sich durch Attentate wie das auf Meredith verschärft hatte. Er akzeptierte die Parole von der »schwarzen Macht«, allerdings mit einer Einschränkung: Dadurch dürften kein schwarzer Nationalismus und kein Rassismus mit umgekehrten Vorzeichen entstehen. Doch die Stimmung wandte sich gegen King. Im Sommer 1967 fand in Newark eine Black-Power-Konferenz statt. Die Stadt war von den Rassenkrawallen dieses Jahres nach Detroit am stärksten betroffen gewesen. Auf der Konferenz im Juli 1967 stimmten die Delegierten zu, eine Aufteilung der USA in einen weißen und einen schwarzen Staat anzustreben. Damit setzten sie sich in völligen Gegensatz zur Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King. Der erklärte bei einer Rede in Atlanta im August desselben Jahres, Rassenunruhen schadeten vor allem den Schwarzen selbst. Deshalb bleibe der gewaltlose Widerstand das den meisten Erfolg versprechende Mittel in dieser Auseinandersetzung.
Tod in Memphis
In dieser angespannten Atmosphäre und durch die Tatsache, dass er schon zweimal Ziel eines Attentats gewesen war, scheint King mit der Möglichkeit seines gewaltsamen Todes gerechnet zu haben. So sagte er am 3. April 1968: »Was auch immer passieren mag, hat jetzt keine Bedeutung mehr. Ich habe auf dem Gipfel des Berges gestanden.« 24 Stunden später wurde Martin Luther King auf dem Balkon des Lorraine Motels in Memphis, Tennessee, von dem Weißen James Earl Ray erschossen. Dieser wurde zwei Monate später in London festgenommen, an die USA ausgeliefert und am 10. März 1969 zu 99 Jahren Zuchthaus verurteilt. Viele Prozessbeobachter, so auch Coretta Scott King, die Witwe Martin Luther Kings, wollten nicht an die Einzeltäterschaft des geständigen Ray glauben, sondern vermuteten hinter ihm die Auftraggeber einer Verschwörung gegen den berühmten und charismatischen Schwarzen. Die Nachricht vom Mord an Martin Luther King löste weltweit einen Schock aus. In den USA kam es zu schweren Rassenunruhen, die Beerdigung Martin Luther Kings in Atlanta wurde zu einer gewaltigen politischen Demonstration.
Das Erbe Martin Luther Kings
Martin Luther King hatte seine Strategie in drei Büchern zusammengefasst, deren Titel programmatisch sind: »Kraft zum Lieben« (1963), »Warum wir nicht warten können« (1964) und »Aufruf zum zivilen Ungehorsam« (1968). Nach seinem Tod gründete Coretta Scott King 1968 das »Martin Luther King, Jr. Center for Nonviolent Social Change« in Atlanta zur Erinnerung an den herausragenden Führer der Bürgerrechtsbewegung und zur Pflege seines Vermächtnisses. Das Erbe Martin Luther Kings sollen u. a. auch ein Nationalmonument (feierliche Grundsteinlegung am 4. Dezember 2000) und eine Memorial Library (Eröffnung 1972) in Washington (D. C.) bewahren. Seit 1986 gibt es in den USA einen landesweiten Feiertag (der dritte Montag im Januar) zum Gedenken an den Bürgerrechtsaktivisten.
Ob das politische Vermächtnis Martin Luther Kings, die gewaltfreie Auseinandersetzung, eine Zukunft haben wird, lässt sich schwer einschätzen. Er setzte den Mächtigen in den USA erstmals eine außerparlamentarische Opposition entgegen, auf die sich die Mechanismen des politischen Machtkampfes nicht anwenden ließen.
Universal-Lexikon. 2012.