Simon
[gräzisierende Umbildung des hebräischen Vornamens Simeon, eigentlich etwa »Gott hat gehört«], im Neuen Testament einer der Brüder Jesu (Markus 6,3; Matthäus 13,55); nach der altkirchlichen Überlieferung wurde er 62/63 n. Chr. Bischof von Jerusalem und soll 107 n. Chr. als Märtyrer gestorben sein. - Heiliger (Tag: 18. 2.).
Simon,
eigentlicher Name des Apostels Petrus.
Simon,
1) [si'mɔ̃], Claude, französischer Schriftsteller, * Antananarivo (Madagaskar) 10. 10. 1913; war zuerst Maler und wandte sich nach seiner Flucht aus deutscher Kriegsgefangenschaft der Literatur zu: auf der Grundlage autobiographischer Begebenheiten untersuchte er in mehreren Romanen das Verhältnis zwischen Individuum und Geschichte. Mit dem Roman »Le vent« (1957; deutsch »Der Wind«) wandelte sich seine Schreibweise unter dem formalen Einfluss W. Faulkners, J. Joyces und M. Prousts vom beschreibenden, linearen Erzählen zum diskontinuierlichen und ausschnittartigen Erfassen der Wirklichkeit; seitdem gilt Simon als einer der führenden Vertreter des Nouveau Roman. Im Gegensatz zu dessen anderen Autoren spielt bei Simon die Handlung eine herausragende Rolle; seine Romane zeigen Individuen, deren Schicksal in enger Beziehung zu historischen Ereignissen steht, so zum Spanischen Bürgerkrieg (u. a. in »Le palace«, 1962; deutsch »Der Palast«) und zum Zweiten Weltkrieg (u. a. in »La route des Flandres«, 1960; deutsch »Die Straße in Flandern«). Zeit-, Lebens- und Schaffensgeschichte verbinden sich zu einem kunstvollen, assoziationsreichen Geflecht, das die menschlichen Grenzerfahrungen auslotet (v. a. in dem Alterswerk »L'acacia«, 1989; deutsch »Die Akazie«, in dem Simon die Summe seines Lebens zieht). 1985 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
Weitere Werke: Romane: Le tricheur (1945); La corde raide (1947; deutsch Das Seil); Le sacre du printemps (1954); L'herbe (1958; deutsch Das Gras); Histoire (1967); La bataille de Pharsale (1969; deutsch Die Schlacht bei Pharsalos); Les corps conducteurs (1971; deutsch Die Leitkörper); Triptyque (1973; deutsch Triptychon); Leçon de choses (1975; deutsch Anschauungs-Unterricht); Les géorgiques (1981; deutsch Georgica); La chevelure de Bérénice (1983; unter dem Titel Femmes, mit Holzschnitten von J. Miró 1966; deutsch Das Haar der Berenike).
Reisebericht: L'invitation (1987).
L. Daellenbach: C. S. (Paris 1988);
Dorothea Schmidt: Schreiben nach dem Krieg. Studien zur Poetik C. S.s (1997).
2) ['saɪmən], Herbert Alexander, amerikanischer Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler, * Milwaukee (Wisconsin) 15. 6. 1916, ✝ Pittsburgh (Pa.) 9. 2. 2001; seit 1949 Professor an der Carnegie-Mellon-Universität in Pittsburgh (Pa.); befasste sich neben Betriebswirtschaftslehre (besonders Industriebetriebslehre und Operations-Research) auch mit Psychologie, Physiologie, Mathematik und Informatik (besonders künstliche Intelligenz). Für seine Forschungen über die Struktur von Wirtschaftsorganisationen, die er als soziale und anpassungsfähige Systeme begreift, und die Eigenheiten ihrer Entscheidungsprozesse erhielt Simon 1978 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Er rückte von der klassischen Hypothese der Gewinnmaximierung ab und ersetzte den Unternehmer durch plurale Entscheidungsinstanzen (Management), die sich aus verschiedenen Gründen (z. B. Risikobegrenzung) mit befriedigenden Alternativen begnügen.
Werke: Administrative behaviour (1947; deutsch Das Verwaltungshandeln); Public administration (1950); Organizations (1958, mit J. G. March); The new science of management decisions (1960); The sciences of the artificial (1969); Human problem solving (1972, mit A. Newell); Models of discovery (1977); Models of thought (1979); Models of bounded rationality, 2 Bände (1982); Models of my life (1991).
3) ['saɪmən], John Allsebroock ['ɔːlsəbrʊk], Viscount (seit 1940), britischer Politiker, * Manchester 28. 2. 1873, ✝ London 11. 1. 1954; Jurist, war 1906-18 und 1922-40 Abgeordneter der Liberalen im Unterhaus. Ab Mai 1915 Innenminister, trat Simon aus Protest gegen die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht im Januar 1916 zurück. 1927-30 Vorsitzender der Kommission für die indische Verfassungsreform. 1931 gründete Simon (bis 1940 Vorsitzender) die Nationalliberale Partei, die sich in Anlehnung an die Konservativen an den Koalitionsregierungen des »National Government« beteiligte. 1931-35 war Simon Außenminister. Er bestimmte mit seiner konfliktvermeidenden Haltung zum japanischen Überfall auf die Mandschurei (1931) maßgeblich die schwache Reaktion des Völkerbundes gegenüber Japan. Der von Simon unter Berücksichtigung französischer Vorschläge auf der Genfer Abrüstungskonferenz vorgelegte Plan, den von Deutschland geforderten Rüstungsausgleich um vier Jahre zu verschieben, diente der nationalsozialistischen Reichsregierung zum Anlass, die Konferenz zu verlassen und aus dem Völkerbund auszutreten (14. 10. 1933. Als Vertreter der Politik des Appeasement trug Simon zum Abschluss des Deutsch-Britischen Flottenabkommens (Juni 1935) bei; 1935-37 Innenminister, 1937-40 Finanzminister, unterstützte er den Abschluss des Münchener Abkommens (September 1938); 1940-45 Lordkanzler.
4) [si'mɔ̃], Jules, eigentlich J. François Simon Suisse [-'sɥis], vorher J. F. Simon Schweitzer, französischer Politiker und Philosoph, * Lorient 31. 12. 1814, ✝ Paris 8. 6. 1896; wurde 1839 Professor an der Sorbonne, 1851 aus politischen Gründen suspendiert; als gemäßigter Republikaner mehrfach Abgeordneter (1848-49, 1863-70 und 1871-75). 1870 Mitglied der »Vorläufigen Regierung der Nationalen Verteidigung«, war er mit J. Favre und J. Ferry gegen A. Thiers' Entschluss, Paris zu evakuieren. Ab Dezember 1876 Ministerpräsident, musste er am 16. 5. 1877 den antiparlamentarischen Bestrebungen des Präsidenten Mac-Mahon weichen. Simon, Schüler von V. Cousin, lehrte als Philosoph einen religiösen Spiritualismus, der das Dasein Gottes als primäre und unmittelbare Gegebenheit annimmt, die keines Beweises bedürfe.
5) Klaus, Holzbildhauer, * Bad Godesberg (heute zu Bonn) 23. 12. 1949; arbeitet im Gegensatz zu den meisten deutschen Holzbildhauern der Gegenwart nicht figurativ; Grundelemente der meist monumentalen, aus mehreren Teilen bestehenden Arbeiten sind stereometrische Formen wie Kugel, Rhombus, Quader oder metaphor. Zeichen wie Kreuz, Treppe, Boot. Abgeschlagene oder ausgehöhlte Teile der verwendeten Baumstämme bleiben in der skulpturalen Installation als eigene Formen sichtbar.
K. S. Skulpturen, bearb. v. C. Brockhaus u. a., Ausst.-Kat. Wilhelm-Lehmbruck-Museum, Duisburg (1993).
6) ['saɪmən], Marvin Neil, amerikanischer Schriftsteller, * New York 4. 7. 1927; erfolgreicher Broadway-Autor, dessen zahlreiche Boulevardstücke amüsant die amerikanische Mittelschicht und ihre Alltagsprobleme darstellen; schreibt auch Musical-Libretti und Filmskripte.
Werke: Theaterstücke: Barefoot in the park (1963; deutsch Barfuß im Park); The odd couple (1966; deutsch Ein seltsames Paar); Plaza suite (1969; deutsch); Last of the red hot lovers (1970; deutsch Der letzte der feurigen Liebhaber); The gingerbread lady (1971; deutsch Pfefferkuchen und Gin); The sunshine boys (1973; deutsch Sonny-Boys); The good doctor (1974; deutsch Der gute Doktor); Chapter two (1979; deutsch Das zweite Kapitel); Brighton beach memories (1984; deutsch Brooklyn-Memoiren); Biloxi blues (1985); Broadway bound (1987; deutsch Broadway, wir kommen); Lost in Yonkers (1991); London suite (1996).
Ausgaben: The collected plays, 2 Bände (1971-79);
Komödien, herausgegeben von J. C. Trilse (1988); Komödien, 3 Bände (1994-96).
7) [si'mɔ̃], Michel, eigentlich François Simon, französischer Schauspieler schweizerischer Herkunft, * Genf 9. 4. 1895, ✝ Paris 30. 5. 1975; arbeitete ab 1925 für den Film, wo er sich v. a. durch die Zusammenarbeit mit J. Renoir (»Die Hündin«, 1931; »Boudu, aus den Wassern gerettet«, 1932) zu einem der bekanntesten Charakterdarsteller entwickelte.
Weitere Filme: Hafen im Nebel (1938); Monsieur Taxi (1952); Der alte Mann und das Kind (1966).
8) ['saɪmən], Paul, amerikanischer Sänger und Songschreiber, * Newark (N. J.) 13. 10. 1941 (nach anderen Angaben 1942); war 1964-70 mit Art Garfunkel als Folk-Rock-Duo (Simon and Garfunkel) erfolgreich. Nach Auflösung des Duos (1970) trat Simon mit subtilen Kompositionen hervor, in denen er Elemente des Jazz und der lateinamerikanischen Musik verarbeitete; 1986 und 1989 organisierte er u. a. zusammen mit Miriam Makeba und dem südafrikanischen Jazztrompeter Hugh Ramapolo Masekala (* 1939) eine Welttournee »Graceland« (Tournee; auch LP), die sich gegen die Apartheidpolitik der Republik Südafrika wendete.
9) [si'mɔ̃], Pierre Henri, französischer Schriftsteller, * Saint-Fort-sur-Gironde (Département Charente-Maritime) 16. 1. 1903, ✝ Paris 20. 9. 1972; Professor für französische Literatur in Lille, Gent und Freiburg im Üechtland; war Literaturkritiker der Zeitung »Le Monde« und schrieb Romane, Gedichte, politische und literarische Essays, in denen er im Geist des christlich-liberalen Humanismus zeitgenössische ideelle Strömungen und bürgerliche Gesellschaft kritisiert.
Werke: Romane: Les raisins verts (1950; deutsch Grüne Trauben); Les hommes ne veulent pas mourir (1956; deutsch Jahre in Hexenwiese).
Romanzyklus: Figures à Cordouan: Le somnambule (1960), Histoire d'un bonheur (1965; deutsch Geschichte eines Glücks), La sagesse du soir (1971).
Essays und Literaturkritik: L'homme en procès (1950); Contre la torture (1957); Ce que je crois (1966; deutsch Woran ich glaube).
Literaturgeschichte: Histoire de la littérature française au XXe siècle, 1900-1950, 2 Bände (1956).
Universal-Lexikon. 2012.