Na|no|tech|no|lo|gie 〈f. 19; unz.〉 Gebiet der Technik, das sich mit der Entwicklung u. Anwendung von Bauelementen im Nanometerbereich befasst; Sy Nanotechnik; →a. Mikrostrukturtechnik
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Na|no|tech|no|lo|gie, die; -, -n:
Technologie, die sich mit Strukturen u. Prozessen im Nanometerbereich befasst:
die Einsatzmöglichkeiten der N. sind vielfältig.
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I Nanotechnologie,
eine Technologie, die sich mit Systemen beschäftigt, deren Einzelkomponenten Ausmaße von weniger als 100 Nanometer bis unter einen Nanometer haben. (ein Nanometer ist ein Millionstel Millimeter). Solche Partikel weisen oft besondere Eigenschaften auf, da sich bei diesen Größenordnungen bereits molekularphysikalische und quantenmechanische Effekte bemerkbar machen.
Die Nanotechnologie stützt sich auf physikalische und chemische Erkenntnisse und die technischen Errungenschaften, die im Zuge der Erforschung von kleinsten Strukturen und der fortschreitenden Miniaturisierung hervorgebracht wurden (z. B. Rastertunnel- und Rastermikroskope) und die eng mit computergestützter Steuerung verbunden sind.
Im Bereich der Informationstechnologie könnte in den nächsten Jahre die Nanoelektronik an die Stelle der Mikroelektronik treten, wodurch die Speicherdichte sowie die Leistungsfähigkeit von Prozessoren um ein Vielfaches gesteigert würden. Weitere denkbare Anwendungsbereiche erstrecken sich auf die Medizin (z. B. nanochirurgische Werkzeuge, Nanokapillaren zur Vor-Ort-Dosierung von Medikamenten, biokompatible Schichten für Prothesen), Fahrzeug- und Maschinenbau (z. B. die Herstellung ultraglatter, Schmutz abweisender oder sich selbst reinigender Oberflächen), Optik, Umweltschutz usw.
Die Nanotechnologie wird von vielen als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts angesehen.
II
Nanotechnologie
[zu griechisch nãnos »Zwerg«], modernes Gebiet naturwissenschaftlicher Forschung und Technologieentwicklung an der Schnittstelle zwischen Physik, Chemie und Molekularbiologie, das sich mit der Erforschung und der Manipulation (dem »Maßschneidern«) von Eigenschaften und Funktionen von Materie im Nanometerbereich befasst. Die Nanometerskala reicht von etwa einem Nanometer (1 nm = 1 Milliardstel Meter = 10-9 m) - das sind entsprechend wenige Atomdurchmesser - bis in den Bereich von 100 nm, den kleinsten Abmessungen von Bauelementen auf hochintegrierten Chips der heutigen Mikroelektronik.
Zu den Zielen der Nanotechnologie gehören insbesondere die Herstellung neuartiger Materialien und Werkstoffe mit außergewöhnlichen Eigenschaften sowie die Entwicklung neuer Methoden zur extrem dichten und effizienten Datenspeicherung, auf deren Möglichkeit bereits R. Feynman 1959 in seiner visionären Rede vor der American Physical Society (»There's Plenty of Room at the Bottom. An Invitation to Enter a New Field of Physics«, übersetzt: »Viel Spielraum nach unten. Eine Einladung in ein neues Gebiet der Physik«) hingewiesen hat. Weitere Forschungsschwerpunkte sind die Entwicklung künstlicher Nanomaschinen, die den in Zellen von Lebewesen arbeitenden natürlichen Nanomaschinen nachempfunden sind, sowie neue Funktionseinheiten bis hin zu hochintegrierten komplexen Systemen.
Praktisch erschlossen wurde das Gebiet der Nanotechnologie einerseits durch die ständige Verfeinerung der vorwiegend physikalischen Herstellungsmethoden der Mikroelektronik in einer Top-down-Strategie (»von oben nach unten«), die die Miniaturisierung zu immer kleineren Strukturen beinhaltet. Diese Methoden erlauben es heute auf der Basis lithographischer Verfahren, verschiedenste Materialien bis herunter zu mesoskopischen Abmessungen (mesoskopisches System) von wenigen Nanometern gezielt zu gestalten und zu strukturieren. Andererseits gestatten Verfahren der synthetischen und supramolekularen Chemie in zunehmendem Maße die Herstellung komplexer Moleküle bis hin zu makromolekularen Einheiten und geben uns so - ausgehend von den Atomen - einen Bottom-up-Zugang (»von unten nach oben«) zu nanoskaligen Systemen. Dabei werden aus der Biochemie entwickelte Methoden der molekularen Erkennung und Selbstorganisation mit klassischen chemischen Synthesestrategien kombiniert, sodass man heute z. B. anorganische Nanopartikel ebenso wie DNA-Moleküle »maßgefertigt« kaufen kann.
Obwohl nanoskalige Objekte in der Chemie, z. B. als Kolloide, seit langem bekannt sind und verwendet werden, wurden viele der heute in den Nanowissenschaften genutzten Fertigungsverfahren erst durch unglaublich präzise Mess- und Charakterisierungstechniken möglich. Ein breites Spektrum von Oberflächen abtastenden Rastersondenverfahren (Rastermikroskope), basierend auf der bahnbrechenden Erfindung des Rastertunnelmikroskops (Tunnelmikroskop) durch G. Binnig und H. Rohrer (Nobelpreis für Physik 1986), kann heute Oberflächenstrukturen mit Details unter 1 nm wiedergeben. Diese Verfahren können mit abbildender optischer Mikroskopie, Elektronen- und Röntgenmikroskopie sowie mit auf Beugung beruhenden Strukturaufklärungsverfahren mittels Photonen, Elektronen, Neutronen und Atomen kombiniert werden. Auch der Einsatz lokaler Sonden, wie beispielsweise in der Fluoreszenzspektroskopie, der Kernspinresonanzspektroskopie (NMR-Spektroskopie) und der Spektroskopie von radioaktiven Markersubstanzen (Marker) verschafft Einblick in deren nanodimensionierte Umgebung, da die physikalischen Eigenschaften solcher Sonden von der räumlichen Umgebung messbar beeinflusst werden.
Die Kombination all dieser Herstellungs-, Untersuchungs- und Analyseverfahren ermöglicht in zunehmendem Maße die Aufklärung der Struktur komplexer Materialien im Nanometerbereich bis hin zu größeren biologischen Molekülsystemen wie dem menschlichen Genom. Kombiniert mit molekulardynamischen Simulationsverfahren geben diese Methoden auch Einblick in die Funktionsweise von Nanosystemen, wie kleinsten elektronischen oder magnetischen Speicherzellen der Informationstechnologie oder biologischer Systeme. So können heute beispielsweise Lebensfunktionen steuernde einzelne Ionenkanäle in Zellwänden oder molekulare Motoren in Muskelfasern, die die Bewegung ermöglichen, auf ihre Arbeitsmechanismen erforscht werden. Gerade im Verständnis kleinster biologischer Funktionseinheiten befindet sich die Wissenschaft am Anfang einer Entwicklungsphase, in der Untersuchungsverfahren in Nanometerauflösung unverzichtbar sind. Da auf der Nanometerskala physikalische, chemische und biologische Funktionalität oft kaum noch voneinander trennbar sind, entwickeln sich die traditionellen naturwissenschaftlichen Disziplinen aufeinander zu.
Basierend auf den Grundlagen der Nanowissenschaften entwickelt sich durch Kombination der Top-down- und Bottom-up-Verfahren ein breites Spektrum von Nanotechnologien, die heute erst in Ansätzen existieren. Sie werden aber eine Schlüsseltechnologie der kommenden Jahrzehnte darstellen, die voraussichtlich unser Leben noch mehr beeinflussen wird, als heute die in den 1960er-Jahren begonnene Mikroelektronik. Da sich Nanowissenschaften und -technologien aus verschiedenen Untersuchungs- und Herstellungsverfahren von Physik, Chemie, den Material- und Biowissenschaften entwickelt haben, bilden sie kein klar abgrenzbares Gebiet. Vielmehr bestehen sie aus verschiedenen Wissens- und Technologiefeldern, deren wesentliche Teilbereiche im Folgenden beispielhaft untersucht werden.
Nanoskalige Werkstoffe
Ein schon vergleichsweise reifer Zweig der Nanotechnologie widmet sich der Schaffung neuer Verbundmaterialien, so genannter Kompositmaterialien, in denen »maßgeschneiderte« nanoskalige Untereinheiten zu Werkstoffen mit neuen physikalischen und chemischen Eigenschaften führen. Schon klassische Beispiele hierfür sind mit Nanopartikeln gefüllte Nanomaterialien, die als Farben, Tinten, Kosmetika, Schmiermittel, Polierpasten, Keramiken, Leuchtstoffe und Klebstoffe breite Anwendungen finden, ebenso wie nanoporöse Materialien (z. B. Zeolithe und metallische Schäume), die vielfach als Katalysatoren bei chemischen Prozessen oder auch in Waschmitteln zur Verminderung der Verkalkung verwendet werden. Andere Nanokomposite sind metallische Legierungen mit einem mechanischen Gedächtnis (Memory-Legierungen), Halbleiterheterostrukturen (Heterostruktur) mit besonderen elektronischen und optoelektronischen Eigenschaften, die in der Informationstechnologie genutzt werden, sowie Kohlefaserverbundwerkstoffe, die als leichte und widerstandsfähige Werkstoffe, wie beispielsweise für Sportgeräte (Tennisschläger; Ski), in vielfältiger Weise in unseren Alltag eingekehrt sind (Verbundwerkstoff).
Beispiele jüngerer Forschungsergebnisse der Nanowissenschaften sind die Erkentnisse über die selbstreinigende Wirkung der Lotusblume aufgrund ihrer nanoskaligen wasserabstoßenden Oberflächenstruktur, auf deren Basis stark schmutzabweisende Beschichtungsverfahren entwickelt werden konnten, sowie die Untersuchung der nanoskaligen Struktur von Muschelschalen, die wichtige Erkenntnisse zur Entwicklung extrem bruchfester Schichtstrukturmaterialien lieferte. Derzeit noch vorwiegend in der Forschung befindliche Beispiele für nanotechnologische Entwicklungen sind Kohlenstoffnanoröhren, die aus kleinen zu Röhrenformen aufgerollten graphitähnlichen Kohlenstoffschichten bestehen, von denen man sich einen Einsatz in Wasserstoffspeichern oder als Elektronenemitter in Flachbildschirmen verspricht, sowie kolloidale Nanokristalle, die als künstliche Leuchtstoffe in der Beleuchtungstechnik oder als fluoreszierende Marker in der biochemischen Analyse eingesetzt werden können. Großes Interesse, zunächst in der Grundlagenforschung, aber auch schon in ersten Anwendungen, finden molekulare Cluster wie die fußballartigen Fullerene aus z. B. 60 Kohlenstoffatomen oder Metallcluster mit charakteristischem Atomaufbau sowie komplexere, chemisch synthetisierte Cluster mit oft schalenartigem Aufbau. In allen Fällen führt die Beherrschung der nanoskaligen Struktur zu neuartigen, in natürlichen Stoffen kaum bekannten Kombinationen von Eigenschaften, die maßgeblich durch die Oberflächen- und Grenzflächeneigenschaften der Nanopartikel geprägt sind (wie z. B. Oberflächenhärte, Gleitfähigkeit, Selbstreinigung, Bruchfestigkeit, effiziente Lichtumwandlung, schaltbare Leitfähigkeit, Supraleitung u. a.). Daher ist es verständlich, dass der Nanotechnologie eine Schlüsselrolle bei der zukünftigen Entwicklung komplexer synthetischer Werkstoffe und neuartiger Bauelemente der Informationstechnologie zuteil werden wird.
Nanosysteme für die Informationstechnologie
In den Informationstechnologien gilt es, elektronische, optische oder magnetische Schalteinheiten zu entwickeln, die Information mit höherer Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit verarbeiten können als die auf Silizium basierenden mikroelektronischen Bauelemente. Die durch ständige Verkleinerung bekannter Baulemente bestimmte Entwicklung der Mikroelektronik wird voraussichtlich in etwa 10 Jahren ihr Ende finden. Auf diesem Anwendungsgebiet ist die Nanotechnologie in Teilbereichen schon weit entwickelt. Beipielsweise basieren die heute in CD-Laufwerken und Laserdruckern verwendeten Halbleiterlaser ebenso auf nanoskaligen Halbleiterschichtsystemen, so genannten Quantentöpfen (Quantengraben), wie die hochempfindlichen Eingangsverstärker heutiger Mobiltelefone. Diese technologischen Entwicklungen fußen auf den durch Quanteneffekte geprägten, elektronischen Eigenschaften von Halbleiterheterostrukturen, die seit Beginn der 1970er-Jahre Gegenstand der Grundlagenforschung waren und für deren Erforschung 2000 auch der Nobelpreis für Physik vergeben wurde. Entsprechend besteht die Aussicht, dass so genannte Halbleiterquantenpunkte, die seit etwa 1990 mit verschiedensten Verfahren hergestellt und in ihren elektronischen und optischen Eigenschaften intensiv erforscht werden, zu technologischen Neuerungen bei der Datenspeicherung und -übermittlung führen können. Hier steht der technologische Durchbruch allerdings noch ebenso aus wie beim verwandten Ein-Elektronen-Transistor, der einen elektronischen Schaltvorgang mit nur einem Elektron auszulösen vermag.
Analog zur elektronischen Datenverarbeitung kann erwartet werden, dass die photonische Datenverarbeitung (optische Datenverarbeitung, Photonik), das heißt die Datenverarbeitung mit Licht, in den nächsten Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. Allerdings sind hier grundlegende Fragen des photonischen Schaltens und der Datenspeicherung noch weitgehend ungelöst. Beispielsweise werden derzeit Lichtsignale bei der Datenübertragung in Glasfasern entweder durch mikromechanische Elemente geschaltet oder zunächst in elektronische Signale umgewandelt, elektronisch verarbeitet und anschließend wieder erneut durch Laser in Lichtsignale umgewandelt. Hier hofft man, mithilfe der Nanotechnologie schnelle und hochintegrierbare photonische Schalt- und Speicherelemente entwickeln zu können, die als Grundlage für photonisch arbeitende Computer (optische Computer) dienen. Die Hoffnung basiert sowohl auf der Weiterentwicklung von photonischen Schaltelementen, die auf elektrooptischen und nichtlinear optischen Effekten in Halbleiternanostrukturen beruhen, als auch auf der sehr aktuellen Erforschung der besonderen optischen Eigenschaften so genannter photonischer Kristalle, die ähnlich wie Opale aus periodisch angeordneten Nanopartikeln bestehen. Diese nutzen die periodische räumliche Modulation der optischen Konstanten durch dreidimensionale Nanostrukturierung. Beispielsweise gelingt es inzwischen, durch den gezielten Einbau von Störstellen in solche photonische Kristalle Licht innerhalb einer Lichtwellenlänge umzulenken. Auch werden die nanotechnologischen Herstellungsverfahren für photonische Kristalle derzeit ständig verbessert, sodass in den nächsten zehn Jahren mit ihrer Nutzung in technologisch relevanten Anwendungen gerechnet werden darf.
Die durch die Halbleiterforschung eingeleitete atomar präzise Herstellung von kristallinen Schichtstapeln mit Schichtdicken auf der Nanometerskala hat zur Entwicklung neuartiger magnetischer Schichtsysteme geführt, die aufgrund ihrer besonderen Magnetowiderstandseigenschaften schon heute bei der Herstellung von Leseköpfen für magnetische Plattenspeicher verwendet werden. Auch bei der Entwicklung verbesserter magnetischer Speichermedien werden heute nanotechnologische Fertigungsverfahren eingesetzt.
Durch die Nanotechnologie werden auch neue Darstellungsmedien entwickelt, wie das »elektronische Papier«, das auf einer dünnen Folie auf Wunsch per Funk abrufbare Text- und Bildinformation wiedergibt. Dabei nutzen die Herstellungstechniken solcher neuartiger Medien zunehmend auch Verfahren, in denen molekulare Erkennung und Selbstordnung ausgenutzt werden. Dadurch können elektronische und elektrooptische Schaltkreise, die heute noch mit aufwendigen lithographischen Verfahren produziert werden, mit einem Tintenstrahldrucker oder in einem Stempelverfahren mit »intelligenter Farbe« aus organischen Halbleitern effizienter und kostengünstiger hergestellt werden; »intelligente Farbe« ist eine Farbe, die z. B. durch elektrische Felder geschaltet werden kann. Hier wird erwartet, dass durch die zunehmende Nutzung nanoskaliger molekularer Erkennung in Kombination mit der rapiden Entwicklung neuer organischer Halbleitersysteme (deren grundlegende Erforschung 2000 mit dem Nobelpreis für Chemie gewürdigt wurde) bald völlig neue Industriezweige zur Herstellung von Displays und ähnlichen bildgebenden Medien bis hin zu neuen Leuchtmitteln entstehen. Vermutlich wird dadurch die schon über 100 Jahre alte Glühbirne in zehn Jahren ebenso Museumsobjekt sein wie die klobige Röhre heutiger Fernseher.
Die Herstellungsverfahren der Mikroelektronik haben in jüngerer Zeit zu miniaturisierten sensorischen und aktorischen Systemen geführt, deren Abmessungen die eines daumennagelgroßen Computerchips nicht überschreiten, und die Strukturen im Bereich weniger Mikrometer enthalten (1 μm =1/1 000 mm = 1 000 nm). Beispiele sind aus einem Stück Silizium gefertigte mikroelektromechanische Systeme, so genannte MEMS, die z. B. als Beschleunigungssensor beim Aufprall eines Autos auf ein Hindernis in Bruchteilen von Sekunden das Aufblasen des Airbags auslösen. Besonders in der Automobiltechnik, aber auch in der Industrierobotik finden derartige mikroelektromechanische Bauelemente zunehmend Verwendung. Beispielsweise werden inzwischen auch auf MEMS basierende extrem miniaturisierte Spiegelarrays benutzt, um vergleichsweise schnell Lichtsignale von verschiedenen Eingängen zu verschiedenen Ausgängen zu schalten oder um mit Lasern die großflächige Projektion von Bildern zu ermöglichen. Die Forschung untersucht bereits nanoelektromechanische Systeme (NEMS), mit dem Ziel, daraus noch kleinere und empfindlichere sensorische und aktorische Systeme aufzubauen. Diese basieren beispielsweise auf Silizium-Nanosaiten, deren mechanische Resonanzfrequenzen im Radiofrequenzbereich liegen und auf kleinste Kraftwirkungen empfindlich reagieren. Verbunden mit geeigneter chemischer Sensibilisierung kann man sich vorstellen, dass darauf aufbauende NEMS in zehn Jahren als »künstliche Nasen« beim Schadstoffnachweis dienen könnten, in denen die Absorption kleinster Schadstoffmengen durch Änderung der Resonanzfrequenz empfindlich nachweisbar wird. Eine andere Anwendung sind in Silizium integrierbare und auf mechanischer Bewegung basierende elektronische Filterelemente, wie sie beispielsweise im Mobilfunk zur Kanaltrennung benötigt werden. Eine Kombination solcher NEMS mit nanoporösen oder nanokristallinen und chemisch empfindlichen Sensoren oder mit biochemisch aktiven Molekülen kann letztendlich zu kleinsten Nachweissystemen führen, die Anwendung in der Chemietechnologie ebenso wie in der Medizintechnik finden können.
Nanomanipulationsmethoden:
Um auf der Nanoskala Materie gezielt manipulieren zu können, bedarf es roboterähnlicher Werkzeuge, mit denen Materie mit Nanometerpräzision bearbeitet und bewegt werden kann. Bereits existierende Werkzeuge basieren auf dem Prinzip der Rastersondenmikroskope, in denen eine feine Spitze am Ende eines langen Hebels eine Oberfläche abtastet. Mit Rastersondenmikroskopen ist es bereits gelungen, gezielt einzelne Atome auf einer Oberfläche zu verschieben und so künstliche nanoskalige Aggregate zusammenzubauen. Auch kann man bei Verwendung geeigneter Spitzen auf der Nanometerskala Objekte verformen, oberflächennahe Schichten »pflügen« und elektrochemische Prozesse, wie die lokale Oxidation, steuern. Durch Parallelisierung vieler Spitzen, die unabhängig voneinander angesteuert werden können, wird bereits erfolgreich das Verfahren der Rastersondenmanipulation derart beschleunigt, das Anwendungen in der Datenspeicherung absehbar werden. Chemische Funktionalisierung der Spitzen ermöglicht es inzwischen auch, die Spitzen als chemisch selektive Werkzeuge einzusetzen und beispielsweise nur an bestimmte Moleküle angreifen zu lassen. So kann man heute Bindungskräfte in einzelnen Molekülen messen und als Identifikationsmerkmale der Moleküle nutzen.
Eine andere Nanomanipulationsmethode, die so genannte Laserpinzette, benutzt den feinen Fokus eines Laserstrahls, um Moleküle einzufangen und zu bewegen. Durch das Anlegen elektrischer Spannungen an Nanoelektroden gelingt es inzwischen, einzelne größere Moleküle auf Oberfächen einzufangen und zu transportieren. Das chemische Anbinden von magnetischen Nanopartikeln an Moleküle ermöglicht mithilfe magnetischer Felder ebenfalls deren kontrollierte Bewegung auf der Nanometerskala. Selbst wenn derartige nanorobotische Systeme derzeit am Beginn ihrer Entwicklung stehen, verspricht ihre Erforschung ein breites Spektrum möglicher, noch nicht absehbarer technologischer Anwendungen. Allerdings muss mit zunehmender Verkleinerung und Komplexität solcher Funktionssysteme - ähnlich wie in den natürlichen Nanosystemen in lebenden Zellen - Selbstorganisation und Selbstregulation auf nanometrischer Skala eingebaut werden, da sonst eine fehlerfreie Fabrikation und Funktion derartig komplexer Nanosysteme kaum vorstellbar ist. Wie das bewerkstelligt werden kann, ist heute noch weitgehend unerforscht.
Nanoskalige Funktionssysteme in Chemie, Pharmakologie, Biologie und Medizin
Nanotechnologische Forschung dient zunehmend auch der Entwicklung miniaturisierter und parallel arbeitender Analyseverfahren in Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Medizin. Beispielsweise ist in der Genomforschung (Genomprojekt) und bei der Untersuchung von Proteomen eine sinnvolle Nutzung der durch Entschlüsselung des menschlichen Genoms gewonnenen Information erst durch das Verständnis der Funktion und Regulation komplexer biologischer Systeme möglich. Ähnlich wie in der Informationstechnologie besteht auch hier der Fortschritt in der Miniaturisierung der biochemischen Analyseverfahren.
Andererseits werden nanotechnologische Verfahren auch beim Informationsaustausch zwischen Lebewesen und Maschinen zunehmend eine wichtigere Rolle spielen. Beispielsweise ist eine lokale und schnelle biochemische Analyse am Patienten, die durch miniaturisierte Laborsysteme auf der daumennagelgroßen Fläche eines Biochips angestrebt wird, ebenso weitgehend auf nanotechnolgische Entwicklungen angewiesen wie eine aktive Prothetik, in der Nervenzellen mit sensorischen und motorischen Elementen direkt verknüpft werden.
Noch weiter in die Zukunft blickend erscheint es möglich, dass mithilfe der Nanotechnolgie in Nachahmung natürlicher Viren und molekularer Motoren kleine Vesikel und Sonden entwickelt werden können, die pharmakologische Substanzen gezielt an den Ort ihrer gewünschten Bestimmung bringen. Auch hier befinden sich Nanowissenschaften und -technologien noch weitgehend am Anfang ihrere Entwicklung. Allerdings besteht gerade im medizinischen und pharmakologischen Bereich ein großer Bedarf an Verfahren, mit denen biologische Fehlfunktionen im frühen Stadium an kleinsten Stoffmengen erkannt werden können, ebenso wie an Methoden, mit denen Pharmaka möglichst ohne Störung anderer biologischer Funktionen gezielt an den Ort ihrer Wirkung transportiert werden können.
Auch beim Screening neuer Medikamente sind nanotechnologische Verfahren wünschenswert, um weitgehend parallelisiert und mit möglichst kleinen Mengen oft sehr kostspieliger Reagenzien ein breites Spektrum möglicher neuer Pharmaka auf ihre spezifische Wirkung analysieren zu können. Hier kann die Nanotechnologie langfristig einen enormen volkswirtschaftlichen Nutzen bei der Krankheitsbekämpfung wie auch bei der Prothetik, insbesondere zum Ersatz von Sinnesorganen, entfalten. Natürlich ist dieser Bereich auch mit vielfältigen ethischen Fragen verknüpft, deren befriedigende Beantwortung sicher nicht immer leicht sein wird.
M. Großl: Expeditionen in den Nanokosmos. Die technolog. Revolution im Zellmaßstab (Basel 1995);
Nanoparticles and Nanostructured Films, hg. v. J. H. Fendler (Wiley-VCH 1998);
N. Bauen mit Atomen. Medizin auf den Quantenpunkt gebracht. Elektronik vom Allerkleinsten (2001);
S. E. Lyshevski: Nano- and microelectromechanical systems. Fundamentals of nano- and microengineering (Boca Raton 2001);
M. Köhler: N. (2001).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Nanotechnologie: Manipulation von Materie im atomaren Maßstab
Nanowerkstoffe: Atomare Dimension - ungewöhnliche Eigenschaften
Miniaturisierung: Wozu?
Miniaturisierung: Zukunft und Grenzen
Universal-Lexikon. 2012.