Täuschung; Gaunerei; Fraud; Schummelei (umgangssprachlich); Beschmu (umgangssprachlich); Schwindel; Schmu; Bauernfängerei (umgangssprachlich); Betrug; Trickserei; Abzocke (umgangssprachlich); Nepp; Sabotierung; Manipulierung; Sabotage; Verschleierung; Beeinflussung; Verfälschung; Verbrämung; Gehirnwäsche; Konditionierung; Programmierung; Hetze; Propaganda; Volksverdummung (umgangssprachlich); Agitation; Zugriff; Operation (Lese-/Schreibop.); List; Bluff; Verarscherei (derb); Veräppelung (umgangssprachlich); Verarsche (derb); Gaukelei; Irreführung; Finte; Verarschung (derb)
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Ma|ni|pu|la|ti|on [manipula'ts̮i̯o:n], die; -, -en:das Manipulieren:
die Manipulation der Öffentlichkeit durch die Massenmedien; die Manipulation von Bedürfnissen und Meinungen.
Zus.: Genmanipulation.
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Ma|ni|pu|la|ti|on 〈f. 20〉
1. gezielte Beeinflussung, Steuerung der Meinungen od. des Verhaltens anderer
2. 〈geh.〉 betrügerische Machenschaft
3. Handhabung, Kunstgriff
4. 〈veraltet〉 geschickter Gebrauch der Hände
5. das Herbeiführen einer Fehlfunktion durch einen techn. Eingriff
6. Zurichten, Färben u. Sortieren von Fellen
● \Manipulation der öffentlichen Meinung; \Manipulation eines Messgeräts; durch geschickte \Manipulationen [<neulat. manipulatio „Handgriff, Verfahren, Kunstgriff“] Siehe auch Info-Eintrag: Manipulation - info!
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Ma|ni|pu|la|ti|on, die; -, -en [frz. manipulation = Handhabung, zu: manipule = [eine] Handvoll < lat. manipulus, zu: manus = Hand u. plere = füllen]:
M. von Meinungen.
2. <meist Pl.> (bildungsspr.) undurchschaubares, geschicktes Vorgehen, mit dem sich jmd. einen Vorteil verschafft, etw. Begehrtes gewinnt:
betrügerische -en.
3.
b) (Med.) bestimmter Eingriff (z. B. zur Einrenkung von Gelenken).
4. (Technik) Handhabung.
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I Manipulation,
(Informationsmanipulation): die absichtliche Verfälschung von Nachrichten durch Zusätze und/oder Auslassungen.
II
Manipulation,
(Manipulation des Bewusstseins und des Willens): die Verhaltenssteuerung eines anderen Menschen etwa durch den Einsatz von Drogen oder durch elektrische Reizung bestimmter Gehirnregionen. Als Manipulation sind auch verfrühte oder übertriebene Lernprogrammierungen beziehungsweise Dressuren mithilfe von Apparaturen zu bezeichnen. Eine Extremform körperlich-geistiger Manipulation ist die Gehirnwäsche.
Manipulation,
Im psychosozialen Bereich ist Manipulation die Beeinflussung des Menschen (als Einzelwesen oder in einer Gruppe) zum Zwecke einer systematisch zielgerichteten Lenkung und Prägung des Bewusstseins, der Denkgewohnheiten oder der Gefühlslagen. Die Manipulationsmittel reichen von der (politischen) Rhetorik, Propaganda und Agitation bis zum verstärkten Einsatz von Massenmedien mit gezielten Falschinformationen. Manipulation verhindert weitgehend die selbstständige Entscheidung beziehungsweise gefährdet die personale und soziale Autonomie der Betroffenen.
Manipulation
[französisch, zu lateinisch manipulus, eigentlich »eine Hand voll«, von manus »Hand« und plere »füllen«] die, -/-en, die Beeinflussung beziehungsweise Lenkung eines Menschen, eines Sachverhalts oder eines sozialen Phänomens (z. B. der öffentlichen Meinung) durch gezielte, aber für den Adressaten undurchschaubare Steuerungsimpulse beziehungsweise Informationseingaben. Für den Vorgang der Manipulation ist der Wahrheitsgehalt der Informationseingaben unerheblich, und zwar sowohl aus der Perspektive der Objekte der Manipulation als auch von den Intentionen des manipulativ Handelnden aus; für die Kritik der Manipulation dagegen spielt diese Frage eine entscheidende Rolle.
Im 18. Jahrhundert - etwa in der »Encyclopédie« D. Diderots und J. Le Rond d'Alemberts - diente der Begriff Manipulation zur Bezeichnung praktischer Handlungen (im Gegensatz zu »Theorie«); ferner konnten alle Tätigkeiten damit bezeichnet werden, die mit der Hand ausgeführt wurden. Dabei spezialisierte sich der Begriff besonders auf geschickte Handhabung und Kunstgriffe, etwa im Bereich der Medizin, der Handwerke, auch der künstlerischen Produktion und der Jurisprudenz. Eine gewisse schillernde Tönung erhielt der Begriff schon im 18. Jahrhundert dadurch, dass damit auch die Geschicklichkeit im Handauflegen bei damals viel beachteten und umstrittenen Heilverfahren wie Magnetismus (Mesmerismus) bezeichnet wurde. Seit dem 19. Jahrhundert fand der Begriff auch Verwendung, um die verdeckte Beeinflussung von Menschen in politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen zu kritisieren; 1864 sprach etwa T. Carlyle von Manipulation, um eine Wahlbeeinflussung anzuprangern. Nachhaltige Bedeutung erlangte der Begriff im Rahmen der US-amerikanisch geprägten Massenkommunikationsforschung seit den 1920er-Jahren (Edward L. Bernays, * 1891, ✝ 1995), zu deren Aufschwung (P. F. Lazarsfeld, H. D. Lasswell, T. Veblen) nicht zuletzt die Erfahrungen der massenwirksamen Propaganda im Nationalsozialismus und Kommunismus der 30er- und 40er-Jahre beitrug. Seitdem ist die Begriffsgeschichte gespalten in einen kleineren, auf die Philosophie (G. H. Mead), die Robotertechnik und die Medizin sowie einige empirisch arbeitende Wissenschaftsgebiete beschränkten Verwendungsbereich, in dem Manipulation neutral als gezielte Beeinflussung von Verhaltens- und Wahrnehmungsmustern sowie von deren Rahmenbedingungen definiert wird, und in eine breitere, Politik, Gesellschaft, Öffentlichkeit und Alltagswissen umfassende Bedeutungslinie, in der Manipulation negativ als Machenschaft, Trick oder Täuschung angesehen und der Hinweis auf sie zur Kritik beziehungsweise Entlarvung entsprechender Vorhaben und Verfahren herangezogen wird.
Manipulation in den Verhaltens- und Sozialwissenschaften
In nahezu allen erfahrungsorientierten Wissenschaften werden Versuchsanordnungen hergestellt und modifiziert, im Wesentlichen mit der Absicht, Verhaltensänderungen u. a. Reaktionen der Untersuchungsobjekte (Menschen, Gruppen, Tiere) zu erforschen beziehungsweise in Abhängigkeit von den Vorgaben zu erklären. Eine solche Einflussnahme wird seit den 1920er-Jahren, im Anschluss an die Entwicklungspsychologen J. B. Watson und Harry F. Harlow (* 1905), die mit Manipulation zunächst die Verselbstständigung von Greifreflexen bezeichneten, v. a. aber seit den lerntheoretischen Arbeiten von B. F. Skinner als Manipulation bezeichnet und in einem durchaus positiven Sinn konnotiert (Manipulation als Kulturmerkmal). Manipulationsansätze aus dieser Perspektive gehen davon aus, dass der Mensch ein offenes und unfertiges Wesen ist, eine in ihrer Struktur zunächst ungeformte Anlage besitzt, die modifizierbar, formbar und damit nahezu grenzenlos lernfähig sei. Watsons behavioristischer Ansatz wurde von Skinner dahingehend ausgeweitet, dass das menschliche Verhalten nicht nur in den äußeren Reaktionen des Organismus durch Manipulation der äußeren Bedingungen veränderbar sei, sondern auch die grundlegenden Lern-, Erkenntnis- und Wertungsprozesse durch Manipulation der äußeren Bedingungen gestaltet werden könnten. Wenn man in der Lage sei, die Ursachen menschlichen Verhaltens ausfindig zu machen, dann könne man es auch prognostizieren und in dem Maße verändern beziehungsweise steuern, wie die erkundeten Ursachen manipuliert werden können. Menschliches Verhalten erscheint so als eine Kette von Konditionierungen.
Auch in Forschungen zur Kleingruppensoziologie, zu sozialpsychologischen Fragen (Konformismus, Vorurteile, Ichstärke, Angst) und zur Gruppendynamik wird dem Phänomen und der Technik der Manipulation große Aufmerksamkeit gewidmet. Die Frage, wie weit experimentelle Täuschungsmanöver gehen dürfen, ist insbesondere seit den Konformitätsexperimenten von Stanley Milgram (* 1933) gestellt worden (Milgram-Experiment).
Extreme Fälle der Manipulation in Gruppen stellen jene Manipulationstechniken dar, die eine massive Veränderung seelischer oder geistiger Zustände zu erzielen versuchen. Beispiele dafür, dass manipulative Einwirkungen auf Menschen deren Entscheidungsfreiheit und Autonomie einschränken und sie ihrer Persönlichkeit berauben können, finden sich auch im religiösen Bereich. Typ. Kennzeichen solcher religiösen Gemeinschaften sind Führerpersönlichkeiten mit charismatischer Autorität, deren Heilslehren im Gruppenverband unter ständigen physischen und psychischen Belastungen rezipiert werden, was allmählich zu einem Verlust von Kritikfähigkeit führt und schließlich in völliger Hingabe an die entsprechende Organisation und Führerfigur endet. Im Extremfall wird jemand zu einem Zweck missbraucht, den er nicht kennt. Dramatische Fälle solcher Umerziehungen (z. B. auch politische Gegner) werden Gehirnwäsche genannt.
Biologische und medizinische Manipulation
Wenn durch gezielte Eingriffe Einfluss auf Gehirnfunktionen des Menschen genommen wird, spricht man von Gehirnmanipulation oder Psychochirurgie. Diese zunächst neutrale Handhabung des Begriffs erlangt eine neue Dimension, wenn damit Verhaltenskontrollen unterschiedlichen Ausmaßes verbunden sind, die von der medikamentösen Behandlung psychisch Kranker bis zu einer »Pazifizierung des Gehirns« (S. L. Chorover), z. B. durch Zerstörung bestimmter Gehirnpartien, reichen können.
In den experimentellen Naturwissenschaften ist die Manipulation im engen Wortsinn als Handhabung sowie gezielte oder gerichtete Veränderung von Objekten weit verbreitet. Oftmals sind dafür spezielle Apparaturen (Manipulator) im Gebrauch. Sie erlauben den Umgang mit gefährlichen, beispielsweise giftigen oder radioaktiven Stoffen, sowie die Manipulation von Objekten an unzugänglichen Stellen oder in lebensfeindlicher Umgebung (Vakuum, Tiefsee).
In der Biologie reichen die Möglichkeiten der Manipulation bei Zellen und Lebewesen von künstlicher Auslese sowie Zuchtwahl und Erzeugung von Mutationen über die künstliche Besamung (beim Menschen Insemination und In-vitro-Fertilisation) bis zur Manipulation von Erbgut. In den letzten Jahren sind dazu Techniken der Mikromanipulation entwickelt worden, die die Handhabung von Mikrostrukturen (Zellen und Zellorganellen) sowie gezielte Eingriffe in diese ermöglichen. So können Substanzen in einzelne Zellen mithilfe dünnster Glaskapillaren injiziert werden, eine Technik, die z. B. in der Genetik zur genetischen Manipulation (Gentechnologie) des Erbgutes tierischer und pflanzlicher Zellen Verwendung findet. Analog können Zellorganellen, z. B. Zellkerne, aus Zellen entnommen werden. Selbst die Mikrosezierung einzelner Chromosomen ist als eine Form der Mikromanipulation zur Zerlegung eines einzelnen DNA-Moleküls möglich. Als ein vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung wurde Anfang 1997 über das Klonen eines Schafes berichtet. Seit Anfang der 70er-Jahre die Isolierung und gezielte Veränderung, v. a. die Fragmentierung und Verknüpfung, von DNA-Molekülen beliebigen Ursprungs möglich wurde, ist die genetische Manipulation (Gentechnik, Gentechnologie) in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Sie erlaubt neben der Analyse des Erbgutes und genetischer Mechanismen (Genomanalyse) auch weitgehende gezielte Veränderungen des Ablaufs natürlicher Prozesse. Ihre äußerste Anwendung ist in der genetischen Manipulation des Menschen zu sehen. Diese steht in Form der Gentherapie bereits vor einer breiten Anwendung, indem der Ersatz oder die Ergänzung defekter Gene durch aktive Gene bei einer Vielzahl von v. a. monogenisch bedingten Erkrankungen angestrebt wird. Bereits 1990 wurde dieses neue therapeutische Verfahren erstmals zur Behandlung einer angeborenen Immunschwäche eingesetzt. Im Gegensatz zur somatischen Gentherapie ist die genetische Manipulation von Keimbahnzellen noch ein Tabuthema, prinzipiell unmöglich sind Gentherapien jedoch auch hier nicht, zumal in Kombination mit den erwähnten Möglichkeiten der Manipulation von einzelnen Zellen. Akribische Genehmigungsverfahren sollen den Missbrauch dieser genetischen Manipulationsmöglichkeiten verhindern. Neben der Furcht vor einem genetisch »gläsernen Menschen« und einer Vereinnahmung genetischer Erkenntnisse für eine moderne »Rassenhygiene« oder zur Erzielung modischer menschlicher Phänotypen (z. B. hinsichtlich Körpergröße oder Haarfarbe) ist es die Unüberschaubarkeit genetischer Wechselwirkungen, die besondere Bedenken hervorruft.
Medien, Wahrnehmung und Alltag
Alltagssprachlich hat sich im Begriff der Manipulation die sozialwissenschaftliche und kritische Dimension durchgesetzt, wie sie in den USA im Zusammenhang der Forschungen zur öffentlichen Meinung und zur Massenkommunikation seit den 1940er-Jahren formuliert wurde und wie sie im Anschluss an die Medien- und Kulturtheorie der kritischen Theorie (Frankfurter Schule) von der Studentenbewegung in die Nachkriegsgesellschaften der 60er- und 70er-Jahre getragen wurde. Dabei ist Manipulation eng mit gezielter Täuschung und Betrug verbunden und teilt in dieser Hinsicht mit den beiden genannten Theorietraditionen den Rückbezug auf die in der Aufklärungstradition bereits ausformulierten Vorstellungen des »Priestertrugs« und der Sinnestäuschung, wobei diese nun mit den (industriegesellschaftlich) ausgeformten Möglichkeiten, Manipulation gesellschaftlich herzustellen, verbunden werden. Seine besondere Attraktivität erhält der Begriff Manipulation nun nicht nur dadurch, dass er geeignet ist, verdeckte Steuerung und »Geheimstrategien« auf der Ebene des Alltags, in gesellschaftlichen Prozessen, in medialen Vermittlungen und nicht zuletzt in Bezug auf Fragen der öffentlichen Meinung, der politischen Bildung und Partizipation anzusprechen, sondern auch dadurch, dass sich Thema und Ansatz im Besonderen dazu eignen, Unzufriedenheit, Unbehagen, Ängste und Veränderungswünsche (insbesondere dann, wenn sie sich nicht durchsetzen können) zu thematisieren beziehungsweise zu erklären. Verdacht und Tatsache der Manipulation reflektieren damit zum einen die Möglichkeiten, im Rahmen öffentlicher Meinung Positionen zu beziehen (und zu verdecken), und stellen damit ein Instrument der Gestaltung von Öffentlichkeit dar; zum anderen reflektieren Thema und Attraktivität des Modells der Manipulation grundlegende Informationsdefizite, Herrschaftsstrukturen und Verunsicherungserfahrungen, wie sie mit der weltweiten Durchsetzung arbeitsteiliger, hierarchisch und funktional differenzierter Marktgesellschaften in Erscheinung getreten sind. Diese doppelte Codierung des Manipulationsbegriffs kritisch und analytisch entworfen und aus der Sicht der Einflussnehmenden sowie aus der Sicht der Manipulationsobjekte entwickelt werden zu können, Verdächtigungsstrategie und Tatsachenbehauptung in einem zu sein und darüber hinaus dem Entwurf von »Aufklärung« durch Kritik der Manipulation dienen zu wollen - begründet sowohl die Konjunktur des Begriffs als auch seine Vieldeutigkeit und Unbestimmtheit in Alltagszusammenhängen (Ratgeberliteratur; Kommunikationsschulungen; Anleitungen zur Kritikfähigkeit, die u. a. in Bildungseinrichtungen geboten werden).
V. a. in den Bereichen der Werbung und der Massenkommunikation ist die theoretische Perspektive der Manipulation auf fruchtbaren Boden gefallen. Die Verwendung tiefenpsychologischer Erkenntnisse in der Werbung hat bereits in den 50er-Jahren V. Packard (»The hidden persuaders«, 1957; deutsch »Die geheimen Verführer«) einer breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt. Die Vorstellung, dass etwas, das wir kaum wahrnehmen können, unser Verhalten nachhaltig beeinflusst, ist allerdings umstritten.
In dem Maße, wie in den gesellschaftlichen Umbruchprozessen der späten 1960er-Jahre nicht nur die Massenmedien als soziale Institution unabsehbaren Ausmaßes anerkannt wurden, sondern in ihrer suggestiven, die Wirklichkeit verändernden, ja »entrealisierenden« (G. Anders) Wirkung einer zum Teil scharfen Kritik unterzogen wurden, rückte das Problem der Manipulation durch Medien in den Vordergrund. Dabei erfuhr der Manipulationsverdacht mitunter eine solche Ausweitung, dass eines der grundlegenden Bestimmungsmerkmale von Manipulation, nämlich die gezielte Einflussnahme, angesichts der Tendenz des Mediums, sich zu verselbstständigen (M. McLuhan), selber zu verwischen drohte.
Nicht unbeeinflusst von der marxistischen Philosophie wurde Manipulation als eine Herrschaftstechnik bezeichnet, die das Bewusstsein der Menschen präformiere und eine geistige Uniformierung zur Folge habe. Die Anhänger dieser »Manipulationstheorie« vertraten die Auffassung, dass die Öffentlichkeit gegen ihre Überzeugung manipuliert werden kann, und nahmen wenig Notiz von anderen (sozial-)psychologischen und soziologischen Erkenntnissen: etwa Selektionsmechanismen des Publikums (z. B. selektive Wahrnehmung) oder persönlichkeitspsychologischen Experimenten der Hovland-Schule, die Widerstandskräfte des Menschen aufdeckten und auf allgemeine Dispositionen hinwiesen, die den Grad der Beeinflussbarkeit bestimmen. Je höher die Selbsteinschätzung einer Person und je stärker sich ihr Handeln nach eigenen Überzeugungen richtet (Innenlenkung), desto schwieriger wird es, diese Person zu etwas zu bewegen, das nicht ihren eigenen Intentionen entspricht.
Andererseits haben die Studien zur kognitiven Dissonanz Einblicke in die subjektiven Voraussetzungen, ja in die Bereitschaft von Individuen und Gruppen gegeben, sich durch Manipulation von allzu drückenden beziehungsweise widerständigen Realitätserfahrungen zu befreien oder die Verführung zur Manipulation herauszufordern, wenn nicht gar zu genießen. Gingen die entsprechenden Untersuchungen zu den Funktionen der Massenunterhaltung und der Massenkultur seit den 1970er-Jahren in den vergangenen Jahrzehnten noch davon aus, dass es sich bei den Opfern der Manipulation eindeutig um Benachteiligte, Ausgeschlossene oder »Beherrschte« handele, in deren Interesse Manipulation abzulehnen sei - eine These, die lediglich aufseiten konservativer Elitetheoretiker bestritten wurde -, so haben sich Untersuchungen im Rahmen postmoderner Gesellschaftskonzepte und Medientheorien eher auf die Beschreibung unterschiedlicher Konsumhaltungen angesichts der massenmedial verbreiteten Manipulationsangebote zurückgezogen (J. Baudrillard, H. M. Enzensberger). Zugleich mit den Möglichkeiten der Manipulation und der Bereitschaft, sich auf manipulierte beziehungsweise manipulative Botschaften einzulassen, sind freilich auch die Einsichten in die politischen und interessengeleiteten Zusammenhänge von Manipulation gewachsen. Denn neben den unterhaltenden, experimentellen und verhaltenspsychologischen Funktionen von Manipulationen (etwa im Training von Verkäufern oder Managern) treten immer wieder spektakuläre Fälle politischer und medialer Manipulation auf, die wie etwa der Streit um die Bildberichterstattung während des 2. Golfkriegs von 1991 (J. R. MacArthur) oder der Skandal um die gefälschten Hitlertagebücher an die Grundlagen eines nach wie vor an der Aufklärungsöffentlichkeit orientierten Modells politischer Partizipation und Repräsentation rühren. Eine neue Dimension für Manipulation, ebenso aber auch möglicherweise für deren kritische Aufklärung bietet sich mit den international vernetzten Computerinformationssystemen (Internet) an. Durch die damit gegebenen Möglichkeiten der Erzeugung virtueller Welten und des Lebens im Cyberspace eröffnen sich auch Chancen für neue, reflexive Formen des Informationsaustausches, die damit trotz (oder wegen) ihrer teilweisen Durchsetzung mit fiktionalen Elementen auch eine Art Widerlager zu fortschreitenden und ständig umfassenderen Manipulationsmöglichkeiten bieten können.
Politische Funktion der Manipulation
Die Unterscheidung der Rhetorik zwischen Überredung, die manipulativ, und Überzeugung, die argumentativ operiere, kann nur aufrechterhalten werden, wenn die Zielsetzung des Kommunikators bekannt ist. Dort, wo ein hohes Maß an Information »aus zweiter Hand« notwendig ist, wächst die Möglichkeit, durch gezielte Entstellungen oder Verzerrungen Nachrichten - und als Konsequenz dessen - Meinungen zu manipulieren, besonders dann, wenn Informationen mit Wertungen vermischt werden. Wenn Informationsmonopole (z. B. Medienkonzerne) entstehen, können diese ihre Macht dazu verwenden, Wirklichkeit zu konstruieren. Da in modernen Industriegesellschaften zunehmend größere Teilbereiche der sozialen Realität und auch die Grundlagen und Funktionszusammenhänge des sozialen, ökonomischen und politischen Systems außerhalb der Einsichts- und der Gestaltungsmöglichkeiten der beteiligten oder betroffenen Individuen liegen, stellt sich das Problem der Wissensvermittlung und damit auch der Informationserzeugung, -verteilung und -verzerrung durch selbst wieder interessengeleitete Medien (Vermittler). Als kritischer, auf Unterscheidung und Differenzierung zielender Begriff vermag Manipulation auf die Gefahren der Interessenleitung und Wahrnehmungsverzerrung durch Gruppendruck und auf die beabsichtigte, aber verdeckte Falschsteuerung von Verhalten aufmerksam zu machen. Wie sehr dies eine soziale (und ökonomische) Rolle spielt, zeigen neben den aus der Geschichte bekannten Versuchen zur Erzeugung von Stimmungen und Einstellungen durch politische Falschmeldungen, Kriegspropaganda und manipulierte Informationen (Pressefotos, zensierte Schulbücher usw.) die heute von der Soziologie untersuchten Erscheinungen wie die Erzeugung »unechten« sozialen Aufstiegs durch die gelenkte Schaffung von Rangunterschieden, die vielfältigen Public-Relations-Aktivitäten und, gerade bei den Erzeugern von »Gefahrentechnologien« (z. B. Kernkraftwerke, Gentechnik, chemische Industrien, Waffenproduktion), der Einsatz von Werbeeffekten bei der »Verbraucheraufklärung« über in Misskredit geratene Produkte sowie nicht zuletzt das Bemühen von Parteien und Politikern um die »semantische Besetzung« (K. Biedenkopf) von Begriffen wie Solidarität, Gerechtigkeit oder Frieden.
Auch der Begriff der Manipulation selbst kann so als »Waffe« im politischen Streit um sozialen Einfluss genutzt werden; andererseits vermag er z. B. im Rahmen schulischer Medien- und Konsumentenerziehung und in Zusammenhängen politische Bildung zur Aufklärung und zur Aufmerksamkeit gegenüber den Wirkungen politischer Sprache, den Täuschungsmöglichkeiten bei Massenmedien (B. Wember), den Verkaufs- und Ansprachetechniken in der Werbung und in sozialen Strategien gegenüber der verschleierten Durchsetzung bestimmter Interessen beizutragen und so als »Gegengift« (U. Beck) zu wirken.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
Biotechnologie · Fernsehen · Gentechnologie · Journalismus · Massenmedien · Medienpädagogik · öffentliche Meinung · Presse · Werbung
K. Arens: M. (21973);
L. Mackensen: Verführung durch Sprache. M. als Versuchung (1973);
F. Zöchbauer: M. u. Macht (1975);
M. der Meinungsbildung. Zum Problem hergestellter Öffentlichkeit, hg. v. R. Zoll (41976);
H. W. Brand: Die Legende von den »geheimen Verführern« (1978);
D. Riesman: Die einsame Masse (a. d. Amerikan., Neuausg. 1982);
B. Wember: Wie informiert das Fernsehen? Ein Indizienbeweis (31983);
T. Löbsack: Die manipulierte Seele (Neuausg. 1984);
S. L. Chorover: Die Zurichtung des Menschen (a. d. Amerikan., Neuausg. 1985);
P. Noack: Korruption - die andere Seite der Macht (Neuausg. 1987);
Das manipulierte Leben. Pflanze - Tier - Mensch: die Gentechenik entläßt ihre Kinder, hg. v. W. Frehmuth (1988);
U. Beck: Gegengifte. Die organisierte Unverantwortlichkeit (31990);
E. Goffman: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag (a. d. Amerikan., Neuausg. 41991);
S. Schwartz: Wie Pawlow auf den Hund kam. .. Die 15 klass. Experimente der Psychologie (a. d. Engl., Neuausg. 21991);
V. Packard: Die geheimen Verführer. Der Griff nach dem Unbewußten in Jedermann (a. d. Amerikan., Neuausg. 1992);
J. R. MacArthur: Die Schlacht der Lügen. Wie die USA den Golfkrieg verkauften (a. d. Amerikan., 1993);
P. L. Berger u. T. Luckmann: Die gesellschaftl. Konstruktion der Wirklichkeit (a. d. Amerikan., Neuausg. 34.-35. Tsd. 1994);
R. Lay: M. durch die Sprache (Neuausg. 41995);
W. Nagl: Gentechnologie u. Grenzen der Biologie (Neuausg. 1995);
E. Heller: Wie Werbung wirkt. Theorien u. Tatsachen (27.-28. Tsd. 1996);
H. Buddemeier: Illusion u. M. Die Wirkung von Film u. Fernsehen auf Individuum u. Gesellschaft (21996);
P. Hahne: Die Macht der M. Über Menschen, Medien u. Meinungsmacher (91996).
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Ma|ni|pu|la|ti|on, die; -, -en [frz. manipulation = Handhabung, zu: manipule = [eine] Hand voll < lat. manipulus, ↑Manipel]: 1. (bildungsspr.) das Manipulieren (1): auf dem Weg ... der scheinrechtlichen M. demokratischer Institutionen (Fraenkel, Staat 329); Die ... Hemmnisse bei der Entwicklung von Klassenbewusstsein beschränken sich keinesfalls auf „Konsumgewohnheiten, auf -en von Bedürfnissen und Meinungen“ (Stamokap 150). 2. <meist Pl.> (bildungsspr.) undurchschaubares, geschicktes Vorgehen, mit dem sich jmd. einen Vorteil verschafft, etw. Begehrtes gewinnt: betrügerische, geschickte -en; dass solche -en des Bergbaus dem Selbsterhaltungstrieb entsprachen (Welt 21. 11. 64, 10); dass Studioaufnahmen für -en (Kunstgriffe, Verfremdungstechniken) nach der Aufnahme besonders geeignet sind (Foto-Magazin 8, 1968, 38). 3. a) (bildungsspr. veraltend) das Manipulieren (3 a, b); das Hantieren: gemordet haben will er, um die Zeuginnen (und Opfer) seiner unsittlichen -en stumm zu machen (Spiegel 9, 1966, 61); b) (Med.) bestimmter Eingriff (z. B. zur Einrenkung von Gelenken): ihr Kind ist das Geschöpf einer M. ... Es ist das Ergebnis einer künstlichen Befruchtung (Petra 10, 1966, 68). 4. (Technik) Handhabung. 5. (Kaufmannsspr.) das Manipulieren (4).
Universal-Lexikon. 2012.