Bonifatius,
ursprünglich Wịnfried, angelsächsischer Benediktiner und Missionar, * im Königreich Wessex 672/673, ✝ bei Dokkum (Friesland) 5. 6. 754; 716 wirkte Bonifatius als Missionar in Friesland, verließ 718 England für immer und wurde in Rom von Papst Gregor II. 719 unter Verleihung des Namens Bonifatius mit der Germanenmission (daher der Beiname »Apostel der Deutschen«) beauftragt. Darauf war Bonifatius zunächst mit Willibrord abermals bei den Friesen tätig, seit 721 bei den Hessen, wo er die Klöster Amöneburg und Fritzlar gründete. Bei einem zweiten Aufenthalt in Rom 722 zum Bischof geweiht (723 Schutzbrief von Karl Martell) und 732 zum Erzbischof und päpstlicher Vikar des ostfränkischen Missionsgebiets erhoben, missionierte er mit wachsendem Erfolg bis 738 außer in Hessen (724 Fällung der Donar-Eiche bei Geismar) auch in Thüringen, unterstützt von vielen angelsächsischen Mönchen und Nonnen. 739, nach einem dritten Aufenthalt in Rom, reorganisierte Bonifatius die bayerische Kirche. Er gründete die Bistümer Freising und Eichstätt (745 ?) und ordnete die Bistümer Passau, Regensburg und Salzburg, das er in die Organisation der bayerischen Kirche einbezog, neu. 741 gründete er das Bistum Büraburg; 742 für Thüringen die Bistümer Erfurt und Würzburg. 742-747 reformierte er das Kirchenwesen im Frankenreich Karlmanns und Pippins. Die schon von Karl Martell beanspruchte staatliche Mitwirkung nahm er jetzt hin; so wurde die fränkische Kirche trotz Bindung an Rom zur Landeskirche. 747 erhielt Bonifatius mit dem Titel eines persönlichen Missionserzbischofs das Bistum Mainz. Seine Hauptfürsorge widmete er nun der Ausgestaltung des 744 gegründeten Klosters Fulda. 754 begann er nochmals die Friesenmission; dabei wurde er von heidnischen Friesen erschlagen. Sein Grab ist im Dom zu Fulda. - Heiliger (Tag: 5. 6.).
Ausgaben: Opera quoe extant omnia, herausgegeben von J. A. Giles, 2 Bände (1844); Sämtliche Schriften des heiligen Bonifacius, des Apostels der Deutschen, Übersetzung und Erläuterung von P. H. Külb, 2 Bände (1859); Des heiligen Bonifatius Briefe. Auswahl, Übersetzung und Erläuterung von M. Taugl (1912); Die Briefe des Bonifatius. Lateinisch und deutsch, bearbeitet von R. Rau (1968).
J. Lortz: B. u. die Grundlegung des Abendlandes (1954);
T. Schieffer: Winfried-B. u. die christl. Grundlegung Europas (1954);
W. Herrmann: Gesch. der B.-Forschung (Diss. Jena 1960);
Atlas zur Kirchengesch., hg. v. H. Jedin u. a. (1970).
II
Bonifatius,
Päpste:
1) Bonifatius I. (418-422), ✝ Rom 4. 9. 422; Römer; setzte sich mit kaiserlicher Hilfe Anfang 419 gegen den Gegenpapst Eulalius (✝ 423) durch. Trotz Alters und Krankheit konnte er Spannungen mit der afrikanischen und gallischen Kirche beilegen. - Heiliger (Tag: 4. 9.).
2) Bonifatius II. (530-532), ✝ Rom Anfang Oktober 532; Römer gotische Abstammung; wurde von seinem Vorgänger Felix IV. (III.) als Nachfolger bestimmt und konnte sich nach dem Tod des vom Klerus gewählten Gegenpapstes Dioskur durchsetzen.
3) Bonifatius III. (607), ✝ Rom 12. 11. 607; Römer; war vorher als päpstlicher Apokrisiar in Konstantinopel tätig, wo er gegen den ökumenischen Anspruch des dortigen Patriarchen ein kaiserliches Dekret erwirkte, in dem Rom als »Haupt der gesamten Kirche« bezeichnet wurde.
4) Bonifatius IV. (608-615), ✝ Rom 8. 5. 615; aus dem Land der Marser (in der heutigen Provinz L'Aquila); erhielt von Kaiser Phokas die Verfügung über das Pantheon, das er in eine Kirche (Santa Maria ad martyres, Weihe 609) umwandelte. Im Dreikapitelstreit war er um Ausgleich bemüht. - Heiliger (Tag: 8. 5.).
5) Bonifatius V. (619-625), ✝ Rom 25. 10. 625; aus Neapel; förderte besonders die Missionierung Englands.
6) Bonifatius VI. (896), ✝ Rom Ende April oder Anfang Mai 896; Römer; wurde durch einen Volksaufruhr Papst, starb aber schon nach 15 Tagen. Die Frage seiner Legitimität ist daher kirchlich nicht gestellt worden; sie müsste verneint werden, zumal ihm wegen Unwürdigkeit seine Stellung als Presbyter aberkannt war, als er Papst wurde.
7) Bonifatius VII. (974, 984-985), früher Frạnco, ✝ Rom Juli 985; Römer; verschiedentlich als Gegenpapst gezählt; wurde als Kardinaldiakon von den Crescentiern gegen den rechtmäßigen Papst Benedikt VI. zum Papst erklärt. Er ließ Benedikt erdrosseln, musste aber vor Kaiser Otto II. fliehen. Nach dessen Tod kehrte er 984 zurück und ließ den rechtmäßigen Papst Johannes XIV. in der Engelsburg gefangen setzen (wo er durch Hunger oder Mord starb), starb aber selbst nach einem Jahr eines gewaltsamen Todes.
8) Bonifatius VIII. (1294-1303), früher Benedetto Gaetani, * Anagni (bei Frosinone) um 1235, ✝ Rom 11. 10. 1303; wurde päpstlicher Protonotar, 1281 Kardinal, 1294 Papst nach der von ihm geförderten Abdankung Cölestins V. und unter heftigstem Widerstand der Familie Colonna. Im Geiste des weltbeherrschenden Papsttums vorausgegangener Zeiten suchte Bonifatius die zahlreichen Streitigkeiten in den christlichen Ländern zu schlichten, konnte sich jedoch, außer in Deutschland, nicht durchsetzen. Seine größte Niederlage erlitt er im Streit mit König Philipp IV. von Frankreich, wobei er durch die Bulle »Unam sanctam« (18. 11. 1302) die überkommene These von der Überordnung der geistlichen Gewalt über die weltliche in schroffer Weise erneuerte. Während sein Kreuzzugsvorhaben scheiterte, konnte er auf dem Gebiet der innerkirchlichen Reform einige Erfolge erzielen. Auf Bonifatius geht die Einführung des »Heiligen Jahres« (Jubeljahr, Anno santo, erstmals 1300) zurück. Das »Corpus Iuris Canonici« vermehrte Bonifatius 1298 um den »Liber Sextus«, eine Sammlung der wichtigsten päpstlichen Erlasse seit 1234. Sein Tod leitete den Niedergang der päpstlichen Machtstellung auf lange Zeit ein.
G. Schwaiger: Der päpstl. Primat in der Gesch. der Kirche, in: Ztschr. für Kirchengesch., Jg. 82 (1971).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Papsttum: Höhepunkt und Fall der päpstlichen Macht im Mittelalter
9) Bonifatius IX. (1389-1404), früher Pietro Tomacelli [-'tʃɛlli], * Neapel um 1350, ✝ Rom 1. 10. 1404; Nachfolger Urbans VI. in Rom, während in Avignon Klemens VII. regierte. Er stellte die päpstliche Herrschaft im Kirchenstaat wieder her und hielt Italien und Deutschland bei Rom, schädigte aber durch Nepotismus und Ablassmissbrauch das Ansehen des Papsttums.
Universal-Lexikon. 2012.