Akademik

Wissen
Sachverstand; Kenntnis; Können; Wissensstand; Know-how; Kenntnisstand; Schimmer (umgangssprachlich); Rüstzeug; Ahnung (umgangssprachlich); Kompetenz; Sachkunde; Fähigkeit; Sachkenntnis; Daten; Datenansammlung; Fakten; Information

* * *

wis|sen ['vɪsn̩], weiß, wusste, gewusst <itr.; hat:
1. Kenntnis von einer Sache, einer Person haben, die betreffende Sache im Bewusstsein, im Gedächtnis haben (und wiedergeben können):
er weiß viel auf diesem Gebiet; ich weiß weder seinen Namen noch seine Adresse; ich weiß nicht mehr, wo ich das gelesen habe.
Syn.: kennen, sich erinnern.
2. sich (über etwas) im Klaren sein; sich (einer Sache) sicher sein:
er weiß nicht, was er will; ich weiß wohl, welche Folgen dieser Entschluss für mich hat; man weiß inzwischen um die Gefährdung der Umwelt.
3. <mit Infinitiv mit »zu«> die Fähigkeit haben, etwas Bestimmtes zu tun:
die Kleine weiß sich zu helfen; einen guten Kognak wusste sie zu schätzen.

* * *

wịs|sen 〈V. tr. 284; hat
1. etwas \wissen
1.1 im Gedächtnis, im Bewusstsein haben
1.2 erfahren haben, Kenntnis von etwas haben
1.3 kennen
2. etwas zu tun \wissen etwas können
● das musst du ganz vorsichtig machen, weißt du? 〈verstärkend〉 ja ich weiß! (erg.: es); ich weiß auch nicht (erg.: es); ich weiß, dass ich nichts weiß (Grundsatz des Sokrates); ich weiß nicht, was ich tun soll; er weiß, was er will; ich weiß nicht, wo er ist; ich weiß es nicht; dass du es nur weißt! (verstärkende Formel, nachdem man jmdm. die Meinung gesagt hat); nicht, dass ich wüsste 〈umg.〉 davon weiß ich nichts; was, das weißt du nicht (mehr)?; das weiß (doch) jedes Kind das ist allgemein bekannt ● jmdm. Dank \wissen jmdm. dankbar sein; er weiß mir keinen Dank dafür er hat mir nicht dafür gedankt, er ist mir dafür nicht dankbar; weiß Gott!, weiß der Himmel! ja, tatsächlich!; ich habe weiß Gott, weiß der Himmel anderes zu tun, als ... wirklich, tatsächlich; ich weiß ein Lied, das geht so ...; ich kenne ihn, aber ich weiß seinen Namen nicht; weißt du schon das Neueste?; ich weiß mir keinen Rat, keine Hilfe; den Weg (nicht) \wissen ● er weiß sich immer zu helfen er kann sich immer helfen; ich wusste mir nicht anders zu helfen ich konnte mir nicht anders helfen; \wissen lassen = wissenlassen; sie wusste sich vor Freude nicht zu lassen 〈poet.〉 ihre Freude war übergroß; ich möchte \wissen, ob ich Recht habe; um das zu verstehen, muss man \wissen, dass ...; er weiß zu schweigen, wenn es sein muss er kann schweigen; wie soll ich, woher soll ich das \wissen?; sie weiß mit Kindern umzugehen sie kann gut mit K. umgehen ● zwar weiß ich viel, doch möcht' ich alles \wissen (Goethe, Faust I, „Nacht“, Vers 601) ● ein Gedicht auswendig \wissen; weißt du noch, wie wir ...? erinnerst du dich ...?; ich weiß nur, dass er aus Kiel stammt; soviel ich weiß, war er gestern da soweit ich unterrichtet bin; um etwas \wissen von etwas Kenntnis haben; er tut, als wüsste er von nichts; ich weiß nichts davon; ich will nichts davon \wissen!; weißt du was, wir gehen ins Kino ich schlage vor; ja, wenn ich das wüsste! (erg.: dann wäre ich froh) ich weiß es leider nichtwas weiß ich! 〈umg.〉 (unwillige Ablehnung) ich weiß es nicht, und es interessiert mich auch nicht; was weißt du denn davon! du hast keine Ahnung davon, also sei still!; wer weiß! das weiß niemand; wer weiß, ob ... man kann nicht wissen, nicht sagen, ob ...; wer weiß, was alles noch kommt niemand kann sagen ...; er denkt, er sei wer weiß wie klug sehr, ungemein klug; er steckt wieder wer weiß wo niemand weiß, wo er steckt; woher weißt du das? ● einen \wissenden Blick haben einen Blick, aus dem Erfahrung spricht [<mhd. wizzen <ahd. wizzan <got. witan „wissen“ <idg. *ueid- „sehen, erblicken“; Perf. *uoida „ich habe gesehen, erblickt = ich weiß“]

* * *

wịs|sen <unr. V.; hat [mhd. wiʒʒen, ahd. wiʒʒan, eigtl. = gesehen haben, urspr. = erblicken, sehen (Bedeutungsentwicklung über »gesehen haben [u. daher wissen]«)]:
1. durch eigene Erfahrung od. Mitteilung von außen Kenntnis von etw., jmdm. haben, sodass zuverlässige Aussagen gemacht werden können:
etw. [ganz] genau, sicher, mit Sicherheit, bestimmt, nur ungefähr, im Voraus, in allen Einzelheiten w.;
das weiß ich nur zu gut (das ist mir ein ganz vertrauter Sachverhalt);
den Weg, die Lösung, ein Mittel gegen etw. w.;
jmds. Adresse, Namen w.;
etw. aus jmds. eigenem Munde, aus zuverlässiger Quelle w.;
weißt du schon das Neu[e]ste?;
das Schlimmste, (iron.:) Beste, Schönste weißt du noch gar nicht;
nichts von einer Sache w.;
das hätte ich w. sollen, müssen;
wenn ich das gewusst hätte!;
woher soll ich das w.?;
in diesem/für diesen Beruf muss man viel w.;
soviel ich weiß, ist er verreist;
er weiß alles, wenig, [rein] gar nichts;
wenn ich nur wüsste, ob er kommt;
jmdn. etw. w. lassen (jmdn. von etwas benachrichtigen);
ich weiß ein gutes Lokal (ich weiß, wo es ein gutes Lokal gibt);
er weiß es nicht anders (er hat es in seinem Leben nicht anders gelernt);
was weiß denn der überhaupt? (er hat doch gar keine Kenntnis von diesen Dingen!);
ich weiß, was ich weiß (aufgrund meiner Kenntnis, meiner Erfahrungen bleibe ich bei meinem Standpunkt);
ich weiß, dass ich nichts weiß;
er weiß immer alles besser (iron.; er hat immer noch überflüssige Ratschläge zu erteilen);
sie weiß, was sie will (sie geht mit festem Willen auf ihr Ziel zu);
ihr wisst [auch] nicht, was ihr wollt (bald entscheidet ihr euch für dies, bald für jenes);
du musst w. (dir im Klaren darüber sein), was du zu tun hast;
ich weiß nicht (bin unsicher, unentschlossen hinsichtlich dessen), was ich tun soll;
ich weiß, wovon ich rede (ich kann mich bei dem, was ich sage, auf Tatsachen o. Ä. stützen);
ich wüsste nicht (mir ist keineswegs bekannt, ich habe nie die Erfahrung gemacht), dass er mir je die Unwahrheit gesagt hat;
ich möchte nicht w., wie viel Geld das alles gekostet hat (das war alles sicher sehr teuer u. als Ausgabe kaum zu verantworten);
vielleicht ist er schon wieder geschieden, was weiß ich (ugs.; ich weiß es nicht, u. es interessiert mich auch nicht);
weißt du [wạs] (ich schlage vor), wir fahren einfach dorthin;
bei dem weiß man nie (ugs.; man kann nie wissen, voraussagen, wie er reagieren wird, was er vorhat);
er wollte w. (er wusste angeblich, er sagte), dass die Entscheidung bereits gefallen sei;
nicht, dass ich [etwas davon] wüsste (davon ist mir nichts bekannt);
mit einem wissenden (gewisse Kenntnis ausdrückenden) Lächeln, Blick;
gewusst, wie! (ugs.; man muss nur wissen, wie es richtig gemacht werden muss);
Spr was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß (wenn man von unangenehmen, unerfreulichen Dingen nichts erfährt, braucht man sich wenigstens nicht darüber aufzuregen);
von jmdm., etw. nichts [mehr] w. wollen (an jmdm., etwas kein Interesse [mehr] haben);
sich <Dativ> mit etw. viel w. (geh. veraltet; sich auf etw. etwas einbilden, auf etw. stolz sein);
es w. wollen (ugs.; bei etw. seine Fähigkeiten energisch unter Beweis stellen wollen).
2. über jmdn., etw. unterrichtet sein; sich einer Sache in ihrer Bedeutung, Tragweite, Auswirkung bewusst sein:
um jmds. Nöte, von jmds. Schwierigkeiten w.
3. (geh.) davon Kenntnis haben, sicher sein, dass sich jmd., etw. in einem bestimmten Zustand, an einem bestimmten Ort o. Ä. befindet, sich etw. in bestimmter Weise verhält:
jmdn. zu Hause w.;
sich in Sicherheit, geborgen w.;
seine Kinder bei jmdm. in guten Händen w.;
er wollte diese Äußerung ganz anders verstanden w.
4. <mit Inf. mit »zu«> in der Lage sein, etw. zu tun:
sich zu benehmen, zu behaupten w.;
etw. zu schätzen w.;
sich zu helfen w.;
nichts mit jmdm. anzufangen w.;
sie weiß etwas aus sich zu machen;
er wusste manches zu berichten (konnte manches berichten, berichtete manches).
5. (ugs.) in verstärkenden, floskelhaften Einschüben:
so tun, als ob die Angelegenheit wer weiß wie (als ob sie äußerst) wichtig sei;
dies und noch wer weiß was alles (u. noch alles Mögliche) hat er erzählt;
dies und ich weiß nicht was noch alles.

* * *

I
Wissen
 
[mittelhochdeutsch wiʒʒen, zu althochdeutsch wiʒʒan, eigentlich »gesehen haben«], Bezeichnung für ein in Individuen, Gruppen und sonstigen Kollektiven vorhandenes kognitives Schema, das, an der Erfahrung orientiert, die Handhabung von Sachverhalten und den Bezug zur Umwelt auf eine zumindest angenommene zuverlässige Basis von Informationen und Regeln gründet. Vor dem Hintergrund einer in der abendländischen Kultur mehr als 2 000 Jahre alten Diskussion, deren Einsatz bei Sokrates beziehungsweise in schriftlicher Fassung mit Platon und Aristoteles zu beobachten ist und die entlang der philosophischen Tradition von F. Bacon (»Wissen ist Macht«) über Aufklärung und Idealismus bis zur Bewusstseinsphilosophie der 1920er-Jahre, der Wissenssoziologie und zur neueren Epistemologie reicht, bezeichnet Wissen im Kontext der modernen, auf Kommunikationsmedien und Wissensspeichern aufruhenden Kultur eine Art von Kenntnisstand, in dem sich subjektive Gewissheit mit objektiver Nachprüfbarkeit, intersubjektiver Überzeugung und verhaltenstechnischer Zuverlässigkeit verbinden und so eine Art Kernbestand kognitiver Sicherheit bilden, die ihrerseits aber auch darauf angelegt ist, durch Erfahrungen korrigiert und verändert zu werden. Lernbereitschaft und die Fähigkeit zu einer sich selbst korrigierenden Veränderung beziehungsweise Innovation (N. Luhmann) gehören damit in der Gegenwart ebenso zu den zentralen Merkmalen des Wissens wie angenommene Begründbarkeit und Sicherheit. Im Rückblick auf die Geschichte und im Lichte unterschiedlicher Bezugssysteme (Philosophie, Psychologie, Anthropologie, Kulturgeschichte, Soziologie) reicht der Bedeutungsbereich von Wissen von der unhinterfragten Sicherheit, wie sie intuitives, mystisches oder religiöses Wissen bieten kann, über ein nach Rationalitätskriterien (z. B. logische Schlussfolgerungen, empirische Überprüfbarkeit, Wiederholbarkeit, Widerspruchsfreiheit) abgesichert gedachtes Wissen bis hin zu einem auf Probehandeln, Hypothesen, Experiment und vor allem auf Falsifizierbarkeit beziehungsweise Korrigierbarkeit angelegten Schema der Anordnungen von Informationen, das sich seiner Vorläufigkeit und Unsicherheit (seiner »fließenden« Grenzen zum Nichtwissen) bewusst ist (Wissensgesellschaft).
 
Eine solche Breite der Unterscheidungsmöglichkeiten ist bereits an der in der frühen griechischen Philosophie angelegten Unterscheidung von begründbarer beziehungsweise begründeter Erkenntnis (griechisch »episteme«) und angenommenem Wissen (Meinung, Vermutung, griechisch »doxa«) ablesbar. So definiert Platon Wissen als »wahre, mit Begründung versehene Meinung«, während Aristoteles praktisches Wissen (»dass etwas vorliegt«) von einem theoretischen Wissen (»warum etwas vorliegt«) unterscheidet.
 
Die weitere Beschäftigung mit der Frage nach dem Wesen und dem Stellenwert von Wissen lässt sich für den europäischen Hintergrund mit der Einteilung M. Schelers (»Die Wissensformen und die Gesellschaft«, 1926) darstellen. Scheler unterscheidet (in Anlehnung an das »Dreistadiengesetz« des französischen Soziologen und Wissenschaftstheoetikers A. Comte) eine religiöse von einer metaphysischen Bestimmung des Wissens und diese wiederum von einem vor allem in der Neuzeit erkennbaren Streben nach Macht- und Herrschaftswissen, namentlich über den »Gang der Natur«. Dementsprechend lassen sich für die christliche Antike (Augustinus), das Mittelalter und noch die frühe Neuzeit Entwürfe und Vorstellungen von Wissen bestimmen, in denen dieses entweder wie bei Thomas von Aquino als Inbegriff sicherer Erkenntnis der göttlichen Ordnung erscheint oder aber - wie bei den Mystikern - als Erfahrung einer ansonsten unaussprechlichen Gottesnähe; dass dies für Neuzeit und Gegenwart keineswegs unwichtig ist, belegt nicht zuletzt die Aktualität eines Bildungsbegriffs, der seinerseits in einer Facette auf den mystischen Begriff der »Einbildung« (Gottes in die menschliche Seele) zurückzuführen ist. Mit dem Schwinden religiöser Gewissheiten rückte dann aber im Zuge der weiteren Entwicklung der Moderne die Suche nach den Gründen und Ursachen der vorhandenen Welt in den Vordergrund, die im Sinne eines metaphysischen Wissens zunächst spekulativ und grundsätzlich (aus der Erfahrung des »Staunens«) beantwortet werden soll.
 
Erst in einem dritten, auf die Handhabbarkeit und Berechenbarkeit der Welt ausgehenden Impuls kam es dann im 18. und vor allem im 19. Jahrhundert im Zusammenhang der Entwicklung und des Fortschritts der Industriegesellschaft zur Dominanz eines Wissensbegriffs, der ebenso auf das systematische Forschen wie auf die Erstellung eines lehrbaren Wissensbestandes (Wissenschaft) ausgeht, der auf das Handeln in Umwelt und Lebenszusammenhängen zugeschnitten ist und, hieran entwickelt, Prüfbarkeit, Wiederholbarkeit und Erfolg als Kriterien »richtigen« Wissens einführt. Es ist dies auch die Zeit, in der systematischer nach den Funktionen des Wissens (Leistungswissen zur Gestaltung beziehungsweise Bearbeitung der Umwelt, Bildungswissen zur Entwicklung und Gestaltung der eigenen Persönlichkeit [Bildung] und Heils- beziehungsweise Erlösungswissen im Hinblick auf die Begründung eines religiösen Selbstverständnisses) gefragt wird, nach seinen Quellen (mehr oder weniger zufällige Beobachtung, systematische Forschung, Experimente, Deduktionen), nach seinen Formen (Alltagswissen, kulturelles Wissen, wissenschaftliches Wissen, intuitives Wissen, Fachwissen, explizites und implizites Wissen) und nach den gesellschaftlich-kulturellen Institutionen, in denen Wissen hergestellt, verbreitet und angewendet beziehungsweise erneut erkundet und aufbereitet wird. Für die Moderne ist hierbei eine Diversifizierung der Produzenten, Vermittler und Anwender von Wissen ebenso charakteristisch wie eine Vielzahl von vermittelnden Institutionen (Schulen, Universitäten, Medien, Museen, Theater) und eine Pluralisierung der Nutzer und Anwender von Wissen, die nicht nur nach Wissens- und Berufssparten, sondern auch nach Verwendungszwecken, Nutzungsintensitäten und Anspruchsprofilen unterschieden werden können. Schließlich ist für das moderne Wissen auch der Rückkoppelungseffekt des Wissens zentraler Bestandteil, also die Möglichkeit, dass Anwender ebenso wie Vermittler auch wieder als Produzenten von Wissen in Erscheinung treten können.
 
Entlang der bereits von Aristoteles aufgestellten Unterscheidungslinie von theoretischem und praktischem Wissen können noch gegenwärtig empirisch-analytische Forschungen in bestimmten Feldern von Grundlagenforschung und Erkenntnistheorie (Epistemologie) unterschieden werden, wobei in der aktuellen Epistemologie auch die kulturhistorischen und sozialwissenschaftlichen sowie die sprachanalytischen Bedingungen von Begrifflichkeiten und Sachverhaltsbeschreibungen als Bedingungen der Möglichkeit von Wissen überhaupt und eines speziellen Wissens im Besonderen Beachtung finden (Georges Canguilhem, * 1904, ✝ 1995). Stehen so in philosophischer Perspektive die Bedingungen des Wissens im Rahmen der Möglichkeiten und der jeweiligen Entwürfe von Erkenntnistheorie im Mittelpunkt, so beschäftigen sich Anthropologie, Hirnforschung und Psychologie mit den teils naturwissenschaftlich-empirisch fassbaren, teils modellhaft-spekulativ beschreibbaren Funktionen und Ausprägungen des Wissens im Hinblick auf die Evolution des Menschen, seine Funktionen und Fähigkeiten, nicht zuletzt mit den biophysischen Grundlagen und Zusammenhängen von Wahrnehmung, Erkennen, Gedächtnisleistungen und Handlungsentwürfen. Auch Aspekte des Lernens und der Innovation spielen hier eine wichtige Rolle. Unter kulturgeschichtlichen und kulturwissenschaftlichen Fragestellungen geht es um die Entstehungsbedingungen, das Zustandekommen von Wissensvorräten, deren Weitergabe und Anwendung im Zusammenhang kultureller Entwicklungen und Muster; hier spielen Medien und technische Entwicklungen (Schrift, Buchdruck, Digitaltechnik) ebenso eine Rolle wie die kulturgeschichtliche Bedeutung von Bildungskonzepten (»Kanon«-Diskussion), die soziale Organisation von Wissen in Verwaltung, Schul- und Ausbildungssystemen, Forschungseinrichtungen und Akademien, Speicherinstitutionen (Bibliotheken, Archive, Museen) und deren Veränderungen sowie Prozesse kulturellen Wandels und interkulturellen Austauschs. Schließlich kann Wissen auch in soziologischer Hinsicht noch einmal differenziert betrachtet werden, im Hinblick auf die soziale Verteilung von Wissen, auf die gesellschaftlichen Funktionen des Wissens und nicht zuletzt im Hinblick auf die Bedeutung von Wissensvorräten für die soziale Stellung bestimmter Gruppen und deren Vorstellungen von gesellschaftlichen Zusammenhängen und Aufgabenstellungen; dies wurde von K. Marx und K. Mannheim in unterschiedlicher Weise wissenssoziologisch als »Ideologieproblem« bearbeitet.
 
Stand für das 19. Jahrhundert und noch auch für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts der quantitative und qualitative Fortschritt des Wissens im Mittelpunkt der Überlegungen, so werden heute - auch im Hinblick auf die Wissensvorstellungen der Postmoderne - die Reflexivität des Wissens und die mit einer Zunahme des Wissens notgedrungen einhergehende Zunahme von Nichtwissen in den Vordergrund gestellt. Wissen, insbesondere wissenschaftlich definiertes Wissen, erscheint so als eine Art von Wissen, dem andere Formen, z. B. vorwissenschaftliches Wissen, zur Seite gestellt werden und dessen Grenzen nicht zuletzt dadurch, dass immer mehr gewusst werden kann und dass dieses Wissen in seinen konkreten Formen kulturell und sozial beschreibbaren Umständen geschuldet ist, deutlicher in Erscheinung treten. Es liegt auf der Linie dieser Entwicklung, dass damit die älteren Vorstellungen einer universalen Gelehrsamkeit und eines enzyklopädischen Wissens ebenso infrage gestellt erscheinen wie das Leitbild einer allseits gebildeten Persönlichkeit, während sich die Vorstellung schnell sich wandelnder Wissensbestände in einem Wissensbegriff niederschlägt, in dem neben Grundwissen, Orientierungs- und Fachwissen vor allem die Bedeutung der Fähigkeit zum selbstständigen Weiterlernen, also kategoriale Bildung und technische Kompetenzen zur Erschließung neuen Wissens, den Ausschlag geben (»lebenslanges Lernen«).
 
Literatur:
 
N. Luhmann: Die Wissenschaft der Gesellschaft (Neuausg. 21994);
 J.-F. Lyotard: Das postmoderne Wissen. Ein Bericht (a. d. Frz., Wien 31994);
 Nico Stehr: Arbeit, Eigentum u. Wissen. Zur Theorie von Wissensgesellschaften (1994).
 
II
Wịssen,
 
Stadt im Landkreis Altenkirchen (Westerwald), Rheinland-Pfalz, 200 m über dem Meeresspiegel, an der Sieg, 9 100 Einwohner; Schweißmaschinenbau, Kunststoffverarbeitung; Luftkurort.
 
Geschichte:
 
Durch Zusammenlegung der Gemeinde Wissen links der Sieg mit Teilen der Gemeinde Wissen rechts der Sieg entstand 1952 die Gemeinde Wissen, die 1969 Stadtrecht erhielt.
 
III
Wissen,
 
In der Psychologie (wie auch in der Pädagogik) werden verschiedene Formen des Wissens unterschieden: das Wissen über Sachverhalte (deklaratives Wissen), das sich auf einfache Fakten (z. B. »die Katze ist ein Säugetier«), aber auch auf äußerst komplexe und vernetzte Gegebenheiten (z. B. die Funktionsweise der Leber) beziehen kann; das prozedurale Wissen (das Wissen, auf dem Fertigkeiten wie das Fahrradfahren oder das Addieren von Zahlen beruhen); das Regelwissen (Wissen über Strategien zur Bewältigung von Problemsituationen); das metakognitive Wissen (die Reflexion über das eigene Wissen und über die eigenen Handlungen).
 
Mithilfe von Wissen vermag ein Individuum nicht nur die Welt zu interpretieren, sondern auch gezielt auf seine Umwelt einzuwirken. Einerseits die Folge von Lernprozessen, bildet Wissen jedoch auch eine Voraussetzung für Lern-, Denk- und Problemlöseprozesse.
 
Der Wissenserwerb ist von kognitiven wie auch von motivierenden Faktoren und sozialen Prozessen abhängig.
 

* * *

Wịs|sen, das; -s [mhd. wiʒʒen]: a) Gesamtheit der Kenntnisse, die jmd. [auf einem bestimmten Gebiet] hat: ein umfangreiches, umfassendes, gründliches, gesichertes W.; jmds. praktisches, theoretisches, politisches W.; das menschliche W.; Da ist mein W. begrenzt (Spiegel 2, 1982, 91); ein großes W. haben, besitzen; Diese Frau hatte nun ein wenig mehr W. als die Hiesigen und belehrte die anderen (Wimschneider, Herbstmilch 39); er musste unbedingt sein W. anbringen; die Redakteure setzen beim Zuschauer zu viel Vorinformation und W. um die Zusammenhänge voraus (Hörzu 9, 1982, 13); Spr W. ist Macht (nach dem engl. Philosophen Francis Bacon, 1561-1626); b) Kenntnis, das ↑Wissen (1) von etw.: ein wortloses, untrügliches W.; meines -s (soviel ich weiß; Abk.: m. W.) ist er verreist; Gleich darauf versuchte er, sich alle die Personen ins Gedächtnis zu rufen, die seines -s ein Herzleiden hatten (Becker, Tage 9); im W. um diese Dinge; jmdn. mit W. (während man sich seines Handelns voll bewusst ist) benachteiligen; etw. nach bestem W. und Gewissen tun; das geschah ohne mein W.; etw. wider besseres/(seltener:) gegen [sein] besseres W. (obwohl man weiß, dass es falsch ist) tun.

Universal-Lexikon. 2012.