Metternich
Klemens Wenzel Graf Metternich (seit 1813 Fürst) wurde am 15. Mai 1773 in Koblenz geboren. Der Sohn eines kaiserlichen Diplomaten studierte Rechts- und Staatswissenschaften sowie Geschichte in Straßburg und Mainz, später Naturwissenschaften und Medizin in Wien. 1801 wurde er kaiserlicher Gesandter in Dresden, 1803 in Berlin, von 1806 bis 1809 war er österreichischer Botschafter in Paris.
Nach dem Scheitern des österreichischen Aufstandsversuches gegen Napoleon 1809 wurde Metternich österreichischer Außenminister. Er vertrat eine sich an der Realität orientierende Politik gegenüber dem Europa beherrschenden Kaiser Napoleon I., vermittelte die Heirat der österreichischen Kaisertochter Marie-Louise mit Napoleon 1810 und unterstützte mit der Stellung eines österreichischen Truppenkontingents Napoleons Pläne im Russlandfeldzug 1812. Gleichzeitig aber hielt er während des Russlandfeldzuges auch Kontakte zum russischen Zaren Alexander I. aufrecht. Der preußisch-russischen Kriegskoalition gegen Napoleon im Frühjahr 1813 schloss sich Metternich nur zögernd an. Im ersten Pariser Frieden 1814 trat er im Sinne des Gleichgewichts der europäischen Mächte sogleich für eine Schonung Frankreichs ein. Diese Politik setzte Metternich auch während des Wiener Kongresses fort. Als entschiedener Gegner der Revolution sorgte er bereits hier für die Rückkehr des besiegten Frankreich unter einem wieder eingesetzten bourbonischen König in den Kreis der europäischen Großmächte.
Auf dem Wiener Kongress betrieb Metternich erfolgreich die Wiederherstellung der politischen und sozialen Ordnung in Europa, die mit der von ihm mitgestalteten Heiligen Allianz der Fürsten abgesichert wurde. Seine Politik der Restauration, auch als System Metternich bezeichnet, führte in der Folgezeit zur rücksichtslosen Unterdrückung aller nationalen und liberaldemokratischen Kräfte, die er im Deutschen Bund in Zusammenarbeit mit Preußen mit den Karlsbader Beschlüssen und den sich daraus entwickelnden Demagogenverfolgungen mit aller Konsequenz betrieb. Da Metternich nicht bereit war, an die Volkssouveränität irgendwelche Zugeständnisse zu machen, musste er bei Ausbruch der Revolution 1848 zurücktreten und als verhasster Reaktionär ins Ausland fliehen. Erst im September 1851 kehrte er nach Wien zurück. Seine Versuche, wieder Einfluss auf die österreichische und europäische Politik zu gewinnen, blieben jedoch erfolglos. Er starb am 11. Juni 1859 in Wien.
Mẹtternich,
aus einem rheinischen Uradelsgeschlecht hervorgegangene Adelsfamilie, die sich Ende des 13. Jahrhunderts nach dem Dorf Metternich (heute zu Weilerswist) benannte. Die weit verzweigte Familie stellte im 16./17. Jahrhundert mehrere Bischöfe und geistliche Kurfürsten und erreichte 1635 den Reichsfreiherrenstand. Die 1632 erworbenen Herrschaften Beilstein und Winneburg bildeten die Grundlage für die Erhebung in den Reichsgrafenstand 1679. Die sich bald Metternich-Winneburg nennende Familie wurde 1803 in der Primogenitur in den Reichsfürstenstand erhoben und erlangte 1813 den (erblichen) österreichischen Fürstenstand. - Bekannt v. a.:
1) Klemens Wenzel Fürst von (seit 1803), österreichischer Staatsmann, * Koblenz 15. 5. 1773, ✝ Wien 11. 6. 1859, Vater von 2); trat nach umfangreichem Studium in österreichische Dienste und wurde 1801 Gesandter in Dresden, 1803 in Berlin und 1806 Botschafter in Paris. Der schon früh als Gegner der Französischen Revolution und des mit ihr einhergehenden nationalen Gedankens hervortretende Metternich trug durch seine Berichterstattung aus Paris wesentlich zum Kriegsentschluss Kaiser Franz' I. von Österreich (1809) bei. Nachdem die Niederlage 1809 (Deutsch-Wagram; Frieden von Schönbrunn) das Scheitern der auf eine nur nationale Erhebung (u. a. Tiroler Aufstand) hinzielenden Politik offenbart hatte, wurde Metternich zum Leiter der auswärtigen Angelegenheiten berufen. Mit seiner vom Realismus geprägten Politik verschaffte er Österreich eine Atempause im Kampf gegen Frankreich, die er zur Besserung der österreichischen Ausgangsposition zu nutzen suchte. So unterstützte er aus Opportunität die Heirat der österreichischen Kaisertochter Marie Louise mit Napoleon I., stellte diesem im Russlandfeldzug 1812 ein Hilfskorps, verhandelte aber gleichzeitig mit Zar Alexander I., zu dem er, wie auch zu den übrigen Monarchen, den Kontakt nie hatte abreißen lassen, über ein mögliches Zusammengehen gegen Napoleon. Im Sommer 1813 vollzog Metternich die Hinwendung zur antifranzösischen Koalition und übernahm die diplomatische Führung während der letzten Phase der Befreiungskriege. Im Interesse des europäischen Gleichgewichts bemühte er sich auf dem von ihm geleiteten und weitgehend bestimmten Wiener Kongress (1814-15), die territorialen Verluste Frankreichs möglichst gering zu halten und die Einbindung des bourbonischen Staates in das europäische Mächtesystem vorzubereiten.
So schuf er ein Gefüge von aufeinander abgestimmten politischen Leitlinien, denen die österreichische und darüber hinaus die europäische Politik des Vormärz weitgehend folgte. Die Ziele des Metternichschen Systems waren die Erhaltung der 1815 wiederhergestellten vorrevolutionären politischen und sozialen Ordnung, der Kampf gegen alle nationalen, liberalen und revolutionären Bewegungen sowie die Sicherung des europäischen und deutschen Gleichgewichts (»Mitteleuropa-Gedanke«). Metternich trat dabei ein für eine gemeinsame Intervention der Großmächte bei jeglicher Bedrohung der inneren und äußeren Ordnung, für die Stärkung der legitimen fürstlichen Souveränitätsrechte, für eine enge Zusammenarbeit mit Preußen im Deutschen Bund unter Beibehaltung der 1815 errungenen österreichischen Vorherrschaft (wie auch in Italien) und für eine Zusammenarbeit der drei Staaten der Heilige Allianz. Der Demagogenverfolgung dienten die Karlsbader Beschlüsse (1819), durch die u. a. die Pressefreiheit mit polizeistaatlichen Methoden unterdrückt wurde. Die auf dem Aachener Kongress verkündete »Ruhe der Welt« sollte durch europäische Kongresse - Aachen (1818), Troppau (1820), Laibach (1821), Verona (1822) - gesichert werden, doch brachen mit den Ereignissen in Griechenland (1820) bereits Interessengegensätze zwischen den Großmächten auf. Bald verringerte sich Metternichs Einfluss auf die europäische Politik. Auch in der Innenpolitik wurde er, seit 1821 Haus-, Hof- und Staatskanzler, allmählich von dem 1826 zum Staatsminister ernannten F. A. Graf Kolowrat-Liebsteinsky in den Hintergrund gedrängt. Seit 1836 war er Mitglied der »Staatskonferenz«, die für Kaiser Ferdinand I. die Regentschaft führte. Als Symbolfigur reaktionärer Politik wurde er bei Ausbruch der Märzrevolution in Wien am 13. 3. 1848 gestürzt. Er floh nach London und kehrte über Brüssel 1851 nach Wien zurück, von wo aus er bis zu seinem Tod versuchte, auf die innere und europäische Politik Einfluss zu nehmen.
Ausgabe: Aus Metternichs nachgelassenen Papieren, herausgegeben von R. Fürst Metternich-Winneburg und anderen, 8 Bände (1880-84).
H. Ritter von Srbik: M. Der Staatsmann u. der Mensch, 3 Bde. (1925-54, Nachdr. 1979-85);
H. Vallotton: M. (Neuausg. 1987);
H. Kissinger: Das Gleichgewicht der Großmächte. M., Castlereagh u. die Neuordnung Europas 1812-1822 (a. d. Amerikan., Zürich 21990);
D. Seward: M., der erste Europäer. Eine Biogr. (a. d. Engl., Zürich 1993);
G. de Bertier de Sauvigny: M. Staatsmann u. Diplomat im Zeitalter der Restauration (a. d. Frz., Neuausg. 1996).
2) Paul Fürst von, österreichischer Diplomat, * Wien 7. 1. 1829, ✝ ebenda 1. 3. 1895, Sohn von 1); war 1859-71 Botschafter in Paris, wo er mit seiner Frau Pauline, geboren Gräfin Sándor von Szlavnicza (* 1836, ✝ 1921), am Hof Kaiser Napoloens III. eine gesellschaftlich und auch politisch bedeutende Rolle spielte. Seine Frau schrieb »Geschehenes, Gesehenes, Erlebtes« (1920) sowie »Éclairs du passé 1859-1870« (postum 1922).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Restauration: Das alte Europa als Phönix aus der Asche?
Universal-Lexikon. 2012.