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Biodiesel
RME; Rapsölmethylester

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Bio|die|sel 〈m.; - od. -s; unz.〉 Kraftstoff für Dieselmotoren, der aus natürlichen Rohstoffen, bes. aus der Ölsaat von Raps, gewonnen wird

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Bio|die|sel , der:
aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellter Dieselkraftstoff.

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Biodiesel
 
Die Belastung der Luft mit Schadstoffen und vor allem Treibhausgasen, die zur Erwärmung des Erdklimas beiträgt, hat in den letzten Jahren die Suche nach alternativen, auf nachwachsenden Rohstoffen basierenden Kraftstoffen vorangetrieben. Hierzu gehört der Biodiesel, der aus Rapsöl gewonnen wird. Auch die von Flächenstilllegung und Subventionskürzung bedrohte Landwirtschaft hat großes Interesse an der verbreiteten Nutzung von Biodiesel für Kraftfahrzeuge.
 
Allerdings ist deren ökologische Bewertung umstritten: Insbesondere das Umweltbundesamt kam in einer Studie zu dem Schluss, dass ökologische Schäden bei intensivem Anbau und Weiterverarbeitung den Nutzen überwiegen können. Außerdem sind die möglichen Anbauflächen zu begrenzt für eine weit reichende Substitution von Mineralöldiesel durch Biodiesel.
 
 Der neongelbe Frühling
 
Immer zahlreicher werdende neongelb leuchtende Flächen überziehen seit einigen Jahren im Frühling ganz Deutschland. Es handelt sich dabei um blühenden Winterraps, eine Pflanze, deren Öl Ausgangsstoff für die Produktion von Biodiesel ist - also Dieselkraftstoff, der aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen wird. Warum wird Biodiesel in letzter Zeit von verschiedenen Seiten so propagiert und von anderen vehement abgelehnt? Wie wird er hergestellt, und wie umweltfreundlich ist er wirklich?
 
CO2-Problem und Luftverschmutzung - Perspektiven des motorisierten Verkehrs
 
Die Gegner des motorisierten Individualverkehrs (MIV) werfen diesem, neben der großen Zahl an Verkehrstoten, vor allem zwei ökologische Risiken vor: zum einen die Emission von Luftschadstoffen, die über Sommersmog (»Ozonsmog«), Wintersmog und sauren Regen vielfältige Umwelt- und Gesundheitsschäden verursachen, und zum anderen die Emission von Kohlendioxid (CO2), das über den anthropogen verstärkten Treibhauseffekt zur Erwärmung des Erdklimas mit möglicherweise katastrophalen Folgen für viele Regionen der Erde führt. Das Kohlendioxid wird freigesetzt, wenn Benzin oder Dieselkraftstoff im Motor verbrannt werden. Entscheidend dabei ist, dass es sich um fossile Treibstoffe handelt: Das sind Treibstoffe, die aus Erdöl oder Ähnlichem gewonnen wurden, also aus Stoffen, die meist vor Hunderten von Millionen Jahren tief in der Erde entstanden sind und heute nur verbraucht, jedoch nicht erneuert werden können. Gelänge es jedoch, Treibstoff aus einem Ausgangsstoff herzustellen, der jährlich neu heranwächst und dabei so viel Kohlendioxid aus der Atmosphäre bindet, wie später beim Verbrennen wieder freigesetzt wird, dann würde ein damit betriebenes Fahrzeug netto kein Kohlendioxid freisetzen. Genau dies ist das Anliegen beim Biodiesel: Weil die Rapspflanzen das CO2, das im Motor später freigesetzt wird, vorher beim Aufwuchs der Atmosphäre entnommen haben, kann er im Prinzip nicht zum Treibhauseffekt beitragen, im Gegenteil: Er hilft, eines der beiden größten ökologischen Risiken des MIV zu entschärfen.
 
 Nachwachsende Rohstoffe
 
Die Verwendung von Rapsöl als Treibstoff ist nicht die einzige industrielle Verwertung von Rapssaat, und Raps ist nicht die einzige Nutzpflanze, die im »Non-Food-Bereich«, also nicht zur Nahrungsmittelherstellung, kommerziell genutzt und zur Minderung der CO2-Freisetzung eingesetzt wird. Der Sammelbegriff für all diese nicht zur Nahrungserzeugung verwendeten Pflanzen ist nachwachsende Rohstoffe.
 
Raps
 
Raps (Brassica napus) ist eine etwa 60-120 cm große, in Kultur einjährige Pflanze, die eng mit dem sehr ähnlich aussehenden Senf und mit den Kohlgewächsen verwandt ist. Die Samen sind klein, kugelig und bräunlich bis schwarz; sie enthalten etwa 40 Prozent Öl, das Rapsöl. In Deutschland wird meist Winterraps angebaut, der im Herbst gesät wird und im Frühjahr die charakteristischen gelben Blütenteppiche zeigt. Rapsöl wird auch als Speiseöl benutzt; außerdem dient Raps als Gründünger, d. h., er speichert Bodenstickstoff und kann dadurch in der ökologischen Landwirtschaft den Einsatz von Mineraldüngern fast überflüssig machen. Außer Raps gibt es auch andere industriell genutzte Ölpflanzen, etwa Sonnenblumen oder Leinsaat. Weltweit die wichtigste Ölpflanze ist mit Abstand die Sojabohne, auf die (1998) 52 Prozent der weltweiten Ölsaatenernte entfielen.
 
Schmierstoffe aus Pflanzenöl
 
Die wichtigste industrielle Nutzung von Pflanzenöl ist neben der Treibstoffproduktion die Herstellung von Schmierstoffen. Vor allem bei Verlustschmierstoffen (zum Beispiel Schmierstoffe bei Motorsägen, bei denen nicht verhindert werden kann, dass gewisse Schmierstoffmengen in die Umwelt gelangen) wird Rapsöl vermutlich in naher Zukunft ausschließlich eingesetzt werden. Der Grund hierfür ist, dass Rapsöl biologisch abbaubar und daher nur schwach bis gar nicht wassergefährdend ist (Wassergefährdungsklasse 0-1, stark wassergefährdende Stoffe haben die Gefährdungsklasse 3). Auch als Hydrauliköl für landwirtschaftliche Maschinen werden Schmierstoffe auf Pflanzenölbasis eingesetzt, sie haben derzeit (1999) einen rasch wachsenden Marktanteil von fünf Prozent.
 
 Raps tanken
 
Wie wird nun aus Rapssaat Dieseltreibstoff? Es gibt grundsätzlich zwei Verfahren: Entweder wird das Öl so, wie es ist, als Treibstoff in dafür geeigneten Motoren verwendet (Naturdiesel) oder es wird chemisch verändert, damit es in herkömmlichen Dieselmotoren benutzt werden kann (Biodiesel).
 
Naturdiesel
 
Zur Erzeugung von Naturdiesel werden die Rapssamen kalt gepresst. Der feste Rückstand heißt Rapskuchen und kann als hochwertiges Tierfutter verwendet werden. Naturdiesel ist für herkömmliche Dieselmotoren ungeeignet. Entweder nimmt man direkt einspritzende Spezialmotoren, bei denen in der Regel Kolben mit integriertem Brennraum sowie tangential dazu angeordnete Einlochdüsen eingesetzt werden, wie beispielsweise beim Elsbett-Motor. Als indirekt einspritzende Spezialmotoren finden großvolumige, langsam laufende Vorkammer- oder Wirbelkammermotoren Verwendung. Neben dem Einsatz von Spezialmotoren bietet sich die Möglichkeit, vorhandene Motoren durch Umrüstung dem Naturdiesel anzupassen. Der Vorteil von Naturdiesel ist natürlich zunächst einmal der, dass keine weiteren Verarbeitungsschritte notwendig sind, zum anderen seine Wassergefährdungsklasse 0 (nicht wassergefährdend). Der Hauptnachteil ist, dass die Spezialmotoren erst am Anfang ihrer Entwicklung stehen und bei weitem nicht so ausgereift sind wie herkömmliche Dieselmotoren mit ihrer hundertjährigen Entwicklungsgeschichte. Außerdem sind diese nur in Kleinserien gefertigten Motoren noch sehr teuer. Eine Alternative stellt die Nutzung von Naturdiesel in Blockheizkraftwerken dar, hier können wie bei Fest- und Gasbrennstoffen herkömmliche Verfeuerungstechnologien eingesetzt werden.
 
Biodiesel
 
Der mit Biodiesel bezeichnete Treibstoff, der zurzeit die Diskussion um alternative Treibstoffe dominiert, ist chemisch gesehen ein Rapsölmethylester, abgekürzt RME. Hierzu wird das Öl aus den Saaten durch Extraktion mit einem organischen Lösungsmittel (zum Beispiel Hexan) entzogen. Öl und Lösungsmittel werden anschließend durch Destillation getrennt, zurück bleibt ein Extraktionsschrot (Rapsschrot), der wiederum als Tierfutter genutzt werden kann. Auch das extrahierte Öl kann direkt genutzt werden, wird aber meist durch Veresterung und Zusatz von Methanol zu Rapsölmethylester veredelt. Dabei entsteht auch Glycerin, ein wichtiges Zwischenprodukt für die chemische (Weichmacher, Sprengstoff), kosmetische (Seifenzusatzstoff) und die Lebensmittelindustrie (Emulgatoren). In einer Forschungsanlage in der Schweiz wurden aus 4 800 t Rapssaat 1 600 t Biodiesel, 3 000 t Tierfutter und 260 t verwertbares Glycerin erzeugt, dabei wurden u. a. 4 000 m3 Wasser und 250 t Methanol verbraucht. RME kann in den meisten herkömmlichen Dieselmotoren eingesetzt werden, nur gewisse Kunststoffteile können Schäden erleiden. Verschiedene Speditionen haben seit Anfang bis Mitte der 1990er-Jahre Erfahrungen mit Biodiesel und Biodiesel-Mineralöldiesel-Gemischen gesammelt. Dabei konnten keine größeren Nachteile gegenüber herkömmlichen Treibstoffen festgestellt werden, lediglich das Motoröl musste doppelt so häufig wie normal gewechselt werden. Bestimmte Aspekte wie die Klopffestigkeit fielen sogar besonders günstig aus. RME ist wintertauglich bis -13 bis -15 Grad Celsius (bei tieferen Temperaturen hilft ein heizbarer Kraftstofffilter), ist nur schwach wassergefährdend (Wassergefährdungsklasse 1) und in vier Wochen zu 98 Prozent biologisch abbaubar; darüber hinaus besitzt es einen hohen Flammpunkt, braucht also nicht als Gefahrgut klassifiziert zu werden. Außer als RME kann Rapsöl auch als zehnprozentige Beimischung zu Mineralöl (VEBA-Verfahren) oder als Mischung von Rapsöl, Alkohol und Spezialbenzin oder RME (Tessol-NADI, in der Erprobung) eingesetzt werden.
 
Produktionskosten und staatliche Förderung
 
1998 wurden in Deutschland 80 000 t Biodiesel verkauft gegenüber 26 Mio. t herkömmlichen Diesels. Biodiesel ist von der Mineralölsteuer befreit, außerdem darf Raps zur Biodieselherstellung auf stillgelegten Agrarflächen angebaut werden, ohne dass die Stilllegungsprämie verloren geht. Dadurch wird Biodiesel am Markt konkurrenzfähig, obwohl die Herstellungskosten 1-1,2 pro Liter gegenüber 0,20-0,30 pro Liter bei Mineralöldiesel betragen. Im Vergleich zur Biodieselproduktion ist die Herstellung von Schmierstoffen deutlich kostengünstiger.
 
 Ökobilanz von Biodiesel
 
Eine Ökobilanz betrachtet alle ökologischen Auswirkungen vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt und dessen Entsorgung inklusive aller bei Zwischenschritten anfallenden Abfälle und Emissionen und vergleicht den Energiegewinn mit dem gesamten bei Produktion, Transport, Verarbeitung und Entsorgung anfallenden Energieverbrauch. Etwaige Beeinträchtigungen der Gesundheit, Lebensqualität oder Landschaft und der Tier- und Pflanzenwelt sollen ebenfalls mindestens qualitativ berücksichtigt werden.
 
Das Umweltbundesamt (UBA) in Berlin und Dessau in Sachsen-Anhalt hat 1993 eine umfangreiche Ökobilanz für Biodiesel aus Rapsölmethylester aufgestellt. Diese wurde von verschiedenen Seiten kritisiert, da andere Studien zum Teil zu anderen Ergebnissen kommen. Im Folgenden sind die wichtigsten ökologischen Vor- und Nachteile von RME aufgelistet:
 
Vorteile
 
Reduzierung der Netto-CO2-Emission (einschließlich der bei Anbau, Verarbeitung und Transport anfallenden Emissionen) gegenüber Diesel um 35-45 Prozent bzw. um 60-65 Prozent bei Berücksichtigung der Weiterverwertung von Rapskuchen oder -schrot und Glycerin (UBA). Eine von der französischen Ölsaatengesellschaft ONIDOL in Auftrag gegebene Studie kommt zu einer Reduktion um 75-85 Prozent.
 
RME ist biologisch abbaubar, wasserschonend und wenig feuergefährlich.
 
RME ist im Gegensatz zu Diesel praktisch schwefelfrei und daher geeignet für den Betrieb von Oxidationskatalysatoren, außerdem beugt es dadurch saurem Regen und Waldsterben vor.
 
Die Erzeugung von RME aus Rapsöl verbraucht nur 3 Prozent der im Brennwert von RME enthaltenen Energie.
 
Nachteile
 
Wird der Raps im intensiven (nicht ökologischen) Landbau angebaut, so kommt es zu massiven Belastungen von Böden und Gewässern durch Düngerrückstände, Pestizide und Herbizide.Bei einer Nutzung der maximal ohne Beeinträchtigung der Produktion von Nahrungsmitteln und anderen wichtigen nachwachsenden Rohstoffen bewirtschaftbaren Fläche kann Biodiesel maximal 1,6 Prozent (UBA) bzw. 5 Prozent (Landwirtschaftsministerien des Bundes und der Länder) des Dieselverbrauchs in Deutschland ersetzen. Selbst die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche würde allenfalls den gesamten Verbrauch von Mineralöldiesel ersetzen, nicht jedoch den von Normal- und Superbenzin.Biodiesel setzt im Vergleich zu Diesel gleich viel (ONIDOL) oder mehr (UBA) Aldehyde, Ketone und Kohlenmonoxid frei.Biodiesel setzt mehr Stickoxide frei als Diesel, diese sind nicht nur Luftschadstoffe, sondern zum Teil (vor allem N2O, Lachgas) auch schädlichere Treibhausgase als CO2, sodass die positive Wirkung der CO2-Reduktion teilweise oder ganz wieder aufgehoben wird.Der Rapsanbau ist eine einfache Möglichkeit für die Landwirte, überschüssige Gülle (Nutztierexkremente) auszubringen, anstatt sie fachgerecht zu entsorgen. Dies ist der Grund dafür, dass 1999 bei der Bundeszentrale für Landwirtschaft und Ernährung 352 000 ha Anbaufläche zum Anbau von Industrieraps angemeldet wurden, obwohl der Rohstoffbedarf der Öl verarbeitenden Industrie im Non-Food-Sektor bereits mit rund 220 000-260 000 ha abgedeckt wird.
 
 Alternativen zur Alternative
 
Als Fazit der Ökobilanz kann man festhalten, dass Rapsöl nur für industrielle Spezialanwendungen oder, als Treibstoff, nur als eher kleine Komponente eines umweltfreundlichen Treibstoffmixes dienen kann. Welche Alternative gibt es, um zu einer umfassenden CO2-Reduktion im Straßenverkehr zu kommen, wenn gleichzeitig die Zahl der Autos auf der Erde schneller wächst als die Weltbevölkerung? Die Antwort ist verblüffend einfach: mit leichteren und weniger leistungsstarken Autos langsamer und seltener fahren! Und diese Maßnahmen sind nicht nur umfassend und effektiv, sondern auch billiger als der Status quo. Ein allgemeines Tempolimit von 120 oder 100 km/h würde auf den Autobahnen die CO2- und Stickoxidemissionen laut Umweltbundesamt um 10-34 Prozent reduzieren, eine Verringerung der durchschnittlichen Leistung der Kfz-Flotte um 30 Prozent (also etwa statt 100 PS nur noch 70) würde die CO2-Emissionen um 13-19 Prozent reduzieren. Weitere Emissionsminderungen sind durch elektronisch gesteuerte und optimierte Motoren, Förderung des öffentlichen Verkehrs und eine effektive Energiesteuer zu erreichen. Wenn durch diese Maßnahmen der Gesamttreibstoffverbrauch spürbar reduziert werden kann, werden alternative Treibstoffe aus extensiver, naturverträglicher landwirtschaftlicher Produktion ihren Platz im Energiemix finden.

Universal-Lexikon. 2012.