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Bẹrn:
1. Hauptstadt der Schweiz u. Berns (2).
2. Schweizer Kanton.
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Bẹrn,
1) Hauptstadt (»Bundesstadt«) der Schweiz, Hauptstadt des Kantons Bern und des Bezirks Bern im Schweizer Mittelland; 540 m über dem Meeresspiegel (am Bahnhof), in und über dem tief eingeschnittenen Aaretal, (1998) 123 300 Einwohner (Agglomeration 317 400 Einwohner). Sieben größere und elf kleinere Brücken verbinden die auf einem 40 m hohen Sporn in einer Flussschlinge liegende Altstadt mit den neueren Stadtteilen.
Bern ist vorwiegend Verwaltungsstadt mit Sitz der Bundesbehörden, der ausländischen Vertretungen, des Weltpostvereins, des Internationalen Büros für Eisenbahnverkehr, der Internationalen Föderation der Speditionsorganisationen und des grafischen Gewerbes; Universität (1834 gegründet), Schweizerische Landesbibliothek, Kunstmuseum (mit umfangreichster und qualitativ einmaliger Sammlung von Werken P. Klees), Historisches, Naturhistorisches und Alpines Museum u. a. Sammlungen und Archive; Botanischer Garten, Tierpark.
Maschinen-, Apparate- und Fahrzeugbau, elektrotechnische und elektronische, Metall-, Nahrungsmittel-, Textil-, grafische und chemische Industrie;
Verkehr:
Verkehrsknotenpunkt. Der Berner Flughafen dient lediglich dem regionalen Luftverkehr.
Das Wappen ist durch den Bären »redend«; es führt (im Gegensatz zum Wappen des Kantons Bern) auf dem Schild eine Mauerkrone.
Die Altstadt (UNESCO-Weltkulturerbe) hat mit ihren Lauben, alten Brunnen (u. a. Gerechtigkeits-, Schützen-, Kindlifresserbrunnen) und Türmen (Zeitglockenturm, das erste Westtor, im Kern um 1219, astronomische Uhr von 1530; Käfigturm, 1641-44 als Ersatz für den Torturm von 1256) sowie mit ihren stattlichen barocken Zunft- und Bürgerhäusern bis heute ihren Charakter bewahrt. Sie wird überragt vom Münster, an der Stelle einer Kirche des 13. Jahrhunderts 1421 von Matthäus Ensinger begonnen: dreischiffig, ohne Querhaus, Chor mit prachtvollem Netzgewölbe (1517, besonders bemerkenswert die 87 bemalten, mit Figuren verzierten Schlusssteine und die zum Teil erhaltenen Fenster des 15. Jahrhunderts), Turm erst 1893 vollendet, reiche Bauplastik am Außenbau, besonders Hauptportal (mit 234 Figuren) und Schultheißenpforte. Die Heiliggeistkirche (1726-29) gilt als schönste Barockkirche der Schweiz; einzigartiger rechteckiger Raum, von 14 Säulen beherrscht, Deckenstuck von J. A. Feuchtmayer. Älteste erhaltene Kirche ist die Französische (Dominikaner-)Kirche (um 1270-85, mehrmals erneuert). Das spätgotische Rathaus (1406-17, 1940-42 erneuert) wurde als weltliches Gegenstück zum Münster an der Nordseite der Altstadt errichtet. Als repräsentatives Kaffeehaus mit Tanz- und Konzertsaal entstand das Hôtel de Musique (1767). Nach Erhebung Berns zur Bundesstadt (1848) wurde das Bundeshaus erbaut (Westbau 1852-57, Ostbau 1888-92, Kuppelbau 1894-1902).
Bern wurde 1191 von Herzog Berchtold V., dem letzten Zähringer, im Anschluss an die Burg Nydegg auf dem Boden des (Heiligen Römischen) Reichs gegründet; nach dem Tod des Herzogs war Bern ab 1218 Reichsstadt (1274 Reichsunmittelbarkeit anerkannt) und blühte unter der Regierung einer adligen Oberschicht, die das Mitspracherecht der Zünfte erfolgreich abzuwehren vermochte, rasch auf. Um gegen den umliegenden burgundischen und österreichischen Adel einen Rückhalt zu haben, verbündete sich Bern mit den eidgenössischen Orten Uri, Schwyz und Unterwalden, siegte mit ihrer Unterstützung bei Laupen (1339) und schloss mit den drei Orten 1353 den Ewigen Bund (Mitglied der Eidgenossenschaft). Die Stadt gewann Herrschaft über das umliegende Land (Berner Oberland), eroberte 1415 den habsburgischen Aargau bis zur Reuss, führte die Eidgenossenschaft 1476/77 im Kampf gegen Karl den Kühnen von Burgund und entriss Savoyen 1536 die Waadt; 1528 wurde die Reformation eingeführt. Neben Zürich erlangte Bern die führende Stellung in der Eidgenossenschaft; die aristrokratische Verfassung gewährte der Stadt im 17. und 18. Jahrhundert viele Vorrechte; die Politik des Patriziats gestaltete sich absolutistisch (blutig unterdrückte Aufstände 1653, 1723, 1749). Seit der französischen Besetzung (1798-1803) war Bern Hauptstadt des neuen Kantons Bern, ab 1815 (Bundesvertrag) Vorort und ab 1848 Hauptstadt (Bundesstadt) der Schweiz. Stadt und Kanton erhielten 1831 eine demokratische Verfassung (»Großer Rat« als Volksvertretung).
H. Strahm: Gesch. der Stadt u. Landschaft B. (Bern 1971);
B. Weber: Historisch-topograph. Lex. der Stadt B. (Bern 1976);
B. Furrer: Die Stadt B. (Bern 1994).
2) Kanton der Schweiz, zweitgrößter (flächenmäßig nach Graubünden, bevölkerungsmäßig nach Zürich), 5 959 km2, (1999) 943 400 Einwohner. Sein Kerngebiet ist das hügelige Mittelland (400-800 m über dem Meeresspiegel) beiderseits von Aare und Emme, das nach Südosten über ein Molassebergland (Napf 1 408 m über dem Meeresspiegel) aareaufwärts bis zum firnbedeckten Hochalpenkamm des Berner Oberlandes reicht, nach Nordwesten über den mittleren Berner Jura (Chasseral 1 607 m über dem Meeresspiegel) im Bereich der Birs (Münstertal) und der Schüss (Tal von Saint-Imier) bis an die Grenze des Kantons Jura, der bis 1978 Teil des Kantons Bern war. Von den Alpenrandseen gehören der Bieler, der Thuner und der Brienzer See zum Kanton Bern. Das Mittelland ist dicht (Dörfer und Kleinstädte), das Oberland locker besiedelt.
Nach der am 6. 6. 1993 durch Referendum gebilligten und am 1. 1. 1995 in Kraft getretenen Verfassung liegt die Legislative beim Großen Rat (200 Abgeordnete, auf 4 Jahre im Proporzverfahren gewählt). Oberste ausführende Behörde ist der Regierungsrat, dessen 7 Mitglieder für 4 Jahre im Majorzverfahren direkt gewählt werden. Seit 1989 verfügen alle Kantonsbürger und -bürgerinnen, die das 18. Lebens-(Alters-)Jahr vollendet haben, über Stimmrecht. Die neue Verfassung stellt neben die Grundrechte einen Sozialrechtskatalog, sie enthält ferner Vorgaben zum Umweltschutz, zur Gleichstellung der Geschlechter u. a. Die Volksrechte wurden »verwesentlicht«, d. h. der Anwendungsbereich des obligatorischen Referendums wurde eingeengt (z. B. auf Verfassungsänderungen) und der der fakultativen Volksabstimmung erweitert. Zugleich wurden die Unterschriftszahlen für Initiativen (auf 15 000) und Referenden (auf 10 000) erhöht.
Das Wappen ist durch den Bären »redend«; es führt auf dem Schild (im Gegensatz zum Wappen der Stadt) eine Herzogskrone.
Die Bevölkerung ist überwiegend deutschsprachig und evangelisch-reformiert; in den Bezirken Courtelary, Moutier und La Neuveville überwiegt der französischsprachige Bevölkerungsanteil. Gemeinden der christkatholischen Kirche der Schweiz bestehen in Bern, Biel und Saint-Imier.
Es besteht neunjährige Schulpflicht. Nach der 4. Klasse der Primarschule Übergang zur Sekundarschule; Weiterbildungsklassen (10. Schuljahr). Gymnasien Typen A, B, C, E, Handelsmittelschule, Berufsschulen, höhere Wirtschafts- und Verwaltungsschule, Kunstgewerbeschule, Lehrerseminare, Konservatorium, höhere technische Lehranstalten (Bern, Biel, Burgdorf, Saint-Imier), Schweizerisches Landwirtschaftliches Technikum (Zollikofen). Universität Bern (gegründet 1528 als Theologische Schule, seit 1834 Universität).
Durch die Abtrennung des Kantons Jura verlor Bern ein vorwiegend landwirtschaftlich genutztes Gebiet mit etwas Uhrenindustrie. Die wirtschaftliche Entwicklung verlief bedächtiger als in anderen Kantonen, konzentriert v. a. auf die Ballungsgebiete Bern und Biel. Mit einem Volkseinkommen je Einwohner von (1993) 37 680 sfr liegt Bern an 21. Stelle unter den 26 Kantonen.
Weite Gebiete sind noch ländlich geprägt. Fruchtbare Böden bilden die Grundlage einer leistungsfähigen Landwirtschaft mit hohem Mechanisierungsgrad, die (1990) 8,2 % der Erwerbstätigen beschäftigt. Durch den hohen Anteil an Berggebiet (44 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche) haben Milchwirtschaft und Viehzucht, besonders im Emmen-, Simmen- und Saanetal sowie im Berner Oberland (bedeutendste Almwirtschaft der Schweiz) große Bedeutung. Hauptanbauprodukte des Ackerbaus sind Weizen, Kartoffeln und Zuckerrüben; etwas Weinbau wird am Bieler und Thuner See betrieben. Wichtig ist auch die Forstwirtschaft mit einem Anteil von 27 % an der Gesamtfläche des Kantons Bern.
In Industrie und Gewerbe arbeiten (1991) 35,4 % der Erwerbstätigen (1970: 47 %). Vorherrschend sind Mittelbetriebe der Uhren-, Textil- und Nahrungsmittelindustrie (v. a. Großmolkereien und Käsereien), Holzverarbeitung sowie als wichtigster Bereich Elektro- und Landwirtschaftstechnik. Die Energieversorgung basiert zu 70 % auf Erdöl, ferner auf Wasserkraftwerken und dem Kernkraftwerk Mühleberg. Der Dienstleistungssektor hat sich weiter ausgedehnt (1980: 52 %, 1991: 56,3 % der Erwerbstätigen). Wichtigste Bereiche sind der öffentliche Dienst (z. B. Bundesverwaltung, Bundesunternehmen SBB und PTT) und der Tourismus. Fremdenverkehrsgebiet ist v. a. das Berner Oberland mit den bekannten Kurorten Gstaad, Adelboden, Grindelwald und Interlaken.
Der Kanton Bern entstand aus dem v. a. im 14./15. Jahrhundert erworbenen ehemaligen Untertanengebiet (»Landschaft«) der Stadt Bern; unter der französischen Oberherrschaft (1798-1803) wurden Aargau, Waadt und Oberland (dieses 1803 Bern wieder eingegliedert) zu selbstständigen Kantonen erhoben. Als Kompensation für den Verlust erhielt Bern 1815 den Hauptteil des säkularisierten Hochstifts Basel (Berner Jura) und war ab 1815 (Bundesvertrag) als Vorort einer der drei leitenden Kantone der Schweiz. Die nach der Julirevolution 1831 angenommene demokratische Verfassung wurde wiederholt ergänzt; 1846 ist das direkte Wahlrecht, 1893 die Volksinitiative, 1906 die Wahl des Regierungsrats durch das Volk, 1920 die Proporzwahl des Großen Rats eingeführt worden. Nach langwierigen Auseinandersetzungen (u. a. 1974 Volksabstimmung im Jura, 1978 in der gesamten Schweiz) wurde 1978 der Berner Jura als Kanton Jura mit Wirkung vom 1. 1. 1979 vom Kanton Bern abgetrennt; am 1. 1. 1994 ist der Bezirk Laufen vom Kanton Bern zum Kanton Basel-Landschaft übergegangen.
B. Junker: Gesch. des Kantons B. seit 1798, 2 Bde. (Bern 1982-90).
3) Bezirk im Kanton Bern, Schweiz, 233 km2, 237 100 Einwohner, Hauptort ist Bern.
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Bẹrn: 1. Hauptstadt der Schweiz u. Berns (2). 2. schweizerischer Kanton.
Universal-Lexikon. 2012.