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Historienmalerei
His|to|ri|en|ma|le|rei 〈f. 18Malerei mit Motiven aus der Geschichte, aus Sagen u. a.; Sy 〈selten〉 Geschichtsmalerei

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His|to|ri|en|ma|le|rei, die:
Richtung der Malerei, die historische Ereignisse zum Bildgegenstand hat.

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Histori|enmalerei,
 
Gattung der Malerei, die sowohl zurückliegende als auch zeitgenössische Geschehnisse (Ereignisbild) zum Bildgegenstand hat, im weiteren Sinn auch dichterische, mythologische, religionsgeschichtliche Themen sowie Motive aus Sagen und Legenden.
 
Darstellungen geschichtlicher Geschehnisse finden sich bereits in den frühen Hochkulturen, z. B. in der ägyptischen Kunst Schlachtendarstellungen in den Tempeln Sethos' I. und Ramses' II. und aus der Zeit Ramses' III. Von dokumentarischem Wert ist bereits die Historienmalerei der Assyrer unter Assurnasirpal II. bis zu Assurbanipal. Bei den Griechen ist die Darstellung geschichtlicher Ereignisse mit mythologischen Vorstellungen verquickt (Alexandermosaik). Die Römer kennen historische Darstellungen in Form von Reliefs besonders häufig in der Kaiserzeit an Triumphbögen und Triumphsäulen (Trajan und Mark Aurel). Daneben erscheint erstmals die allegorische Historienmalerei, die sich meist auf das Heil und die Sendung des römischen Imperiums bezog.
 
Mit dem Christentum nimmt die religiöse Historienmalerei ihren Anfang. Im Mittelalter spielte die Darstellung von Heiligenlegenden eine große Rolle, aber auch die Historienmalerei im engeren Sinn wurde aufgenommen. Gegen Ende des 6. Jahrhunderts ließ die Langobardenkönigin Theudelinde geschichtliche Szenen in ihrem Palast in Monza malen (nicht erhalten). Ähnliche Ausmalungen sind für Karl den Großen (Pfalzen von Aachen und Ingelheim) und Heinrich I. (Pfalz Merseburg) überliefert. Mit anderen technischen Mitteln, aber im Sinne der Historienmalerei dieser Zeit wurde der Bayeux-Teppich gestaltet. Besondere Bedeutung erlangte das Historienbild in der Buchmalerei (Miniaturen J. Fouquets zu »Les grandes chroniques des rois de France«, um 1465; Paris, Bibliothèque Nationale de France).
 
Die Wiederentdeckung der Antike durch die Renaissance führte dazu, dass von der Mitte des 15. Jahrhunderts an die antiken Heldengeschichten zum Bildthema der Historienmalerei wurden, die der Humanist L. B. Alberti zu den größten Aufgaben der Malerei zählte. Es entstanden drei Epoche machende Schlachtenbilder: Leonardo da Vincis »Schlacht von Anghiari« (Karton von 1503-05; verschollen), Michelangelos »Überfall bei den Cascine« (Karton verschollen, Federzeichnung von 1505 erhalten) und Tizians »Schlacht bei Cadore« (1538 vollendet, nicht erhalten). Mit der »Schlacht an der Milvischen Brücke« beschloss Giulio Romano nach 1520 die Folge von Historienbildern in den Stanzen des Vatikans, in denen Raffael zwischen 1511 und 1517 geschichtliche Ereignisse (»Leo I. und Attila«, »Brand im Borgo«, »Schlacht von Ostia«, »Krönung Karls des Großen durch Leo III.«) durch das Pathos großer Form in den übergeschichtlichen Raum idealer Wirklichkeit erhob. Das bedeutendste Werk jener Zeit nördlich der Alpen schuf A. Altdorfer mit der »Alexanderschlacht« (1529; München, Alte Pinakothek).
 
Im Zeitalter des Absolutismus wurde die Historienmalerei zur wichtigsten Kunstgattung an den französischen Akademien. Sie diente in symbolhafter Weise der Glorifizierung der Herrschenden. Ihr verschrieben sich insbesondere C. Le Brun, E. Le Sueur, L. de La Hyre, die Malerfamilien Coypel und Juvenet. Ein Meisterwerk historisch-politischer Allegorik stellt der von P. P. Rubens 1621-25 geschaffene Zyklus mit Szenen aus dem Leben der Maria von Medici und ihres Gemahls Heinrich IV. (Paris, Louvre) dar. Einen weiteren Höhepunkt der Historienmalerei des Barock bildet D. Velázquez' »Schlüsselübergabe von Breda« (1635; Madrid, Prado). Eine Reihe von Malern spezialisierte sich auf die Schlachtenmalerei (S. Rosa, M. Cerquozzi, J. Courtois, P. Snayers, G. P. Rugendas).
 
1784 malte J.-L. David den »Schwur der Horatier« (Paris, Louvre) und markierte damit den Wendepunkt zu einer neuen, die politischen Interessen des Bürgertums einbeziehenden Historienmalerei, die sich in der Folgezeit, insbesondere auch unter dem Eindruck der Französischen Revolution 1789, verstärkt der Gegenwart zuwandte (»Der Tod des Marat« von David, 1793, Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts; »Die Erschießung der Aufständischen vom 3. Mai 1808« von F. de Goya, 1814, Madrid, Prado). Die französischen Vertreter der Romantik T. Géricault und v. a. E. Delacroix machten sich eine dramatisierende Gestaltungsweise zu Eigen, die Leiden und Tod miteinbezog, ohne zu beschönigen, während ihre deutschen Vertreter tradierten Kompositionsweisen und Bildinhalten verhaftet blieben (P. Cornelius, A. Rethel). Demokratische Tendenzen fanden in Deutschland besonders in Werken von K. F. Lessing, A. von Menzel und E. Leutze Ausdruck. Das Verlangen nach historischer Treue nicht nur hinsichtlich geschichtliche Ereignisse, sondern auch in der Kleidung und anderem Beiwerk ließ Historienbilder oft zu Kostümstücken geraten (P. Delaroche, W. von Kaulbach, K. von Piloty, Historienmalerei Makart). Der seit den 1830er-Jahren spürbare Einfluss der belgischen Historienmalerei (G. Wappers, É. de Bièfve, L. Gallait, N. de Keyser) verstärkte den Hang zum Pathos. Im Zuge des wachsenden Nationalismus jener Zeit stand die Historienmalerei in Süd- und Osteuropa unter dem Zeichen der Auflehnung gegen Fremdherrschaft und Unterdrückung (u. a. J. Čermák und M. Aleš in Böhmen, T. Aman und N. Grigorescu in Rumänien, J. Kossak, A. Grottger und J. Matejko in Polen sowie I. Repin, W. W. Wereschtschagin und W. M. Wasnezow in Russland).
 
Um die Jahrhundertwende suchte F. Hodler die Historienmalerei zu aktualisieren, indem er sie ins Monumentale steigerte. In der westlichen modernen Kunst verlor sie in der Folgezeit an Bedeutung; ein letztes herausragendes Beispiel ist P. Picassos »Guernica« (1937; Madrid, Prado). An ihre Stelle trat eine gesellschafts- und zeitkritische Kunst. Eine zeitweilige Belebung der Historienmalerei zeigte sich in Ländern, die einen nichtkapitalistischen Entwicklungsweg einschlugen (Sowjetunion 1917-91, andere Länder [besonders Osteuropa] 1945-90). Dabei hatte der Personenkult zu Stalins Lebzeiten wesentlichen Einfluss, später die Glorifizierung Lenins. Zu den Hauptvertretern sowjetischer Historienmalerei, die zum Teil sehr pathetischen Lösungen bevorzugte, gehören I. I. Brodskij, Mitrofan Grekow (* 1882, ✝ 1934), A. A. Deineka. Auch in der DDR kam der Historienmalerei, gestützt auf die Traditionen proletarisch-revolutionärer Kunst, innerhalb des sozialistischen Realismus eine wesentliche Rolle zu. Neue Impulse kamen v. a. von B. Heisig (u. a. »Pariser Kommune«; 1965/66 und 1967) und von W. Tübke, der sich mit den Themen Reformation und Bauernkrieg intensiv auseinander setzte (Panoramagemälde bei Frankenhausen/Kyffhäuser; 1976-87). Große Bedeutung erlangte die Historienmalerei auch in der mexikanischen Wandmalerei (D. Rivera, J. C. Orozco, A. Siqueiros).
 
Literatur:
 
R. Scholz: Volk, Nation, Gesch., Dt. histor. Kunst im 19. Jh. (1981);
 
Triumph u. Tod des Helden, hg. v. E. Mai u. a., Ausst.-Kat. (1987);
 W. Hager: Gesch. in Bildern. Studien zur H. des 19. Jh. (1989);
 E. Mai u. A. Repp-Eckert: H. in Europa. Paradygmen in Form, Funktion u. Ideologie vom 17. bis zum 20. Jh. (1990);
 F. Billeter: Zur künstler. Auseinandersetzung innerhalb des Rubenskreises. Eine Unters. am Beispiel früher Historienbilder Jacob Jordaens' u. Anthonis Van Dycks (1993).
 

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His|to|ri|en|ma|le|rei, die <o. Pl.>: Richtung der Malerei, die historische Ereignisse zum Bildgegenstand hat.

Universal-Lexikon. 2012.