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Chan|cen|gleich|heit 〈[ ʃã:sən-] f. 20; unz.〉 Gleichheit der (schul. u. berufl.) Chancen ● es herrscht \Chancengleichheit für alle
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Chan|cen|gleich|heit, die <o. Pl.> (Päd., Soziol.):
gleiche Ausbildungs- u. Aufstiegsmöglichkeiten für alle ohne Rücksicht auf Herkunft u. soziale Verhältnisse.
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I Chancengleichheit,
politischer Begriff, der das Recht auf gleiche Ausgangsbedingungen für die einzelnen Glieder von Staat und Gesellschaft bei der Entfaltung ihrer unterschiedlichen Fähigkeiten und Interessen bezeichnet. Neben der Gleichstellung aller Bürger vor dem Gesetz fordert Chancengleichheit für alle Mitglieder der Gesellschaft gleiche Startbedingungen bei der Entfaltung ihrer Persönlichkeitsrechte und der Wahrnehmung ihrer Lebenschancen. Das Gebot der Chancengleichheit gilt nicht allein der individuellen Emanzipation und der sozialen Gerechtigkeit für den Einzelnen, sondern auch für die Entfaltungsmöglichkeiten von Gruppen und Organisationen. Im Sinne der modernen Verfassungsidee sind Verstöße gegen die Chancengleichheit, z. B. die Diskriminierung einzelner Menschen oder/und Menschengruppen (etwa nach Geschlecht, Rasse oder Religion), verboten. Gradmesser (»Indikatoren«) für den tatsächlichen Stand der Chancengleichheit v. a. in einer hoch entwickelten Industriegesellschaft sind u. a. die allgemeine Wirksamkeit der Bürgerrechte (z. B. die Realisierung der Gleichberechtigung von Mann und Frau), der Zugang zu den Bildungseinrichtungen für alle (z. B. für Angehörige wirtschaftlich schlechter gestellter Gruppen, etwa »Arbeiterkinder«), der allgemeine Zustand der menschlichen Arbeits- und Wohnbedingungen sowie die Umweltqualität.
Die Forderung nach Verwirklichung des im Grundgesetz festgeschriebenen Gebots der Chancengleichheit im Bildungswesen wurde in der Bundesrepublik Deutschland Mitte der Sechzigerjahre formuliert: Soziale Herkunft und - hiermit häufig verbunden - unterschiedliche finanzielle Ausstattung dürften nicht über den Bildungsweg und damit über berufliche und soziale Lebenschancen entscheiden. Aus dem statistisch erfassten Bildungsgefälle und der (unbestrittenen) im Schnitt unterschiedlichen schulischen Leistungsfähigkeit von Kindern verschiedener sozialer Herkunft wurde abgelesen, dass sich »unterprivilegierte« und »privilegierte« Gruppen der Gesellschaft gegenüberstehen. Daher erhob sich die Forderung, die benachteiligten Gruppen müssten durch geeignete Fördermaßnahmen gleichgestellt werden. Während die einen unter Chancengleichheit »gleichen Zugang zu Bildungsinstitutionen jenseits der Schulpflichtgrenze für alle Kinder mit gleichen gemessenen Fähigkeiten, unabhängig von Geschlecht, Rasse, Wohnort, sozialer Herkunft« und weiteren Kriterien verstanden, sahen andere die Chancengleichheit erst dann erreicht, wenn in allen Bildungsgängen der prozentual gleiche Anteil der verschiedenen sozialen Gruppen entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung vertreten sei.
Als wesentlich für die Annahme von Bildungsangeboten gilt in erster Linie die Bereitschaft zur Nutzung der angebotenen Sozialchancen, die nach bildungssoziologischen Untersuchungen im Zusammenhang mit bestimmten sozialen Faktoren unterdurchschnittlich gering ist: Herkunft aus der Arbeiterschicht oder aus ländlichen, stark konfessionell geprägten Kreisen oder traditionelles weibliches Rollenbild. Außerdem wurden als weitere »Bildungsbarrieren« besonders das geringere Sprachvermögen und Verhaltensprägungen von Unterschichtgruppen untersucht. - Bildungspolitische und schulreformatorische Maßnahmen zum Chancenausgleich wurden geplant und vielfach auch durchgeführt, u. a.: Ausbau der Vorschule, kompensatorische Erziehung, Ganztagsschulen, Curriculum- und Lehrplanrevision, Gesamtschulen und -hochschulen, Ausbildungsförderung (»BAföG«), zweiter Bildungsweg und Begabtenförderung.
Die planerischen Maßnahmen im Sinne der Chancengleichheit werden insbesondere kritisiert unter Hinweis auf die in der Intelligenzforschung (Ch. Jencks, H. J. Eysenck) gegenüber Umwelteinflüssen wieder verstärkt hervorgehobene Bedeutung von Intelligenz und Begabung, oft verbunden mit der traditionellen Forderung nach Eliteschulen (Gymnasien). Zusätzlich wird auf den begrenzten volkswirtschaftlichen Bedarf an Akademikern und die geringen Ausbildungskapazitäten der Hochschulen hingewiesen. Die zugrunde liegende Frage nach dem Verhältnis von Anlage und Umwelt (Anlage-Umwelt-Problematik) muss als wissenschaftlich unbeantwortet oder unbeantwortbar gelten.
Die seit den Achtzigerjahren durch wirtschaftliche Faktoren und auch durch die in den Schulen nachrückenden geburtenschwachen Jahrgänge bedingte zunehmende Arbeitslosigkeit von Lehrern (wie auch in einigen anderen akademischen Berufen) hat Auswirkungen auf die Art und Weise der Ausbildung von Abiturienten, die entweder statt des Hochschulstudiums kürzere qualifizierende Ausbildungsgänge im Bereich von Handel und Wirtschaft wählen oder erst eine solche »sichere« Ausbildung anstreben und danach doch noch studieren. Dadurch haben sich die beruflichen Chancen der Realschulabgänger vermindert. Gesellschaftspolitischen Forderungen folgend, wurden zum Teil vielfach über den eigenen Bedarf der Betriebe hinaus Ausbildungsplätze bereitgestellt. Viele Ausgebildete können dann jedoch keinen oder keinen angemessenen Arbeitsplatz finden. In diesem Zusammenhang wie auch in einer veränderten politischen Landschaft ist die Forderung der Chancengleichheit zugunsten zweier anderer Forderungen in der öffentlichen Diskussion und in der Bildungs- und Gesellschaftspolitik in den Hintergrund getreten: Als vorrangig gelten nun der Abbau der Jugendarbeitslosigkeit und die wirkungsvolle Förderung der Hochbegabten.
II
Chancengleichheit
['ʃãs-], politischer Begriff und Forderung, bezeichnet das Recht beziehungsweise den Anspruch auf gleiche Ausgangsbedingungen für die einzelnen Glieder von Staat und Gesellschaft bei der Entfaltung ihrer unterschiedlichen Fähigkeiten und Interessen. Wertvorstellung, die stark mit dem Grundwert der Gerechtigkeit verbunden ist. Neben der Gleichstellung aller Bürger vor dem Gesetz fordert Chancengleichheit für alle Mitglieder der Gesellschaft gleiche »Startbedingungen« bei der Entfaltung ihrer Persönlichkeitsrechte, bei der Wahrnehmung ihrer Lebenschancen. Das Gebot der Chancengleichheit, das v. a. aus dem Gleichheitsgrundsatz fließt, gilt nicht allein der individuellen Emanzipation und der sozialen Gerechtigkeit für den Einzelnen, sondern auch für die Entfaltungsmöglichkeiten von Gruppen und Organisationen. Im Sinne der modernen Verfassungsidee sind Verstöße gegen die Chancengleichheit, z. B. die Diskriminierung einzelner Menschen oder/und Menschengruppen etwa nach Geschlecht, Alter, Rasse, ethnische Zugehörigkeit oder Religion, verboten. Gradmesser für den tatsächlichen Stand der Chancengleichheit, v. a. in einer hoch entwickelten Industriegesellschaft, sind u. a. die allgemeine Wirksamkeit der Bürgerrechte (z. B. die Realisierung der Gleichberechtigung von Mann und Frau), der Zugang zu den Bildungseinrichtungen für alle (z. B. für Angehörige wirtschaftlich schwächer gestellter Gruppen), der allgemeine Zustand der menschlichen Arbeits- und Wohnbedingungen sowie die Umweltqualität.
Im Gedanken der Chancengleichheit vereinigen sich freiheitliche und soziale Denkansätze. Im Staat liberaler Verfassungstradition, in der pluralistischen Gesellschaft, folgt Chancengleichheit aus dem Kompromiss zwischen der auf dem Postulat der Freiheit beruhenden Entfaltung des Einzelnen und der auf dem Grundsatz der Gleichheit gegründeten sozialen Gerechtigkeit für alle. Vom liberalen Ansatz her gilt Chancengleichheit als gegeben, wenn gesetzlich die Wege zur Selbstverwirklichung des Einzelnen und zur Selbstdarstellung von Organisationen geebnet sind und die Gesellschaft notfalls materielle Unterstützung bereitstellt, um wirtschaftlich Schwache zu fördern. Die tatsächliche Wahrnehmung der »Startchancen« ist dann hauptsächlich von der Initiative, den Bedürfnissen, Zielen und Fähigkeiten des Einzelnen abhängig.
Die ideengeschichtliche Entwicklung des Begriffes Chancengleichheit steht in enger Verbindung mit der Aufklärung (naturrechtlichen Vorstellungen von der Gleichheit aller Menschen) und der Entfaltung der politischen und gesellschaftlichen Emanzipationsbewegung v. a. innerhalb des Bürgertums seit den Revolutionen des 18. Jahrhunderts; diese beseitigten die Privilegien des Adels und der Geistlichkeit und die feudalen Bedingungen innerhalb der Gesellschaft; diese Umwälzung kam insbesondere dem Bürgertum zugute. Im Zuge der von ihm getragenen industriellen Revolution erfuhren die in Lohnarbeit tätigen Menschen (Arbeiter) eine tiefe soziale Deklassierung; im Rahmen der Arbeiterbewegung suchten diese seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihre gesellschaftliche Gleichstellung durchzusetzen und so in die Lage zu gelangen, ihre Lebenschancen realisieren zu können. Politisch war die Entwicklung vom Absolutismus zum liberalen Rechtsstaat vielfach und über längere Perioden des geschichtlichen Prozesses durch Wahlrechtsbeschränkungen (z. B. Dreiklassenwahlrecht) gekennzeichnet. J. S. Mill, der für die politische Gleichberechtigung der Arbeiter eintrat, sprach sich noch für ein nach dem Stand der Bildung abgestuftes Stimmrecht aus. Die Demokratisierung des Parlamentarismus (»ein Mann, eine Stimme«) sowie die Weiterentwicklung des Verfassungsstaates zum sozialen Rechtsstaat v. a. im 20. Jahrhundert führte im Sinne der Chancengleichheit zu einer stärkeren Verschränkung von individueller Freiheit und Gleichheit der Startchancen aller. Im Kern ihrer Motivation gehen die Bürgerrechtsbewegungen des 20. Jahrhunderts von der Chancengleichheit bisher unterprivilegierter ethnischer, rassischer, religiöser, nationaler und sozialer Gruppen (meist Minderheiten) aus. In den parlamentarischen Demokratien stellten Wissenschaftler (besonders Pädagogen und Psychologen), Parteien, Verbände (z. B. Gewerkschaften), oft auch überregional organisierte Bürgerinitiativen die Chancengleichheit als notwendige Aufgabe von Staat und Gesellschaft heraus. In der öffentlichen Diskussion werden oft Fragen der Chancengleichheit und der Elitebildung als Gegensatz betrachtet.
Die Forderung nach Verwirklichung des im GG fixierten Gebotes der Chancengleichheit im Bildungswesen wurde in der Bundesrepublik Deutschland Mitte der 60er-Jahre formuliert: soziale Herkunft und - hiermit häufig verbunden - unterschiedliche finanzielle Ausstattung dürften nicht über den Bildungsweg und damit über berufliche und soziale Lebenschancen entscheiden. Aus dem statistisch erfassten Bildungsgefälle und der - unbestrittenen - im Schnitt unterschiedlichen schulischen Leistungsfähigkeit von Kindern verschiedener sozialer Herkunft wurde abgeleitet, dass sich »unterprivilegierte« und »privilegierte« Gruppen in der Gesellschaft gegenüberstehen, und postuliert, dass die benachteiligten Gruppen durch geeignete Förderungsmaßnahmen gleichgestellt werden müssen. Während die einen unter Chancengleichheit »gleichen Zugang zu Bildungsinstitutionen jenseits der Schulpflichtgrenze für alle Kinder mit gleichen gemessenen Fähigkeiten unabhängig von Geschlecht, Rasse, Wohnort, sozialer Herkunft« und weiteren Kriterien verstanden (OECD), sahen andere die Chancengleichheit erst erreicht, wenn in allen Bildungsgängen der prozentual gleiche Anteil an der Bevölkerung vertreten ist (wobei auch Positionen vertreten werden, nach denen auch Fähigkeit und Leistung hintanzustellen seien).
Als wesentlich für die Annahme von Bildungsangeboten gilt in erster Linie die Bereitschaft zur Nutzung der angebotenen Sozialchancen, die nach bildungssoziologischen Untersuchungen im Zusammenhang mit bestimmten sozialen Momenten unterdurchschnittlich gering sind: Herkunft aus der Arbeiterschicht oder ländlichen, stark konfessionell geprägten Kreisen, traditionelles weibliches Rollenbild (R. Dahrendorf: »das katholische Arbeitermädchen vom Lande«). Außerdem wurden als weitere Bildungsbarrieren besonders das weniger komplexe Sprachvermögen (Defizithypothese) und Verhaltensprägungen (Motivation, insbesondere Leistungsmotivation) von Unterschichtgruppen untersucht. Ursache für diese Benachteiligungen sind die in einigen Bevölkerungsgruppen ungünstigen Sozialisationsbedingungen (u. a. sogenanntes »Lernklima«, d. h. innerfamiliäre Akzeptanz und Förderung der Aneignung von Wissen). Die zugrunde liegende Frage nach dem Verhältnis von Anlage und Umwelt muss als wissenschaftlich noch ungelöst gelten. Das die Auslese für knappe Positionen und Ressourcen hauptsächlich steuernde Leistungsprinzip kann nur durch die weitgehende Verwirklichung der Chancengleichheit als gerecht gelten. Gesellschaftliche Auswahlsysteme beziehungsweise Selektionsmuster spiegeln allerdings mit Sicherheit auch Wertvorstellungen sozial bevorzugter Bevölkerungsschichten, nicht nur rein leistungsbezogene Merkmale, wider. Eng verbunden mit der Frage der Chancengleichheit ist das in der Soziologie umfangreich thematisierte Problem sozialer Ungleichheit sowie deren Struktur. Darunter wird die asymmetrische Verteilung knapper und begehrter Güter auf gesellschaftliche Positionen und so entstehende vorteilhafte beziehungsweise nachteilige Lebensbedingungen von Menschen verstanden. Anhand sozial relevanter Merkmale, wie Bildung, Einkommen, Vermögen, Berufsposition, Einfluss, Ansehen, Wohn-, Arbeits- und Freizeitbedingungen sowie sozialer Sicherung, sind Differenzierungen zwischen den einzelnen Gesellschaftsmitgliedern erfassbar. Über die Ursachen sozialer Ungleichheit gibt es verschiedene theoretische Ansätze. Sozialistische Denkmodelle fassen die Herstellung von Chancengleichheit als Brechung von Standesprivilegien vormals herrschender Klassen auf. Nach Anschauungen des Marxismus (Klassentheorie von Karl Marx) und des Marxismus-Leninismus sind soziale Ungleichheiten grundsätzlich überwindbar, da sie auf ökonomische Machtverhältnissen basieren. Chancengleichheit kann daher nur auf dem Wege der sozialen Revolution hergestellt werden. Die funktionale Schichtungstheorie sieht Ungleichheiten als Ergebnis eines gesellschaftlichen Belohnungs- und Bewertungsprozesses an. Hier werden soziale Ungleichheiten in einem gewissen Rahmen als unvermeidbar und für den gesellschaftlichen Fortschritt notwendig erachtet. In der neueren soziologischen Literatur besteht Übereinstimmung darüber, dass sich soziale Ungleichheiten nicht allein auf ökonomische Besitzverhältnisse und/oder spezifische Leistungsqualifikationen zurückführen lassen, sondern dass vor allem die unterschiedliche Machtverteilung die Möglichkeiten zur Durchsetzung von Interessen, Wünschen, Bedürfnissen bestimmt und damit Ungleichheiten erzeugt und reproduziert. Trotz der formalen Gleichheit aller vor dem Gesetz legitimiert die geltende staatliche Rechtsordnung die faktisch vorhandenen Ungleichheiten durch den Zugang zu wesentlichen Ressourcen (z. B. durch Eigentums- und Erbrecht). Es existieren ungleiche Zugangsmöglichkeiten zu ökonomischen und so genannten symbolischen Gütern (kulturelles Kapital: Bildung, Wissen) sowie das Geflecht hierarch. Berufspositionen und zwischenmenschlichen Beziehungen (soziales Kapital). Darüber hinaus stützt eine in der Regel nicht hinterfragte und allgemein anerkannte Prestigeordnung die bestehenden Ungleichheitsverhältnisse auf der Ebene der Alltagsideologie. Seit den 1970er-Jahren rückten »quer« zur Schichtungs- und Klassenhierarchie liegende Ungleichheiten in den Mittelpunkt des Interesses. Ausländische Arbeiter und ihre Familien machten darauf aufmerksam, dass ihre Arbeits-, Wohn- und Gesundheitsbedingungen schlechter als die deutschen Arbeiter sind. Vorurteile ihnen gegenüber und soziale Isolation nehmen zu. Die Frauenbewegung thematisierte »geschlechtsspezifische Ungleichheiten«, u. a. die Tatsache, dass Frauen auch bei gleicher Arbeitszeit und Ausbildung nur etwa 70 % des Einkommens männlicher Berufstätiger verdienen. Sie müssen im Falle der Geburt von Kindern Unterbrechungen ihres Erwerbslebens und damit Einbußen sozialer Sicherung hinnehmen. Derzeit ist die Situation der Frauen in der industrialisierten Gesellschaft u. a. insofern problematisch, als sie rechtlich den Männern gleichgestellt sind, faktisch jedoch (durch die noch immer wirksame traditionelle Rollenerwartung und -zuweisung) keine gleiche Behandlung in vielen Lebensbereichen erfahren. Kennzeichnend ist die Doppelrolle, d. h. die gleichzeitig oder nacheinander ausgeübte Tätigkeit in Familie und Beruf. Die Abfolge geburtenstarker und -schwacher Jahrgänge führte zusammen mit konjunkturellen Schwankungen zu einer Situation, in der auf eine Generation mit ausgezeichneten Berufschancen eine Generation folgte, die auf eine schwierige Arbeitsmarktlage traf. Im Zuge der Modernisierung von Industriegesellschaften wurde eine Angleichung der Lebensbedingungen von Stadt und Land erwartet. Heute wird sichtbar, dass »regionale Disparitäten« nicht verschwinden, sondern (z. B. als Folge ökonomischer Strukturkrisen) in neuer Form entstehen. Aufgrund der sinkenden Geburtenraten und der deutlich gestiegenen Lebenserwartung nimmt die Zahl der älteren Menschen immer mehr zu. Da im System des Generationenvertrages die Existenzsicherung der Älteren von der Arbeits- und Beitragsleistung der Jüngeren abhängt, erscheinen künftige Spannungen zwischen Jung und Alt durchaus wahrscheinlich. In der Zukunft werden die Strukturen sozialer Ungleichheit eher komplexer werden. Die Mehrheit der Bevölkerung vereint sehr unterschiedliche Kombinationen von Vor- und Nachteilen auf sich. Nur Minderheiten sind den Anhäufungen von Nachteilen ausgesetzt (z. B. viele ältere Frauen, Obdachlose, Langzeitarbeitslose, Behinderte, ausländische Arbeiter). Das Gefüge sozialer Ungleichheit verschiebt sich tendenziell von einem Klassen- und Schichtgefüge zu einer pluralisierten Wohlfahrtsgesellschaft mit Randgruppenproblemen.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
Begabung · Bildungsgesamtplan · Bildungspolitik · Bürgerrechtsbewegung · Frauenbewegung · Freiheit · Gleichberechtigung · Gleichheit · Lernen · Sozialpolitik
N. Weber: Privilegien durch Bildung. Über die Ungleichheit der Bildungschancen in der Bundesrep. Dtl. (1973);
H. Heckhausen: Leistung u. C. (1974);
R. J. Herrnstein: C., eine Utopie? (a. d. Amerikan., 1974);
Soziale Ungleichheit. Strukturen u. Prozesse sozialer Schichtung, hg. v. K. H. Hörning (1976);
R. Dahrendorf: Lebenschancen (1979);
J. Rawls: Eine Theorie der Gerechtigkeit (a. d. Amerikan., Neuausg. 1979);
W. Leisner: Der Gleichheitsstaat (1980);
H. Bertram: Sozialstruktur u. Sozialisation. Zur mikrosoziolog. Analyse von Chancenungleichheit (1981);
K. Rothe: C., Leistungsprinzip u. soziale Ungleichheit. Zur gesellschaftspolit. Fundierung der Bildungspolitik (1981);
Soziale Ungleichheiten, hg. v. R. Kreckel (1983);
H. J. Eysenck: Die Ungleichheit der Menschen. Ist Intelligenz erlernbar? (1984);
S. Hradil: Sozialstrukturanalyse in einer fortgeschrittenen Gesellschaft. Von Klassen u. Schichten zu Lagen u. Milieus (1987);
P. Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftl. Urteilskraft (a. d. Frz., 81996).
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Chan|cen|gleich|heit, die <o. Pl.> (Päd., Soziol.): gleiche Ausbildungs- u. Aufstiegsmöglichkeiten für alle ohne Rücksicht auf Herkunft u. soziale Verhältnisse.
Universal-Lexikon. 2012.