Chamberlain
['tʃeɪmbəlɪn, englisch] der, -s/-s, Kammerherr; vor der Eroberung Englands durch die Normannen neben dem Marschall als Verwalter der Finanzen das wichtigste Hofamt, danach mehrfach geteilt und beschränkt, dann Ehrentitel. Der Lord Chamberlain ist der Vorsteher des königlichen Hofstaates.
Chamberlain
['tʃeɪmbəlɪn],
1) Arthur Neville, britischer Politiker, * Edgbaston (heute zu Birmingham) 18. 3. 1869, ✝ Heckfield (bei Reading) 9. 11. 1940, Sohn von 5) und Halbbruder von 6); Unternehmer in Birmingham, dessen Oberbürgermeister er 1915/16 war; schloss sich den Konservativen an und gehörte seit 1918 dem Unterhaus an. 1922/23 war er Generalpostmeister, 1923, 1924-29 und 1931 Gesundheitsminister sowie 1923/24 und 1931-37 Schatzkanzler. Chamberlain trat durch eine Reform der Lokalverwaltung (»Local Government Act«, 1929) und der Armenfürsorge hervor. Als Wirtschafts- und Finanzpolitiker suchte er Handel und Industrie durch Schutzzölle zu stärken. 1937 wurde Chamberlain Premierminister. In den weltpolitischen Krisenjahren vor dem Zweiten Weltkrieg suchte er angesichts der auf Konflikt angelegten Außenpolitik Deutschlands, Italiens und Japans nach Möglichkeiten eines friedlichen Ausgleichs der Interessen bei gleichzeitiger Aufrüstung seines Landes. Dabei sollte allerdings die finanzielle Stabilität Großbritanniens nicht gefährdet und die ohnehin schwierige Wirtschaftslage nicht weiter verschärft werden. Seine in der britischen Öffentlichkeit auf breite Zustimmung stoßende Politik des Appeasements (Höhepunkt: der Abschluss des Münchner Abkommens, 1938) zielte auf Zeitgewinn, da Großbritannien nicht kriegsbereit war. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in die Tschechoslowakei (März 1939) gab seine Regierung eine Garantieerklärung für Polen ab. Als die deutsche Wehrmacht am 1. 9. 1939 Polen angriff, erklärte die Regierung Chamberlain am 3. 9. 1939 Deutschland den Krieg.
Nach Beginn des Krieges verlor Chamberlain das Vertrauen auch vieler Abgeordneten seiner Partei. Im Mai 1940 wurde seine Regierung durch die Allparteienregierung Churchill abgelöst, in der Chamberlain das Amt des Lordpräsidenten übernahm.
In search of peace (London 1939).
K. G. Feiling: The life of N. C. (London 1946, Nachdr. Hamden, Conn., 1970);
H. M. Hyde: N. C.(a. d. Engl., 1982);
P. Neville: N. C. A study in failure? (London 1992).
2) ['tʃeɪmbəlɪn], George Richard, amerikanischer Schauspieler, * Los Angeles (Calif.) 31. 3. 1935; spielt v. a. in Fernsehserien; internationale Erfolge mit der Hauptrolle in der Fernsehserie »Dr. Kildare« (1961—65) und mit dem Spielfilm »Petulia« (1968); spielte auch als Gast am Theater, u. a. in Shakespearestücken.
Weitere Filme: Julius Cäsar (1970); Tschaikowsky - Genie und Wahnsinn (1970); Die drei Musketiere (1973); Der Graf von Monte Christo (1974); Shogun (Abenteuerserie, 1980); Die Dornenvögel (vierteiliger Fernsehfilm, 1984); Auf der Suche nach der geheimnisvollen Stadt (1986); Casanova (Fernsehfilm, 1987); Island Son (Fernsehserie, 1989); Die Nacht des Jägers (Fernsehfilm, 1991).
3) Houston Stewart, Schriftsteller und Kulturphilosoph englischer Herkunft, * Southsea (heute zu Portsmouth) 9. 9. 1855, ✝ Bayreuth 9. 1. 1927; studierte seit 1879 in Genf Naturwissenschaften, lebte 1885-89 in Dresden und siedelte 1889 nach Wien über; seit 1909 Ȋ mit Eva, der Tochter R. Wagners, dessen Werk er sehr verehrte. Sein wissenschaftlich umstrittenes Werk »Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts« (2 Bände, 1899) zielte in der Nachfolge J. A. Gobineaus auf eine Verherrlichung des Germanentums (besonders des deutschen Volkes), wobei Chamberlain naturwissenschaftliche Kategorien auf menschheitsgeschichtliche Entwicklungsprozesse übertrug und damit eine arische Rassenideologie entwickelte, die den Nationalsozialismus stark beeinflusste. 1916 wurde Chamberlain deutscher Staatsbürger. Im Ersten Weltkrieg vertrat er die Forderungen des Alldeutschen Verbandes.
Weitere Werke: Richard Wagner (1896); Arische Weltanschauung (1905); Immanuel Kant (1905); Goethe (1912); Lebenswege meines Denkens (1919).
Briefe 1882-1924 und Briefwechsel mit Kaiser Wilhelm II. (1928).
Ausgabe: Gesamtausgabe seiner Hauptwerke, 9 Bände (1923).
A. Vanselow: Das Werk H. S. C.s. Eine Bibliogr. (1927);
4) John Angus, amerikanischer Bildhauer, * Rochester (Indiana) 16. 4. 1927; entwickelte ab 1958 Assemblagen aus verbogenem und zusammengepresstem Autoschrott, die Formprobleme von Masse, Verdichtung, Licht und Farbe darstellen; arbeitete später auch mit Schaumstoff, Metall, Acrylglas, Alufolien u. a.
5) Joseph, genannt Joe, britischer Politiker, * London 8. 7. 1836, ✝ ebenda 2. 7. 1914, Vater von 1) und 6); Unternehmer in Birmingham, dessen Bürgermeister er 1873 wurde; seit 1876 liberaler Abgeordneter; führte als Handelsminister (1880-85) soziale Reformen durch, ging als Gegner (Unionist) der irischen Home—Rule-Politik von W. E. Gladstone 1886 zu den Konservativen über, was zur Spaltung der Liberalen Partei führte. 1895-1903 war er Kolonialminister Als ein Hauptvertreter des britischen Imperialismus setzte er sich für die Unterwerfung der Buren in Südafrika (Burenkrieg), den Zusammenschluss der australischen Kolonien und die Unterwerfung des Sudan ein. Seine Bemühungen um ein deutsch-britisches Bündnis (1898-1901) und um die Einführung imperialistischer Schutzzölle (1902-06) scheiterten.
Ausgaben: Mr. Chamberlain's speeches, herausgegeben von C. W. Boyd, 2 Bände (1914); A political memoir, 1880-1892, herausgegeben von C. H. D. Howard (1953).
R. Jay: J. C., a political study (Oxford 1981).
6) Sir (seit 1925) Joseph Austen, britischer Politiker, * Birmingham 16. 10. 1863, ✝ London 16. 3. 1937, ältester Sohn von 5), Halbbruder von 1); 1892-1937 Abgeordneter, 1903-05 und 1919-21 Schatzkanzler. 1915-17 war er Staatssekretär für Indien (Rücktritt wegen der misslungenen Mesopotamien-Expedition), 1918 Mitglied des Kriegskabinettes, 1921/22 Führer der Konservativen und Lordsiegelbewahrer. Als Außenminister (1924-29) bemühte er sich um europäische Zusammenarbeit. Er erhielt für seine Verdienste um den Abschluss der Locarnoverträge zusammen mit C. G. Dawes den Friedensnobelpreis 1925. 1931 war Chamberlain kurzzeitig Erster Lord der Admiralität.
Werke: Down the years (1935); Politics from inside, an epistolary chronicle, 1906-14 (1936); Seen in passing (1937).
C. A. Petrie: Life and letters of the Right Honourable Sir A. C., 2 Bde. (London 1939-40);
D. Dutton: A. C. (Bolton 1985).
7) Owen, amerikanischer Physiker, * San Francisco (Calif.) 10. 7. 1920; seit 1954 Professor an der University of California in Berkeley; arbeitete 1942-46 am »Manhattan-Projekt« (Entwicklung von Kernwaffen) mit und befasst sich seitdem mit der Elementarteilchen- beziehungsweise Hochenergiephysik. Bei seinen mit E. Segrè, C. Wiegand und T. Ypsilantis durchgeführten Experimenten zur Protonenstreuung wurde 1955 das Antiproton entdeckt. Hierfür erhielt er mit Segrè 1959 den Nobelpreis für Physik.
Universal-Lexikon. 2012.