Streben einer Großmacht nach ständiger Ausdehnung ihrer Macht und ihres Einflusses:
der Imperialismus der europäischen Großmächte führte in den 1. Weltkrieg.
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Im|pe|ri|a|lịs|mus 〈m.; -; unz.; Pol.〉 Streben (eines Staates) nach Macht u. Besitzerweiterung [zu lat. imperialis „die Staatsgewalt betreffend, kaiserlich“; zu lat. imperium „Befehl, Herrschaft, Staatsgewalt“]
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Im|pe|ri|a|lịs|mus, der; -, …men <Pl. selten> [frz. impérialisme, zu spätlat. imperialis, ↑ imperial]:
1.
a) <o. Pl.> Bestreben einer Großmacht, ihren politischen, militärischen u. wirtschaftlichen Macht- u. Einflussbereich immer weiter auszudehnen:
der koloniale I.;
b) imperialistische Aktivität, einzelnes imperialistisches Unternehmen.
2. <o. Pl.> (marx. Wirtschaftstheorie) zwangsläufig eintretende Endstufe des Kapitalismus mit konzentrierten Industrie- u. Bankmonopolen.
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I Imperialismus
Imperialismus (lateinisch imperium = Herrschaft, Reich) bezeichnet zunächst das Streben eines Volkes bzw. Staates nach Herrschaft über andere Völker oder Staaten, also die Schaffung und Ausdehnung eines größeren Herrschaftsbereiches (Imperium) auf Kosten unterlegener anderer Völker. Der neue Nationalismus der europäischen Industriestaaten steigerte sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts rasch zum Imperialismus. Die nationalen Bewegungen forderten von den eigenen Regierungen, dem britischen Beispiel nachzueifern und sich ebenfalls mit dem Erwerb von Kolonien ein Weltreich zu schaffen, und wurden dabei von einer breiten Öffentlichkeit in ihren Ländern unterstützt. Großbritannien hatte seinen Machtbereich in der Welt durch Inbesitznahme überseeischer Territorien ausgebaut. Nun wirkten auch die übrigen europäischen Großmächte bei diesem imperialistischen Weltmachtstreben mit: Russland und Frankreich, die neuen Nationalstaaten Deutschland und Italien, bald auch die außereuropäischen Mächte USA und Japan.
Das Verlangen nach Kolonien wurde zunächst mit wirtschaftlichen Aspekten begründet: Die heimische Industrie wollte neue Absatzmärkte gewinnen und neue Rohstoffquellen erschließen. Für die ständig wachsende Bevölkerung in den industriellen Ballungsgebieten ver sprach man sich billige Nahrungsmittel. Als Legitimation für den rigorosen Landerwerb in Übersee hielt man missionarisches Gedankengut bereit; den »unterentwickelten« Völkern in Afrika und Asien sollten die Segnungen der europäischen Zivilisation und Kultur nahe gebracht werden, auch christlich-religiöses Sendungsbewusstsein wurde als Rechtfertigung des brutalen machtpolitischen Vorgehens angeführt.
Zugleich wurde der Herrschaftsanspruch der Imperialisten mit der anmaßenden These von der Überlegenheit der weißen Rasse begründet und von den pseudowissenschaftlichen Argumenten des Sozialdarwinismus vom Recht des Stärkeren unterstützt. Es entwickelte sich schließlich ein erbitterter Konkurrenzkampf der Großmächte untereinander, ein hektischer Wettlauf um die noch nicht verteilten, bisher »freien« Gebiete, zuerst in Afrika, später auch in Asien und Ozeanien. Das Ringen der Großmächte um den besten »Platz an der Sonne«, um die strategisch günstigste Weltmachtstellung führte immer wieder zu gefährlichen Krisensituationen, etwa zwischen Großbritannien und Frankreich in Afrika, zwischen Briten und Russen in Asien, zwischen Russland und Japan in Ostasien, zwischen den USA und Spanien in Lateinamerika.
Die Kritik am Imperialismus der Mächtigen entzündete sich zuerst an dem militärischen Aufwand und wurde zunehmend getragen von der in Europa um die Jahrhundertwende rasch erstarkenden, gegen Rüstung und Militarismus aufbegehrenden Arbeiterbewegung.
Imperialịsmus
[von lateinisch imperium »Befehlsgewalt«, zu spätlateinisch imperialis »den Herrscher betreffend«] der, -, seit dem 19. Jahrhundert gebrauchter politischer Begriff, der heute ein Herrschaftsstreben bezeichnet, das die Ausbildung von direkten bis indirekten Formen der Abhängigkeit zwischen Staaten zur Folge hat.
Im frühen 19. Jahrhundert bezeichnete Imperialismus in Frankreich die persönliche imperiale Herrschaft eines Herrschers über mehrere Territorien; nach 1870 stand der Begriff Imperialismus in allen europäischen Ländern in enger Verbindung mit dem Nationalismus für eine Politik der territorialen Expansion eines Staates.
Aus systematischer Perspektive bedeutet Imperialismus entweder die direkte, formelle, häufig gewaltsam herbeigeführte koloniale Gebietsherrschaft oder die indirekte, vermittelte, informelle Herrschaft politisch, militärisch und wirtschaftlich mächtiger Staaten über technisch und wirtschaftlich weniger entwickelte Regionen der Erde mit verschiedenen Mitteln. Unter diesem Aspekt bedeutet Imperialismus: die Ausnutzung fremder Ressourcen ohne gleichwertige Gegenleistung zur Stärkung und Steigerung der eigenen politischen und wirtschaftlichen Macht. Unter beiden Perspektiven steht der Imperialismus historisch in enger Verbindung mit dem Kolonialismus, in seiner indirekten Form bedient er sich der Mittel des Neokolonialismus.
Seit seiner Entstehung ist der moderne Imperialismus begleitet von einem kritischen Antiimperialismus; dabei zeigt sich jedoch häufig, dass sich der Begriff Imperialismus immer dann zu einem Schlagwort ausweitet, wenn die Haltung eines im internationalen Kräftespiel konkurrierenden Staates disqualifiziert werden soll.
Imperialismus als historische Erscheinung
Schon in der Antike und im Mittelalter wiesen Reichsbildungen imperiale Züge auf, verstärkt die im Rahmen der europäischen Entdeckungsfahrten und im Zeichen des Merkantilismus entstandenen - weitgehend indirekt beherrschten - Kolonialreiche Spaniens, Portugals, Englands, Frankreichs und der Niederlande (15. bis Anfang des 19. Jahrhunderts). Nach der Französischen Revolution von 1789 verband sich in Frankreich ein gesteigertes nationales Geltungs- und Sendungsbedürfnis unter den Kaisern Napoleon I. und Napoleon III. mit bestimmten (autoritären) Herrschaftsweisen und einem starken Expansionsdrang über die Grenzen Frankreichs hinaus.
Die Epoche des klassischen Imperialismus
(1880-1918): In der innerbritischen Auseinandersetzung um den Fortgang der britischen Kolonialpolitik entstand in den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts der Begriff Imperialismus als innenpolitischer Kampfbegriff. Die »große Depression« (zwischen 1870 und 1890), der Übergang der kontinentaleuropäischen Staaten zu nationalen Schutzzollsystemen, koloniale Rivalitäten v. a. mit Frankreich, die Furcht vor dem Panslawismus Russlands und seines Drangs zu den »warmen Meeren« sowie die Intensivierung des Nationalismus führten in Großbritannien zu einer sehr verbreiteten Reichsideologie. Neben Schriftstellern wie C. W. Dilke und J. R. Seeley setzten sich politische Persönlichkeiten (B. Disraeli, J. Chamberlain) für die Ausweitung des britischen Empire ein. Nicht nur in Großbritannien, auch in anderen Staaten wurde die öffentliche Meinung durch nationalistische oder rassistisch-biologische Formeln wie »white man's burden« (des weißen Mannes Bürde), »mission civilisatrice« (zivilisatorische Sendung), »am deutschen Wesen soll die Welt genesen«, »manifest destiny« (offensichtliche Bestimmung) geprägt. Nach der Niederlage von 1870/71 suchte Frankreich seine Großmachtstellung wiederzugewinnen. Die »verspäteten Nationalstaaten« Deutschland (unter Kaiser Wilhelm II.) und Italien entwickelten seit etwa 1890 einen expansiven Nationalismus, um sich im »Konzert der europäischen Mächte« wirtschaftlich und politisch zu behaupten. Russland trat als Vormacht des Panslawismus hervor. Im Zuge der verstärkten Industrialisierung der europäischen Staatenwelt sahen sich die einzelnen Länder innenpolitisch starken gesellschaftlichen Spannungen, außenwirtschaftlich starkem Konkurrenzdruck untereinander ausgesetzt.
Die Epoche des klassischen Imperialismus begann mit der Aufteilung Afrikas v. a. zwischen Großbritannien und Frankreich; Deutschland, Italien und Belgien schalteten sich wenig später in diesen Prozess ein. Das britische Protektorat über Ägypten 1882 stellte den Umschlag zum »formellen Imperialismus« dar und löste einen Wettlauf der europäischen Mächte um die Aufteilung der Erde aus. Auf der Berliner Afrikakonferenz 1884/85 wurde von den europäischen Mächten und den USA Kolonialbesitz erstmals völkerrechtlich legitimiert. Dies hatte zur Folge, dass nun alle Kolonialmächte den Übergang zum formellen Imperialismus vollzogen. Vor diesem Hintergrund beschleunigte sich der von »Subimperialisten« wie P. de Brazza, C. Rhodes und C. Peters und ihren Organisationen (u. a. British South Africa Company, Alldeutscher Verband) vorangetriebene Prozess, von kolonialen Besitzungen ausgehend, die Grenzen der europäischen Kolonialherrschaft auszudehnen. Der Vorstoß Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands in den asiatischen und pazifischen Raum, begleitet von der expansiven Asienpolitik Russlands und des seit 1868 sich erneuernden Japan, führte die Politik des Imperialismus in den 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts auf einen Höhepunkt. Auch die USA nahmen an dem Wettlauf um Einflusszonen, Absatzmärkte und Rohstoffquellen teil und schufen sich, gestützt auf ihre Wirtschaftskraft, im Pazifik, besonders aber in Lateinamerika eine starke Vorherrschaft (Dollardiplomatie), zum Teil in Rivalität mit Großbritannien. Die von einer starken Aufrüstung begleitete imperialistische Politik führte zu Krisen (z. B. Faschodakrise, Marokkokrisen) und kriegerischen Entwicklungen (z. B. Burenkrieg, Balkankriege) und war begleitet von der Ausrottung nahezu ganzer Völker (v. a. der Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika).
Hatte der Imperialismus seit den 1880er-Jahren zunächst die Konflikte der europäischen Großmächte an die Peripherie abgeleitet, so kehrten diese Konflikte nach erfolgter Aufteilung der Erde in der Vorphase des Ersten Weltkriegs verstärkt nach Europa zurück und führten in den Ersten Weltkrieg.
Wandlungen des Imperialismus
(seit 1918): Für die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg (1914-18) spricht W. J. Mommsen vom »verschleierten Imperialismus«. Auf nationalistischer oder rassistischer Grundlage entwickelten unter bestimmten Schlagworten der italienischen Faschismus (»mare nostro«), der deutsche Nationalsozialismus (»Lebensraum im Osten«, Unterwerfung Kontinentaleuropas) und der japanische Militarismus (»großostasiatische Wohlstandssphäre«) eine imperialistische Politik. Mit der Niederlage der Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg fanden diese extremistischen Expansionsideologien ihr Ende.
Aus dem Zweiten Weltkrieg (1939-45) gingen die USA und die UdSSR als Weltmächte hervor, deren Politik als Führungsmächte der freien Welt beziehungsweise des sozialistischen Lagers durchaus imperialistische Züge aufwies. Beide erhoben jeweils im bald ausgebrochenen Ost-West-Konflikt einen weltweiten politisch-ideologischen Anspruch. Die UdSSR hatte sich im Ergebnis des Zweiten Weltkriegs aufgrund ihrer militärischen Macht und mittels politische Einflussnahme in Mittel- und Osteuropa einen Herrschaftsbereich aufbauen können und gewann auch eine asiatische Einflusssphäre (Nord-Korea, Mongolische Volksrepublik, China). Die USA, die als einzige Großmacht wirtschaftlich unbeschädigt aus dem Krieg hervorgegangen waren, konnten in weiten Teilen Europas sowie in Japan ihren Einflussbereich sichern und die Prinzipien von Privateigentum, Marktwirtschaft, Freihandel und liberaler Demokratie durchsetzen. Die nach 1945 einsetzende Entkolonialisierung minderte demgegenüber weiter das Gewicht der alten Kolonialmächte, v. a. Großbritanniens und Frankreichs. Die neuen Staaten (v. a. in Afrika und Asien) verblieben jedoch zum Teil in indirekter, postkolonialer Abhängigkeit von den früheren Kolonialmächten (Neokolonialismus), zum Teil wurden sie zu einem neuen Feld des Ost-West-Konflikts. Versuche zur Bildung einer dritten weltpolitischen Kraft (Bandungkonferenz, Bewegung der Blockfreien) erwiesen sich als wenig tragfähig.
Imperialismustheorien
Trotz vieler Überschneidungen können bei den wissenschaftlichen Erklärungsmodellen zwei Grundrichtungen unterschieden werden; die eine geht von nichtökonomischen, meist politischen Faktoren aus, die andere vom Primat der Ökonomie. J. A. Schumpeter (1918) sah im Imperialismus vornehmlich einen »Atavismus« vorindustrieller Sozialstrukturen, das Ergebnis der psychischen Disposition von aristrokratischen »Herrenschichten« zu Krieg und Eroberung. M. Weber (1922) definierte ihn als »die Form der Wirkung kapitalistischer Interessen auf die Politik« und stellte den »Beutekapitalismus« (Ausbeutung von monopolistischen Chancen in Übersee) der traditionellen Eliten heraus. Neuere westliche Theoretiker (Hannah Arendt, G. Lichtheim, D. K. Fieldhouse) haben Imperialismus als Ergebnis extremen Nationalismus (»greater Britain«, »größeres Deutschland«) interpretiert, machtpolitisch gedeutet (W. L. Langer, W. Baumgart) oder sind von der Annahme eines zwangsläufigen Zusammenpralls der überlegenen westlichen Zivilisation mit den rückständigen Kulturen der Dritten Welt (D. S. Landes, H. Lüthy) ausgegangen. Vertreter der sozialökonomischen Theorien (u. a. Arendt, E. M. Winslow, W. W. Rostow) hoben unter Anknüpfung an Schumpeter und Weber die politisch-sozialen Interessen der herrschenden Eliten hervor, die ihren sozialen Status im Zuge des Industrialisierungs- und Demokratisierungsprozesses bedroht sahen. Ausgehend von den Stockungen und Schwankungen des Wirtschaftswachstums seit 1873 sah auch H.-U. Wehler einen »Primat der Innenpolitik«: Bismarcks Politik des formellen Kolonialismus sei von dem Motiv, den Liberalismus zu zerschlagen, geleitet gewesen. Von R. Robinson und I. Gallagher wurde in der These vom »Freihandelsimperialismus« die folgenreiche Unterscheidung zwischen dem »informellen« und dem »formellen« Imperialismus eingeführt; Letzterer als die spezifischste, nicht aber die häufigste Form imperialistischer Abhängigkeit habe entgegen den traditionellen europazentrischen Theorien aufgrund von Entwicklungen in Afrika und Asien selbst den älteren informellen Kolonialismus abgelöst.
Eine umfassende ökonomische Imperialismustheorie formulierte erstmals der Linksliberale J. A. Hobson (1902): Die Schaffung neuer Absatzmärke und v. a. die Suche nach profitablen Kapitalanlagemöglichkeiten seien die Triebkräfte beim Erwerb überseeischer Kolonien durch das britische Empire gewesen. Hobson ergänzt seine Theorie durch eine sozialpsychologische Analyse (so auch schon J. Bentham, J. S. Mill u. a.), die den Imperialismus als Ventil innenpolitischer Auseinandersetzung (Sozialimperialismus) interpretierte. Mit der Forderung nach investitionsintensiven Sozialreformen wandte er sich gegen die von C. Rhodes vertretene imperialistische Formel »Imperialismus oder Bürgerkrieg«. Auf Hobson fußt R. Hilferding, der entscheidend das marxistische Imperialismusverständnis bestimmte und mit dem Zusammenwirken von »Finanzkapital« und Staat den zwangsläufigen Charakter des Imperialismus für den Kapitalismus herausstellte (u. a. von Rosa Luxemburg im Zusammenhang mit der Mehrwerttheorie weiterentwickelt). N. Bucharin sah in den entgegengesetzten Prozessen von Internationalisierung der Wirtschaft und Nationalisierung der kapitalistischen Interessen den Steuerungsmechanismus des Imperialismus, der zum Weltkrieg führte. Lenin definierte durch fünf Merkmale das Wesen des Imperialismus als »höchstes Stadium des Kapitalismus«, dem er den raschen Zerfall voraussagte: Konzentration der Produktion und des Kapitals bis zur Bildung von wirtschaftsbeherrschenden Monopolen (Monopolkapitalismus); Verschmelzung des Bankkapitals mit dem Industriekapital; Entstehung einer Finanzoligarchie auf der Basis dieses Finanzkapitals; Kapitalexport; Herausbildung internationaler monopolistischer Kapitalistenverbände, die die Erde unter sich teilen. Diese Charakterisierung wurde nicht nur maßgeblich für die marxistisch-leninistische Theorie, sondern beeinflusste zusammen mit Lenins Plädoyer für ein Bündnis der UdSSR mit den antikolonialen Befreiungsbewegungen und Mao Zedongs Betonung des »revolutionären Kampfs« nachhaltig Intellektuelle und politische Führer der Dritten Welt.
Eine größere Elastizität des Kapitalismus wurde von K. Kautsky (früher schon O. Bauer) angenommen, der eine Phase des »Ultraimperialismus«, in der sich die Großmächte zusammenschließen und Frieden halten, in Betracht zog. Auch F. Sternberg, G. Grossmann, P. Sweezy u. a. modifizierten Lenins Theorie, als der allgemeine Zusammenbruch des Kapitalismus nach dem Ersten Weltkrieg und der russischen Revolution ausblieb. Nach dem Zweiten Weltkrieg sahen T. Kemp und E. Mandel den Schwerpunkt imperialistischer Politik wieder bei den Monopolen und multinationalen Gesellschaften, die den Staat in Dienst nehmen. Sie wandten sich damit gegen die Auffassung, der Imperialismus habe zusammen mit der formellen Kolonialherrschaft sein Ende gefunden, und schufen Grundlagen für neue Theorien der Abhängigkeit und Unterentwicklung. Auch H. Magdoff und P. A. Baran weisen auf die Reproduktion der Abhängigkeitsverhältnisse aus der Kolonialzeit beziehungsweise auf die mit noch größerer Rationalität betriebene Ausbeutung der Dritten Welt hin. Seit Mitte der 1960er-Jahre bildet die These der »strukturellen Abhängigkeit« der überwiegend aus Lateinamerika stammenden Autoren (A. G. Frank, T. dos Santos, A. Cordova, O. Sunkel) den Mittelpunkt der Dependencia-Theorien, die von J. Galtung zu einer allgemeinen Theorie (Zentrum-Peripherie-Modell) erweitert wurde.
I. im 20. Jh., hg. v. J. Radkau u. a. (a. d. Engl., 1976);
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H.-U. Wehler: Bibliogr. zum I. (1977);
H.-U. Wehler: Der Aufstieg des amerikan. I. (21987);
I., hg. v. H.-U. Wehler (Neuausg. 1979);
W. J. Mommsen: I.-Theorien (21980);
G. Schöllgen: I. u. Gleichgewicht. Dtl., England u. die oriental. Frage 1871-1914 (1984);
Gustav Schmidt: Der europ. I. (1985);
E. W. Said: Kultur u. I. (a. d. Amerikan., 1994).
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Im|pe|ri|a|lịs|mus, der; -, ...men <Pl. selten> [frz. impérialisme, zu spätlat. imperialis, ↑imperial]: 1. a) <o. Pl.> Bestreben einer Großmacht, ihren politischen, militärischen u. wirtschaftlichen Macht- u. Einflussbereich immer weiter auszudehnen: der koloniale I.; mit dem wirtschaftspolitischen Nationalismus entwickelte sich der politische I. (Fraenkel, Staat 136); Die Niederlage der Buren konnte die Expansion des deutschen I. nicht stoppen (horizont 12, 1977, 22); b) imperialistische Aktivität, einzelnes imperialistisches Unternehmen: das Interesse an Absatzgebieten, die Rivalität zu den anderen ... Imperialismen (Deutsche Literaturzeitung 1, 1975, Sp. 50). 2. <o. Pl.> (marx. Wirtschaftstheorie) zwangsläufig eintretende Endstufe des Kapitalismus mit konzentrierten Industrie- u. Bankmonopolen: inzwischen weiß ich über den Monopolkapitalismus als I. viel besser Bescheid (Johnson, Mutmaßungen 127).
Universal-Lexikon. 2012.