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Tieck
Tieck,
 
1) Christian Friedrich, Bildhauer, * Berlin 14. 8. 1776, ✝ ebenda 12. 5. 1851, Bruder von 2) und 3); Vertreter des Klassizismus, war 1794-97 Schüler von G. Schadow in Berlin, 1798-1801 im Atelier von J.-L. David in Paris, 1802-05 in Weimar (Bauplastik für das Schloss ebenda). In Rom (1805-09) lernte er C. D. Rauch kennen, mit dem er (ab 1819) in Berlin ein gemeinsames Atelier unterhielt. 1809 arbeitete Tieck in München an 24 Porträtbüsten für die Walhalla in Donaustauf (Marmorausführung 1812-19 in Carrara). Er schuf die Entwürfe für vier Schlachtgenien für das Kreuzbergdenkmal in Berlin (1921 eingeweiht) und arbeitete dann nahezu drei Jahrzehnte an der Bauplastik für das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt in Berlin. 1830 wurde Tieck Direktor der Skulpturengalerie des Berliner Museums.
 
Weitere Werke: Statue J. Neckers (1816-18; Schloss Coppet); Marmorsitzbild A. W. Ifflands (1824-27; Berlin, Schauspielhaus am Gendarmenmarkt); Rossebändiger am Dach des Alten Museums (1827/28; Berlin); Porträtbüsten von Goethe (1801, 1820; Weimar, Goethe-Nationalmuseum).
 
 2) Johann Ludwig, Pseudonym Peter Lebrecht, Gottlieb Fạ̈rber, Schriftsteller und Philologe, * Berlin 31. 5. 1773, ✝ ebenda 28. 4. 1853, Bruder von 1) und 3); 1782-92 Besuch des Friedrichwerderschen Gymnasiums in Berlin (mit W. H. Wackenroder als Mitschüler). Von 1792 an studierte er Theologie, Geschichte und Philologie an den Universitäten Halle (Saale), Göttingen und Erlangen. 1794-98 hielt sich Tieck in Berlin auf, wo er im Haus des Hofkapellmeisters J. F. Reichardt verkehrte, dessen Schwägerin Amalie Alberti (* 1769, ✝ 1837) er heiratete. Danach folgten Aufenthalte und Besuche in Jena, Dresden und Weimar, wo er mit den Brüdern A. W. und F. Schlegel, mit Novalis, C. Brentano, F. W. J. von Schelling und J. G. Fichte zusammentraf und auch Goethe und Schiller begegnete. 1802-18 lebte Tieck meist auf Gut Ziebingen (heute Cybinka, bei Reppen), daneben unternahm er zahlreiche Reisen, u. a. nach Rom und Florenz (1805-06), Prag (1813) und London (1817). 1803 begegnete er Henriette von Finckenstein (* 1777, ✝ 1847), die seine Förderin und Geliebte wurde. Mit ihr und seiner Familie kehrte Tieck nach Auflösung des Ziebinger Kreises nach Dresden zurück, wo er ab 1825 als Hofrat und Dramaturg am Hoftheater wirkte; seine Wohnung wurde dabei sehr schnell zum Mittelpunkt des literarischen Lebens der Stadt. 1842 siedelte er auf Einladung König Friedrich Wilhelms IV. als Berater des Hoftheaters nach Berlin über. Schwer gichtleidend und zuletzt in dürftiger materieller Lage, starb Tieck nach langen Krankheitsjahren vereinsamt. - Bereits in der Schulzeit entdeckte er Shakespeares Werke für sich. »Sommernacht« heißt dann auch die erste erhaltene Dichtung Tiecks (1789), der rasch weitere dramatische und erzählerische Arbeiten folgten. 1791 wurde er Mitarbeiter an den »Genie- und Schauerromanen« seines Lehrers Friedrich Eberhard Rambach (* 1767, ✝ 1826). Während des gemeinsam mit Wackenroder an der Universität Erlangen verbrachten Sommersemesters 1793 unternahmen die Freunde zahlreiche Wanderungen durch Franken, die für sie die Entdeckung der altdeutschen Kunst (A. Dürer) und Stadtkultur (Nürnberg), der Renaissance (Besuch der Galerie auf Schloss Pommersfelden), v. a. aber der ländlichen Natur bedeuteten. Diese Eindrücke schlugen sich in den in enger Zusammenarbeit zwischen Tieck und Wackenroder entstandenen empfindsamen »Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders« (1796/97) nieder, später als »Phantasien über die Kunst,. ..«(1799). 1794 Mitarbeit an Rambachs »Berlinischem Archiv der Zeit und ihres Geschmacks«, 1795-97 an den von F. Nicolai herausgegebenen »Straußfedern«, einer auf moralisierender Unterhaltung und Bearbeitungen englischer und französischer Vorlagen ausgerichteten literarischen Sammlung. Tieck selbst veröffentlichte darin 13 Erzählungen; noch im Stil der Spätaufklärung geschrieben, begründeten sie die moderne soziale Satire. Zur gleichen Zeit schloss Tieck den Briefroman »Die Geschichte des Herrn William Lovell« (3 Bände, 1795-96) ab, die Geschichte eines jungen Mannes, den Lebensunzufriedenheit, Selbstzweifel und das Gefühl der (auch politischen) Ohnmacht zu Zynismus und ins Verbrechen treiben. Unter dem programmatischen Titel »Volksmährchen« (3 Bände, 1797) gab Tieck Texte der frühen Romantik heraus, so die Erzählung von der schönen Magelone, die romantisch-ironische Komödie »Der gestiefelte Kater«, aber auch Kunstmärchen einer neuen Art wie »Der blonde Eckbert«. Tiecks Konzept künstlerischer Imagination verbindet sich in dem Künstlerroman »Franz Sternbalds Wanderungen« (2 Bände, 1798) mit der Erinnerung an den früh verstorbenen Wackenroder und macht die Figur des vagabundierenden Malerpoeten zum Muster romantischer Welterfahrung. Alle Dichtungsgattungen und den Kanon romantischer Motive vereinigte Tieck in dem Lustspiel »Kaiser Octavianus« (1804). Den Anstoß für die Sammlung und Erschließung mittelalterlicher Literatur gab die Anthologie und Übersetzung »Minnelieder aus dem Schwäbischen Zeitalter« (1803); 1812 veröffentlichte Tieck Ulrich von Lichtensteins »Frauendienst«. Dichtungen seiner Jugendzeit verknüpfte er mit späteren Werken zu der mit geistreichen Gesprächen umrahmten Sammlung »Phantasus« (3 Bände, 1812-16), in der sich der Wandel von romantischer Fantastik zu schlichterem Realismus ankündigte. Hiervon waren dann v. a. die Novellen Tiecks geprägt, die zunächst einzeln in verschiedenen Taschenbüchern (besonders Brockhaus' »Urania«), dann wiederholt gesammelt (»Gesammelte Novellen«, 14 Bände, 1835-42) erschienen. Seine Wendung zur historischen Erzählung war v. a. beeinflusst durch die Rezeption W. Scotts. In der Novelle »Der Aufruhr in den Cevennen« (1826) gelangte er zu einer eigenen, Mehrdeutigkeiten erkennbar machenden Form. Eigentliches Hauptwerk seines Lebens sollte, nach Tiecks eigenem Wunsch, ein Buch über Shakespeare sein. Studien dazu sind greifbar in nachgelassenen Notizen, in einigen Novellen und in den »Kritischen Schriften« (4 Bände, 1848-52), die gegen das Theater der totalen Illusion eine Bühne der heiteren und ironischen Distanz stellen. Tieck setzte das von A. W. Schlegel begründete Unternehmen der Shakespeare-Übersetzung unter Mitarbeit seiner Tochter Dorothea (* 1799, ✝ 1841) und W. H. Grafs von Baudissin fort (»Shakespeare's dramatische Werke«, 9 Bände, 1825-33). - Tieck war der produktivste und wandlungsfähigste Autor der frühromantischen Generation. Er hat die Gattungen der Märchennovelle und des Künstlerromans entworfen, die romantische Stimmungslyrik geschaffen, das Prinzip der romantischen Ironie realisiert und die Formen der zeitkritischen und historischen Novelle entwickelt. Dem romantischen Konzept der Weltliteratur diente auch Tiecks überragende Übersetzung des »Don Quijote« (4 Bände, 1799-1801). Für das Theater sammelte er altdeutsche und altenglische Stücke, J. G. Schnabels Roman »Wunderliche Fata einiger Seefahrer« (4 Bände, 1731-43) gab er 1828 unter dem Titel »Die Insel Felsenburg« (6 Bände) neu heraus. Den Freunden W. H. Wackenroder und Novalis setzte er Denkmäler mit ersten Werkausgaben, auch für H. von Kleist, J. M. R. Lenz u. a. besorgte er Editionen von Rang.
 
Ausgaben: Gedichte, 3 Teile (1821-23, Nachdruck 1967); Schriften, 28 Bände (1828-54, Nachdruck 1966); Nachgelassene Schriften, herausgegeben von R. Köpke, 2 Bände (1855, Nachdruck 1974); Werke. Nach dem Text der Schriften von 1828-1854, herausgegeben von M. Thalmann, 4 Bände (21978-88); Schriften, herausgegeben von M. Frank u. a., auf 12 Bände berechnet (1985 ff.).
 
Briefe: Aus Tiecks Novellenzeit. Briefwechsel zwischen L. Tieck und F. A. Brockhaus, herausgegeben von H. Lüdeke von Möllendorf (1928); Letters to and from L. Tieck and his circle, herausgegeben von P. Matenko u. a. (1967); Briefe. L. Tieck und die Brüder Schlegel, herausgegeben von E. Lohner (1972).
 
Literatur:
 
R. Köpke: L. T. Erinnerungen aus dem Leben des Dichters nach dessen mündl. u. schriftl. Mitteilungen, 2 Bde. (1855, Nachdr. 1970);
 E. H. Zeydel: L. T., the German romanticist (Princeton, N. J., 1935, Nachdr. Hildesheim 1971);
 
L. T., hg. v. W. Segebrecht (1976);
 J. P. Kern: L. T. Dichter einer Krise (1977);
 
König der Romantik. Das Leben des Dichters L. T. in Briefen, Selbstzeugnissen u. Berichten, hg. v. K. Günzel (1981);
 R. Paulin: L. T. Eine literar. Biogr. (a. d. Engl., 1988);
 M. Zybura: L. T. als Übersetzer u. Herausgeber (1994);
 A. Gebhardt: L. T. Leben u. Gesamtwerk des »Königs der Romantik« (1997).
 
 3) Sophie, Schriftstellerin, Bernhardi, Sophie.
 

Universal-Lexikon. 2012.