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Rock 'n' Roll
Rock 'n' Roll 〈[rɔ̣kn rl] m.; - - -; unz.; Mus.〉 = Rock and Roll

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Rock 'n' Roll ['rɔkn̩'rɔl , …'ro:l , engl.: 'rɔkn'roʊl ], Rock and Roll ['rɔk ɛnt 'rɔl, '- - 'ro:l, engl.: 'rɔk ənd 'roʊl], der; - - -[s], - - -s [engl. rock and roll, rock 'n' roll, eigtl. = wiegen und rollen]:
1. <o. Pl.> (Anfang der 50er-Jahre in Amerika entstandene Form der) [Tanz]musik, die den Rhythm and Blues der Farbigen mit Elementen der Countrymusic u. des Dixieland verbindet.
2. stark synkopierter Tanz im 4/4-Takt.

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I
Rock 'n' Roll
 
['rɔkn'rəʊl; englisch rock and roll, eigentlich »wiegen und rollen«] der, -(s)/-(s),  
 1) Musik: um 1955 in den USA aus dem (schwarzen) Rhythm and Blues und der (weißen) Countrymusic entstandener Musikstil, zu dessen Merkmalen ein schnelles Tempo, ekstatische Offbeatphrasierung, Lautstärke sowie eine standardisierte Besetzung (Gesang, elektrisch verstärkte Solo-, Rhythmus- und Bassgitarre, Saxophon, Schlagzeug) gehören. Der R. 'n' R., Ausgangspunkt für die Entwicklung von Pop- und Rockmusik, änderte das Ausdrucksideal der westlichen Unterhaltungsmusik grundlegend und wurde zur Äußerungsform für die Emanzipationsbestrebungen der sich gleichzeitig ausbildenden jugendlichen Protestkultur (Teddyboys, Rocker u. a.). Stilprägende Interpreten waren u. a. E. Presley, B. Haley, C. Berry, Buddy Holly (* 1936, ✝ 1959) und Little Richard.
 
 
 2) Tanzsport: Wettkampfdisziplin für Einzelpaare und Formationen aus vier Paaren. Vorgeführt werden eine Fuß-/Beintechnikrunde und eine Akrobatikrunde, u. a. mit Überschlägen, Sprüngen und Würfen. Der akrobatische Turniertanz im 4/4-Takt entwickelte sich um 1955 aus dem Boogie-Woogie, einem aus den USA stammenden Modetanz im 4/4-Takt. - Beim Rock 'n' Roll werden nationale und internationale Meister der Amateure ermittelt; Profis tragen nur Weltmeisterschaften aus. - Organisiert wird die Disziplin in Deutschland vom Deutschen Rock 'n' Roll-Verband (DRRV), der dem Deutschen Tanzsportverband (DTV) angehört (Tanzsport).
II
Rock 'n' Roll,
 
Abkürzung R & R [amerikanisch,'rɔkn'rəʊl; auch Rock and Roll, Rock & Roll], kommerzielles Etikett für ein Konglomerat im Einzelnen recht verschiedenartiger Formen der populären Musik Nordamerikas sowohl aus der weißen Country-and-Western- als auch der afroamerikanischen Rhythm-and-Blues-Tradition, die sich in den Jahren 1954 bis 1958 mit einer bis dahin nicht gekannten Vehemenz und vor allem über die hohen Rassenschranken hinweg unter der amerikanischen Jugend durchgesetzt und in der Konsequenz zur Herausbildung eines spezifischen kulturellen Marktes für Jugendliche mit weitreichenden Folgen für die etablierte Musikindustrie geführt haben und wenige Jahre später zum Ausgangspunkt der Rockmusik (Beat) wurden. Die Bezeichnung ist der Blues-Sprache entnommen, wo sie einen vieldeutigen Slang-Ausdruck zur Umschreibung des Geschlechtsverkehrs und zugleich für rhythmische Bewegungsvorgänge anderer Art — die Schienenstöße der Eisenbahn, das Tanzen in der typischen afroamerikanischen Form — darstellt. Die Phrase rock and roll gehörte zum Standardvokabular vieler Rhythm-and-Blues-Texte, in deren Titeln sie sich häufig auch findet, wie beispielsweise in dem 1947 erschienen »Good Rockin' Tonight« von Roy Brown (1925-1981) oder in »Rock All Night Long« von den Ravens aus dem Jahre 1948. Als allgemeine Bezeichnung zunächst für solche Rhythm-and-Blues-Songs, die bei den weißen Jugendlichen auf immer größere Resonanz stießen, wurde sie von dem Radio-Discjockey (Discjockey) Alan Freed (1922-1965) eingeführt, der seine Sendung Record Rendezvous bei der Station WJW in Cleveland überwiegend auf afroamerikanischen Rhythm and Blues für weiße Hörer spezialisierte und sie 1953 in The Moondog Rock and Roll House Party umbenannte. Ab 1954 lief sie als Alan Freeds Rock 'n' Roll Party über die Station WINS in der Musikmetropole New York, wo sie eine für die damalige Zeit ungewöhnliche Popularität erzielte. Seine Musikauswahl erwies sich dabei als so verkaufsintensiv, dass diese Titel dann schließlich auch im großen Stil unter dem Etikett Rock 'n' Roll vermarktet wurden.
 
Die rasche Ausweitung des Rhythm and Blues Anfang der Fünfzigerjahre über die Rassenschranken hinweg hatte ihre soziale Ursache in der Situation der weißen amerikanischen Nachkriegsjugend. Dem Konformitätsdruck und Leistungszwang wurde eine Philosophie des Lebensgenusses um seiner selbst willen entgegengesetzt, wofür die Musik der Schwarzen mit ihrer rhythmischen und sinnlichen Intensität nicht nur ein ideales Identifikationsobjekt abgab, sondern zugleich — weil in der amerikanischen Öffentlichkeit als anstößig und amoralisch, vor allem aber als primitiver Ausdruck des »Ganz unten« in der sozialen Hierarchie vehement abgelehnt — die Funktion einer Art Oppositionssymbol erhielt. Eine wichtige Rolle spielten in diesem Prozess die vielen Rhythm-and-Blues-Rundfunkstationen (Rhythm and Blues), die — obwohl auf schwarze Hörer abgestellt — weiße Jugendliche mit dieser Musik bekannt machten und eine entsprechende Nachfrage erzeugten. Die Einführung der billigen Portable Receiver, der Kofferradios, hatte die Voraussetzung für einen eigenständigen Umgang Jugendlicher mit diesem Massenmedium geschaffen. In der Rhythm-and-Blues-Rezeption weißer Jugendlicher dominierten Interpreten wie Fats Domino (* 1928) mit seinem »The Fat Man« (1950), Lloyd Price (* 1934) mit »Lawdy Miss Clawdy« (1952), Ruth Brown (* 1928) mit ihrem »5-10-15 Hours« (1952) sowie Joe Turner (1911-1985) mit »Chains of Love« (1951) und »Sweet Sixteen« (1952). Schon 1952 wurde der Gesamtumsatz auf dem Rhythm-and-Blues-Markt mit etwa 15 Millionen Dollar geschätzt, und diese Zahl verdoppelte sich noch einmal im Jahr darauf. Für die etablierte Industrie (Tin Pan Alley) bedeutete diese um sich greifende Begeisterung für die afroamerikanische Musik unter ihren potenziellen Käufern, den weißen Jugendlichen, einen empfindlichen Verlust von Marktanteilen. Sie reagierte auf ihre Weise und produzierte die erfolgreichsten Rhythm-and-Blues-Titel mit den bei ihr unter Vertrag stehenden weißen Musikern einfach nach. Eher einen Zufallstreffer hatten mit diesem Verfahren der Cover Versions schon 1954 die Mercury Records, als sie mit der kanadischen Gruppe Crew Cuts den Titel »Sh-Boom« des schwarzen Vokalensembles Chords noch einmal herausbrachten. Mit Perry Comos (1912-2001) Fassung von Gene and Eunices »Ko Ko Mo« (1955) bei der RCA Victor und Pat Boones (* 1934) Versionen von Fats Dominos »Ain't It a Shame« (1955) sowie Little Richards (Richard Penniman, geboren 1935) »Tutti Frutti« (1955) begann dann die systematische Ausschlachtung der Rhythm-and-Blues-Charts (Charts) durch weiße Cover Versions. Im Zusammenhang damit wurden auch Bill Haley (1927-1981) mit Joe Turners (1911-1985) »Shake, Rattle and Roll« (1954) und Elvis Presley (1935-1977) mit Willie Mae Thorntons (1926-1984) »Hound Dog« (1956) populär.
 
Während solche Nachproduktionen erfolgreicher Rhythm-and-Blues-Titel zunächst noch voll und ganz an den Produktionsnormen und der Ästhetik der Tin-Pan-Alley-Schlagerfabrik (Tin Pan Alley) orientiert waren, versuchten sowohl Bill Haley als auch vor allem Elvis Presley die Eigenheiten der schwarzen Originale zu imitieren und deren rhythmisch-betonte Intensität mit der starken Hervorhebung des Beat, die Gesangstechnik des Shouting (Shout), ihren aggressiven und aufreizenden Sound einzubeziehen. Damit wurde die Ästhetik der schwarzen Musik zu einem immer beherrschenderen Faktor auf dem Popsektor und fand in den weißen amerikanischen Jugendlichen eine neue soziale Basis.
 
Für die möglichst stilgetreuen Imitationen des schwarzen Rhythm and Blues durch weiße Sänger ursprünglich aus der Country-and-Western-Tradition des Südens wie Elvis Presley, Carl Perkins (1932-1998) und Jerry Lee Lewis (* 1935) kam damals auch die Bezeichnung Rockabilly auf. Mit einer stilistischen Synthese von Country and Western und Rhythm and Blues, wie der Rock 'n' Roll oft insgesamt, zwar erheblich verzerrt und damit falsch, aber weitverbreitet definiert wird, hatte aber auch das nichts zu tun. Vielmehr handelte es sich um eine Koppelung beider Traditionen durch die Tonträgerindustrie, denn derartige Rhythm-and-Blues-Imitationen erschienen auf Singles häufig mit einem Country-and-Western-Song auf der Rückseite.
 
Ab 1955, angefangen mit Chuck Berrys (* 1931) »Maybellene«, setzten sich dann schließlich auch die afroamerikanischen Originale des Rhythm and Blues auf dem nationalen amerikanischen Markt für Popular Music durch, der bis dahin ausschließlich von weißen Musikern und ihren Firmen beherrscht worden war. Damit geriet die Struktur des amerikanischen Musikmarktes, wie sie sich in den Auflistungsmodalitäten der Charts mit ihren verschiedenen Rubriken am deutlichsten spiegelte, erheblich in Bewegung, was zu einem äußerst harten Konkurrenzkampf um Marktanteile führen sollte. Immer häufiger erschienen unter den Top Hundred Singles der Pop-Charts nun Aufnahmen, die zugleich auf dem Rhythm-and-Blues-Markt für schwarze Käufer zu den Hits gehörten, und zwar von schwarzen wie von weißen Interpreten. Elvis Presleys Version von »Hound Dog« (1956) erreichte 1956 als erster Titel sogar die Spitzenposition sowohl in der Pop- als auch der Country-and-Western- und der Rhythm-and-Blues-Rubrik der Billboard-Charts. Dieses als Cross-over bezeichnete Phänomen ist für den Rock 'n' Roll dann auch weit eher kennzeichnend als irgendein spezifisches musikalisch-stilistisches Kriterium. Das Verkaufsetikett Rock 'n' Roll repräsentierte nicht etwa einen neuen musikalischen Stil, sondern jene Rhythm-and-Blues-Titel, die sich bei den weißen Jugendlichen durchgesetzt hatten (Rhythm and Blues Cross-over), deren Nachproduktionen durch weiße Musiker und die Rockabilly-Version der Rhythm-and-Blues-Stilistik. Allerdings ist der Rock 'n' Roll mit dem Rhythm and Blues insofern auch nicht einfach identisch, als er zum einen durch Weiße interpretiert wurde, die von einer ganz anderen Art des Musizierens herkamen, was sowohl an der Art der Intonation als auch vor allem an der rhythmischen Umsetzung dieser Stilistik spürbar blieb. Zum anderen zwang das die schwarzen Musiker selbst zu Konzessionen an ihre neue weiße Hörerschaft, denn ihre Musik war in der Vermarktung als Rock 'n' Roll nicht mehr der kulturelle Ausdruck der afroamerikanischen Minderheit in den USA, sondern wurde vielmehr immer zielgerichteter für die viel größere Käuferschicht der weißen amerikanischen Jugendlichen produziert. Das änderte die Inhalte — die Texte wurden den Erfahrungsbereichen weißer Jugendlicher in Elternhaus, Schule und Freizeit angeglichen —, änderte seine Präsentationsformen, die zunehmend von Showeffekten und Bühnengags beherrscht wurden (Little Richards Klavierakrobatik, Chuck Berrys Entengang »Duck Walk«, Elvis Presleys Hüftenschwenken usw.) und bedeutete musikalisch eine Selektion solcher Titel und Spielweisen aus der vielschichtigen Rhythm-and-Blues-Tradition, die als hot, als ungezügelt, wild und besonders nonkonformistisch, galten.
 
Insgesamt lassen sich in dem, was damals unter dem Verkaufsetikett Rock 'n' Roll vermarktet wurde, grob fünf verschiedene Spielweisen unterschiedlicher Herkunft ausmachen, die sich jeder einheitlichen Festlegung auf gemeinsame stilistische Kriterien entziehen. Den Rock 'n' Roll in der Chicagoer Rhythm-and-Blues-Tradition repräsentierten vor allem Chuck Berry und Bo Diddley (* 1928). Der Rock 'n' Roll aus New Orleans, wie er von Fats Domino, Lloyd Price, dem Sänger und Pianisten Henry Roeland Byrd, genannt Professor Longhair (1918-1980), und Little Richard vertreten wurde, stand in der Blues- und Boogie-Tradition des Südens (Blues, Boogie-Woogie). Der gospelbeeinflusste Rhythm and Blues der schwarzen Vokalgruppen wie der Drifters, der Coasters, der Dominoes bildete nach 1955 ebenfalls einen eigenständigen Bestandteil des Rock 'n' Roll. Jumpblues und Western Swing zählten zu den Grundlagen des Rock 'n' Roll im Combo-Sound aus dem amerikanischen Norden, für den Bill Haley mit seinen Comets und Freddie Bell and the Bell Boys die Repräsentanten waren. Die einzige Spielweise des Rock 'n' Roll, die in Zusammenhang mit diesem Verkaufsetikett erst aufkam und nicht schon lange vorher existiert hatte, war die Rockabilly-Imitation der afroamerikanischen Musik aus dem Süden der USA durch weiße Sänger wie Elvis Presley, Carl Perkins, Jerry Lee Lewis und die Texaner Roy Orbison (1936-1988) und Buddy Holly (1936-1959). Gemeinsamkeiten lassen sich durch den Bezug aller dieser Spielweisen auf die Blues und Rhythm-and-Blues-Tradition lediglich in der durchgängigen Verwendung der Bluesformel und, als Folge der eindeutigen Funktion, für die Jugendlichen in erster Linie Tanzmusik zu sein, in der ausgeprägten Betonung des Grundrhythmus ausmachen.
 
Ende der Fünfzigerjahre hatte die etablierte Musikindustrie die Situation dann so weit unter ihrer Kontrolle, dass ihre Produktionsnormen das Erscheinungsbild der populären Musik in den USA wieder beherrschten. Einerseits verdrängte der Twist 1959/60 den Rock 'n' Roll, mit dem der Sänger Chubby Checker (* 1941) das inzwischen zum Tanzstil avancierte Hüftenschwenken von Elvis Presley zu einem sportlichen Massenvergnügen auf dem Tanzsaal noch einmal für alle Altersgruppen des Tanzpublikums ausbaute (»The Twist«, 1960; »Let's Twist Again«, 1961), andererseits wurde der neu entdeckte Teenager-Markt nun mit kurzlebigen Idolen beliefert, die wie Paul Anka (* 1941), Anette (* 1942), Connie Francis (* 1938) oder Brenda Lee (* 1944) kaum älter als ihr Publikum waren und wieder Songs nach dem bewährten Muster der Tin-Pan-Alley-Tradition verkauften (Brill-Building-Pop).
 
Trotzdem hatte der Rock 'n' Roll eine Reihe von Konsequenzen, die zur Voraussetzung für die weitere Entwicklung der populären Musik werden sollten und ihn schließlich zum Ausgangspunkt der Rockmusik gemacht haben. Der entscheidendste Faktor war dabei die Ausrichtung der Musikindustrie auf die alterspezifischen Musikbedürfnisse Jugendlicher, deren Umgangsweisen mit Musik ebenso wie ihr Lebensgefühl und ihre Lebensanschauungen sich nun immer nachdrücklicher sowohl im Text als auch musikalisch Geltung verschafften, verbunden mit der Formierung eines speziellen Jugendmarktes und darin eingeschlossen der Herausbildung spezifischer Jugendmedien. Jugendzeitschriften und -magazine, die Filmindustrie, Radio- und Fernsehsendungen und natürlich der gewaltig expandierende Schallplattenmarkt, dessen Umsatzraten mit der Verbreitung des Rock 'n' Roll um annähernd dreihundert Prozent stiegen, haben mit der Kategorie »Teenager« ein Konsumleitbild eigener Art geschaffen. Auf dieser Basis sind die Strukturen der Produktion und Verbreitung von Musik dann immer komplexer geworden, wurde sie selbst immer unmittelbarer an die Massenkommunikationsmittel und die Entwicklung entsprechender Technologien in diesem Bereich gebunden. Die Schallplatte begann sich damit als die beherrschende Existenzform in diesem Musikbereich durchzusetzen. Und schließlich sind mit dem Siegeszug des Rock 'n' Roll die Traditionen der afroamerikanischen Musik zu einem integralen Bestandteil der populären Musikformen geworden, was die weitere Entwicklung nachhaltig geprägt hat.
 
Siehe auch: Rockmusik.

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Rock 'n' Roll ['rɔkn̩'rɔl, ...'ro:l, engl.: 'rɔkn'roʊl], der; ---s, ---s [engl. rock and roll, rock 'n' roll, eigtl. = wiegen und rollen]: 1. <o. Pl.> (Anfang der 50er-Jahre in Amerika entstandene Form der) [Tanz]musik, die den Rhythm and Blues der Farbigen mit Elementen der Countrymusic u. des Dixieland verbindet. 2. stark synkopierter Tanz im 4/4-Takt.

Universal-Lexikon. 2012.